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FÖN

"Das Adrenalin spritzt mir aus den Ohren"

echo - Rosenheimer Wochenblatt 25. Oktober 2000 | Text: Alexandra Burgmaier | Foto: Trux

Hubert von Goisern im Interview über seine neue CD "Fön" und die geplante Tour

Hubert von Goisern ist zurück. Am 6. November wird seine neue CD Fön erscheinen. Gleichzeitig startet der Vorverkauf für sein Konzert am 7. April nächsten Jahres im Rosenheimer Kultur- und Kongress-Zentrum.

Es ist jetzt sechs Jahre her, dass Sie auf der Bühne mit den Original Alpinkatzen Erfolge gefeiert haben. Warum die lange Pause?

Wenn man die Auftritte mit dem Tibetprojekt nicht mitbezählt, dann war am 1. November 1994 in Münster der letzte Auftritt. Wenn man solange auf Tour ist, dann wird man total aufgehoben. Ich wollte Zeit für meine Familie haben. Ich habe mir damals gedacht, in zwei Jahren bin ich wieder auf der Bühne. Dann ist es aber gleich mit der Filmmusik für Schlafes Bruder, mit dem Konzertfilm Wie die Zeit vergeht, mit der Arbeit am Live-Album weitergegangen. Ich habe die Musik für den Zweiteiler die Fernsehsaga gemacht und die Musik für den Kinderfilm Ein Sack voller Lügen. Es sind die zwei Reisen nach Afrika passiert. Dann die Reisen nach Tibet und nach Indien. Die beiden CDs Gombe und In Exil.

Wie ist das Gefühl, bald wieder auf der Bühne zu stehen?

Ich war schon immer irrsinnig nervös vor Konzertauftritten. Das wird diesmal auch nicht anders sein. Auf die Bühne gehen, das ist wie Striptease. Man ist nackt, angreifbar, kann sich blamieren. Das Adrenalin spritzt dir aus den Ohren. Aber nirgends sonst, außer du kletterst gerade in einer Steilwans, bist du so ganz im hier und jetzt. Die einzige Musik, die es für mich gibt, ist die Live-Musik. Das hat etwas Mystisches für mich. Jeden Tag zwei bis drei Stunden laut singen, das ist mir abgegangen. Das machst du nur auf der Bühne.

Wie hat sich Ihre Art von Musik zu machen, ihr musikstil auf der neuen CD im Vergleich zu der Zeit mit den Alpinkatzen verändert?

Ich kann das selber nicht beurteilen, inwieweit ich mich von meinem früheren Stil entfernt habe. Ich habe mir aber ursprünglich selbst das Ziel gezetzt, erst dann wieder auf die Bühne zu gehen, wenn ich mich weiterentwickelt habe. Meine Musik in der Zeit der Alpinkatzen war eine Art rockige Umsetzung der Volksmusik. Jetzt ist der Stil eher eine Mischung aus Funk, Blues und Rock. Es sind zwar nach wie vor volksmusikalische Elemente enthalten, aber ich bin ebenso mit der Musik von den Beatles, Pink Floyd und Miles Davis aufgewachsen. Und das alles schlägt sich in meiner CD Fön nieder.

Warum dieser Titel, Fön?

Es musste unbedingt ein Umlaut drin sein. Irgendein Wissenschaftler will festgestelt haben, dass die vielen Umlaute in unserer Sprache uns grießgrämig machen. So ein Schmarrn. Fön beschreibt für mich den kreativen Prozess. Fön ist ein Extremzustand, den es auszuhalten gibt. Das "h" habe ich einfach wegrationalisiert. Als Künstler kannst du so schreiben, wie es dir ziemt.

Gibt es Lieder von früher, die Sie auf Ihrer Fön-Tour spielen?

Das Lied Heast as nit wia die Zeit vergeht?, dann noch einige Stücke aus der Afrika-CD und vier oder fünf Lieder aus der CD, an der ich gerade arbeite.

Das Hiatamadl wollen Sie nicht spielen?

Ich glaube nicht, dass ich es spielen werde. Mein Publikum und ich, wir sind sechs Jahre älter geworden. Das beste, was ich mir vorstellen kann, wäre, dass meine Auftritte so packend sind, dass das Publikum erst zu Hause merkt, dass ich das Hiatamadl gar nicht gespielt habe.

Jörg Haider war bei Ihnen immer ein Thema. Kommt die politische Situation in Österreich auf der neuen CD zur Sprache?

Durch die letzten Wahlen ist endlich das auf dem Tisch, was bisher unter den Teppich gekehrt wurde. 20 Prozent haben den Haider gewählt und 20 Prozent sind nicht wählen gegangen. Diesen Nicht-Wählern mach ich den größten Vorwurf. Haider und die FPÖ sind nur das geworden, zu was wir sie gemacht haben. Jetzt kommt endlich alles an die Oberfläche. Jetzt kann man sich aktiv damit auseinandersetzen. In dem Stück Kalt aus der Fön-CD stehen Originalzitate von Haider als codierte Achtzeiler im Booklet. Ich vergönne es ihm nicht, dass sein name da drin steht. Ich weiß nicht, wie viele Leute dann die Mühe machen werden und schauen ob sie es knacken können.

Hubert von Goisern

SZ 21. September 2000 | Foto: Handlechner
Hubert von Goisern und Band

Hubert von Goisern hat ein neues Album herausgebracht. Bad Ischl war gleich mehrfach bei der Präsentation des neuen Opus Fön des Sängers auf dem Sonnblick präsent. Die Hochtraxlecker Sprungschanzenmusi übernahm den musikalischen Teil des Abends auf der Neubauhütte und spielte bis in den neuen Tage hinein. Das konnte die Musikanten freilich nicht davon abhalten, am nächsten Tag den Sonnblick zu besteigen.

Einer der weniger Österreich-Konzerttermine wird im März im Kongress & TheaterHaus Bad Ischl stattfinden. Nichtzuletzt ein Grund, dass sich Kurdirektor Robert Herzog und Hannes Heide als Veranstalter des Konzerts auf 3,105 Meter Höhe begaben. Die neue CD erscheint bereits Anfang November. Unser Bild zeigt Hubert von Goisern mit seiner neuen Band und Hund Bongo.

Hubert ist zurück

Portrait im Traunspiegel November 2000 | Text: Alexander Savel

Sechs Jahre war er weg von der Bühne, jetzt kehrt er wieder zurück. Seine neue CD heißt "Fön" und ist für ihn das Persönlichste, das er bisher gemacht hat. In einem Interview verriet Hubert von Goisern, was die Gründe für seine lange Abwesenheit waren und was er bereits für die weitere Zukunft vorbereitet.

Bezeichnender hätte der Tag des Interviews nicht sein können: ein heißer Föhntag mitten im Oktober. Nachdem die neue CD Fön heißt und er singt: "Wånn da Föhn geht, dånn krieg I glei wieder Schädlweh", war die erste Frage, ob er heute Kopfweh hätte: "Nein, es geht mir sogar sehr gut. Föhn ist für mich ein Extremzustand, wie auch das Komponieren."

Hubert von GoisernDas plötzliche Ende

Vor genau sechs Jahren, am 1. November 1994, stand Hubert von Goisern zum letzten Mal mit den Alpinkatzen auf der Bühne. Er war am Zenit seines Erfolges. Überall wurde das Hiatamadl gespielt, auf der Bühne wurde gespielt, im Publikum mitgesungen.

Dann das plötzliche Ende, das nur seine Familie und seine engsten Freunde verstanden. Denn diesen wollte sich der sensible Musiker in Zukunft wieder mehr widmen. "Nach dem Erfolg des Alpinkatzen-Projektes war Zeit notwendig, Zeit mich zu erden, Zeit für meine Familie, für Reisen und für neue Erfahrungen."

Eigentlich wollte er schon nach zwei Jahren wieder zurück auf die Bühne, doch es kam anders als geplant. "Es war im Dezember 1994, im tiefsten Winter, da hat es Jane Goodall bei mir in Goisern hereingeschneit. Sie trug einen geborgten Mantel und beborgte Moon-boots. Michael Neugebauer hatte ihr von mir erzählt und sie hierher gebracht. Es war der Beginn einer Freundschaft. Sie lud mich mehrmals zu sich nach Afrika ein, und aus den Erlebnissen wurde schließlich ein Film und eine CD."

Viele Projekt verwirklicht

Das Projekt "Tibet" hat sich ebenfalls ergeben, auch daraus entstand eine CD. 100.000 Stück wurden von diesen beiden Platen verkauft. Für Hubert von Goisern ein Zeichen dafür, daß der Geschmack des Publikums nicht so eindimensional ist, wie oft dargestellt. Die Filmmusik zu Schlafes Bruder, zur zwei-teiligen Fernsehsaga, zum Kinderspielfilm Ein Rucksack voller Lügen waren weitere Projekte, die in diese Zeit fielen. "Dann habe ich mir aber gesagt: jetzt will ich zurück auf die Bühne, ich möchte das Publikum wieder spüren. Ein Jahr lang habe ich sinniert, über das Was und das Wie. Bis ich gemerkt habe, daß ich noch kein einziges Lied geschrieben habe. Da hab ich mich einfach hingesetzt, meine Instrumente gespielt und alles notiert was aus mir rausgekommen ist. Die neue CD Fön ist glaube ich das Persönlichste, was ich je gemacht habe."

Hubert ist in den letzten sechs Jahren gereift. "Mit den Alpinkatzen war ich sehr rockig. Ich wollte subtiler werden, soulig, funkig..." Zuerst wurde die Musik geschrieben. Viele Elemente sind darin enthalten, vom Landler (Da Dåsige) über Reggae (Katholisch) bis zum Blues (Fön) und Rock (Kålt), auch schönen Melodien (Die Stråss'n, Da Diab, Fia Di), mit ebensolchen Texten: "Aber I kimm ma vir als wia a Diab - Dirndl - von deiner Liab". Oder: "Nur nit herzoag'n, daß wås weh tuat, daß I di no liab, nur nit trenz'n, nur nit woana, außer wånn's neamd siagt."

Raum für Phantasie

Beim ersten Hineinhören mag man überrascht sein von der Vielschichtigkeit der Musik. "Ich will dem Zuhörer einen Raum für die eigene Phantasie schaffen." Man muß Fön mehrmals hören, Einzelheiten entdecken, den Sinn verstehen lernen und dann ist Fön vielleicht die beste CD, die Hubert von Goisern gemacht hat. "Ich wollte ganz ehrlich sein, denn nur wenn du sagst was du denkst erfährst du ob es auch richtig ist." Was Hubert nicht weiß ist, wie er damit ankommen wird. "Mir ist bewußt, daß ich mir die Latte vor sechs Jahren sehr hoch gelegt habe. Aber es sind ganz wunderbare Musiker mit denen ich auf die Bühne gehen werde, es sind die selben mit denen ich die CD eingespielt habe. Meine Vorfreude ist jedenfalls rießengroß. Daß ich alte Lieder spielen werde, kann ich mir nicht vorstellen, außer Heast as nit. Dafür werden schon Lieder von meiner nächsten CD zu hören sein, auf der ich Volkslieder aufnehmen werde. So interpretiert wie ich mir das vorstelle, mit einem zeitlosen, schlichten Arrangement."

Vom Alpenrock zum Jodeljazz

Giessener Anzeiger 8. November 2000 | Text: Markus Schwarz - AP

Hubert von Goisern startet ein Comeback - "Eleganter und subtiler"

MÜNCHEN (AP). Im Hintergrund groovt ein Schlagzeug, im Vordergrund raufen sich scherzhaft E-Gitarre und Ziehharmonika, eine kehlige Stimme startet einen breiten melodischen Singsang, verständlich nur für die Bewohner von Gegenden mit Alpenblick. Hubert von Goisern ist wieder da. Und die Elemente, aus denen er seine in dieser Woche erschienene Platte Fön (Lawine/Virgin) zusammenbastelt, sind die gleichen geblieben.

Dennoch klingt Hubert von Goisern nach sechs Jahren Pause, die nur von zwei CDs mit Ethnoklängen unterbrochen wurde, völlig anders als bis zu seinem letzten Konzert mit den Alpinkatzen am 1. November 1994. Goiserns breitbeinige Volksmusik schuhplattelt nun nicht mehr mit kernigem Rock, sondern tanzt verspielter und eleganter - mit jazzigen Anleihen, funkigen Rhythmen und karibischem Swing.

Ist das nun eine bewusste Abkehr vom bisherigen Konzept "Alpenrock"? Hubert von Goisern schüttelt bedächtig den Kopf und widerspricht: Nein, eher eine Weiterentwicklung. Ich persönlich hatte nie etwas gegen den Begriff "Alpenrock". Der Begriff wurde ja erst erfunden für das was ich gemacht habe, für das, was Attwenger oder Haindling gemacht haben. Der Begriff hat ja keine Historie und engt mich nicht ein, weil ich nicht in ein Konzept gezwungen werde, das mir nicht passt. Hier war der Weg umgekehrt: Wir spielten eine neuartige Musik, dann wurde das Wort "Alpenrock" geprägt. Allerdings mache ich jetzt etwas anderes; aber es ist noch zu früh, um es irgendwie einzuordnen."

Rocker, Weltenbummler, Volksmusiker

Etwas anderes zu machen, war für Hubert Achleitner, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, schon immer Bestandteil seines Lebens: Die Blaskapellen seiner Heimatstadt Bad Goisern schockierte er mit langen Haaren und elektrischen Gitarren; nach Abschluss einer Lehre als Chemielaborant wanderte er nach Südafrika aus. Mit dem Apartheitsstaat kam er nicht zurecht, also kehrte er zurück und versuchte es wenige Jahre später erneut in Kanada. Von dort aus zieht er nach Asien und schließlich wieder zurück nach Österreich.

Diesmal sind es die Rock- und Pop-Musiker, die Hubert von Goisern schockiert: Ende der 80-er beginnt er, Volksmusik in die jüngere und rhythmischere Popsprache zu übersetzen. Erst im Duett mit Wolfgang Staribacher, dann allein und schließlich ab 1991 mit den Alpinkatzen als Begleitcombo. Der Weg ist steinig, den sie mit ihrem neuartigen Crossover beschreiten; doch er führt an die Spitze der Charts, als schließlich Stücke wie Hiatamadl und Heast as nit zu Schlagern für mehrere Generationen werden. Sogar auf Festivals in der Pop-Heimat USA werden die Alpinkatzen gefeiert.

Doch auf dem Höhepunkt beendet Goisern das Projekt Alpinkatzen. Warum? "Das ist wie beim Essen", erläutert Hubert von Goisern: "Du kannst noch so viele gute Sachen auf deinem Teller liegen haben wenn du satt bist, bist du satt. Freilich hätte ich im Stil von Hiatamadl noch zwei, drei Jahre weitermachen und mit ähnlichen Stücken ähnliche Erfolge haben können. Aber Ende 1994 war für mich der Punkt erreicht, wo es anfing, keinen Spaß mehr zu machen. Und bevor ich das Gefühl habe, ich spule mechanisch irgendetwas ab, höre ich auf."

Ganz aufgehört hat Hubert von Goisern aber nie. Er zeichnete für die Filmmusik zu Schlafes Bruder verantwortlich, veröffentlichte zwei World Music-CDs, schauspielerte, reiste nach Tibet, traf in Afrika die Schimpansenforscherin Jane Goodall. Langsam reiften in dieser Zeit auch die Pläne für eine Rückkehr auf bewährtes musikalisches Terrain.

Dabei griff Hubert von Goisern auf Ideen zurück, die er schon vor sechs Jahren hatte: "Auf Fön habe ich vieles von dem umgesetzt, was mir schon zum Ende der Alpinkatzen-Zeit vorgeschwebt ist: eine subtilere Art meiner Musik. Ich wollte nicht mehr einfach drauflos rocken, sondern das Ganze ein wenig eleganter inszenieren. Rockige Stücke sind trotzdem auf der Platte. Aber der Schwerpunkt hat sich verlagert. So gesehen ist die Platte sowohl eine Weiterentwicklung als auch ein Neuanfang."

Föhnwetter - Hubert von Goisern

Prosieben 2001 | Foto: Blanko Musik

Hubert von GoisernDer Herr Achleitner hat eine normale Kindheit gehabt, sofern von normaler Kindheit überhaupt gesprochen werden kann, wenn man in den österreichischen Bergen aufwächst. Denn da bläst hin und wieder der Föhn, ein warmer Fallwind, der die Leut' angeblich närrisch macht.

Närrisch für den Menschen, der sich ein vorprogrammierbares Leben zwecks Übersicht wünscht. Nicht genug, dass ihm der verrückt machende Wind um die Nasenspitze blies, er wehte ihn weit weg. Und überall zog sich ein roter Faden durch: die Musik.

So auch die Anfänge: Mit 5 Jahren war dem Achleitner klar, dass er Dirigent werden wollte. Da kein Geld für Stunden vorhanden war, nahm man das Nächstgelegene und schickte ihn kurzerhand in die ortsansässige Blasmusikkapelle. Dem Dirigenten waren seine Haare zu lang, dem Hubert Achleitner das Mitspracherecht zu gering, also beendete man die Chose. Von der Trompete, die er zurückgeben musste, zur Gitarre: die konzertante Variante war ihm zu leise. Das elektrische Schweißinstrument musste her. Und auch der Großvater, der ihm Akkordeon beibrachte. Und alle möglichen anderen Instrumente, mehr oder weniger exotischer Natur, die er sich selber lernte... Von da weg bis zum Hubert von Goisern war es nur ein Alpinkatzensprung, der zwar über ganze Kontinente führte, aber der Ansatz war da. Südafrika, Kanada, die Philippinen... Es dauerte eine ganze Weile, bis Hubert (noch) Achleitner wieder heimatliche Bergluft schnuppern sollte und wollte.

1984 Rückkehr nach Wien, die Arbeit als freischaffender Musiker und das Studium der experimentellen Musik am Konservatorium. So nebenbei lief ihm Wolfgang Staribacher über den Weg. Und da Wolfgang von Wien war, war der Hubert von Goisern - es war vollbracht. Der Rest ist Geschichte. Die Alpinkatzen wurden gegründet. Hiatamadl wurde zum Chartstürmer, später schon der musikalische Schwanengesang, ein wunderbarer Abschied, wenn vielleicht auch nur erahnt: Heast es net. Nur zwei von vielen Schritten, die Hubert von Goisern wieder in die Fremde trieben, zu Jane Godall nach Gombe (eine gleichnamige CD entstand), nach Tibet. Und hier wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit Hubert von Goisern wurde endlich für die tibetische Kultur mobil gemacht; Stellung bezogen gegen die Unterdrückung von Seiten der Chinesen. Denn, wie alle närrischen Menschen, nimmt sich Hubert von Goisern kein Blatt vor den Mund. Er sagt, singt, musiziert, was Sache ist. Zuletzt bei der "Amadeus"-Verleihung. Der Vorwurf, österreichische Sender würden wenig für die heimische Musikszene tun - weggeschnitten...

Seit letztem Herbst weht er wieder, der Föhn. Hubert von Goisern hat ihn eingefangen und gezähmt. "Föntour". Wir schätzen einmal, dass er ihn bald wieder auslässt. Der Drang nach Freiheit ist zu groß...

Goiserer, verdammt unbequem

Hubert von Goisern war einer der ersten Künstler, die nach der umstrittenen Regierungsbildung Stellung bezogen. Nicht zuletzt packte er die Nicht-Wählerschaft auch bei der Nase. So zeigt er sich immer von seiner kompromisslosen Seite, die manchmal verletzend sein kann (siehe den Bruch mit den Alpinkatzen). Ob es seine viele Reisen waren, ob es nun eine klischeehafte Bergfexensturheit sein möge, sei dahingestellt. Sicher ist, das Hubert von Goisern sich selbst treu bleibt:

Stichwort Hiatamadl:

"Ich will die alten Sachen eigentlich nicht mehr spielen, außer Heast as nit, vielleicht. Ich schaue lieber nach vorne."

Stichwort Kino:

"Film ist für mich die moderne Form der Oper. Es war eine faszinierende Arbeit die Filmmusik zu Schlafes Bruder zu komponieren."

Stichwort DJ Ötzi:

"Nun, es müssen alle musikalischen Niveaus abgedeckt werden..."

Stichwort Kinder:

"Wenn mich wer fragt, welche Menschen für mich die faszinierendsten sind, dann meine zwei Kinder."

Stichwort Katholisch:

"Geben wir es zu, das Priestertum ist auch eine Form von Machoismus!"

Stichwort Kanada:

"Ein unglaublich tolerantes Land. Vielleicht hängt es mit der geographischen Größe zusammen, dass die Menschen nicht das Gefühl haben, jeder neue Einwanderer wäre einer zu viel."

Stichwort Zabine:

"Eine der innovativsten Sachen, die der österreichischen Musikszene passieren! Ich hoffe, sie hält die Kraft und die Spannung."

Stichwort Jane Goodall:

"Sie kam im tiefsten Winter nach Bad Goisern weil ein Freund sie mir vorstellen wollte. Wir redeten die ganze Nacht, daraus ergab sich eine innige Freundschaft. Ich bin sehr stolz, dass ich diesen Dokumentarfilm über sie und ihre Philosophie drehen durfte."

"Dann sollen sie mich eben ausbürgern"

Sonntagszeitung 24. Juni 2001 | Text: Roland Falk

Österreichs Kultmusiker Hubert von Goisern über das Nationalsozialistische der Volksmusik,
Dummheit und die Rufe von wilden Schimpansen

Hubert von Goisern, haben Sie gerade etwas an den Füssen?

Ist das ein feststehender Schweizer Ausdruck für eine Gemeinheit?

Nein, ich frage das, weil Sie Journalisten für ein Interview mitunter auf Dreitausender schleifen.

Das habe ich mal nach Erscheinen eines neuen Albums gemacht. Plattentaufen sind Feste für mich, und die feiere ich an Orten, die für mich etwas taugen. Zudem will ich es den Leuten, die etwas von mir wollen, nicht allzu bequem machen. Damit halte ich mir schon mal jene vom Leib, die nur kommen, weils ein Gratisbuffet gibt.

Wenn wir schon bei den Bergen sind: Wie oft sind Sie in Ihrem Leben schon ins Seil gefallen?

Noch nie, weder im realen noch im übertragenen Sinn. Irgendwie wars immer schön, auch wenns gruselig war. Ich bin ein Abenteurer, und da gehört es dazu, dass man sich ab und zu verliert. Nur so kann man immer wieder Neues entdecken. Unter anderem sich selbst.

Was waren für Sie bisher die schlimmsten Abgründe?

(lange Pause) Das ist jetzt zu früh am Morgen (lacht). Es gibt schon welche. Aber ich lebe die Angst davor so aus, dass es keiner mitbekommt ausser mir.

Lassen Sie sich denn nicht gerne helfen?

Selbstverständlich vertraue ich mich einigen Freunden und meiner Familie an. Aber das kann höchstens beruhigen. Helfen muss letztlich jeder sich selbst. Existenziell Bedrohliches habe ich bisher nicht erlebt. Dazu fühle ich mich in der Welt zu sehr geborgen.

Omunduntn heisst eines Ihrer Alben. Wo sind Sie momentan - oben oder unten?

Oben. Auf der Bühne. Fast sechs Jahre war ich da weg und arbeitete vor allem im Studio, aber dann begann ich das Publikum zu vermissen. Schliesslich hatte ich ja nur zwei Jahre Pause machen wollen. Die Rückkehr war überwältigend, aber vielleicht liegt das daran, dass ich meine Erwartungen stets niedrig ansetze.

Jetzt stapeln Sie aber ziemlich tief, habe ich den Eindruck.

Nein, aber Erwartungen erfüllen sich selten. Ich habe lieber Hoffnungen.

Was hat Ihnen in der Zeit ohne Liveauftritte vor allem gefehlt - die Adrenalinschübe?

Der Exzess. Die Bühne ist ein geschützter Rahmen, in dem Sachen möglich sind, die man sich privat nicht erlauben kann.

Zum Beispiel?

Etwa ein Lied singen wie Katholisch.

Einen Text Ihrer aktuellen CD Fön, in dem Sie jedem Pfarrer ein Gspusi andichten.

Oder zwei. Ich thematisiere darin aber auch meine eigene Lust. Mit den moralischen Knäcksen, die jeder von uns in der Erziehung abbekommen hat, musste ich da einiges Schamgefühl überwinden.

Waren Sie mal Ministrant, oder haben Sie sich sonst ein kirchliches Trauma eingehandelt?

Ich war bereits 35, als ich das Gefühl hatte, ministrieren zu müssen. Der Grund war ganz einfach: Ich wollte on stage sein, auf der Bühne.

Gegen die Kirche pflaumen funktioniert offenbar noch immer, obwohl das längst kein Tabubruch mehr ist.

Ich wende mich auch nicht prinzipiell gegen diese Institution. Sie hat - ethisch zumindest - noch immer eine wichtige Funktion, die sie leider sehr oft nicht wahrnimmt.

Du wirst für deine Ketzereien mal in der Hölle schmoren - haben Sie so was schon gehört?

Nein. Als Fön erschien, habe ich den Erzbischof von Salzburg um eine Audienz ersucht und sie auch bekommen. Obwohl ich aus der Kirche ausgetreten bin, wollte ich nicht, dass er von dem Lied hintenrum erfährt. Ich habe ihm das Werk abgespielt und darüber diskutiert, wobei mir wieder mal die traurige Tatsache bewusst wurde, dass Würdenträger nicht zuhören können. Ein Dialog kam nicht zu Stande. Wer dauernd predigt, vergisst eben, dass andere auch was zu sagen haben.

Fön wird als Ihre bisher beste CD gehandelt.

Vielleicht stimmt das. Andererseits ist Qualität immer eine Zeitfrage. Wenn ich mir beispielsweise das Album Alpine Lawine von 1988 anhöre, gibts da Sachen drauf, die mir nach wie vor gefallen. Unterdessen hat sich aber meine Stimme entwickelt. Sie ist mehr die meine als noch vor zehn Jahren.

Fön ohne h - dazu assoziiert man auf Anhieb Belangloses wie Dauerwellen.

Der Titel war mein Beitrag zum Chaos der neuen Rechtschreibung. Das meiste darin ist einfach blödsinnig. Aber wenigstens kann man endlich auch mit der Sprache machen, was man will.

Der warme Fallwind, der mit dem Titel gemeint ist, steht unter anderem für klare Sicht. Haben Sie die?

Kann man so sagen. Er hat aber immer auch mit einem atmosphärischen Druck zu tun, dem man standhalten muss. Und er ist trügerisch: Alles scheint so nah, und dann brauchst du doch fünf Stunden zu einem Gipfel. Beides erlebe ich in jedem kreativen Prozess.

Den Medien galten Sie früher plakativ als Bombenleger im Heer der Krachledernen. Stimmt dieses Bild noch?

Ich wehre mich weiter und mit viel Spass gegen Kreise, die Volksmusik für sich vereinnahmen und zu etwas fast Nationalsozialistischem machen wollen. Diese Auseinandersetzung ist noch lange nicht beendet. Noch immer hält man einen, der jodelt und Ziehharmonika spielt, weitum für einen Rechten.

Ihre aktuellen Lieder klingen dennoch versöhnlicher, weicher. Werden Sie als knapp Fünfzigjähriger plötzlich von Altersmilde bestimmt?

Ich bin reifer geworden - was ich nicht immer bloss positiv sehe. Und ich habe gelernt, Kritik so zu formulieren und zu kaschieren, dass sie auch von Leuten geschluckt wird, die sie wirklich treffen soll. Ewig bereits Aufgeklärte in ihrer Meinung bestätigen - das bringt nichts und niemanden weiter.

Musikexperten erkennen auf der CD Fön Einflüsse von Künstlern wie Van Morrison, Sting oder Eric Clapton. Stören Sie solche Festlegungen?

Nein, denn ich mag ja alle, die Sie da nennen. Und jeder schöpft aus Tradiertem. Ich frage mich jedoch, wie man überhaupt über Musik schreiben kann. Sprache ist zwar auch Musik, aber nur, wenn sie ins Poetische geht. Und die meisten Journalisten sind bloss Handwerker.

Die Volksmusik, sagten Sie einst, sei völlig verhurt. Trotzdem gehören Sie weiterhin zu ihren Freiern.

Wenn mich jemand als Volksmusiker sehen mag, soll er. Der Begriff ist kein Makel für mich, im Gegenteil: Wenn man ihn nicht in einem ewiggestrigen Zusammenhang braucht, werte ich ihn sogar als Auszeichnung. Allerdings etikettiert er nur einen Teil von mir.

Sie würden bloss auf die Barrikaden gehen, wenn es dem Management einfallen würde, Sie als Luis Trenker des Pop zu verkaufen.

Glaub ich nicht. Mittlerweile kann ich Leute schätzen und bewundern, bei denen ich mir früher die Haare raufte. Zum Beispiel Peter Alexander, für mich der Michael Jackson von Österreich. In den Siebzigerjahren fand ich den noch zum Schreien.

Auf dem neuen Album fragen Sie sich, ob überhaupt noch jemand mitkommt bei dem, was Sie singen. Mit Ihrem Kultstatus müsste Sie das eigentlich nicht interessieren.

(lange Pause) Wahrscheinlich ist es tatsächlich ziemlich wurst. Aber wissen tät ichs manchmal doch gerne. Schliesslich schreibe ich ja keine dadaistischen Texte. Lieder sind eine Form der Kommunikation, und eine Sprache zu sprechen, die keiner versteht, ist Blödsinn.

Sie wollen doch gar nicht vollumfänglich verstanden werden. In Ihnen steckt etwas von Hesses Steppenwolf.

Auch der leidet vermutlich darunter, dass er nicht verstanden wird. Und dass es im Leben nur vereinzelte, fast mystische Momente gibt, in denen man andere Menschen richtig spürt.

Einige Lieder auf Fön klingen weh und verweht. Wie geerdet sind Sie?

Nicht so sehr, wies den Eindruck macht. Ich bin kein Mensch, der wie ein Baum irgendwo Wurzeln schlagen kann.

Sie greifen Befindlichkeiten und Missstände auf - gibt es etwas, wofür Sie gar kein Musikgehör haben?

Die ganz reale Politik beispielsweise. Die interessiert mich überhaupt nicht. Natürlich lese ich Zeitung und bin erschüttert über die Erfolge eines Berlusconi, aber direkt fliesst das nicht in meine Musik ein. Ich reagiere hauptsächlich auf atmosphärische Veränderungen in meinem Umfeld.

Als Sie 1994 Ihre Band Alpinkatzen auflösten, dachte man, jetzt kommt der Hubert auf den Hund, jetzt geht nichts mehr.

Die Zeit war reif für eine Neubesinnung. Als ich mir zum ersten Mal die Ziehharmonika meines Grossvaters umhängte und autodidaktisch ein paar Stücke aneignete, wollte ich die Volksmusik aus der rechten Ecke holen. Das ist uns, den Alpinkatzen und mir, ganz gut gelungen. Alles hat immer höhere Wellen geworfen, und irgendwann wars für mich gegessen. Ich bin keiner, der auf der Stelle tritt und ständig mit den gleichen Leuten arbeiten möchte.

Sie wirken wie einer, dem es überall ziemlich schnell zu eng wird. Haben Sie Angst vor Vereinnahmung?

Ganz sicher. Ich fühle mich beklemmt, wenn ich zu lange in der gleichen Sache stecke. Und ich habe erlebt, dass nicht nur ich, sondern auch die Leute um mich unfrei werden, wenn man in etwas verharrt. Man beginnt sich zu arrangieren - ein grausliches Wort. Mit der Zeit regt man sich über keinen Fehler der andern mehr auf, und das ist tödlich.

"Mei, san die Leidln bled", sollen Sie mal gesagt haben. Das tönt ein bisschen arrogant.

Dann kann das Zitat nicht von mir sein* (lacht bubenhaft). Im Ernst: Für dumm werden die Menschen nur von Radioredaktoren verkauft, die ständig den gleichen Schwachsinn dudeln mit der Entschuldigung, das sei eben das, was gewünscht werde. Dabei hat das Publikum einiges mehr auf dem Kasten, als ihm ständig unterstellt wird. Die anhaltende Verflachung in den Medien nützt vor allem der Werbeindustrie, die stets auf den kleinsten gemeinsamen Nenner aus ist. Und die Radioredaktoren sind ihre wackersten Fusssoldaten. Oft kommen sie mir vor wie Willfährige des Dritten Reichs, die noch heute behaupten, sie hätten bloss ihre Pflicht getan.
(*Anm. Hubert hat Recht: "Kein Jodler, Kein Hadern")

Politik ist doch angeblich nicht Ihr Ding. Hatten Sie eigentlich je ein Parteibuch?

Ich kann mir keines vorstellen, das zu mir passen würde. Ich fühle mich zwar den Grünen zugeneigt, höre mir aber auch jede andere Meinung an. Doktrinäres ist mir verpönt. Genauso wie das gegenwärtige politische Vakuum, das Leuten wie einem Le Pen oder Haider zupass kommt.

Haider kommt wie Sie aus Bad Goisern. Wer von euch beiden wird zu Hause am liebsten verschwiegen?

Das müssten Sie die Leute fragen. Ich war schon lange nicht mehr da. Man hat mir in meinem Heimatort Nestbeschmutzung vorgeworfen, weil ich Haider an Openairs und über die Medien mehrmals scharf attackiert hatte.

Wer in Österreich links denkt, muss regelmässig rot sehen.

Ich nicht. Ich bin zwar in einer Familie von Sozialdemokraten aufgewachsen, aber Haiders Wirken hat für mich dennoch nichts mit rechter Gesinnung zu tun. Das ist einfach egozentrische Machtpolitik. Und mit der schafft er es, dass man sich für alles Traditionelle, Bewahrende zu schämen beginnt. Manchmal denke ich, ich werde deshalb zum Zweck-Rechten, obwohl ich mich eigentlich eher als Kommunisten sehe. Was ja auch zu einem Schimpfwort geworden ist.

Zu weit dürfen Sie nicht nach rechts driften, sonst werden Sie in Bad Goisern ausgebürgert. Die Gegend gilt immerhin als Red Canyon. Trotz Haider.

Dann sollen sie mich eben ausbürgern. Die Welt ist gross genug.

Bezahlt man Ihnen eigentlich Werbegeld dafür, dass Sie den Namen Ihrer Heimatgemeinde zum eigenen gemacht haben?

Der Bürgermeister wollte mir eine Auszeichnung verleihen, aber ich habe mich dagegen gesträubt. Als ich meine Musik zu formulieren begann, unternahm man in Goisern alles, um meine Auftritte zu verhindern. Ich mag es nicht, wenn die gleichen Leute sich jetzt anschleimen, bloss weil ich Erfolg habe.

Als Künstler, sagen Sie, halten Sie sich aus Politischem weitgehend raus. Bei der Entstehung Ihres Albums Inexil haben Sie aber einiges an Tibethilfe geleistet. Ist das kein Widerspruch?

Ich habe das Land besucht und gemerkt, dass dort alles noch schlimmer ist, als man von aussen meint. Nach der Rückkehr wurde ich immer wieder gedrängt, Stellung zu beziehen. Und dann brachte ich Exiltibeter, die ihre Geschichte bloss noch in Bühnenshows lebten, dazu, mit mir zwei Jahre lang an einem Album zu arbeiten. Inexil ist aber ein kulturelles, kein politisches Statement.

Die Chinesen können auch von Richard Gere und Legionen anderer Prominenter nicht aus dem Tibet gejagt werden.

Es bringt auch nichts, wenn noch mehr Leute hinreisen und mit hängenden Köpfen herumrennen. Musik, die auf die Problematik aufmerksam macht, hilft bestimmt mehr als alle Schlagworte.

Der Dalai Lama empfing Sie wie der Erzbischof von Salzburg zu einer Privataudienz. Hat er Ihre neue CD bereits?

Nein, aber Inexil kennt er. Er war ein bisschen geschockt, weil da ein Lied drauf ist, bei dem ich auf unglaublich sehnsuchtsvolle Gedichte des sechsten Dalai Lama zurückgegriffen habe. Der war so was wie ein Ausrutscher im System, einer, der mit drei Jahren erwählt wurde, später aber die finalen Gelübde nicht leisten mochte. Er hatte dauernd darunter gelitten, dass er nicht wie ein normaler Mensch leben durfte, soff heimlich herum, vergnügte sich in Lhasa mit Huren und wurde schliesslich ermordet.

Bei einem Österreich-Besuch, den sie initiiert hatten, wurde dem Dalai Lama von einer Trachtengruppe ein Tirolerhut auf den Kopf gedrückt. Ziemlich peinlich.

Ich hatte eine Gänsehaut ob so viel Dummheit, aber er sah mit einer Gelassenheit sondergleichen darüber hinweg. Der Mann ist ein unglaublich feiner Typ.

Derselbe Heimatort wie Jörg Haider

Der österreichische Musiker und Sänger Hubert von Goisern, 49, heisst eigentlich Hubert Achleitner und gilt seit seinem Erfolg mit den Alpinkatzen Anfang der Neunzigerjahre als Erfinder des Alpenrocks. Benannt hat er sich nach seinem Heimatort Bad Goisern, aus dem auch Jörg Haider stammt.

Von Goisern wuchs als einziges Kind sozialdemokratischer Eltern auf - der Vater war Coiffeur, die Mutter Weberin - und wurde mit 27 Berufsmusiker. Nach Auslandsaufenthalten in Kanada und Südafrika, wo er als Chemielaborant arbeitete, studierte er an der Musikhochschule Wien experimentelle Musik. Nach dem Ende der Alpinkatzen 1994 blieb er fast sechs Jahre der Bühne fern, erregte mit eigenen Projekten aber immer wieder Aufsehen: Mit den ethnischen Alben Gombe (Afrika) und Inexil (Tibet) etwa, aber auch mit der Filmmusik zu Schlafes Bruder nach einem Buch von Robert Schneider. Fön ist sein viertes Studioalbum. Von Goisern, ein Künstler ohne Allüren, kämpft mit seinen Liedern dagegen, dass Volkstümliches von Rechten vereinnahmt und missbraucht wird.

Der bubenhafte Sympathieträger ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Salzburg.

In einem positiveren Sinne äffisch war Ihr Album Gombe, das die Forscherin Jane Goodall angeregt hatte, um damit ihre Schimpansen berieseln zu können. Waren die Tiere entzückt?

Sie haben die fertige Platte nie gehört. Jane und ich haben gemeinsam einen Dokumentarfilm gemacht, aber mein musikalisches Afrika-Projekt habe ich schliesslich alleine durchgezogen.

Einem wie Paul Simon wurde Imperialismus vorgeworfen, als er mit Schwarzen Graceland aufnahm.

Es wäre lächerlich, wenn man mir Ähnliches anlasten würde. Schliesslich habe ich ja kaum etwas anderes getan als Rufe von wilden Schimpansen gesampelt. Und so nebenbei habe ich rund eine Viertelmillion Schilling in Entwicklungsprojekte einfliessen lassen. Ich brauche also kein schlechtes Gewissen zu haben.

Haben Sie sich in Ihrer Karriere selbst mal zum Affen gemacht?

Ich glaube schon. In Fernsehshows beispielsweise, die ich heute unter aller Kanone finde. Davor bin ich noch immer nicht ganz gefeit, denn es gibt seitens des Managements immer wieder mal Bemühungen, mich in einer Unsäglichkeit wie dem Musikantenstadl zu platzieren. Da habe ich aber überhaupt keinen Bock drauf. Das wäre nur für den Musikantenstadl ein Gewinn. Und ich möchte es meinen Fans nicht zumuten, eine solche Sendung ansehen zu müssen, weil sie was von mir hören wollen.

Sie bekämen wahrscheinlich die Krätze, wenn Sie da rein müssten.

Würde ich das sagen, müsste ich ja zugeben, dass ich an so was wie einem Image arbeite (lacht).

In Artikeln über Sie gibt es kaum einen Hinweis auf Ihre Familie. Sind Sie so egomanisch, oder lassen Sie die bewusst aus dem Spiel?

Meine Person und meine Kunst sind mir tatsächlich so wichtig, dass das Umfeld oft in den Hintergrund rückt. Der andere Grund ist der, dass die Familie mit meinem öffentlichen Leben überhaupt nichts zu tun hat. Sie leidet schon genug darunter, dass ich mir so eines leiste. Und daran, dass überall Medienleute lauern. Sich ständig unter Geiern zu wissen - das ist der Aspekt am Erfolg, der zum Kotzen ist. Andererseits bin ich egozentrisch genug, um auch den in Kauf nehmen zu können.

Frauengeschichten zumindest werden Ihnen nicht nachgesagt. Sind Sie als Partner konstanter als in Ihren musikalischen Ausrichtungen?

Ja. Ich bin zwar erst seit zwei Jahren verheiratet, mit meiner Frau aber schon sechzehn Jahre zusammen. Aus einer unerklärlichen Laune heraus wollten wir uns noch vor der Jahrtausendwende trauen lassen.

Sechzehn Jahre - eine Ewigkeit für einen Getriebenen wie Sie.

Ich wundere mich oft selber. Man muss schon einen guten Magen haben, um mich auszuhalten.

"Mit brennen d'eier aloan vom hinschaun scho'", gestehen Sie in Katholisch. Das klingt eindeutig nach argem sexuellem Notstand.

Ähm - nein. Das täuscht. Aber ich kenne dieses Gefühl.

Bisweilen versuchen Sie sich als Schauspieler. Im Film Hölleisengretl nach Oskar Maria Graf gaben Sie einen schmierigen Erbschleicher. Wie fies sind Sie privat?

Da brauch ich mir nichts zu erschleichen. Ich habe ja von allem selbst genug.

Die Gier nach Materiellem können Sie also nicht nachempfinden?

Was ich tue oder lasse, mache ich jedenfalls nie von Geld und Besitz abhängig. Mein Inneres, meine Visionen sind das Wertvollste. Als meine erste CD entstand, war ich völlig mittellos. Aber ich hatte nie Existenzängste.

Ekstatisch aufgelöst oder von Zweifeln geplagt - so haben Sie mal die Pole beschrieben, zwischen denen es Sie hin und her schlägt. Was sind Sie momentan?

Ekstatisch, wenn ich die letzten zwanzig Jahre überdenke. Wenn ich dann aber meine Aufzeichnungen aus dieser Zeit lese, bekomme ich den Eindruck, dass ich pausenlos ein Zweifler war. Ganz offensichtlich verklärt sich die Vergangenheit. Drum bin ich wie ein Kind: Für mich ist der Moment alles.

Mit den Alpinkatzen gaben Sie jährlich 120 Konzerte. Setzen Sie sich jetzt nochmal einem solchen Marathon aus?

Aus den 40, die ich wollte, hat man 90 gemacht, aber ich weiss gar nicht, wieso ich im Herbst noch spielen soll. Dummerweise sind die Verträge schon gemacht. Viel lieber würde ich die nächsten drei CDs realisieren, für die ich das Material bereits im Kopf habe.

Dazu wären Sie am besten Hüttenwart auf einem Dreitausender.

Genau. In einer Hütte, die niemand findet.