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BRENNA TUATS SCHON LANG

Hubert von Goisern: "Ich war ein unglaublich fauler Mensch"

NEWS 23. April 2015 | Foto: © ORF/Hans Leitner

Der Musiker über seine Anfänge, seinen großen Hit und was ihn in Österreich stört

Brenna tuat's schon lang bei Hubert von Goisern. Seine Leidenschaft für die Musik hat der österreichische Musiker schon in der Jugend entdeckt – und diese hält bis heute ungetrübt an. Mit Koa Hiatamadl schoss der davor nicht vom Erfolg gesegnete Musikant erstmals in die Hitparaden und wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Nun, über 20 Jahre und eine vielseitige Karriere später, widmet sich eine Kinodokumentation dem heimischen Sänger. Im NEWS.AT-Interview spricht Hubert von Goisern über die Reise seines Lebens, seinen großen Hit und die österreichische Politik.

Hubert von GoisernMenschen sind es, die die Reise unseres Lebens am meisten prägen. Welche Menschen spielten auf deiner Reise eine große Rolle?

Das waren sehr sehr viele Leute, die ich entlang des Weges getroffen habe. Ich habe sieben Jahre in Wien gewohnt und bin von der Großzügigkeit vieler Menschen abhängig gewesen, in der Zeit, wo ich kaum Geld verdient habe. Auch viele Menschen, denen ich persönlich nie begegnet bin, deren Gedanken ich über Bücher oder Medien kennengelernt habe, die mich beeinflusst haben.

Es war in deinen jüngeren Jahren nicht üblich, das Hobby Musik zum Beruf zu machen. Was hättest du gemacht, wenn es nicht geklappt hätte mit der Musik?

Ich habe alles Mögliche probiert. Ich habe einen Beruf gelernt, Chemielaborant, und habe da auch die Facharbeiter-Prüfung abgeschlossen, aber ich habe mich nirgendwo wohl gefühlt. Ich war sehr neugierig, aber es hat mich nichts so fasziniert, dass ich dem mein ganzes Feuer, meine Energie widmen hätte wollen oder können und ich kam mir, bevor ich Musik zu meinem Beruf gemacht habe, sehr überflüssig in der Welt vor. Ich muss ehrlich sagen, ich muss mich zu allem überwinden. Ich war ein unglaublich fauler Mensch, ich hab auch für die Schule nie gelernt. Ich habe mich so durchgetanzt, aber ich hatte lange Zeit Angst, dass wer draufkommt, dass ich eigentlich faul bin und nichts kann und nichts tue. Musik war das einzige, wo es mir ganz leicht gefallen ist, dass ich mich extrem damit beschäftige. Da kann ich mich vertiefen, da kann ich mich darin verlieren. Was sonst nicht so schnell der Fall ist. Vielleicht beim Skifahren ...

Als Opener für Rainhard Fendrich bist du einmal richtig ausgepfiffen und ausgebuht geworden. Wie geht es einem bei so etwas? Denkt man da darüber nach, nie wieder eine Bühne zu betreten?

Nein. In solchen Situationen habe ich vielleicht diesen lebenserhaltenden Reflex, dass ich mir denke: "Alle anderen sind Deppen", also alle sind Geisterfahrer, nur ich nicht.
Also, ja, es gab schon Momente, wo ich dachte, das klappt nicht oder mich gefragte, habe wie ich das hinkriegen soll, dass es funktioniert, dass ich soviel Geld verdiene, dass ich mir mein Leben leisten kann. Währenddessen war ich angewiesen, Geschenke anzunehmen, wie zum Beispiel dass mich immer wieder Leute zum Essen eingeladen haben oder mir mein Bruder ein Paket geschickt hat, das voll war mit Nudeln und Reis. Solche Sachen konnte ich schon annehmen, aber ich hab nie an der Grundidee, Musiker zu werden, gezweifelt, weil ich wusste, dass ich sonst nichts anderes kann. Ich habe alles Mögliche probiert, aber es hat mir nichts Freude gemacht. Insofern hatte ich gar keine Wahl. Ich musste nur rausfinden, wie das geht.
Ich habe Jon Hiseman, den Schlagzeuger von Colosseum, den ich sehr bewundert habe, einmal gefragt, ob er mir einen Rat geben könnte, wie man als Musiker erfolgreich sein kann und er sagte: Es gibt nur zwei Regeln: "Whatever happens, never give up" und "Never play at Parties". Das habe ich mir beides zu Herzen genommen.

Plötzlich klappte es dann doch mit dem Hiatamadl: Ist man da auch etwas zwiegespalten gegenüber den Fans weil man zuerst noch ausgebuht wurde und plötzlich ist man der "große Held"?

Es gibt solche und solche Fans. Man freut sich natürlich über jeden, der dem Gehör schenkt und das toll findet, was man macht. Und dann muss man unterscheiden lernen. Manche Menschen haben kein Gefühl für Distanz und für Respekt und überschreiten diese Linie ständig und das musste ich lernen, das war auch schmerzvoll. Ich habe Menschen an mich herangelassen, die mir nicht gut getan haben und denen ich auch nicht gut getan habe. Aber das ist ein normaler Lernprozess. Ich hatte ja das Glück, dass mein Erfolg sehr spät kam und da ist man dann schon ein bisschen gefestigt. Wenn einem so etwas mit 20 passiert, braucht man vielleicht länger, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Wie gerne spielst du heute noch Koa Hiatamadl? Nerven einen manchmal die eigenen, großen Hits?

Nein. Es hat mich nie genervt. Ich spiele es noch immer gern, aber ich spiele es nicht jeden Tag. Es ist auch ein sehr anstrengendes Lied, weil es sehr hoch ist und manches Mal habe ich das Gefühl am Ende des Konzerts, ich sing es besser nicht, sonst kann ich morgen gar nicht mehr singen. Und wenn ich mich gut fühle und das Publikum auch, dann mach ich's. Aber ich finde es nach wie vor eine sehr gelungene Komposition. Es ist nicht umsonst so erfolgreich geworden, weil es einfach eine echt geile Nummer ist.

In jungen Jahren solltest du einmal im Tunnel in Wien auftreten, warst aber zu nervös. Bist du heute immer noch nervös vor Auftritten?

Ja, ganz fürchterlich. Ich habe mich aber versöhnt mit meiner Nervosität. Es würde mich inzwischen noch nervöser machen, wenn ich nicht nervös wäre.

Dein Publikum ist ja eher im älteren Bereich angesiedelt. Wie schwer ist es, auch die Jungen heutzutage zu erreichen?

Mit Brenna tuats guat gab es noch mal eine sehr vehemente Verjüngung des Publikums. Es waren ja in den 90er-jahren zur Alpinkatzen-Zeit Fünfjährige bis 80-Jährige im Konzert, das hat mir gut gefallen. Diese Balance zu spüren zwischen Jung und Alt, das ist ein Geschenk. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Publikum so durchmischt ist. Ich habe auch viele Fans mit Migrationshintergrund, die noch nicht lange in Österreich sind und die mir sagen, dass ihnen meine Musik gefällt und das macht mich glücklich, dass es nicht nur die mit der Lederhosen und mit dem Steirerhut sind.

Du bist jemand, der sich nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. Was ist es, das dich im Moment ganz besonders stört an Österreich, der österreichischen Politik, den Dingen, wie sie hierzulande laufen?

Am meisten stört mich, dass das Land, die Gesellschaft immer so schlecht geredet wird. Wir leben hier in Mitteleuropa in der schönsten Lebenssituation, die es gibt. Ich habe die Welt viel bereist, tue es noch immer und Glück ist nicht vom Materiellen abhängig. Es gibt viel mehr über das man glücklich sein kann, als das etwas nicht stimmt. Aber es gibt kaum eine positive Nachricht, wo man sich darüber freuen kann, dass es so ist, wie es ist. Und hier Ängste zu schüren, dass alles den Bach hinuntergeht, und das alles vor 20 Jahren besser war, das finde ich, ist eine Krankheit.
Es gibt natürlich vieles, wo man den Finger in die Wunde legen muss, das wird teilweise eh getan. Es ist halt ein mühsamer Prozess, das aufzuarbeiten zum Beispiel Hypo Alpe Adria, aber es wird gemacht. Ich bin fassungslos, dass es überhaupt soweit kommen konnte, dass so etwas passiert. Ich bin fassungslos, dass soviele Kärntner der Figur Haider erlegen sind und dem nach wie vor etwas abgewinnen können, obwohl er so ein Gauner war, ein Halunke. Aber so ist es wahrscheinlich auf der ganzen Welt. Ich würde sagen 30 Prozent der Gesellschaft sind jederzeit verführbar, weil sie lieber das hören, was sie hören wollen, als die Wahrheit.
Was mich aktuell furchtbar nervt, ist diese Rauchergeschichte. Es ist zum Schämen. Da sieht man die Unfähigkeit unserer Politiker. Dass es da niemanden gibt, der sagt: Aus, Vorbei, Tschüss, in den Wirtshäusern gibt es kein Rauche mehr. Sowas regt mich auf. Es ist zwar kein so wahnsinnig wichtiges Thema auf der einen Seite, aber man sieht, wenn man an so etwas Kleinem scheitert, wie soll man dann von der Regierung erwarten, dass sie die großen Dinge löst?

Was macht für dich nach all den Jahren nach wie vor die Faszination des Musikmachens aus? Wie findet man immer wieder etwas Neues und wie vermeidet man es, sich selbst zu wiederholen?

Das ist eine Anlage. Es gibt Leute, die sich gerne wiederholen. Ich bin da anders veranlagt, ich brauche das Prickeln des Neuen, der Möglichkeit des Scheiterns. Musikmachen ist für mich zaubern. Es ist eine Form zu zaubern, sich wegzubeamen, in einen Rauschzustand zu kommen, ohne dass ich mir Drogen einwerfen muss. Es ist ein Gefühl des Miteinanders, es ist ein unglaublich kollektiver Rausch. In der Musik geht es nicht um Musik. Musik muss selbstlos sein. Musik ist nie Selbstbefriedigung, Musik ist Befriedigung.

Du bist viel auf Reisen, musst immer mal wieder raus, um eine neue Perspektive zu bekommen. Was war deine schönste Reise?

Immer die Letzte. Die letzte hat mich vor eine Woche aus Grönland zurück geführt. Das sind Menschen da oben, die berühren mich ganz tief und da ist so eine Bescheidenheit, so eine Wahrhaftigkeit. Da ist keine Show dabei, da will dir nicht jemand mehr vormachen, als er zu geben hat. Es ist diese großartige Natur, die einfach das große Orchester ist und die Menschen bilden sich nicht ein, dass sie die Natur zähmen können oder verändern können, sondern sie schauen, dass sie mit der Natur leben können. Das ist eh schon Aufgabe genug.

Wie fühlt sich das an, wenn ein Film über einen selbst ins Kino kommt?

Als ich gefragt worden bin, habe ich gleich gesagt, ich mache da nicht mit. Natürlich freut es einen, weil es eine Bestätigung ist, dass das was man macht, wichtig sei. Ich freue mich inzwischen aber darauf, weil soviele Leute gesagt haben, dass der Film gut ist.
Ich kenne ja den Regisseur und ich habe gesagt, ich verweigere mich zusätzlichen Filmaufnahmen nicht, wenn es notwendig ist, aber bei der Gestaltung und dem Aussuchen, was reinkommen soll, will ich nichts damit zu tun haben.
Aber es ist toll, dass man sich die Mühe gemacht hat, um diesen Bogen filmisch zu spannen und ich freue mich sehr, dass es ein Kinofilm geworden ist, weil Kino schon noch einmal was anderes ist, als Fernsehen.

Du sagst, du freust dich, aber ist auch ein kleines Angstgefühl dabei?

Ich wurde gegen meinen Willen gezwungen, mir den Rohschnitt, da war er noch doppelt so lang und ich war entsetzt. Seither habe ich nichts mehr gesehen und ich weiß, da werden Dinge drinnen sein, die sind mir unangenehm, aber ich hab ein gutes Gefühl weil der Marcus Rosenmüller ganz ein sensibler, toller Regisseur ist; unglaublich menschlich, der sich nie Lacher auf Kosten von irgendjemand anderen holen würde. Das kommt in keinem seiner Filme vor.

In Kürze folgt auch eine neue Platte von dir. Worauf dürfen sich die Fans dabei freuen?

Auf die neue Musik. Ich gehe ja bei der Produktion von einem neuen Album alle Höhen und Tiefen durch und vor einem Jahr dachte ich, die bringe ich nie raus, die stampfe ich ein und drei oder vier Monate später habe ich mich gewundert, dass ich so gezweifelt habe. Man braucht manches Mal den Abstand. Es ist eine ganz andere Musik geworden, es ist was Neues. Ich habe mir das Thema Amerika genommen, weil mir diese Entfremdung zwischen USA und Europa zu schaffen macht. Für mich war Amerika nie das gelobte Land, wo ich immer hinwollte, aber ich fand das immer ein tolles Land und eine tolle Gesellschaft. Und plötzlich ist das gekippt und sie verstehen uns nicht mehr, wir verstehen sie nicht mehr und ich wollte einen persönlichen Beitrag dazu leisten, der dagegen steuert. Weil wir ja auch gemeinsame Wurzeln haben. Diese Platte bringt das zum Ausdruck, was es an Gemeinsamkeiten aber auch an Unterschieden gibt.

Zu gut für den Erfolg

Neues Deutschland 23. April 2015 | Text: Marion Pietrzok

Dokumentation und differenziertes Porträt über den österreichischen Ausnahme-Musiker Hubert von Goisern.
Marcus H. Rosenmüller erkundet das Phänomen des Künstlers, seine musikalische und persönliche Entwicklung.

"Opa, das ist ein grausliches Instrument", sagt Hubert, als ihm, dem hochmusikalischen jungen Mann, vom Ahnen zu Hause in Oberösterreich eine Ziehharmonika geschenkt wird. "Ich mag die Leute nicht, die das spielen, sie sind so verstaubt." Und so hat Hubert das Instrument jahrelang stehen lassen. Recht so, meint man, denn mit dem Instrument, mit dem in Huberts Heimat, der Gegend um das Dachsteinmassiv der Alpen, traditionell Musik gemacht wird, verbindet man gemeinhin eine tümelnde Art, speziell die, die den "Anschluss" ans Dritte Reich mit ermöglicht hat und einen Waldheim, einen Haider.

Der langjährige FPÖ-Chef Jörg Haider, zwei Jahre älter als der 1952 geborene Hubert, stammt übrigens aus Bad Goisern am Hallstätter See aus dem gleichen Ort wie Hubert. Der hat allerdings mit der FPÖ nichts am Hut, ganz im Gegenteil. Als Hubert 34-jährig mit ersten Gigs in Lokalen und Clubs der österreichischen Hauptstadt auftrat, gab er sich den Künstlernamen von Goisern.

Hubert Achleitner, wie er eigentlich heißt, tat dies "aus Rache" an den Goiserern, sagt er in Marcus H. Rosenmüllers Dokumentarfilm über sein Leben. Denn die auf ihre Enge fixierten Einheimischen sahen in ihm bis dahin nur den "Achtler", weil Großmutter und Mutter aus den Sudeten stammten. Die Ziehharmonika allerdings überstand, nach Jahren aus der Ecke geholt, seinen alkoholbedingten Anfall von Zerstörungswut. Erst mal nicht klaglos, sondern sie tat, kurz vorm Zerreißen, einen Schrei "Klingt das geil", sagte sich daraufhin der Hubert und ließ von da an nicht mehr von ihr.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der man mit allem, bei dem "Volks-" davor stand, ein Problem hatte, wie im Film bemerkt wird siehe Waldheim-Affäre -, machte er mit der Harmonika Volksmusik, aber eben nicht die der "Verstaubten", sondern verrockte ihre Elemente und kreierte den Alpenrock. Hohe Kunst, einsame Klasse (wer an Andreas Gabalier etwa denkt, zieht einen Vergleich, der sich verbietet). Die Texte poetische wie politische (auch die gern mal poetisch) sind meist in der Mundart geschrieben, wie man sie im Salzburger Land spricht, für Ohren, die aufs Hochdeutsche getrimmt sind, fast eine Fremdsprache. Aber wer verstehen will, versteht, und die Musik reißt ohnehin mit. Ganz am Anfang, er und seine Band waren Vorband, also bei einem seiner ersten großen Konzerte, wurde er von dreieinhalbtausend Leuten noch ausgepfiffen. Ein einflussreicher Plattenchef, der von Manager Hage Hein zur "Hörprobe" geladen war, befand: "Ihr seid offensichtlich zu gut für den Erfolg."

Doch der kam schnell, nach einem Auftritt im Fernsehen (!). Von den frühen 90ern an, nach dem Durchbruch mit dem recht einfach gestrickten Koa Hiatamadl "da ging plötzlich die Post ab", heißt's im Film -, brachten seine Konzerte und Platten Rekorde bei Zuhörern und Verkaufszahlen. Im gesamten deutschsprachigen Raum waren seine Lieder Hits, selbst in Paris, Texas und New York fanden sie Begeisterung. Doch auf dem Höhepunkt seines Aufstiegs nahm er eine Auszeit gefüllt, natürlich, mit: Komponieren (u.a. Filmmusik zu Schlafes Bruder), Schauspielern (Hölleisengretl), Filmen (über die Arbeit der Schimpansenforscherin Jane Goodall in Ostafrika) und dem, was er immer macht: sich selbstkritisch prüfen, auf fast allen Erdteilen die Musik aufspüren und für sich aufnehmen, die die einfachen Menschen machen, deren Leben kennenlernen, sich für sie engagieren. Risiko bei Letzterem inbegriffen. Er begeisterte alle, ob Ägypter, Senegalesen, Eskimos.

Und als ihn "fünf Wespen gestochen" hatten (so beschreibt er im Nachhinein den Wagemut zu solch extremem Kraftakt), machte er sich 2007/ 2008 auf die Linz Europa Tour: Auf einem zur schwimmenden Bühne umgebauten Frachtschiff "praktizierte er die Idee von Europa" (Hage Hein): reiste auf der Donau nach Osten bis zum Schwarzen Meer und nach Westen, auch auf Rhein und Main, bis Rotterdam, um für die Leute am Ufer (die einfachen, nicht die privilegierten reichen) Konzerte zu geben, mit den jeweils einheimischen Musikern. Brückenschlagen, Völkerverbinden in direkter Begegnung und per Musik.

Viele Etappen dieser außergewöhnlichen Künstlerkarriere sind filmisch dokumentiert. Aus einer chronologisch geschnittenen Auswahl aus dem umfangreichen Archivmaterial, gerahmt mit erklärenden und kommentierenden Interviews einiger Wegbegleiter von Goiserns und ihm selbst ist ein Porträt des Menschen, seiner Musik, der Zeit entstanden, dem ein großes Kinopublikum zu wünschen ist. Auch wenn es vieles persönliche Krisen beispielsweise, die Familie ausspart (wie auch anders bei der Fülle), man erlebt einen Menschen, in dem es brennt, in dem es "brenna tuat", schon lange, bis heute. Brennen für die anderen, mit wachem Blick für die gesellschaftlichen Missstände auf der Welt, wie beispielsweise in seinem Lied Brenna tuat's guat (das Geld). Und man gewinnt den Eindruck, er gibt alles von sich her. Welch Energie, welche Beharrlichkeit. Mit welch schöner Utopie im politischen Denken, sozialen Tun.

Leben ist Verschwendung, gibt er für sich zu. Älter geworden, habe er nun zu überlegen, wofür er seine Ressourcen einsetzt. Diese Selbstaussage ist der etwas elegische Schluss des Films, der aber wiederum pünktlich vor Erscheinen des neuen Albums und vorm Start der neuen Tour des Weltmusikers von Goisern in die Kinos kommt.

Widerspenstig populär

Abendzeitung 22. April 2015 | Text: Volker Isfort
Hubert von Goisern

Marcus H. Rosenmüller hat eine sehenswerte Doku über Hubert von Goisern gedreht

"Schade, dass Sie aufgehört haben." Diesen Satz hört Hubert von Goisern in Österreich häufiger, selbst als seine Hitsingle Brenna tuat's guat gerade auf Platz eins in den österreichischen Charts stand. Die Erklärung dafür liefert er selbst. Viele Menschen bringen den Hiatamadl-Alpinkatzen-Rocker nicht zusammen mit dem Künstler, der wochenlang mit Gastmusikern auf einem Schiff die Donau entlangfuhr, auf Wirtshaustournee ging oder mit Musikern auf verschiedenen Kontinenten jammte.

Das wird sich nach der Doku Brenna tuat's schon lang hoffentlich ändern. Denn aufgehört hat von Goisern natürlich nicht. Den Sommer des Goiserers läutet der sehenswerte und stellenweise überraschend komische Film von Marcus H. Rosenmüller ab morgen ein. Es folgen ein neues Album im Mai und das Konzert auf dem Münchner Königsplatz am 26. Juni.

Herr von Goisern, der Film zeigt auch Ihre musikalische Findungsphase mit teilweise erschreckend geschmacklosen Auftritten in unsäglichen Klamotten.

Ehrlich gesagt, gibt es da noch schlimmeres Material, das habe ich aber nicht rausgerückt. Aber was die musikalische Findungsphase angeht, kann ich nur sagen: Die ist noch lange nicht abgeschlossen.

Dafür haben Sie sich mit Ihrem Heimatdorf Goisern ausgesöhnt.

Schon, aber der Konflikt hing damals nicht mit meiner Auffassung von Volksmusik zusammen. Damals wählten in Goisern über 30 Prozent Jörg Haiders Partei, und ich habe nie ein gutes Haar an ihm gelassen. Das empfanden einige als Nestbeschmutzung, weil ja der Haider schließlich auch aus Goisern stammt. Daraus entstand dann auch die Ablehnung gegenüber dem, was ich künstlerisch gemacht habe.

Die zwei Donau-Fahrten mit Gastmusikern und Konzerten bezeichnen Sie im Film als Ihren Achttausender. Es war eine spektakuläre Idee, die Europa zusammenbringen sollte. Wo stehen wir da heute?

Das ist erschreckend, bedauerlich. Es war aber damals schon klar, dass das von Politikern erdachte Europa eine reine Wirtschaftsgeschichte ist, alles andere ist denen wurscht. Wenn man aber nur auf diesem wirtschaftlichen Bein steht und das zu bröseln beginnt, dann ist das Ganze bedroht. Jetzt kommt man aber vielleicht doch einmal darauf, das eine gemeinsame Währung nicht genug ist.

Sehen Sie sich da als Künstler verpflichtet, Ihre politischen Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen?

Ja, ich weiß aber nicht, wie viel das nützt. Die Kultur hat dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs nichts entgegenzusetzen gewusst. Ich habe leider nicht das Gefühl, dass wir als Künstler viel bewirken können, wir erreichen doch immer nur eine Minderheit. Ich glaube auch nicht, dass der Künstler größere Verpflichtungen hat als jeder einzelne Mensch, sich auf die wahren Werte zu besinnen. Wir leben in einer Welt, die immer ungleicher wird und ungerechter. Es wird sehr schwer sein, dieses System zu ändern. Ich finde das aber auch eine ungeheuer spannende Zeit, da muss jeder seinen Beitrag leisten, damit es eine positive Wendung gibt.

Sie zeigen auch die Angst der Menschen in Osteuropa vor der EU, das wurde im Westen kaum thematisiert.

Auf der ersten Recherchereise 2006 war ich in Bulgarien und Rumänien, ein Jahr vor deren EU-Beitritt, und da waren überall schon die österreichischen Banken und Konzerne. Und die Bevölkerung hatte einfach Angst, dass ihr das Wenige, was sie hat, jetzt auch noch weggenommen würde. Ich finde es auch bedauerlichen, dass Armut nur als Makel betrachtet wird. Wenn jemand nicht viel braucht, wird er in der westlichen Gesellschaft schon als Loser dargestellt. Wieso soll ein Kleinbauer nicht ein paar wenige Kühe und andere Tiere haben, wenn er damit über die Runden kommt ? Es braucht nicht jeder 200 Kühe mit Turboeuter, um zum Kapitalismus dazuzugehören.

Es gehört aber auch zum Kapitalismus dazu, dass ein erfolgreicher Musiker seine Produkte promotet, Hits schreibt ...

Oh je, das ist eine ewige Streitfrage zwischen mir und meinem Manager Hage Hein von Blanko-Musik. Ich tue sehr viel, ich bin schon fast ein Workaholic, aber ich mache auch Sachen, die nicht unbedingt einen Sinn ergeben im strategischen oder kapitalistischen Sinn. Ich wollte auch ursprünglich den Film nicht machen. Ich habe Hage gesagt, ich könne nicht an einem Porträt über mich mitarbeiten, dazu braucht es unbedingt eine Außensicht. Und so kam nach einigen Verwicklungen der Marcus H. Rosenmüller mit ins Boot – ein großartiger und offener Typ, wir hatten nicht die geringsten Konflikte.

Und im Mai kommt dann Ihr nächster Radio-Hit?

Ich schreibe die Lieder so, wie sie kommen. Wenn es etwas gibt, was ich nicht kann, dann auf ein bestimmtes Format hin zu denken und zu produzieren.

Der Rebell aus den Alpen

MDR 22. April 2015

Hubert von Goisern ist der Erfinder des Alpenrock, der volksmusikinspirierten, kraftvollen Weltmusik die das andere Österreich zeigt: das coole, engagierte und moderne. Die Dokumentation Brenna tuat's schon lang bringt Goisern jetzt hautnah ins Kino.

Volksmusik? Aus den Alpen? Geht's noch? - So hieß es lange Zeit, als man sich zu derartig inspirierter Musik lediglich bei Blauböckigen Volksfesten im Stadl gegenseitig von der Bierbank schunkelte. Doch dann kam Hubert von Goisern mit seinem Akkordeon, und rockte so glaubwürdig auf seinen volksmusikalischen Wurzeln herum, dass er die Massen begeisterte und ein neues Genre schuf: den Alpenrock.

Dabei ist der 1952 im österreichischen Goisern als "Hubert Achleitner" geborene Musiker alles andere als rückwärtsgewandt. Seine Musik speist sich aus der Rockmusik und der traditionellen Volksmusik. Diese erinnert bei ihm jedoch eher an Weltmusik als an Schützenvereine und Heimatfilme. Auch die Themen seiner Songs unterscheiden sich deutlich von der heilen Welt der volkstümelnden Kollegen. Goisern singt von der Finanzkrise und dem Hunger und mischt sich auch politisch ein. Als die FPÖ bei einer Veranstaltung 2006 einen Song von ihm verwendete, wandte er sich mit einem offenen Brief dagegen und stellte seinen Wunsch einer toleranten Gesellschaft, die offen für Neues und Fremdes ist gegen die rückwärtsgewandte, angstbesessene Weltsicht der Rechtspopulisten.

Ein Lebenskonzept im Kino

Nun kommt die empfehlenswerte Dokumentation Brenna tuat's schon lang in die Kinos. Der Titel ist inspiriert durch Goiserns österreichischen Nummer-Eins-Hit Brenna tuat's guat. Der Film zeigt die Kraft, die in  Hubert von Goisern steckt, aber auch seine Naturnähe, seine stillen Momente und sein inneres Brennen. Er ist auch eine Heimkehr des Menschen, den sein Leben in alle Winkel der Welt gebracht hat, der schon Schauspieler war und Modegestalter. In seiner Heimat Österreich ist er dabei zwischenzeitlich fast ein wenig aus dem Fokus geraten - auch dem soll der Film entgegenwirken. Und nicht zuletzt ist er eine dringende Empfehlung für alle Menschen, die Hubert von Goisern tatsächlich noch nicht kennen sollten.

Zwei Dauerbrenner

tz 21. April 2015 | Text: Antonio Seidemann

Gespräch mit Marcus H. Rosenmüller & Hubert von Goisern

Bayerisch-österreichisches Gipfeltreffen: Marcus H. Rosenmüllers Dokumentation Brenna tuat's schon lang über Hubert von Goisern bekommt natürlich mehr Aufmerksamkeit als die sonst üblichen Musikerporträts. Am Donnerstag startet der Film in unseren Kinos. Wir sprachen die beiden.

Ein dichtes Interviewprogramm – nervig?

Marcus H. Rosenmüller: Geht scho. Hält sich in Grenzen.

Hubert von Goisern: Wenn ich schon da bin, sollte ich auch etwas tun.

So ein Film kann ja auch ein Lernprozess sein. Herr Goisern, haben Sie etwas gelernt?

Goisern: Sicher. Aber wahrscheinlich habe ich es schon wieder vergessen (lacht).

Nichts im Gedächtnis geblieben?

Goisern (zu Rosenmüller): Ich habe dich unglaublich bewundert, wie schnell du dich selbst infrage stellen kannst, wenn du merkst: Das hast du dir irgendwie eingeredet. Und wie du über dich lachen kannst. Ich kenne Regisseure, die müssen immer ganz a großes Kapperl aufhaben, sonst kommen sie sich nackt vor. Du hast das Kapperl auf, musst es aber nicht dauernd durch die Luft schwenken. Diese Flexibiliät finde ich ganz wichtig, wenn man Künstler ist.

Was haben Sie gelernt?

Rosenmüller: Lustigerweise was Ähnliches. Wenn du dir ein Konzept vorstellst und Fragen überlegst und meinst, die sind besonders gescheit, und dann werden sie durch die Antwort demontiert – da merkst du, wie deppert diese Frage war. Es hat mich beeindruckt, nicht immer zu wissen, wo es hingeht. Was ich gelernt habe, war eigentlich, dass nichts gewiss ist.

Herr Goisern, haben Sie immer aufgepasst oder sich beim Dreh auf den Rosenmüller verlassen?

Goisern: Ich habe mich da total verlassen. Von dem, was ich gesehen habe vom Rosenmüller, da habe ich gedacht: Das kann kein Trottel sein.

Private Sachen, Familie kommen fast gar nicht vor. War das eine Vorgabe?

Rosenmüller: Das Private interessiert mich nicht für so einen Film. Ich wollte wissen: Wie ist der Künstler Hubert von Goisern? Was für ein Mensch ist das? Da brauche ich keine privaten Anekdoten.

War das in Ihrem Sinne?

Goisern: Ich habe noch nie gerne über das Private geredet. Ich brauche irgendwo einen Raum, um mich regenerieren zu können. Warum sollte man die Frau, die Kinder, die Freunde, die alle ein Privatleben haben und nicht in der Öffentlichkeit stehen, mit reinziehen? Das ist für sie unangenehm und für unsere Beziehung belastend.

Ein großer Schwerpunkt sind die beiden Schiffskonzertreisen. War das für Sie beide das Spannendste?

Rosenmüller: Goisern sagt es auf dem Schiff ja auch, dass das seine 8000er-Besteigung war. Eigentlich würde diese Reise für sich schon einen ganzen Film ergeben.

War das ein Schlüsselmoment in Ihrer Karriere?

Goisern: Diese Schiffsgeschichte würde ich auf jeden Fall vor jeder Chartplatzierung von Hiatamadl bis Brenna tuat's guat einreihen. Das ist schon die Essenz meiner künstlerischen Neugier und meines künstlerischen Tuns. Die Begegnung mit anderen Kulturen, die Neugier für Leute, die anders denken, anders musizieren. Und das war die ideale Plattform, um diese Begegnungen zu ermöglichen. Im Nachhinein kann ich das jetzt erst richtig genießen. An Bord war ich damals ja ständig unter Strom, dass irgendwas nicht funktioniert. Wir sind auch immer wieder an Katastrophen vorbeigeschrammt.

Herr Rosenmüller, als Sie Archivaufnahmen gesichtet haben, dachten sie: Das hätte ich anders gefilmt?

Rosenmüller: Nein, das war ja eh wunderbar. Die waren immer nah dran, und manche Aufnahmen waren richtig poetisch. Da waren ganz tolle Sachen dabei.

Haben Sie jetzt beschlossen, weitere gemeinsame Projekte zu starten?

Goisern: Naa, da haben wir jetzt noch nicht darüber gesprochen. Jetzt hat jeder erst einmal genug zu tun.

Rosenmüller: Ich behalte das natürlich jetzt schon im Auge, was er so macht. Und natürlich wäre es hervorragend, wenn sich das wieder trifft.

Hubert von Goisern fasziniert auch im Film

Der Westen 22. April 2015

Seit Mitte der 80er-Jahre mischt Hubert von Goisern die Musikszene auf. Zu sehen in dem feinen Porträt
"Hubert von Goisern – Brenna tuat's schon lang"

Ein Mann rudert früh morgens hinaus auf einen Alpensee und wirft die Angelrute aus. Es ist ein idyllisches Bild, mit dem Marcus H. Rosenmüller den Hauptdarsteller seines dokumentarischen Porträts Hubert von Goisern – Brenna tuat's schon lang dem Zuschauer vor Augen führt. Goisern, jetzt bereits 62 Jahre alt, wirkt jünger; zwar nicht viel, aber immerhin. Mitte der 80er- Jahre erschien er auf der Bildfläche und mischt seither die "Musi" auf. Der Hubert aus dem Örtchen Goisern verquirlte mit den Alpinkatzen Punk und Montanara, engagierte sich in Afrika und stellt Popularität und Können auch in den Dienst des europäischen Gedankens und der eigenen sozialen Ader.

Das Private erschließt sich von allein

Der bayerische Tausendsassa unter den deutschen Regisseuren Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt ist länger tot) legt in deutscher Untertitelung eine packende Biografie vor. Im Gesamtwurf geht er chronologisch vor, stellt aber auch gern mittels Interviews mit dem Star und Weggefährten Umwege und Abkürzungen in den Dienst des relevanten Gedankens. Rosenmüllers Regie ist wie Goiserns Musik gleichermaßen sensibel und temperamentvoll, was Abwechslung im Rhythmus der Inszenierung garantiert. Rosenmüller ist neugierig als Fan und zeigt Begeisterungsfähigkeit, wenn er einen Titel durchspielen lässt, aber er ist auch klug genug, um nicht die Distanz zu verlieren. Wer etwas über einen Künstler und Menschen erfahren will, muss sich mit dessen Arbeit auseinandersetzen. Das Private erschließt sich von allein in diesem feinen Film, der glänzend unterhält, weil er profund informiert und seinem Star die Würde des Augenblicks belässt.

Wertung: 4/5

"Der Name 'von Goisern' war meine Rache an Goisern"

Wienerin 21. April 2015 | Text: Barbara Haas

Goiserns berühmtester Sohn erzählt von seinen Kampf mit dem anderen berühmten Goiserer, Jörg Haider, wie sich der Hallstätter Bürgermeister "ins Hemd geschissen hat" und warum er den Film über sein Leben, der am 24. April startet, überhaupt nicht wollte.

Der Film Brenna tuats scho lang startet jetzt im Kino. Wie viel Bedeutung hatte es für Sie, diesen Film überhaupt zu machen?

Spontan gesagt: gar keine. Hage (Hein, Anm., sein Manager) wollte den Film machen zu meinem 60er. Dann hat er ein Jahr lang dran gearbeitet, mich gebeten, mir den ersten Rohschnitt anzusehen und ich hab gebettelt, es mir nicht anschauen zu müssen...

Weil?

Ja, weil: Es interessiert mich nicht. Erinnerungen haben etwas Intimes und die will ich eigentlich nicht öffentlich teilen. Und in dem Moment, wo man kritisch mit dem Erfolg umgeht, wirkt das total kokett in der Öffentlichkeit und wenn man unkritisch damit umgeht, ist es a deppat...

Also Sie dachten, Sie können nicht wirklich gewinnen...

Genau, also dachte ich: Je weniger ich damit zu tun habe, desto besser. Aber Hage hat mich dazu gezwungen, dass ich mir es ansehe und ich war entsetzt. Aber dann hat Hage den Rosi (Markus Rosenmüller, Anm.) gefunden. Und in dem Moment hab ich mich irrsinnig gefreut, weil ich mag seine Filme, der Typ selbst ist so lässig und unkompliziert und gescheit und wachsam...

Und sind Sie jetzt zufrieden?

Ich hab ihn noch nicht gesehen.

Echt nicht?

Nein, aber ich freue mich, weil alle sagen, dass er lässig ist ...

Ein sehr markanter Satz von Ihnen im Film ist: "Der Name von Goisern war eigentlich ein Racheakt an Goisern". Wie geht es Ihnen heute mit Goisern?

Diese Aussage war schon ein bisschen Spiel mit dem Gedanken, dass man das es so interpretieren kann. Ich hab mich so genannt, weil ich damals Sullivan hieß – wie meine damalige Frau.  Und ich dachte, ich kann diese Musik, die im Kern auf den Traditionen der Volksmusik aufgebaut ist, nicht als Sullivan spielen. Und wollte das auch nicht. Und es ist dann fast von selbst entstanden, dass bei den Ansagen im Roten Engel in Wien immer hieß: "Das ist der Hubert – von Goisern", eher als Herkunfts-Bezeichnung. Ein Journalist hat das aufgeschnappt und so ist das entstanden. Erst im Nachhinein ist mir gekommen, dass ich Ihnen (den Goiserern, Anm.) da richtig was z'fleiß tun könnte.

Aber das Hadern mit Goisern, mit der Enge, der Tradition – das kommt stark raus. Wie geht es Ihnen also heute mit Goisern?

Ich hab mich immer wohl gefühlt in Goisern, aber es gab einen kleinen Prozentsatz der Goiserer, der mit mir gehadert hat. Das waren erst einmal die Fundis aus der Volksmusik. Und dann gab es die politische Dimension. Das war in der Zeit, als Jörg Haider ganz oben war, er hatte in der Zeit in Goisern über 30 Prozent Wählerstimmen gehabt und ich hab an ihm kein gutes Haar gelassen. Bei jedem Konzert habe ich gesagt, dass ich mich schäme, dass er auch ein Goiserer ist. Und das fanden viele falsch man beschmutzt keinen anderen Sohn. Und ich hab drauf gesagt: Der beschmutzt sich eh selbst, ich sag nur, schaut auf den Dreck. Das hat mich diese Sympathien gekostet. Aber jetzt ist er eh an die Wand gefahren – im wahrsten Sinne des Wortes und diese Volksmusik-Fundis sind auch schon fast alle ausgestorben das heißt, es hat sich jetzt alles beruhigt.

Der Hallstätter See zieht sich wie ein roter Faden durch den Film, Sie wurden dort auf einer Zille gefilmt. Hallstatt hat ja eine einzigartige Geschichte als Weltkulturerbe. Grund genug für viele asiatische Touristen, es zu besuchen, China baute Hallstatt sogar 1:1 nach. Manche Hallstätter fühlen sich aber mittlerweile bedrängt durch die Touristen, weil Chinesen offenbar alles als Museum sehen und überall reingehen... Wie sehen sie diese Entwicklung?

Naja, man kann Leute nicht ausschließen, wenn sie sich etwas Schönes ansehen wollen. Es ist ein unglaublich malerischer Ort und hat viel Magie. Ich war bei einem Welterbe-Kongress in Hallstatt da war auch ein Sinologe, der hat über die chinesische Kultur gesprochen hat. Es gibt ja viele Leute, die fragen sich, warum das solche Ferkel sind beim Essen oder sich eben so benehmen  in Häuser zu gehen, überhaupt keine Distanz zu haben. Und der Sinologe sagte: Die sind so. Wenn man sie darauf aufmerksam machen würde, wären sie total betroffen und würden versuchen, sich anders zu benehmen. Nur sagen kann es ja niemand, wegen der Sprache. Er hat sich damals angeboten, Flugblätter in Chinesisch zu schreiben, die man auch in Speisekarten einfügen kann. Doch der Bürgermeister wollte das nicht, er hatte Angst, dass deswegen zehn Touristen weniger kommen würden.

Weil sie es als Bevormundung erleben würden...

Ja, vielleicht. Ich hab in Hallstatt gespielt und ein paar Plakate mit dem Titel "Freiheit für Tibet" in Chinesisch drucken lassen. Der Bürgermeister hat sich ins Hemd geschissen und es war auch keiner bereit die Plakate aufzuhängen. Ich denke mir: Die sind da, das kann man ihnen doch sagen, denn zu Hause kriegen sie so etwas ja nicht einmal über Medien kommuniziert. Es ist doch auch eine Chance, dass man in die Kommunikation tritt. Aber es will keiner kommunizieren, es wollen alle nur kassieren.

Ihre Single Brenna tuats guat katapultierte Sie wieder in die Charts, Sie haben den Zeitgeist getroffen, Verschwendung kritisiert. Sind sie ein Wutbürger?

Ich kann es sein, aber ich versuche es so wenig wie möglich zu sein, weil ich Wut ein ungutes Gefühl ist. Es kann mir keiner erzählen, dass er glücklich ist, wenn er wütend ist. Natürlich kann ich mich über das eine oder andere aufregen, aber meistens sind es eher Kleinigkeiten, die großen Sachen machen betroffen und traurig. Aber wenn man sich reinsteigert, kann man sich über alles aufregen. Ob es was bringt, weiß ich nicht.

Es setzt sicher Energie frei...

Ja, aber dann schreist herum in deinen vier Wänden oder draußen ...

Sie haben das Mittel der Öffentlichkeit. Roland Düringer hat auch nicht in seinen vier Wänden im Wohnwagen in Niederösterreich geschrien, sondern seine Wut öffentlich gemacht und so Aufmerksamkeit erregt ...

Mobilisieren hat schon seinen Sinn, aber besser finde ich es für mich, wenn ich cool bleibe und dann wirklich was sagen kann, wo sich wer anderer gscheit aufregt. Herumschreien bringt nichts, da s macht einen selbst doch auch klein. Ich finde es viel besser, cool zu bleiben und mit dem Finger in die Wunden legen. Und vielleicht noch nachzustierln ... bis die anderen schreien. Aber nicht ich.

"Ich mag den Typen"

Münchner Merkur 21. April 2015 | Text: Zoran Gojic | Foto: © Heinz Weissfuss

Hubert von Goisern über Marcus H. Rosenmüller, der ihn porträtierte, Konzerte im Slum und das Musikgeschäft.

Marcus H. Rosenmüller und HvGDafür dass Hubert von Goisern ein bekennender Interviewmuffel ist, präsentiert er sich im Gespräch sehr aufgeräumt und erzählt dann doch ziemlich viel. Der 62-Jährige bewirbt ein Projekt, das ihm an sich suspekt ist: die Dokumentation Brenna tuat's schon lang, in der er seine Aversion überwand und vor der Kamera über sein Leben und seine Karriere sprach. Der Film von Marcus H. Rosenmüller läuft am Donnerstag in unseren Kinos an. Überhaupt ist gerade viel zu tun für Goisern. In zwei Wochen erscheint das neue Album "Federn" und danach beginnt gleich eine große Tournee, die ihn am 26. Juni auch auf den Münchner Königsplatz führen wird. Sein bisher größter Auftritt in der Landeshauptstadt.

Wenn man sich den Film anschaut, bekommt man den Eindruck: Da ist ein Mann, der ein Leben lang Situationen sucht, in denen er scheitern kann.

Erst mal habe ich viel Fantasie und stelle mir immer alles schön vor. Ich suche das Scheitern nicht, aber ich mag keine Dinge anfangen, die nicht scheitern können. Das ist fad. Wenn ich genau weiß, wenn ich es so und so anstelle, dann funktioniert das, dann wird es uninteressant. Es ist viel befriedigender, etwas zu schaffen, was auch hätte schiefgehen können. Das Herz will immer dasselbe, der Verstand will immer das Neue. Darum geht es im Leben allgemein: Grenzen zu erweitern, gescheiter zu werden.

Wie kommt man auf die Idee, mitten in einem afrikanischen Slum spontan ein Konzert zu geben, vor Menschen, die noch nie von einem gehört haben?

Und dann funktioniert es auch noch, obwohl es völlig unwahrscheinlich ist! Ich habe gewusst, dass das gut funktionieren wird – wenn wir es überleben. Man hat uns gesagt, dass wir auf jeden Fall ausgeraubt werden und nur in Unterhosen da wieder rauskommen. Wenn überhaupt. Aber ein Mann, der sich auskannte, meinte: "Das sind Leute wie Ihr, die freuen sich, wenn Ihr das macht." Ich habe gespürt, dass wir da alle gemeinsam etwas Gutes erleben werden. Das Leben ist ein Fest, und an dem Tag wurde es eben dort gefeiert.

Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, dass Sie sich auf ein Filmprojekt einlassen, in dem es um Sie geht.

Ich stelle mich Fragen immer, wenn es um meine Musik, aber sicher nicht, wenn es um biografische Details geht. Mein Manager hatte dann die Idee zu diesem Film, und ich habe verstanden, was er damit wollte. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich nicht darin vorkommen will. Ich bin befangen, wenn es um mich selber geht und kann nichts beitragen. Mein Manager hat dann zwei Stunden zusammenmontiert, und ich war entsetzt. Ich habe ihn dann gesagt: Wenn Du schon einen Film machen willst, hol' jemand, der Ahnung davon hat. Also hat er den Rosenmüller angefragt, und ich habe mich riesig gefreut, als der zugesagt hat. Ich mag den Typen.

Ihr Manager Hage Hein begleitet Sie seit fast 30 Jahren und hat immer an Sie geglaubt, auch als es sonst keiner getan hat. Wie oft treiben Sie ihn in den Wahnsinn?

Wir haben so Phasen. Es gab eine lange Phase, in der es uns gut ging. Wir hatten auch schon einige Male den Punkt erreicht, an dem wir dachten, wir können nicht weitermachen. Und an diesen Tiefpunkten habe ich ihm immer gesagt: So wie es jetzt läuft, hat es keinen Sinn. Aber es gibt für mich keine Alternative. Wenn es mit ihm nicht klappt, klappt es mit überhaupt keinem. Ohne die Leute in der Branche schlecht zu machen – der Hage ist eine Ausnahmeerscheinung mit seiner Integrität und Loyalität. Wenn etwas nicht klappt, liegt das nicht daran, dass er nicht so ist, wie ich es gern hätte, sondern dass das Business nicht so ist, wie ich es gerne hätte. Ich hatte oft Momente, in denen ich bestimmte Dinge nicht mehr machen möchte. Nicht, weil ich mir dafür zu gut wäre, sondern weil ich es einfach nicht mag. Ich will nicht ins Detail gehen, aber ich mag es nicht, käuflich zu sein.

Wie zu Beginn Ihrer Karriere, als Sie in der Fernsehshow Nase vorn den fröhlichen Austropopper gegeben haben?

Man muss diese Erfahrung machen. Das war meine erste Platte, und die haben sich von allen Titeln die blödesten ausgesucht: Gern hab' ich die Frauen geküsst. Ich wollte etwas anderes singen, aber all haben darauf bestanden, und dann lief es eben so. Schon als wir die Platte eingespielt haben, gab es zu viele Kompromisse. Der Produzent hat alles anders gemacht, als ich wollte. Die Platte ist total gefloppt. Dann habe ich mir gesagt, von jetzt tue ich, was ich für richtig halt, egal wer was sagt.

Erschließen Sie sich deshalb auch immer neue Instrumente und Klangwelten?

Ich stolpere da mehr so rein. Das hängt immer mit Lebenssituationen zusammen. Plötzlich klingt alles anders, es gibt neue Sounds und andere Rhythmen, und ich nehme das an.

"Dann spielt es eigentlich Granada"

Neues Volksblatt 21. April 2015 | Text: Philipp Wagenhofer

Weltmusiker Hubert von Goisern kommt jetzt auf die Leinwand,
die Bühne und mit der neuen CD "Federn" in den Handel

Der bayerische Regisseur Marcus H. Rosenmüller hat sich Hubert von Goiserns angenommen und einen exzellenten Film über den Weltmusiker gefertigt, der am Freitag bei Crossing Europe gezeigt wird und in die Kinos kommt. Zudem erscheint am 8. Mai das Album Federn und eine Tour absolviert Hubert von Goisern ab 12. Mai auch. Ich hab' ihn im Linzer Café Valdez getroffen.

Ist der Film Brenna tuats scho lang von Marcus H. Rosenmüller eine Zäsur, eine Bestandsaufnahme?

Eine Bestandsaufnahme von allen anderen, aber nicht von mir, hauptsächlich vom Rosenmüller. Die Idee hatte Hage Hein. Ich hab gesagt, wenn du meinst, dass du das machen musst, dann mache es. Ich kann dir da nicht helfen, weil ich einen anderen Fokus habe und mag im Grunde genommen nicht entscheiden, was in so einem Film drin sein soll oder nicht.

Es kommen Stationen Ihrer Karriere vor, an die Sie sich vielleicht nicht so gern erinnern, etwa Nase vorn. Hatte Rosenmüller freie Hand?

Er hatte komplett freie Hand. Hage hat ein ganzes Jahr lang die Archive durchforstet und an die drei Stunden brauchbares Material gefunden. Aus dem hat Rosenmüller den Film gemacht. Da gibt es schon ein paar Sachen, die mir taugen, ganz gelungen sind, aber da muss man aufpassen, wenn man sich das zu viel anschaut, dann bildet man sich bald viel auf sich ein, dann ist das auch lähmend für das, was man jetzt oder als nächstes machen will.

Es gibt kontemplative Momente — das Angeln auf dem Hallstätter See, die Begegnung mit Jane Goodall. Gibt Ihnen das Kraft und Erkenntnis?

Energie aufzutanken und innezuhalten — das bedeutet nicht, dass ich mich zurückziehe, in den Liegestuhl lege und warte, bis die Energie wieder da ist. Energie aufzutanken ist in erster Linie die Begegnung mit Leuten, die spannend sind und die etwas zu erzählen haben. Da bin nicht ich dauernd der Erzähler. Wenn ich produziere, bin ich sehr mit mir und meinen Gedanken beschäftigt und froh, wenn es Phasen gibt, wo mich nur das interessiert, was die anderen denken. Nicht in Bezug auf mich, sondern was ihr Leben anbelangt.

Trägt auch der "Song Contest" zu einer Verbundenheit bei?

Ich glaube schon. Es ist schön, dass das unter dieses Motto ("Building Bridges", Anm.) gestellt wurde. Alle diese Geschichten, bei denen Leute zusammenkommen, auch internationale Sportevents, eben auch kulturelle Events, es geht ja dann um diese persönlichen Begegnungen. Da entsteht ein Vertrauen und vielleicht auch eine Freundschaft.

Es sind nicht nur harmonische Momente in dieser Doku. Sind Sie ein streitbarer Mensch, wenn man Ihnen etwa vorwirft, traditionelle Volksmusik kommerziell zu nützen?

Das hat man mir früher vorgeworfen. Und es gibt vielleicht noch ein paar Kleinkarierte, die das nach wie vor so sehen, aber das kratzt mich jetzt weniger. Damals hat es mich schon ziemlich aufgeregt. Aber das war ja auch eine spannende Diskussion, es gibt ja für einen Künstler nix Lässigeres, als dass er ein Tabu entdeckt hat, wo sich die Geister scheiden. Als Künstler fliegst du entweder drüber oder du bist im Underground, aber wenn du an der Oberfläche bist, dort wo es normal ist, dann bist du oberflächlich. Damals war ich sowohl im Underground als auch der Überflieger. Und es haben sich eine Menge Leute auf mich eingeschossen.

Wenn jemand Andreas Gabalier mit dem Beginn Ihrer Karriere vergleicht, gehen Sie heiß?

In der Tat hat es am Anfang Leute gegeben, die mich angegriffen haben, weil es ihnen nicht getaugt hat. Ich höre aber nirgendwo, dass den Gabalier jemand angreift, weil er die Volksmusik verarscht oder verflacht. Es gibt Leute, die mögen die Musik nicht, ich mag sie auch nicht. Das muss man jedem zugestehen. Wo ein ungutes Gefühl aufkommt in Zusammenhang mit ihm, das ist, dass er so etwa Seifiges hat und sich auch nie gegen irgendwas abgrenzt. Auch etwas Gefallsüchtiges. Aber man muss sagen, er muss einen Haufen Sachen richtig machen, sonst kommen nicht so viele Leute zu den Konzerten, aber das ist alles relativ. Und so Geschichten wie die Hymne. Hat er das Not, dass er die Töchter ausspart und zum Politikum macht. Du stehst da oben und ein Haufen Leute hören dir zu, dann sagst du so einen Blödsinn und machst so einen Blödsinn. Wenn jemand auf werktreue pocht, wie er, dann muss man auch sagen, dann sing' es aber auch so, wie es gedacht ist.

Bei Ihrer Schiffsreise Linz — Europa Ost haben Sie in Bulgarien kurzerhand den Auftrittsort verlegt, weil am Ufer von den Zuhörern Konsumation und Geld verlangt wurden. Ist Ihr Gerechtigkeitssinn ausgeprägt?

Ja, da geht mir dann das Geimpfte auf. Das bulgarische Management von der Gruppe, mit der ich gespielt habe, war gegen mich. Da waren 2000 Leute, die sie nicht hereingelassen haben und auf der Terrasse waren die mit Goldketterl Behängten, was so richtig diesen Mafiosi-Touch hatte. Da haben wir das dann da drüben gemacht und wie das vorbei war, haben die Roma geweint. Sie haben nie erlebt, dass sich irgendwer traut, sich über diese Macht hinwegzusetzen.

Auf Ihrer aktuellen Tour und Ihrem neuen Album Federn sind Sie auf Spurensuche in den Südstaaten der USA. Stoansteirisch als Cajun mit Jodlern — was verbindet Louisiana und das steirische Salzkammergut?

Zu den Cajun-Nummern kann ich 1:1 das spielen, was bei uns in den Landlern oder Steirern drinnen ist. Da ist nur das Spielgefühl ein anderes. Und wenn die zwei Sachen zusammenkommen, dann spielt es eigentlich Granada. Nur: Diese Erkenntnis, die haben die dort nicht gehabt. Das sind "Eingnahte" dort unten wie im inneren Salzkammergut. Wenn ich nicht in so einem Milieu aufgewachsen wäre, hätte ich das nie ausgehalten, dass ich dort so viele Wochen verbringe und gegen eine Wand anrenne und diese Skepsis aushalte.

Schnaps hat Sie zur Steirischen gebracht, ist deshalb das Lied auf der CD?

Nein, das war ein legendärer erster Abend. Nachdem Steve Fishell (Pedal-Steel- Guitar, Anm.) mit vollem Jetlag aus Nashville gekommen ist, habe ich mir gedacht, bevor wir zu spielen anfangen, machen wir einen Ausflug ins Salzkammergut. Er wollte etwas, um sich runterzubeamen, Wodka oder so. Ich wollte zu einem Schnapsbrenner. Er hat gemeint, Schnaps sei grausig. In Amerika ist Schnaps grausig. Steve hat sich gedacht, ich will ihm so etwas aufs Auge drücken. Und dann sind wir zu einem Schnapsbrenner und ziemlich lange hängengeblieben. Nach diesem Abend habe ich über Schnaps ein Lied geschrieben.

Wie groß ist der Druck, wieder einen Nummer-eins-Hit zu landen?

Der Druck ist immer gleich groß, ein geiles Album machen zu wollen. Aber so ein Chart-Erfolg ist wie ein Lotto-Zwölfer. Das kann man nicht erzwingen, sonst würden alle nur nach Formeln musizieren.

Premiere in Wien

Leadersnet 21. April 2015 | Foto: © D. Mikkelsen
Hubert von Goisern

Mehr Fotos unter www.leadersnet.at

Über einen, der brennt

Kleine Zeitung 19. April 2015 | Text: Bernd Melichar | Foto: © Sarah Marchant

Neuer Film, neue CD: Hubert von Goisern spricht über Heimat und seiner Reise in die Südstaaten der USA.

Hubert von GoisernBrenna tuat's schon lang heißt der Film über Sie und mit Ihnen. Wie kam es zur Idee?

Ein Auslöser für diesen Film, für diese Werkschau, war: Im Herbst 2011 bin ich von Vorarlberg heimwärts gefahren. Auf der Silvretta komm ich zum Mauthäusl, da redet mich der Wärter an: "Sind Sie nicht der Hubert von Goisern?" Ich hab bejaht. Da sagt der Mann: "So schad, dass Sie aufgehört haben!" Sag ich: "Ich hab nicht aufgehört, sie spielen mich im Radio gerade rauf und runter mit dem Lied Brenna tuat's guat." Sagt der Mann: "Ach so, das sind auch Sie!" Es gibt halt noch immer viele Menschen, die nur das Hiatamadl wahrgenommen haben und meine Zeit in den Massenmedien. Ich hab mich damals ganz bewusst zurückgezogen; wollte, dass mich die Leute vergessen, damit ich wieder befreiter musizieren kann. Ich wollte einfach das Bild brechen; jenes Bild, das mich auf neue Volksmusik reduziert.

Aber die Karriere ist ja nach dem Hiatamadl weitergegangen. Sie waren in Afrika, in Tibet, wurden Weltmusiker im wahrsten Sinn des Wortes.

Ja, die Tourneen waren und sind ausverkauft. Aber offenbar sehen viele Menschen in meiner Laufbahn keine Kontinuität. Und dem soll dieser Film Abhilfe schaffen. Aber einen Film über mich selbst wollte ich nicht machen. Ich bin nicht frei von Eitelkeiten, hätte nur meine Schokoladenseite gezeigt. Also brauchte ich eine Außensicht.

Regisseur Marcus Rosenmüller liefert diese Sicht. Er sagt, dass er die "Kraft vom Hubert verbildlichen" wollte. Was genau ist diese Kraft?

Die Stille, die Ruhe, die Natur, die Liebe.

Es gibt in diesem Film eine besondere Szene: Sie sitzen in einem Boot am Hallstätter See und fischen. Dann fangen Sie endlich etwas, holen den Fisch raus – und töten ihn. Aber ohne Triumph, ohne Brutalität. Hat das etwas mit Ihrem Zugang zur Natur zu tun?

Ja, ganz sicher. Die Natur ist eine Welt, die mich nährt, eine Urkraft, aus der ich schöpfe. Das ist die Erkenntnis, die ich schon als kleiner Bub mitbekommen habe: Man braucht nicht unbedingt Geld, um in ein Geschäft zu gehen, man kann sich auch so ernähren: Schwammerl suchen, Beeren essen, Kräuter essen, Fische fangen. Die Jagd war immer außerhalb meiner Reichweite. Aber: Dass man von der Natur leben kann, das hat mich immer sehr entspannt. Irgendetwas finde ich immer zum Essen.

Ein Satz aus dem Film: "Goisern ist einer, der oft fortgeht, der aber nicht immer weiß, wo es hingeht." Wie schaffen Sie es, nicht die Orientierung zu verlieren?

Indem ich ganz bewusst den Weg wahrnehme, auf dem ich unterwegs bin. Die Orientierung verliert man in dem Moment, in dem man unachtsam ist. Das Wissen um die Orientierungspunkte ist das Um und Auf. Dann kann man sich auch einmal vergessen und ist trotzdem nicht verloren. Kurz: Man sollte wissen, wo es hoamgeht, nach Hause.

Sind wir jetzt beim Wort Heimat? Willi Resetarits hat immer gesagt, dass es dieses Wort nur im Plural für ihn gibt.

Auch ich habe eine Art Hierarchie der Heimaten, aber ganz oben steht schon das Salzkammergut. Diese Sprachmelodie, das ist eine totale Vertrautheit. Da ist etwas da, das beginnt zu schwingen, das vermittelt mir: Das kenne ich, ewig schon. Das ist Vertrautheit, das ist ein Nestgefühl. Das hat für mich mit Sicherheit zu tun. Es lauern auch in der Heimat Gefahren, aber man weiß, wo sie sind.

Gehen wir nach Amerika. Dorthin, in die Südstaaten, sind Sie gefahren, um das Land besser zu verstehen. Für Ihre neue CD haben Sie einiges von dort mitgebracht: Cajun, Hank Williams, Amazing Grace. Wie lehrreich war diese Reise?

Ich verstehe dieses Amerika jetzt besser – was nicht heißt, dass mir wohler dabei ist. Ich bin rüber, um mit meinen eigenen Vorurteilen umzugehen. Ich bin aber mit Entsetzen zurückgekommen; Entsetzen deshalb, weil sich meine Vorurteile bestätigt und potenziert haben.

Warum das?

Weil ich gemerkt habe, dass sich die Amerikaner so sehr selbst genügen und null Interesse daran haben, zu verstehen, was anderswo auf der Welt passiert. So schlecht kann es den Amerikanern gar nicht gehen, dass sie nicht davon überzeugt sind, im besten und glorreichsten Land der Welt zu leben. Diese Unfähigkeit an Selbstkritik finde ich entsetzlich. Natürlich gibt es auch Ikonen der Wahrhaftigkeit, Woody Guthrie zum Beispiel. Da drückt's mir die Tränen in die Augen. Aber das war einmal, das ist Geschichte.

Die neue CD heißt Federn – aber Federn lassen werden Sie dafür nicht müssen. Ich meine, dass Sie in der Form Ihres Lebens sind.

Echt, glauben Sie? Tatsache ist, dass ich die CD vor einem Jahr noch einstampfen lassen wollte. Alles war fix und fertig, aber dann habe ich gesagt: "Nie und nimmer werde ich das veröffentlichen!" Aber dann habe ich das Ganze ruhen lassen, ein paar Schräubchen nachgezogen, und plötzlich hat es funktioniert.

Sie haben auch das Abenteuer unternommen, auf Konzerten neue Songs zu spielen, lange bevor die CD überhaupt auf dem Markt war.

Wenn ich selbst in ein Konzert gehe, will ich auch nicht wissen, was dort genau passiert. Ich möchte mich verzaubern und überraschen lassen.

Niemand verlangt mehr nach dem Hiatamadl bei einem Goisern-Konzert. Eine Genugtuung?

Ein langer Weg.

Es is wie's is

teleschau - der mediendienst 16. April 2015 | Text: Heidi Reutter

Hubert von Goisern - Brenna tuat's schon lang

Erfolgsregisseur Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot) übt sich erneut als Dokumentarfilmer und liefert ein differenziertes Porträt des österreichischen Musikers Hubert von Goisern.

(tsch) Seit 25 Jahren steht Hubert von Goisern, der Alpenrocker und Volksmusik-Rebell, auf den Bühnen Europas. Als Musiker aus Berufung ist er stets seinen Weg gegangen. Kompromisslos, unverkennbar, mit einem entschiedenen Ja zu sich selbst. Viele seiner Lieder haben Kult-Status erlangt. Allerspätestens seit der Veröffentlichung seines Erfolgsalbums Entwederundoder (2011) ist der kritische und sensible Poet aber nicht nur im Kreis der Alpenrock-Fangemeinde eine anerkannte Größe. Und der 62-Jährige steht nicht still: In diesem Jahr ist er mit einem Live-Programm unterwegs, im Mai erscheint sein zehntes Studioalbum Federn. Über seine Entwicklung zwischen den Höhepunkten seiner Karriere weiß indes man wenig. Die Frage, was von Goisern zwischen seinen größten Hits Koa Hiatamadl (1992) und Brenna tuats guat (2011) gemacht hat, bildet den Ausgangspunkt für Marcus H. Rosenmüllers unaufgeregte Rückschau auf ein bewegtes Künstlerleben.

Der Morgen bricht an am idyllischen Hallstättersee in Oberösterreich. In aller Ruhe fährt ein Boot hinaus auf den See, an Bord Hubert von Goisern, er fährt zum Fischen. Dies ist die Kulisse für das Interview, hinter der Kamera fragt der bayerische Regisseur Rosenmüller, seinerseits profunder Kenner der alpenländischen Kultur. Hubert Achleitner, wie der nach seiner Heimatgemeinde Bad Goisern benannte Musiker bürgerlich heißt, lässt sich kein Etikett verpassen. Von Goisern, das ist melodische Lebensfreude vermengt mit einer unbändigen Lust am Grenzen sprengenden Musizieren. Von Goisern, das ist Alpenrock und Alpenpop, oder, wie ein amerikanischer Konzertbesucher es bezeichnet: "alpine grunge". Allerdings mit Substanz. Denn auch für seine tiefsinnigen und zugleich humorvollen Texte wird der Österreicher geschätzt.

In Rosenmüllers Film wird dementsprechend auch viel philosophiert und sinniert, über das Leben und über die Musik, wobei der Fokus der Dokumentation auf der persönlichen und künstlerischen Entwicklung des Alpenrockers liegt. Eine der wichtigsten Stationen neben Aufenthalten in Afrika und Amerika ist das Wohnschiff, auf dem von Goisern im Zuge der Linz Europa Tour (2007 bis 2009) zwei Sommer verbrachte. Er fuhr damit bis nach Rotterdam und lebte die Idee Europa dabei zumindest musikalisch auf eindrucksvolle Weise. Seine Musik verbindet die Nationen.

Neben dem Interview auf dem See hat Rosenmüller Gespräche mit den wichtigsten Wegbegleitern des vielseitigen Musikers geführt, darunter seine Produzenten Kurt Langbein und Hage Hein sowie sein früherer Lehrer, der einst bei seinem Schützling das Feuer für die Musik entfachte. Ergänzt wird die Roadmovie-Doku mit Archivmaterial, das von Goisern als jungen Bläser in Tracht zeigt oder aber beim etwas albernen Auftritt in der Frank-Elstner-Show Nase vorn.

Fest steht: Dieser Musikfilm ist ein Muss für alle Von-Goisern-Fans. Alle anderen Musik-Interessierten können dadurch dazulernen. Und im Idealfall wird auch bei ihnen das Feuer entfacht.

Filmbewertung: überzeugend

Goisern ganz nah

tz 16. April 2015 | Text: Sandra Brockötter | Foto: Weissfuss

Marcus H. Rosenmüller und Hubert von GoisernScheu läuft Musiker Hubert von Goisern (62) Dienstagabend auf das City-Kino in der Sonnenstraße zu. Da bricht auch schon das Blitzlichtgewitter los, denn er steht im Mittelpunkt des Abends. Gezeigt wird sein Leben, gebannt auf der ganz großen Kinoleinwand. Kultregisseur Marcus H. Rosenmüller (41) führte Regie beim Dokumentarfilm über Goiserns Leben. In Brenna tuat's schon lang (Kinostart: 23. April) kommen die Fans dem Volksmusikerneuerer ganz nah und bekommen Einblicke, die ihnen sonst verwehrt geblieben wären.

Auch Rosenmüller ist Fan der ersten Stunde. "Hubert ist trotz seiner vielen Reisen, die häufig mit Bootsfahrten verbunden waren, heimatlich verbunden. Diese Verwurzelung ist der rote Faden des Films. So beginnt die Handlung in der Nachbargemeinde von Goisern, am Hallstätter See: Hubert um 5 Uhr früh beim Angeln - noch bevor die chinesischen Touristen den Ort erobern", so Rosenmüller lachend. Die Interviewsequenzen auf dem Boot, die Rosenmüller eingefügt hat, zeigen Goisern als Ruhepol beim Angeln. Da ist er ganz bei sich und das Gegenteil eines Bühnenrockers. "Als ich das Angebot bekam, diesen Dokumentarfilm zu machen, war ich gleich dabei. Seit ich 18 bin, höre ich Goisern." An dem Projekt interessierte ihn vor allem Goiserns Schaffenspause. "Eben die Zeit zwischen seinen Hits Koa Hiatamadl und Brenna tuat's guat", so der Regisseur. Während dieser Zeit reiste er zum Beispiel nach Tibet und Afrika. Reisen, die später auch seine Musik prägten.

Bei der Premiere holt sich Hubert von Goisern Popcorn und gibt sich ganz bescheiden. "Ich freue mich, weil ich viel positives Feedback für den Film bekommen habe", so der gebürtige Österreicher, der eigentlich Hubert Achleitner heißt, zur tz. Goisern - das ist sein Geburtsort.

Freunde und Fans begleiten Goisern ins Kino. Für Schauspielerin und Fan Sissy Höfferer ist es überhaupt eine Premiere. "Ich bin ihm bis dato noch nicht persönlich begegnet, freue mich daher noch mehr, dass er auch hier ist. Ich finde, dass er ein völkerverbindender Mensch ist. Das bewundere ich." Goisern-Kumpel Markus Wasmeier kennt den Musiker seit sechs Jahren: "Fan bin ich schon lang, aber eben auch Freund. Einmal im Jahr fahren wir in die Finca von unserem Freund Bobby Dekeyser (Ex-Fußball-Torhüter und Erfinder der Dedon-Möbel) und machen zwei Wochen einen auf Männer-WG", so das Ski-Ass. Schauspieler Jürgen Tonkel ist nicht nur Goisern-, sondern auch Rosenmüller-Fan. "Ich finde, der Film kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, denn Hubert hat mal wieder seine Art Musik zu machen geändert - eben noch moderner. Da ist ein Rückblick auf sein Leben spannend. Und Rosi hat's toll auf den Punkt gebracht." Musiker und Komponist Klaus Doldinger freute sich über die Zusammenarbeit. "Wir haben uns bei seiner Linz-Europa-Tour vor circa sieben Jahren, die er mit einem Schiff auf der Donau bewältigte, kennengelernt und miteinander gearbeitet. Er ist ein aktiver Musiker mit Band - so ganz ohne Klischees." Kabarettist Hannes Ringlstetter lobt Rosenmüllers Blick auf Dokumentationen. "Er ist bei Dokus ein Begleiter und fängt nicht an, zu inszenieren, deswegen mag ich Rosis Dokus so sehr. Sie sind authentisch." So authentisch und allürenfrei wie von Goisern, der fast unbemerkt ins Kino huscht.

Hubert von Goisern – Brenna tuat's schon lang

Artechock 16. April 2015 | Text: Doris Weininger

Innere und äußere Vermessung der Welt im Luftstrom der Steirischen Harmonika

Anfang der 1990er Jahre stellte Hubert von Goisern die Volksmusik auf den Kopf. Ausgesorgt hat er mit seinem musikalischen Feuerritt Koa Hiatamadl, der auf jedem Volksfest gespielt wird. Ein kantig gespieltes Akkordeon, so als türmen sich Felsbrocken gleich in einem chaotischen Wirbel ineinander. Kraftvolle Musik, unter der auch Bäume bersten können, als wären sie Streichhölzer. Feinfühlig horcht der Musiker und Schauspieler den Berg- und Talfahrten der Klänge nach. So als schilderten sie drastisch die Vergänglichkeit des Menschen und sein Ausgeliefertsein an die gewaltige, übermächtige Natur.

In Marcus H. Rosenmüllers Film sitzt Hubert von Goisern frühmorgens, die Angel auswerfend, im Boot auf dem Hallstätter See. Das zeitlose Dachsteinmassiv leuchtet auf das noch müde Dorf. Hearst es nit, wie die Zeit vergeht, singen die Alpinkatzen über dem Felsgrat.

Der Zuschauer betritt die Bewusstseinswelt des Musikers, der seine Gedanken sofort wieder einfängt, sobald sie an den Rändern ausfransen könnten. Während der Bootstour wird ein gefangener Fisch an den Planken erschlagen – unscheinbar und ohne dramatische Akzente. Von Goisern braucht keine Krachlederne, seine Musik balanciert zwischen energiegeladen, melancholisch und politischem Furor, zwischen Klängen, die einen – ohne rabiat zu sein – temperamentvoll umschlingen, unterstützt von einer veritablen Band, die ihre rhythmische Energie vorantreibt, unterfüttert mit fulminantem Jodeln. Hier sieht man einem Menschenfischer bei der Arbeit zu. Der Film transportiert im begrenzten Tal die Idee der Gleichzeitigkeit von Natureindruck und innerer Vision. Die Stimmung unterstützt Arbeit und Vergangenheit des Künstlers, da braucht es keine Effekte, um zu zeigen, dass einer aus dem Tal den Gipfel der Freiheit erklommen hat.

In Bad Goisern wuchs auch Jörg Haider auf. Goiserns Eltern flüchteten aus dem Sudetenland und wurden von Haiders Großvater, einem Nazi, beim Verbleib im beschaulichen Kurort unterstützt. Der eine schwenkte die Waffen der Agitation, der andere wurde zu einem musikalisch-politischen Kosmopoliten.

Aus der Blaskapelle wurde er wegen seiner "weibischen" langen Haare rausgeworfen und musste die Trompete zurückgeben, wie er nachdenklich bemerkt. Dazwischen gab es harmonische Begegnungen mit seinem sanftmütigen Musiklehrer, der ihn augenzwinkernd nicht maßregelte, wenn er zum Üben zu faul war. Im Rausch probierte er das Akkordeon aus und erlebte seine Offenbarung an Tonmodulationen, in denen sich das Poetisch-Sinnliche über das laute Getöse erhebt. Aus dem Akkordeonspiel wird bei von Goisern eine zerbrechliche Seelenschau.

Authentisches Archivmaterial zeigt Aufzeichnungen aus einer frühen Kieler Fernsehshow: von Goisern mit schmalzigem Blick und in folkloristischem Kostüm. Seinen Auftritt als Rainhard Fendrichs Vorband beendete er "vor lynchbereitem Publikum", wie er schmunzelnd ergänzt. In den 1990ern sind die Alpinkatzen in Austin/Texas auf dem bekannten South by Southwest Festival. Das Publikum ist von den Berserkern hingerissen. Ein begeisterter Fan tituliert den Musikstil als "Austrian Grunge". Flirrende Energie verbindet Multiinstrumentalistik und die Staaten mit der Alpentradition.

Der treue Weggefährte, Hage Hein, Produzent "alpiner Weltmusik", erzählt verschmitzt aus dem reichen Anekdotenrepertoire. Er überzeugte von Goisern, mit Band anstatt als Duo aufzutreten, was ja auch schon erfolgreicher war.

Hubert von Goiserns Besuch bei der Schimpansenforscherin Jane Goodall könnte leicht ins Esoterische abdriften. Ihn hatte die Aura der Schimpansenforscherin sowie später der Dalai Lama eingenommen. Seine Reisen führten ihn nach Tibet, Südafrika, Burkina Faso, und mit dem nubischen Superstar Mohamed Mounir spielte er vor 15.000 Zuhörern in Assiut/Ägypten. Er bemühte sich stets, auf Ländertouren zusammen mit einheimischen Musikern aufzutreten.

Mit einem zum Konzertschiff umgebauten Transporter ging es vor einigen Jahren auf eine grenzüberschreitende musikalische Flussfahrt vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee. Dort konzertierte er mit Wolfgang Niedecken, Claudia Koreck und Xavier Naidoo. Als von Goisern einige Tage ausfällt, studiert Naidoo nachts dessen Texte für den Auftritt ein und vergisst in dieser Zeit seinen missionarischen Eifer. In der Schlussszene sitzen Hubert von Goisern und Konstantin Wecker am Klavier. Zwei haben sich gefunden. Die Melodien vom Rührseligen verschlanken, zwischen den beiden Musikern herrscht eine weise Einigkeit, die nichts mit der Trachten- und Heimatboom-Gefühlsästhetik zu tun hat. Mit diesen beiden hat Rosenmüller zwei reflektierende Menschen als Schlussakkord gewählt, die schon mehrere Schwindelzustände im Leben meisterten. Wie am roten Faden gezogen sitzt Hubert von Goisern in der letzten Einstellung auf dem Boot. Man bekommt eine Ahnung, dass er mit dem Akkordeon und seiner Musik die Welt und ihre Bewohner umarmen will. In Anbetracht der aktuellen Flammenherde in der Welt und der resultierenden Gleichgültigkeit, ist es ein überzeugender Beitrag, wenigstens musikalisch aufeinander zuzugehen.

Mit Brenna tuat's guat fanden Rosenmüller und sein bewährter Kameramann, Johannes Kaltenhauser, eine Symbiose der Sprach-, Musik- und Bildkunst. Es hätte eine nostalgische Zeitreise werden können, bei der Musiker klagen: "Ach, ach, die Arthrose schmerzt beim Schifferklavierziehen" oder bei der den Fans nur ausgeleierte Erinnerungsschnipsel vorgesetzt werden. Ruhig, wie der Hallstätter See, wird von einem Leben erzählt, das sich der Musik versprochen hat. Ohne Kitsch und Sentimentalität.