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ENTWEDERUNDODER

"Das Wirtshaus war eine gute Therapie"

Kleine Zeitung 21. August 2011 | Text: Bernd Melichar
Hubert von Goisern

Hubert von Goisern kehrt mit seiner neuen CD zu den Wurzeln zurück: ins Wirtshaus.
Dort erfolgte die Erdung, nach der er gesucht hatte.

Entweder und oder, der Titel Ihrer neuen CD, ist gleichzeitig auch Ihr Lebensmotto. Das Motto des Musikers Hubert von Goisern, der sich nie in Schubladen zwängen ließ. War das auch der Hintergedanke für den Titel?

Der Titel hat sich so ergeben, weil ich während des Komponierens gemerkt habe, dass alles so eklektisch und vielfältig wird. Der erste Arbeitstitel für die CD war Mosaik, weil alle Lieder in sich geschlossene Kosmen, kleine Steinchen sind, die aber trotzdem erst zusammen ein Gesamtbild ergeben. Mosaik ist aber nicht infrage gekommen, weil es schon viele Platten gibt, die so heißen. Da bin ich dann auf dieses Wortspiel von "entweder und oder" gekommen, wo diese Polarität drinsteckt. Es ist nicht so, dass ich mich als Musiker nicht entscheiden kann. Es ist vielmehr so wie bei den beiden Seiten einer Medaille. Der Kopf bedingt die Zahl. Und umgekehrt. In diesem Spannungsfeld lebe und arbeite ich. Und es stimmt schon, dass das so etwas wie ein Lebensmotto von mir ist.

Mein erster Höreindruck der neuen CD: Wow, was für ein unberechenbares Biest! Die Gitarren krachen, die Ziehharmonika ächzt. Laut und leise wechseln einander ab; es jazzelt, es rockt, es groovt. Wie und wo sind die neuen Songs entstanden?

Vom ersten Handanlegen bis zum Veröffentlichen einer Platte dauert es bei mir ungefähr ein Jahr. Die meisten Lieder sind in Salzburg und Goisern entstanden. Goisern ist mein Refugium, da ziehe ich mich gerne zurück, in einer sehr einfachen Hütte. Da kann ich meine Gedanken schweifen lassen; da ist niemand, der mich stört. Dort traut sich auch niemand von meinen Freunden vorbeikommen, weil jeder weiß: Wenn ich dort bin, dann will ich in meinem Saft braten.

Sie genießen es offenbar sehr, wieder "nur" Musiker zu sein und nicht Organisator von irgendwelchen Großprojekten.

Die Linz-Europa-Tour hat mir schon sehr viel abverlangt. Da musste ich mich mit Dingen beschäftigen, die nichts mit dem ureigensten Musikerdasein zu tun hatten. Ich möchte es nicht missen, aber ich bin froh, dass es hinter mir liegt. Jetzt ist mir wieder der Pendelschlag in die andere Richtung wichtig. Die Reduktion auf das Wesentliche.

Sie sagen, dass es Ihnen wichtig gewesen sei, sich mit dieser neuen Platte wieder zu erden. Heißt das, dass die Erdung zuletzt verloren gegangen ist?

Na ja, beim Donau-Projekt war ich eher gewässert als geerdet. Wir hatten bei diesen Konzerten eine große Distanz zum Publikum. Es fand ja alles im offenen Raum statt, die Zuschauer waren oft 30, 40 Meter weit weg. Auf Dauer möchte ich das nicht haben. Darum habe ich jetzt ins andere Eck gedrängt und wollte wieder auf Augenhöhe mit meinem Publikum sein.

Diese Augenhöhe war auf Ihrer "Wirtshaustour" gegeben, über die es auch eine TV-Dokumentation gibt. Keine Extras, keine Show, keine Backstage-Räume, und der Wirt persönlich serviert den Kalbsbraten als Belohnung für die getane Arbeit. Wie war dieser enge, sehr intime Kontakt mit dem Publikum?

Schön! Ich habe diese Tour auch als Therapie für meine Band und mich betrachtet, dass wir nach den großen Projekten der letzten Jahre nicht abheben. Es hat sich dann herausgestellt, dass es vor allem für mich selbst eine sehr wichtige Therapie war. Ich habe im Laufe der Jahre eine ziemliche Scheu vor dem Publikum entwickelt. Es gibt nämlich einen gewissen Promillesatz von Menschen, die einfach distanzlos sind. Diese Menschen, die eine Art Saugnapfeffekt haben, erschweren mir oft den Kontakt zu meinem Publikum. Im Wirtshaus hat sich das wieder normalisiert. In diesem kleinen Rahmen, maximal 300 Leute, funktioniert das Kollektiv als Korrektiv. Da ist vielleicht auch der eine oder andere dabei, der mühsam werden kann, aber der wird von den anderen aufgefangen.

Sie sind offenbar ein Mensch, der die Gegensätze, die Kontraste braucht. Nach der Größe das Kleine. Nach der Ferne die Nähe. Wird Ihnen schnell langweilig?

Ja, das scheint tatsächlich so zu sein. Ich bin jemand, der sehr neugierig ist und sich mit Haut und Haaren auf etwas einlässt. Ich bin kein großer Multitasker. Aber wenn ich etwas mache, dann ziehe ich es durch, bis ich es über bin. Und dann ist wieder Zeit für etwas ganz Neues.

Ein Gasthaus ist ja die Urzelle des ländlichen Raums. Können Sie aufgrund der Begegnungen in diesen Urzellen sagen, wie es dem "Land Österreich" derzeit geht?

Es wäre jetzt übertrieben, zu sagen, dass ich in wirkliche Wirtshausgespräche involviert war. Wir haben dort bei den Konzerten schon unsere eigene Aura ausgebreitet. Wir waren im Frühjahr unterwegs, es waren wunderschöne Tage, und alle waren gut drauf. Das Schöne bei dieser Wirtshaustour: Es war ein Rücktransfer. Nachdem wir die Volksmusik in die Städte gebracht haben, brachten wir sie nun, angereichert mit Urbanität und dem Atem der Ferne, wieder an ihre Ursprünge zurück.

Von den Wurzeln, zu denen Sie zurückgekehrt sind, ist es nicht weit zur Heimat. Welche Heimat ist dem Weltenbürger Hubert von Goisern derzeit am nächsten?

Salzburg ist meine Wohnheimat. Das Salzkammergut ist die Landschaft, die mir am vertrautesten ist. Der Klang der Sprache, der ist mir sehr nahe am Herzen. Meine Sehnsucht geht aber dorthin, wo die große Natur ist, wo wenig Menschen leben. Dorthin, wo es keine Straßen und Häuser gibt und Menschen darin, die irgendwelche Fernsehprogramme konsumieren. Heimat ist für mich auch die Musik. Meine Musiker, das ist Familie. Und oft hadere ich auch mit meinen Heimaten. Aber das brauche ich, damit ich wieder Motivation bekomme für etwas Neues.

Bleiben wir bei der Musik. Sie gehen mit der neuen CD im Herbst und Frühjahr 2012 auf Tournee. Wie sehr macht es noch Spaß, auf der Bühne zu stehen?

Es ist nach wie vor sehr leiwand. Und mit meiner Band, dieser kleinen, schlagkräftigen Guerilla-Einheit, hat das eine Dimension, die sehr lustvoll ist. Wir sind echt eine geile Partie.

Das "Rockvieh Goisern" ist also wieder erwacht.

Ja, es rockt ziemlich. Und es macht gewaltig Spaß, ein Guerilla der Musik zu sein.

Die Scheu im Wirtshaus überwunden

OÖN 19. August 2011 | Text: Bernhard Lichtenberger

Mit seinem Album "Entweder und Oder", das am 2. September erscheint, ist Hubert von Goisern zu sich zurückgekehrt. Mit den OÖNachrichten sprach der 58-jährige Musiker über seine Scheu vor dem Publikum,
lässige Country-Helden und eine Zukunft ohne Musik.

EntwederundoderSie trinken gerade einen "Luftikus". Das passt zu Ihnen.

Ich fühle mich aber geerdet. Dazu haben die Musik und die Tour beigetragen.

Was war auf der Wirtshaustour, die am 1. April in Neuhofen im Innkreis begonnen hatte, anders?

Dieses Ankommen am Boden der Tatsachen, dem Publikum ins Auge schauen zu können und zu erfahren, wie neue Lieder aufgenommen werden. Wir sind überall mit offenen Ohren empfangen worden, das war eine große Freude beim Musizieren.

Im Wirtshaus verschwindet die Distanz zu den Leuten.

Das hat mir geholfen, die Scheu vor dem Publikum zu überwinden. Ich mag mein Publikum, aber wenn das ein paar tausend Leute sind, habe ich keine Lust, dass ich noch mit irgendwem in einen persönlichen Austausch trete. Und meistens sind es ja die Distanzlosen, die auf dich zukommen und dich mit Geschichten zulabern. Die horche ich mir von einem Freund gerne an, aber ich will jetzt nicht für jeden Wildfremden die Projektionsfläche sein. Das hat dazu geführt, dass ich eine große Scheu entwickelt habe, mit dem Publikum in Kontakt zu treten.

War das immer so?

Ja, ich scheiß' mich vor jedem Konzert an, bin hypernervös und will dann einfach meine Musik spielen und sonst nichts.

Ist das Angst?

Angst, sich zu blamieren, blöd dazustehen, zu stolpern, wenn du auf die Bühne gehst. Ich bin schon in der Schule gestorben, wenn ich aufstehen und vor der Klasse etwas sagen musste. Da ist nichts herausgekommen. Ich war am Anfang meiner musikalischen Karriere einmal an dem Punkt, wo ich knapp davor war, aufzuhören, weil mich das so fertiggemacht hat. Da habe ich mich angspieb'n vor Nervosität, bekam Fieber, Zahnweh, Schädlweh, und sagte mir: Wenn dich das so krank macht, kann es nicht das Richtige sein für dich. Dann habe ich mich eine Stunde vor den Spiegel gesetzt und auf mich eingeredet. Heute hadere ich nicht damit, sondern sehe es als Geschenk, denn ohne die unglaubliche Anspannung würde es gar nicht gehen. Das ist, wie wenn du beim Klettern in eine Felswand einsteigst – da bist du nur noch im Hier und Jetzt, zählt nur der Griff und der Tritt.

Von der Donau-Tour haben Sie viel Kraft und Energie in das s'Nix-Album hinübergezogen. Die neue CD ist wieder ein Schritt zurück.

Für mich war das eine logische Bewegung des Pendels in die andere Richtung. Auf die Linz-Europa-Tour konnte man, was Größe und Opulenz betrifft, nichts mehr draufsetzen. Ich wollte wieder hin zu sehr persönlichen und intimen Liedern mit in sich geschlossenen Geschichten und einem transparenten Sound.

Es is, wias is kann man als Lebens- und Jahreslauf oder als Ausdruck von Gelassenheit lesen.

Es ist eine Geschichte, die mit den Lebensumständen zu tun hat, die im Frühjahr aus der Wehmut entstanden ist, dass der Schnee schmilzt, und aus der Hoffnung, dass es wieder schneit.

Das Lied Indianer hat einen amerikanischen Country in sich, der sich als Soundtrack für einen Tarantino-Film eignen würde. Taugt Ihnen Country?

An sich taugt er mir. Es gibt natürlich auch viel Schatten, nicht nur Licht. Die Szene ist teilweise genauso tief wie der Musikantenstadl, aber es gibt eben auch die Lässigen.

Die da sind?

Hank Williams, Kris Kristofferson, Johnny Cash – vor allem dessen American Recordings, deren Einfachheit und Reduktion auf das Wichtige waren schon Vorbilder.

Sie haben heuer in Deutschland den Weltmusikpreis RUTH bekommen. Was fangen Sie mit dem Begriff Weltmusik an?

Für mich ist Weltmusik eine Musik, die eine klare Regionalität vertritt, in meinem Fall die alpine Tradition. Was ich an Traditionen nicht mag, ist das Ausschließende. Für mich ist es wichtig, wenn ich die Tradition lebe, dass ich die Türen offen und keine Angst vor Einflüssen habe, die woanders herkommen. Das Leben ist Veränderung, Tradition muss sich entwickeln.

Halt nit an handelt vom Auf-dem-Weg-Sein. Steckt dahinter eine Getriebenheit?

Da ist große Neugier dahinter.

Bei Ihnen muss man stets befürchten, dass Sie mit der Musik wieder aufhören. Spüren Sie das auch?

Jedes Mal, wenn ich in der Produktionsphase stecke, denke ich mir, das ist das letzte Mal, dass ich mir das antue. Nächstes Jahr machen wir eh rund 100 Konzerte, und für 2012 ist der Plan, dass ich zwei Jahre nichts tue und mich wieder aus der Öffentlichkeit herausnehme.

Wo soll der neugierige Geist hin, wenn nicht in ein Lied?

Das kann ich überall ausleben, beim Berggehen, bei meiner großen Leidenschaft Kanufahren. Ein paar Reisen werden mir sicher widerfahren, und ich will auch dem Zufall und Begegnungen wieder mehr Raum geben.

Wo treibt es Sie hin?

In zwei Wochen fliege ich nach Grönland. Es gab die Anfrage, ob ich nicht mit jugendlichen Inuits ein identitätsstiftendes Programm entwerfen könnte. Die sprengen sich da oben ziemlich weg, haben keine Perspektive, kein Selbstwertgefühl. Das alte Leben von der Jagd gibt es nicht mehr. Ich weiß nicht, ob ich das kann, aber ich schau mir das einmal an.

Wer hat angefragt?

Robert Peroni, ein Südtiroler, der vor etwa 20 Jahren eine Grönland-Durchquerungsexpedition geleitet hat und dort hängengeblieben ist, weil er die Leute so mag. Der Blues und Depressionen sind mir nicht fern, und jetzt gilt es einmal herauszufinden, was ich machen kann, um das Dunkel aufzubrechen und ein bisschen Licht hineinzubringen.

Hubert von Goisern: Im Wirtshaus mit dem Publikum

Tele 33/2011 | Text: Julia Pühringer | Foto: Elli Christl

Kein Austro-Musiker ist so weit herumgekommen wie Hubert von Goisern:
Er war in Afrika und Tibet, fuhr die Donau flussauf und flussab. Jetzt geht's endlich ins Wirtshaus.

HvG"Keine Extras, keine bunten Lampen, keine Show": Der Goiserer reduziert aufs Wesentliche. Bei der Wirtshaustour die nun auf ServusTV ausgestrahlt wird (Do., 25.08., 20.15 Uhr), ist Bodenhaftung das Motto – hier ist backstage an der Bar, u. a. im Grossarltal, am Pass Gschütt, von Frankenreith bis Leopoldsschlag an der tschechischen Grenze, von Ottenheim bis Weng.

Was zeichnet ein gutes Wirtshaus aus?

Gutes Essen ist Voraussetzung. Ich bin keiner, der nur wegen der Gesellschaft ins Wirtshaus geht um Bier zu trinken. Das hab ich noch nie gemacht (lacht nicht). Vielleicht kommt das im hohen Alter. Fast noch wichtiger ist ein freundlicher Wirt. Das Essen ist meistens auch nicht gut, wenn der zwider ist. Und ich mag Gemütlichkeit, einen Holzboden statt Fliesen.

Eines der Ziele der "Wirtshaustour" war, brachliegende Veranstaltungsorte wiederzubeleben. Was war der Auslöser?

Der Auslöser war, als 1992 in Goisern der letzte Wirtshaussaal weggerissen worden ist, weil man da was Größeres hinbauen wollte, eine Eier legende Wollmilchsau von einem Veranstaltungssaal. Ich bin damals von Pontius zu Pilatus gelaufen, vom Bürgermeister bis zum Konsum, der damals Eigentümer war, man war nicht davon abzubringen. Es hat keiner gemerkt, was das eigentlich für eine Kommune bedeutet, einen Saal zu haben, der eine Geschichte ausstrahlt, eine Wärme hat.

Was sind die Kriterien für die Wirtshäuser auf der Tour?

Sie müssen in einem Ort sein, wo die Leute eine Stunde oder mehr mit dem Auto fahren müssen, um in eine Stadt zu gelangen, wo ich üblicherweise Konzerte gebe. Wir kommen den Leuten entgegen – nicht sie zu uns, sondern wir zu ihnen. Das ist effizienter und spart Treibstoff.

Was hat Sie umgetrieben bei Ihrem neuen Album? Die Themen reichen vom Wert und Nicht-Wert des Geldes bis zu Komplikationen von Beziehungen ...

Das sind ja die ewigen großen Themen, die uns beschäftigen: Der Umgang mit den Ressourcen, wo die einen einfach zuviel haben und keinen Bezug mehr dazu. Und die Beziehungseben ist auch ein Dauerbrenner, das Scheitern von Kommunikation.

Woran scheitert es?

Es gibt immer wieder einen Kommunikationszusammenbruch, wo man sich dann mehr als anstrengen muss, dass sich dieser Stau an Emotionen, Ressentiments und Missverständnissen auflöst. Das liegt in der Natur der Sache, das hängt auch mit den Generationen zusammen, damit, dass wir halt Phasen haben, wo wir uns selber wichtiger sind als die Umwelt, weil wir uns selber verlieren. Da wird unser eigenes Leben plötzlich ganz kompliziert und dann ist es sehr schwierig, mit der Umwelt in Kontakt zu treten, außer sie will genau das, was man selber will. Man kann aber nicht jedes Mal das ganze Umfeld wechseln, nur weil man selber in einem anderen Film ist. Damit muss man lernen umzugehen. Ich sag immer: Weiteratmen, einfach weiteratmen, und nicht alles gleich zum eigenen Problem machen. Sehr oft nimmt man sich ja anderer Leute Probleme aus Machtinteresse an oder aus großer Selbstüberschätzung der eigenen therapeutischen Fähigkeiten. Viele Dinge erledigen sich von selbst.

Wenig österreichische Musiker sind über die Jahre so viel im Ausland herumgekommen wie Sie – wie definieren Sie Heimat? Wo fühlen Sie sich wohl? Wie erden Sie sich? Oder sind Sie überall zuhause?

Das ginge schon, aber ich brauch ein Zeitl, ich bin ein Langsamer. Wenn ich zum Beispiel nach Afrika fliege, brauch ich drei Tage, bis ich in Kommunikation treten kann, also jetzt abgesehen von Funktionellem – wo gibt's Tschick, wo kann ich mir Bananen kaufen, diese Dinge. Dann kann ich mich eigentlich überall zuhause fühlen, ich fühle mich schon eher als Kind dieser Welt als ein Sohn des Salzkammerguts oder Österreichs.

Befreit das?

Ja, eh. Heimat ist für mich in erster Linie ein Platz, wo ich mich einbringe und mir nicht nur mein Teil dazu denke und beobachte. Es ist schon extra Heimeliges, wenn ich ins Salzkammergut komm, wo die Leute diesen Klang in der Sprache draufhaben, der mir vertraut ist. Oder wo mir die Silhouette der Berge so vertraut ist, dass ich, obwohl ich weit weg bin, weiß, wenn das Licht so ist oder der Klang der Kirchenglocken so ist, der Föhn geht. Das hat dann schon was. Wenn ich lang keine Berge hab, dann werd ich depressiv. Ich hab auch immer wieder das Gefühl, ich möcht gern wo raufgehen und mir einen Überblick verschaffen – da sind die Probleme des Tales einfach weit weg, die Autos sind ganz klein, stinken nicht. Man ist ein Teil der Natur und als solcher fühle mich immer wohl.

Es ist nicht ihre erste Tournee, die auf Film dokumentiert wird ...

Das war eigentlich nur die Linz Europa Tour, da war der ORF Ko-Produzent und hat sie zu einer unmöglichen Sendezeit ausgestrahlt. Alles anderen habe ich selber gemacht und selber produziert. Bei der Donau-Tour wär's einfach sträflich gewesen, die Vision nicht mit mehr Leuten zu teilen, auch wenn das 200.000 Leute live gesehen haben. Ich bin froh, dass es das als Dokument gibt, deswegen hab ich mir das auch angetan, ein Buch drüber zu schreiben.

Stört das Filmen vor Ort?

Meistens. Aber ich habe im Laufe der Jahre gelernt, im Vorfeld drauf zu schauen, dass die richtigen Leute mitfahren. Es ist mir passiert, dass mir ein Produktionsteam auf's Aug gedruckt wurde, das einfach unfähig war, die Situation zu begreifen oder auch zu genießen. Damit ist niemandem gedient. Ich will nur Leute dabei haben, die das auch wollen, niemand, der dazu vergattert worden ist. Aber im Grunde genommen stört es in der Begegnung mit Fremden. Wenn man ins Herz Afrikas fährt und begegnet dort Menschen, die man noch nie zuvor gesehen hast, will mit denen Kontakt aufbauen, dann hemmt eine Kamera oder gar ein ganzes Filmteam, das herumwuselt. Das Ganze kriegt dann eine Wichtigkeit, die gerade bei der ersten Kontaktaufnahme nicht förderlich ist.

Sie spielen gerne mit anderen Musikern ...

Es geht eigentlich ganz simpel darum, Freunde zu gewinnen, Menschen kennenzulernen. Ich bin ein neugieriger Mensch. Es interessiert mich einfach, eine gemeinsame Zeit zu verbringen – nicht nur zu proben und auf die Bühne zu gehen, und vielleicht vorher oder nachher kurz ein Bier zu trinken. Wenn man wie wir damals auf dem Schiff ein paar Tage Zeit hat, miteinander reist, isst, die Nacht am selben Ort verbringt und sich in der Früh wieder trifft, da kommt eine Normalität in die Beziehung rein. Da kommt jeder ein bissl verwuzelt in der Früh daher und holt sich seinen Kaffee, dann redet man anders und kommt schon mehr auf den Kern der Sache, auf die Gemeinsamkeiten, die Unterschiede. Ich bin ja keiner, der die Menschen gleichschalten will.

"Neue Volksmusik", "Weltmusik" – wie tun Sie sich mit solchen Begriffen?

Die sind mir relativ wurscht. Die verändern den Geschmack im Lauf ihres Lebens. Weltmusik hatte einen anderen Geschmack vor 20 Jahren, als Peter Gabriel sein Real World-Label gegründet hat, da war das der letzte Schrei. Jetzt hat's schon so was Abgedroschenes. Aber manche Leute entdecken es jetzt erst. So Begriffe wie "Neue Volksmusik" werden ja nicht von Musikern erfunden. Leute, die über Musik schreiben wollen und sollen müssen sich halt irgendwas dafür einfallen lassen. Ich finde den Journalismus ja spannend, der mit Worten das ausdrücken soll, was andere mit Musik machen. Das kann sich eigentlich gar nicht ausgehen. Man kann dieses klingende Zentrum nur mit Worten umschreiben und durch den Kreis, den man rundherum zieht, die Leute ahnen lassen, was da in der Mitte ist, was aber als solches unbegreifbar bleiben wird. Leonard Bernstein hat einmal gemeint, "über Musik zu schreiben ist wie über Architektur zu tanzen".

Hören Sie auch Musik junger österreichischer Bands?

Ganz wenig, ich bin so viel mit meinen Sachen beschäftigt, außerdem hör ich mir nicht gern Musik aus der Konserve an. Es sei denn es kommt wer und sagt, du hör dir das an. Da freu ich mich dann. Aber ich hör ja sowieso dauernd Musik in meinem Kopf – aber Sachen, die's noch gar nicht gibt. Es läuft eine Musik ab, ich brauch mich nur eintunen, das Volume aufdrehen, dann hör ich nimmer, was rund um mich ist, sondern was in mir ist.

Können Sie sich das merken?

Wenn ich will schon. Aber oft nehm ich's gar nicht so bewusst wahr. Ich war mir als Kind sicher, jeder hat das. Ich kann mich erinnern mit fünf, sechs Jahren, sind da die ersten Sachen passiert, vom Hundertsten ins Tausendste, Harmonien und Melodien. Ich glaub ich war erst 30 Jahre oder älter als ich erfahren hab, dass das nicht jeder hat!

Wo entspannen Sie gern? Weit weg oder doch zuhause?

Dahoam taugts mir eigentlich sehr, nachdem ich eh sehr viel unterwegs bin. Wobei's natürlich so ist: Daheim sieht man ständig die Arbeit. Es gibt immer was zu tun, was man von einem Jahr aufs nächste verschiebt. Dann starrt man auf irgendeinen Ast, den man seit drei Jahren abschneiden will, oder denkt dran, dass man den Keller entrümpeln soll. Aber wir fliegen jetzt nach Lappland. Ich bin ein echter Fan des ganz hohen Nordens. Ich mag's dort irrsinnig gern, weil's dort so ruhig ist.

Was ist die nächste Reise, das nächste Wirtshaus, das nächste Projekt?

2012 werden wohl so an die 100 Konzerte gespielt werden, 2013 hab ich dann eigentlich vor, nichts zu tun. Ich mach das immer wieder. Da gibt's mich dann einfach nicht für die Öffentlichkeit.

Was tun Konzerte mit dem eigenen Energiehaushalt? Man gibt viel, bekommt viel ...

Das trifft auf mich auf jeden Fall zu. Ich bin kein Multitasker. Es heißt immer, die Männer tun sich mit solchen Sachen schwerer als mit Frauen (Freudscher Versprecher, Anm. der Red.). Mir geht's ganz extrem so. Wenn ich auf die Bühne geh, werd ich zum Bühnenmenschen. Die ganze Energie geht dahin, dass die Bühne brennt, dass wir Wärme und Licht ausstrahlen und den Leuten mitgeben. In der Zeit kann ich nicht komponieren, höchstens ein bisschen träumen, da bin ich den ganzen Tag über auf extrem niedriges Standgas eingestellt und dann vollgas auf der Bühne und dann wird wieder alles runtergefahren. Danach brauch ich eine Auszeit. Dann komm ich wieder in die Phase, wo ich mir selber zuhören kann und Neues entsteht. In dieser Zeit ist es völlig ausgeschlossen, dass ich vor jemandem auftrete oder öffentlich etwas sage. Da bin ich dann ganz intim, ganz verletzlich, da will ich keine fremden Leute um mich herumhaben. Da möcht ich nur wenige Leute, mit denen ich mich ganz intensiv auseinandersetze, und nicht diese große Publikumsmasse. Die ist eigentlich immer beängstigend, bis ich mich dran gewöhne, und es mir dann wieder abgewöhne. Das hat schon Suchtcharakter.

Das Publikum hat ja auch den Anspruch, wenn auch nur für die Dauer eines Konzerts, eine Verbindung zu Ihnen zu haben ...

Ich weiß nicht, wie das für die Leute ist. Ich bekomme viel Post und merke schon, dass ich für sehr viele Leute eine Projektionsfläche bin. Es gibt Leute, die schütten einem dann auf 20 Seiten ihr Herz aus, das kann man gar nicht alles aufnehmen. Aber die Grundstruktur ist, dass sie in mir das sehen, was sie in sich tragen. Wenn das Trauer ist und Schmerz und Unglück, dann projizieren sie das auf mich und meine Lieder, und wenn sie etwas überwunden haben, dann projizieren sie das hinein. So soll es ja auch sein. Ich rede nicht gern selbst über meine Musik und meine Lieder. Wenn die nicht ohne Beipacktext funktionieren, dann stimmt was nicht. Ich mag keine Interpretationsvorgaben geben. Jeder soll für sich das entdecken, was passt. Es gibt keine falsche Interpretation.

Schriftsteller sagen ja oft, sobald man einen Text veröffentlicht hat, gehört er einem nicht mehr. Das hat auch was Befreiendes: Man kann es nicht mehr, muss es dafür aber auch nicht mehr beeinflussen ...

Das stimmt. Aber es fordert einem natürlich ab, dass man sich bis zu dem Zeitpunkt, wo man's entlässt, sehr wohl Gedanken macht, wie was verstanden werden kann. Das ist schon lang her, da hab ich zu jemandem gesagt, "Wenn Dir etwas so wichtig ist, dass es für Dich passieren muss, dann musst Du's machen!". Dann hat er was gemacht – ich mag darüber, was es war, jetzt gar nicht reden (lacht) – ich hätte jedenfalls sowas auf keinen Fall gemacht. Dann haben's ihn halt dabei erwischt und er hat gesagt, "Ich hab das gemacht weil das der Hubert gesagt hat". Es lohnt sich allemal darüber nachzudenken, ob etwas missverständlich sein kann. Mir ist das ja einmal mit Heast as nit passiert, das bei einer FPÖ-Veranstaltung verwendet wurde.

Denen haben Sie dann einen Brief geschrieben ...

Der Tiroler Jung-FPÖ-Chef hat geschrieben, dass sie total enttäuscht sind, dass ich mich so davon distanziere. Aber das ist eh ok. Wie man so schön sagt, das war ein Aufgelegter (schmunzelt). Sowas passiert. Dafür kann man dann wunderbar Stellung dazu nehmen. Ohne Anlass politisch Stellung zunehmen, da käme man sich vor, wie wenn man selber Politiker wäre und das kann's eigentlich nicht sein.

"Ich muss immer das Leben leben, über das ich auch singe"

Volksblatt 18. August 2011
Hubert von Goisern

Sänger Hubert von Goisern (58) stattete mit neuem Album "Entwederundoder"
der Volksblatt-Redaktion einen Besuch ab

Am 2. September erscheint seine neue Platte Entweder Und Oder, die Hubert von Goisern auf einer 100 Konzerte umfassenden Tournee ab 19. Jänner auch live vorstellen wird. Wir hatten Gelegenheit, das Album - eines seiner absolut besten - vorab zu hören und das folgende Interview mit dem so charismatischen wie bodenständigen Weltklasse-"Weltmusiker" zu führen.

Sie leben in Salzburg, sind viel auf Tour. Haben Sie noch einen Koffer in Bad Goisern?

Ich habe einen Zweitwohnsitz in Goisern. Dorthin ziehe ich mich zurück, wenn ich meine Ruhe haben will, zum Komponieren und Texten. Auch mein Vater lebt in Goisern. Und meine Freunde wissen, dass eher ich auf Sie zukomme, wenn ich dort bin.

Sind Sie in Salzburg, jetzt zur Festspielzeit, auch einmal im Festspielhaus anzutreffen? Oder ist "Hochkultur" ein rotes Tuch für Sie?

Ich mag die Festspiele und finde sie sehr inspirierend. Leider konnte ich heuer erst eine Produktion sehen, die Oper Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss.

Ihr Stil wird meist unter "Weltmusik" eingereiht. Wie geht es Ihnen mit diesem Hilfswort?

Ich bin nicht glücklich damit. Bei Weltmusik muss man aufpassen, dass daraus keine Allerweltsmusik wird. Ich mag Traditionen, ethnische Sounds und Spielweisen, aber nicht, dass man einfach ein bissel von da und ein bissel von dort nimmt. Der Titel Entweder Und Oder soll aber die Bandbreite der Stile ausdrücken, die auf meiner neuen CD enthalten sind.

Ihr neues Album klingt vom Sound her insgesamt abgespeckter als frühere Platten.

Ja, das war so beabsichtigt. Es kam mir auf Intimität und eine sehr persönliche Umsetzung an.

Es gibt etliche Balladen darauf. Wird man mit zunehmendem Alter — Sie werden nächstes Jahr 60 — melancholischer?

Ich muss immer das Leben leben, über das ich auch singe. Idee und Musik für diese melancholischen Songs kamen aus der Stille heraus. Meine "lauteren" Lieder entstehen im Studio in Salzburg — einer städtischen, lauten Umgebung, die leiseren in Goisern, in der Natur. Da macht die Welt die Musik.

Was will uns die Instrumentalnummer Über-Unter-Ober-Österreicher sagen?

Dass ich aus dem ganz unteren Oberösterreich komme, und das sind doch die "Über-Oberösterreicher" (lacht).

Sie haben einen großen Teil der Welt bereist. Das neue Lied Halt nit an legt nahe, dass Sie das weiter tun?

Früher habe ich meine Reisen aktiv geplant, jetzt widerfahren Sie mir. Wie die im September, die mich für zwei Wochen nach Grönland führen wird. Der Südtiroler Robert Peroni hat dort ein Haus für junge Leute gebaut, die Probleme mit Alkohol oder Drogen und keine Lebensperspektive haben. Musik kann da identitätsstiftend wirken. Es geht mir ums Kennenlernen, wenn die Chemie stimmt, schaue ich im Winter nochmals hinauf.

"Eine Show, die keine Show ist": Hubert von Goisern im Wirtshaus

Die Presse 18. August 2011 | Text: Duygu Özkan | Foto: Michaela Bruckberger

Hubert von Goisern meldet sich mit Roadmovie und neuem Album zurück. Der moderne Volksmusiker hat nun keine Scheu mehr vor dem Publikum. Die Dokumentation wird am 25. August in "Servus TV" ausgestrahlt.

Hubert von Goisern

Das Ende der Welt ist gar nicht so weit weg. In Hubert von Goiserns Universum jedenfalls ist es mindestens eine, durchschnittlich aber mehr Autofahrstunden von den größeren Städten Österreichs entfernt. Und an diesen Enden der Welt, wie Hubert von Goisern sagt, ist der moderne Volksmusiker in den vergangenen Monaten aufgetreten. Aber nicht auf großen Bühnen mit Lichtinstallation und Hightech-Soundanlage, sondern in Wirtshäuser mit kleinen Veranstaltungsräumen und stickiger Luft. Denn diese kleinen Bühnen, klagt er, seien quasi vom Aussterben bedroht. Und als der Goiserner Wirtshaussaal anno 1992 auch abgerissen wurde, "hab ich mir damals schon gedacht, ich möchte eine Lanze brechen für diese Institution".

Nun hat es er es realisiert – in Begleitung eines Kamerateams. Die Dokumentation Hubert von Goiserns Wirtshaustour wird am 25. August in "Servus TV" ausgestrahlt. Die Revitalisierung der rustikalen Bühnenstube war für von Goisern aber nicht der einzige Grund für die doch eher ungewöhnliche Tournee. "Ich wollte zu den Leuten kommen", sagt der 58-Jährige. Sprich: eine intime Atmosphäre schaffen. Denn Hubert von Goisern habe eine große Scheu vor seinem Publikum bekommen. Zum einen, weil ebendieses immer größer wurde, zum anderen, weil sich der Umgang mit den distanzlosen und anstrengenden Fans als immer schwieriger erwiesen hat. Der Musiker hat also sein Publikum neu kennenlernen wollen. Sein Stilmittel dabei: "Ich wollte eine Show machen, die keine Show ist", also Musik ohne Ablenkung.

Die Tour selbst wurde nicht beworben, die Wirte haben nur zwei Plakate bekommen: eines für sich und eines für das Gemeindeamt. Und plötzlich erschienen Leute, sagt von Goisern, die noch nie in ihrem Leben auf einem Konzert waren. Für ihn selbst sei der intime Kontakt "auf Augenhöhe" eine erdende Erfahrung gewesen. Der diametrale Gegensatz zu seiner Linz Europa Tour, bei der er auf einem umgebauten Frachtschiff 12.000 Kilometer auf der Donau zurückgelegt und 60 Gigs gegeben hat.

Zumindest musikalisch war der Horizont während der Wirtshaustour nicht eng. Die Hälfte der Abende füllten Lieder aus 20 Jahren, die andere Hälfte Songs aus seinem neuen Album Entweder und oder. Den Titel versteht Hubert von Goisern als eine Antwort auf die Annahme, es gebe nur ein Entweder oder ein Oder. Entweder Kopf oder Zahl – "es gibt aber Kopf und Zahl". Sein neues Album charakterisiert er als Mosaik – kleine, in sich geschlossene Geschichten, versöhnliche und zornige, entweder und oder eben.

Hat man sich diese Philosophie einmal einverleibt, ist sie auch nicht mehr so leicht zu erschüttern. Ob er denn lieber singe oder rede? Lange Pause. "Es geht sich einfach nicht aus, dass man nur singend durchs Leben geht. Da kommt man in die Klapsmühle." Beides also. In die Klapsmühle geht von Goisern daher nicht, dafür aber im September nach Grönland. Dort wird er Workshops mit problembehafteten Inuit-Jugendlichen machen. "Ich werde ein bisschen Material mitnehmen und von mir reden." Singen wird er höchstwahrscheinlich auch. Wie gesagt, entweder und oder.

Hubert von Goisern meldet sich mit neuer CD zurück

APA 17. August 2011 | Text: Christoph Griessner | Foto: APA

Hubert von GoisernNachdem er sich in den vergangenen Jahren großen Projekten wie seiner Linz-Europa-Tour entlang Donau, Rhein und Main oder seinem bis dato letzten Studioalbum S'Nix (2008) gewidmet hat, kehrt der heimische Musiker und Liedermacher Hubert von Goisern dieser Tage mit einem reduzierteren Sound zurück. Nach seiner "Wirtshaustour" durch Österreich - am 25. August ist auf Servus TV um 20.15 Uhr eine Dokumentation darüber zu sehen - erscheint am 2. September die neue Platte EntwederUndOder. Klassische Trademarks des 58-Jährigen sind ebenso vertreten wie neue Facetten - inklusive Funk mit der Maultrommel. "Da sind diese Polaritäten drinnen - zwischen sehr intimen und einfühlsamen Liedern, und manchen, die eher rau und kompromisslos musiziert sind", erzählt der Weltenbummler im APA-Gespräch.

War es Ihnen ein Bedürfnis, wieder etwas Kompakteres zu machen?

Schon. Es war nach vier Jahren Opulenz, breiten Sounds und einer großen Band von meistens neun Leuten schon der Wunsch, das Pendel in die andere Richtung zu bewegen, damit es neuen Schwung bekommt.

Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt gefallen?

Ich habe mich erst daran gewöhnen und mir selber Mut machen müssen, dass das jetzt so passt und ich da nicht noch herum feile und komplexer gestalte, sondern in dieser Einfachheit, teilweise auch Naivität, bleibe.

Ein Großteil der Songs klingt durch die Blues-Anleihen oder Western- und Country-Einflüsse sehr amerikanisch.

Ja, es ist einiges an Country-Feeling drinnen. Obwohl mir diese Musik eigentlich nahe ist, habe ich mich nicht immer mit ihr anfreunden können. Da gibt es viel Licht und viel Schatten. Aber inzwischen gibt es einige sehr bestimmende Alben, ich denke da etwa an die letzten Johnny-Cash-Platten. Diese Reduktion auf ganz wenige Instrumente und die Transparenz in den Klängen war bis zu einem gewissen Grad vorbildhaft für mich. Ich wollte eine Musik machen, bei der man hört, wo sie herkommt. Wenn man so einen breiten Sound und vor allem Keyboards dabei hat, wird das ungreifbar.

Neben nachdenklichen Texten finden sich auch sehr humorvolle Zeilen, etwa im Stück Indianer. Wie wichtig ist es, einen Ausgleich zwischen Humor und einer gewissen Ernsthaftigkeit zu schaffen?

Eines meiner großen Vorbilder ist der Dalai Lama. Und wie er das in sich vereint, diesen Humor, dieses unglaublich ansteckende Lachen, und die Ernsthaftigkeit, etwas auf den Punkt zu bringen, versuche ich das auch in meinen Liedern umzusetzen. Nur lustig, das wäre mir zu wenig. Ich lache auch gern, aber das Leben ist nicht nur lustig. Was aber nicht heißt, dass es, weil es nicht nur lustig ist, nicht auch lässig ist.

Im April waren Sie auf "Wirtshaustour" durch Österreich. Was war der ursprüngliche Beweggrund dafür und was nimmt man da mit?

Es war ein Programm, das ich uns auferlegt habe, um zurück zu gehen und uns wieder zu erden, nachdem wir auf der Linz-Europa-Tour eigentlich Landschaften beschallt haben. Ich wollte das Publikum wieder ganz nah haben und auf Augenhöhe musizieren. Im Laufe der Zeit bekommt man eine Scheu vorm Publikum. Auf der einen Seite bin ich gerne auf der Bühne, aber ich habe auch immer Angst. Das hat sich nicht gelegt über die Jahre und es kostet wirklich viel Kraft, mich der Außenwelt zu stellen. Auf der "Wirtshaustour" waren es überschaubare Mengen, wo man die Scheu verliert, den Kontakt zu den Leuten aufzubauen. Es war für uns alle auch eine Entdeckungsreise durch Österreich. Klar können wir in die Ukraine oder nach Moldawien fahren, aber es gibt auch bei uns noch sehr viel zu entdecken. Es ist ein spannendes Land, so klein es auch ist.

Wirtshäuser waren ja früher auch Orte, wo Musik sehr präsent war. Wie schwierig war es denn, die Leute dafür zu erwärmen und zu mobilisieren?

Das war nicht so einfach. Das ist ein Milieu, das schön langsam verstaubt und vermodert. Die Clubs legen nur noch CDs auf und dann gibt es wegen der Anrainer auch dauernd Probleme, so dass Clubs sagen: "Nein, Livemusik ist einfach zu laut." Ich finde es schade, dass diese Wirtshäuser, die es einfach gibt, nicht mehr genützt werden. Und dann muss man auch noch Wirte finden, die das interessiert, die sagen: "Ja, klass', machen wir."

Sie haben schon in den unterschiedlichsten Ländern der Welt gespielt. Auf dem neuen Album ist dieses Reisebedürfnis auch in dem Song Halt nit an spürbar. Ist diese Lust immer noch unvermittelt stark?

Es hat eine Zeit gegeben, da wollte ich die ganze Welt entdecken und wissen, wie es überall ausschaut. Inzwischen weiß ich, dass es sich einfach nicht ausgeht. Und das entspannt mich einigermaßen. Aber es widerfahren mir so viele Begegnungen, die mich neugierig machen, dem nachzugehen. Und wo ich früher meine Reisen mehr geplant habe, ist es jetzt eher so geworden, dass Sachen an mich herangetragen werden. Oft habe ich das Gefühl: "Jetzt gibst' einmal eine Zeit Ruh', es ist daheim auch so schön." Und bevor ich es übersehe, habe ich schon ein Flugticket in der Hand und bin wieder weg.

Über die Jahre haben Sie in vielen verschiedenen Bereichen gearbeitet. Gibt es noch Herausforderungen?

Da gibt es noch viele Sachen. Seit zig Jahren träume ich davon, irgendwann einmal eine Oper zu schreiben. Je älter ich werde, desto mehr Respekt habe ich vor diesem Vorhaben. Da braucht man auch einen gewissen jugendlichen Übermut. Filmmusik war immer und ist nach wie vor ein Thema, weil man nicht daran denken muss, wie man das dann auf der Bühne umsetzt, sondern aus dem Vollen schöpfen kann mit den Klängen. Während des Schreibens meines Buches (Stromlinien, erschienen 2010 im Residenz Verlag/Anm.) habe ich oft davon geträumt, Fiktion schreiben zu wollen und zu dürfen, bei der man sich nicht an alles halten muss, wie es wirklich war. Ein Roman würde mich schon reizen, und ich denke, es gibt einiges, von dem ich noch gar nicht weiß, dass ich es auch irgendwann einmal gerne machen möchte.

Wenn wir bei Oper und Roman bleiben: Gibt es da schon thematische Vorstellungen?

Da gibt es einige Themen, die mich faszinieren, aber da möchte ich ungern darüber reden. Nicht weil ich befürchte, dass es mir irgendjemand wegnimmt, sondern weil ich mir selber den Spitz nicht wegreden möchte. Es ist ja eine Energie, die da ist. Wenn man dann zu viel darüber spricht, dann redet man das raus, und ich würde es lieber in Taten umsetzen.

Am vergangenen Wochenende waren Sie in der Jury des Dirndlflug-Wettbewerbs. Wie sind solche Termine im Society-Bereich für Sie, eher belustigend oder störend?

Das ist nicht wirklich meins. Aber Gerhard Gössl hat mir auf der Linz-Europa-Tour sehr geholfen, indem er ein paar Fetzen für mich geschneidert hat, die Klaus Höller, der leider vor zwei Jahren gestorben ist, mit mir zusammen designt hat. Wenn dir jemand so geholfen hat, und dich dann seinerseits um einen Tag deines Lebens bittet, dann gebe ich den gerne her. Aber solche Tage fallen schon eher unter Prüfungen. Wobei der Event selbst auch lustig ist. Was ich immer unterschätze ist die mediale Nachwirkung. Wenn dann plötzlich jemand da steht und dich interviewt zu dem, was da gerade passiert, dann fällt es mir wahnsinnig schwer. Würde ich das sagen, was ich mir denke, ist niemandem geholfen. Und lügen kann ich auch nicht. Dieses Ringen um Worte, die auch positiv ausgelegt werden können, ist dann schwierig.

Anstoß aus Teufels Küche

Die Salzburgerin August/September 2011 | Text: Andrea Maurer | Fotos: Kaindl-Hönig Fotostudio+Werbeteam
Hubert von Goisern

Hubert von Goisern geht weit. Schon immer. In Südostasien hat er gefunden, was er zu Hause verloren hatte: Volksmusik. Dass er auf den Philippinen in einem entlegenen Bergdorf Nasenflöte gelernt und dabei die alpine Musik neu entdeckt hat, ist fast schon Legende. Doch keine Sorge, sein Geschichtenfundus ist ergiebig.

Die Nasenflöte ist nicht in der Souvenir-Kiste gelandet. Der Goiserer integriert sie, bei Bedarf, in seine Musik. Eine erstaunliche Anzahl an Instrumenten, inklusive Kuhglocken, hat er sich inzwischen zu eigen gemacht. HvG, dieses Kürzel steht für einen Pionier des österreichischen Alpenrock. Für einen, der "ewig Gestrigem" gerne die Scheinheiligkeit austreibt. Immer wieder spielt sich der Vollblutmusiker aus Erwartungshaltungen weg, aktuell in einer elektrisierenden Vier-Mann-Band. Was ihm in die Quere kommt, was ihn berührt, verarbeitet er in Texten und Liedern. "Die eine Seite brennt, die andere", bekennt er mit einem hintergründigen Lächeln, "hadert". Natürlich auch mit Salzburg, dem Ort, an dem er sich niedergelassen hat: In einem ausgeklügelten Niedrigenergiehaus mit Teich – ein Biotop, das er gemeinsam mit seiner Familie gestaltet. Zum Studio, "dem eigenen kreativen Biotop", führt eine Brücke. Eine Homestory? Nein, bitte nicht mit ihm. Ein persönliches Gespräch wird es trotzdem, in der Wildnis des Kapuzinerbergs. Der östliche Stadtberg hat für den Weltenwanderer eine große Anziehungskraft. Manche Obdachlose, die hier oben in Wehrtürmen, zwischen Felsen ein Dach über dem Kopf gefunden haben, kennt er. Sie stehen regelmäßig bei ihm zu Hause vor der Tür, Hubert manchmal bei ihnen. Die Neugier hat ihn gegen Ausgrenzung gründlich geimpft.

Wann bist du eigentlich das erste Mal mit Salzburg in Berührung gekommen?

Salzburg, das ist überhaupt eine meiner ersten Erinnerungen: eine Fahrt mit dem alten Mönchsbergaufzug. Ich bin in einen kleinen, fensterlosen Raum hineingegangen, und als ich wieder hinausgetreten bin, befand ich mich über der Stadt: Für mich war das, als hätte mich jemand mit einem Zauberstab berührt. Plötzlich bin ich über allen Dingen gestanden. Ich muss ungefähr zwei Jahre alt gewesen sein.

Du magst diese Stadt wirklich?

Ja, ich mag sie sehr. Ich hadere natürlich auch mit ihr. Wie mit allem, was mir ans Herz gewachsen ist. Weil es bindet. Wenn man etwas liebt oder auch geliebt wird, wenn du dich wohlfühlst, dann fährst du ungern weg. Als neugieriger Mensch muss ich immer wieder Orten und Menschen den Rücken zukehren. Da hilft es schon, wenn man auch einen "Hader" hat.

Du bist beim Reden weitaus mehr um Ausgewogenheit bemüht als in vielen deiner Lieder, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen.

Das ist auch was anderes. Lieder sind in sich geschlossene Kosmen. Beim Reden tue ich mir schwerer mit der Subjektivität – da ich nicht ausschließen kann, dass ich schon morgen anders denke. In Liedern, in Texten lasse ich mich ganz auf ein Gefühl ein. Und wenn jemand sagt: So siehst du also die Welt! Dann kann ich antworten: Ja, in gewissen Momenten! Aber es gibt andere Lieder, in denen ich sie wieder anders sehe.

Für eine ungezähmte Wut im Bauch sind deine neuen Nummern wie suach da an åndern oder i versteh di nit bestens geeignet.

Ich bin ein emotionaler Mensch und in allem, was ich tue, heftig. In der Liebe, beim Musizieren und auch beim Streiten. (er lacht) Beides sind aber keine unversöhnlichen Lieder. Es geht darum, zum Streit zu stehen. Damit tue ich mir selber manchmal schwer. Wenn ich streite, fühle ich mich extrem unwohl. Deshalb warte ich oft viel zu lange, um unangenehme Sachen anzusprechen. Und bis ich's dann tu, hat sich so viel angestaut, dass es gleich ziemlich scheppert. Ich bin im Jahr des Drachen geboren und kann so richtig Feuer spucken. Dazu kommt noch mein skorpionisches Gift.

Deine Liebesbeziehung zur Ziehharmonika hat vor etwas mehr als zwanzig Jahren auch sehr heftig begonnen?

Eigentlich wollte ich sie kaputtmachen. Ich habe in einer rauschvollen Nacht in Goisern versucht, sie zu erwürgen und zu zerreißen. Dabei habe ich entdeckt: Die kann ja rocken! Vor allem wenn man sie "verkehrt" spielt. Dann steht einem die mixolydische Tonleiter offen – und mit der kleinen Septime bist du voll im Blues. So ist die Neugier entstanden, mich mit diesem Instrument wirklich auseinanderzusetzen.

Im Fahrwasser seiner Erinnerung taucht ganz augenscheinlich mehr auf als die nächtliche Initialzündung.

Hubert von GoisernDu hast den neu entdeckten Charakter der "Zieha" also in deine Musik eingebaut – wann bist du damit in die Öffentlichkeit gegangen?

Am nächsten Morgen vor dem Dom. Drei Stunden lang ging meine Experimentierlust gut, dann kam eine von den Standl-Frauen, die diesen Souvenir-Ramsch am Kapitelplatz verkaufen, und fing an, mich zu beschimpfen: Ich soll jetzt sofort aufhören! Sie hält das nicht mehr aus! Es begann eine Riesenstreiterei, was jetzt unnötiger sei, ihr Kitsch oder meine Musik. Mehr hat es nicht gebraucht, um den Domplatz in Teufels Küche zu verwandeln!

Unsere Publikumswirkung war immens. Die Zuhörerschaft wuchs auf eine unüberschaubare Menge an. Ganze Fremdenführungen blieben stehen. Es wurde übersetzt und diskutiert. Ich stand mit meiner Ziehharmonika in der Mitte. – Und dann kam Riccardo! Ein befreundeter brasilianischer Trommler. In seinem radebrechenden Deutsch fragte er mich: Bist du schon fertig? Kann ich hier spielen? Daraufhin ging es erst richtig los. Die einen taten lautstark kund, dass sie "diese Negermusik" nicht bräuchten und legten sich für mich ins Zeug: Ich soll spielen. "Unsere" Musik! Von meiner war ja keine Rede mehr. Die anderen stritten für Riccardo. Ein Mann kam zu mir her und befahl mir, auf der Stelle Ziehharmonika zu spielen, weil er mir sonst eine Ohrfeige geben würde. Da ist es mir endgültig zu viel geworden und ich hab mich aus dem Staub gemacht. Am Almkanal habe ich mich auf eine Bank gesetzt. Mir haben die Knie gezittert angesichts der Welle von Aggression und der absurden Rassen- und Traditionsdiskussion. Aber ich spüre noch heute diesen Moment als es mir einen Grinser aufzog und ich mir gesagt habe: Hey das ist es: Da bewegt sich was! In den ersten Jahren habe ich mich primär damit beschäftigt, die Volksmusik auseinanderzunehmen und zu schauen, was hat für mich Bestand.

Auf dem Domplatz hast du 2001 ein viel bejubeltes Konzert gegeben – mit welchem Gefühl bist du auf der Bühne gestanden?

Es war ein wunderbarer Abend und ich erinnere mich, dass am Schluss jemand einen Strauß Almrausch auf die Bühne geworfen hat, der mich am Kopf getroffen hat.

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Wenn also ein vierstimmiger Jodler statt Jedermann für Gänsehaut sorgen sollte, dann handelt es sich um Hubert von Goisern mit seiner energiegeladenen Band. Für nächstes Jahr gibt es Pläne für ein weiteres HvG-Konzert auf dem Domplatz: Eine intensive Mischung aus Neuem, neuem Alten und Volksliedern wird es werden. Bis Anfang nächsten Jahres ist übrigens Tourpause – mit viel Auszeit zum Komponieren und Schreiben. In Goisern.

In der Zwischenzeit ist Hubert spürbar nah und facettenreich auf seiner neuen CD ENTWEDERundODER zu erleben – gemeinsam mit drei Musikern, die ihn bereits auf seiner Konzerttour zwischen Schwarzem Meer und Nordsee, auf Tausenden Flusskilometern, mit virtuoser Spielfreude begleitet haben. Ab 2. September ist die neue Scheibe im Handel.

Was es mit der "Wirtshaustour" auf sich hat, die sich der Goiserer in diesem Frühjahr auf seine Drachenfahne geschrieben hatte, beschäftigt eine Dokumentation auf ServusTV am 25. August um 20.15 Uhr. Soviel steht bereits fest: Für ihn als gefeierten alpinen Weltmusiker war es eine spannende, eine "erdende Erfahrung" abseits großer Konzerte, ohne Künstlerprivilegien plötzlich wieder mittendrin zu stehen: Um die eigene Musik "angereichert mit Urbanität und dem Atem der Ferne" dorthin zurückzubringen, wo sie ihren Anfang genommen hat: Im Dorf.

Kreativität fließt in Lieder und Gärten

Stuttgarter Zeitung 27. Juni 2011 | Text: Michael Werner

Hubert von Goisern spielt im Juli ein Konzert beim Zeltspektakel. Der Star der alpinen Weltmusik hat sich auf seinem balderscheinenden neuen Album "Entweder und Oder" der Reduktion verschrieben.
An das Remstal erinnert er sich gerne.

Winterbach. Hubert von Goisern (58) hat die Quintessenz fremder Kulturen in Afrika und in Tibet gesucht, er hat die traditionellen Klänge seiner Heimat im Salzkammergut wiederentdeckt, und er ist mit einem klingenden Konzertschiff auf der Donau bis in die Ukraine gefahren. Jetzt kommt er wieder: Sein neues Album Entweder und Oder wird zwar erst Anfang September veröffentlicht, aber die frischen Songs hat er schon im Programm, wenn der Star des Alpinpop am 25. Juli beim Zeltspektakel in Winterbach gastiert.

Hubert von Goisern, wenn man über drei Sommer hinweg ein Riesenprojekt wie Ihre Donautournee gestemmt hat - wie motiviert man sich hinterher dazu, etwas vergleichsweise Konventionelles wie einfach eine neue Platte zu machen?

Das ist ja die Kernfrage. Nach diesem Riesending auf der Donau habe ich mich gefragt, was man jetzt noch machen kann. Die Donautour war für mich ja der Mount Everest, sodass hinterher eine Reduktion logisch war - weg vom Breitwand-Cinemascope und den sehr epischen Titeln meiner letzten Platte S'Nix, hin zu kleinen Liedern, die ich zur Not auch alleine zu einer Gitarre vortragen kann. Diese Reduktion war für mich die spannende Aufgabe.

Haben Sie nach der Besteigung Ihres Donau-Mount-Everests eigentlich mal daran gedacht, ganz mit der Musik aufzuhören?

Ja, schon, aber das denke ich mir nach jeder abgeschlossenen Phase. Aber dann saß ich alleine mit der Gitarre und der Ziehharmonika in einer Hütte in meinem Heimatort Bad Goisern und wollte wirklich Lieder schreiben, die ich alleine vortragen kann. Lieder, für die ich - wenn's hoch her geht - überhaupt niemand anderen brauche. Später kam dann doch die Energie der Band, die nur noch aus Schlagzeug, Bass und Gitarre besteht, dazu.

Sie gelten als großer Kulturensucher, der sich in Afrika, Asien und daheim im Salzkammergut intensiv mit traditionellen Klängen beschäftigt hat. Wie reiht sich da ein sehr gelungenes Popalbum ohne große Weltmusikanbindung ein?

Schon bei der Produktion meines letzten Albums S'Nix hatte ich das Gefühl, dass ich mich total vom Gedanken freigespielt habe, ob das noch alpin oder Weltmusik ist. Jetzt habe ich halt so eine Art Liedermacheralbum gemacht, reduziert auf die Geschichten, die erzählt werden.

Schreiben Sie Lieder immer, wenn sie eine Inspiration dazu spüren - oder en Block, gezielt für die Produktion eines Albums?

Letzteres trifft zu. Ich habe das Gefühl, dass ich jederzeit ein Lied schreiben kann, aber ich mache es einfach nicht.

Fürchten Sie dabei nicht, dass Ihnen oder ihren Zuhörern dabei manches entgeht?

Nein, ich mache mir schon gelegentlich Notizen, auf einer Serviette zum Beispiel. Das ist dann aber nur ein Kern, zu dem das musikalische Fruchtfleisch noch dazuwachsen muss. Andererseits habe ich, wenn ich einen kreativen Tag erlebe, nicht unbedingt das Gefühl, das in ein Lied umsetzen zu müssen. Ich bin auch zufrieden, wenn ich meine Kreativität umsetze, indem ich den Garten so umarbeite, wie ich ihn mir gerade vorstelle. Oder ich koche was. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass alles zu Musik werden muss. Hauptsache, es wird irgendwas draus.

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass es für Sie nicht mehr wichtig ist, ob Ihre Kreativität Tausende mitkriegen?

Nein, aber es hat der Freundeskreis auch eine sehr große Bedeutung. Und ich möchte mein Publikum und meine Freunde nicht gegeneinander aufrechnen und glauben, etwas sei mehr wert, nur weil es Tausende hören. Picasso hat einmal gesagt: "Kunst ist zu neunzig Prozent Transpiration und zu zehn Prozent Inspiration." Das glaube ich auch. Wenn ich Lieder schreibe, bin ich in meiner eigenen Welt drin und für andere Menschen eigentlich nicht mehr zugänglich. Wenn ich mich darauf einlasse, dann mache ich die Tür wirklich hinter mir zu.

Ihr neues Lied Halt nit an handelt vom unterwegs sein. Welche Bedeutung hat das Reisen mittlerweile für Sie?

Nach wie vor ist es wichtig für mich, immer wieder Abstand zu mir selber zu gewinnen. Und das geschieht immer noch am Besten durch Reisen.

Sie haben eine Zeit lang intensiv um Verständnis für den Islam geworben; und sie haben Lieder geschrieben, die sich kritisch mit dem Katholizismus auseinander setzen. Wie stehen Sie momentan zum Glauben?

Ich bin ein gläubiger Mensch, aber ich bin nicht religiös. Ich bin christlich sozialisiert, und das kann ich nicht mehr abschütteln. Religionen geben den Menschen die Möglichkeit, über die Banalität des Materiellen hinauszudenken. Glaube ohne Religion ist sehr schwierig. Drum möchte ich die Religionen auch nicht schlecht machen. Aber kritisieren schon.

Zieht der Glaube nicht automatisch eine Form von Religiosität nach sich?

Naja, ich weiß zum Beispiel, dass es gut ist, sich zumindest drei- besser fünfmal in der Woche körperlich anzustrengen. Ich tu's aber trotzdem nicht. Alleine, es zu wissen, genügt mir nicht. Ich brauche einen Anlass. Der wäre zum Beispiel gegeben, wenn ich einen Berg besteigen möchte, um herunterzuschauen. Das lässt mich auch die Anstrengung vergessen. Aber Bewegung nur der Gesundheit wegen ist mir zu wenig. Und mit der Religion verhält es sich ähnlich bei mir. Aber ich kenne viele religiöse Menschen, bei denen ich das Gefühl habe, dass es gut ist, dass sie ihre Religion haben.

Auf Ihrer neuen Platte befinden sich ein Abschieds- und zwei Beziehungsstreit-Lieder, obwohl der Künstler Hubert von Goisern seit Jahren in einer stabilen Beziehung zu seiner Frau lebt. Wo kriegen Sie die Inspiration zu solchen Liedern her?

Naja, ich habe eine stabile Beziehung, aber ich lebe nicht nur in dieser Beziehung. Ich gehe durch die Welt, und es widerfahren mir auch außerhalb dieser stabilen Ein-Frau-Beziehung Dinge. Und wenn Lieder wirklich nur eine wahre Begebenheit widerspiegeln, dann sind das sehr schwache und arme Lieder. Das heißt, in meinen Liedern sind viele Dinge verdichtet. Ich bin Ende fünfzig, und da kommen auch viele alte, noch nicht verarbeitete Dinge wieder hoch. Und viele Lieder entspringen einfach aus Jux und Völlerei einer Fantasie. Manchmal ist es auch so, dass ich ein Lied singe, und dass sich die Geschichte dazu erst hinterher zuträgt.

Welche Geschichten werden wir in Zukunft von Ihnen zu hören kriegen?

Das weiß ich noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, mal ein Buch mit Fiktion zu schreiben. Das wäre vielleicht lustig. Ich weiß aber auch, dass es mir in die Wiege gelegt wurde, Musik zu machen und auf einer Bühne zu stehen. Und ich sehe es mit großem Respekt, dieses Geschenk bekommen zu haben. Ich könnte mir in ein paar Jahren auch vorstellen, Musik zu unterrichten. So nach dem Motto "Wie kann man Leute mit Musik verzaubern - und warum sollte man das überhaupt machen". Ich würde aber nur Leute unterrichten wollen, die sich wirklich dafür interessieren - und nicht solche, die in dem Kurs sitzen, weil sie irgendwas abhaken müssen.

Sie sind vor zwei Jahren schon mal beim Zeltspektakel in Winterbach aufgetreten. Erinnern Sie sich daran?

Es war ein echt geiles Konzert mit einer sehr dichten Atmosphäre. Normalerweise mag ich Zelte nicht so, weil der Sound sehr schwierig ist. Aber in Winterbach habe ich daran keine negativen Erinnerungen. Und ich kann mich noch sehr gut an die Bademöglichkeit erinnern. Wahrscheinlich ist es der Fluss, der da hinten vorbei rinnt. Es war ein sehr heißer Tag, und man konnte gut drin schwimmen. Ich freue mich sehr auf das Konzert.