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FÖN

Aber nirgends ist es schöner als daheim

Coburger Tageblatt 21./22. Oktober 2000 | Text: Rainer Lutz | Foto: H. Lehmann

Erfahrungen aus aller Welt prägen die Musik des Hubert von Goisern
- aber die "Quetschn" aus der Heimat behält allemal ihren Platz

Riesenstimmung im "Schwarzen Bären" zu Beiersdorf. Es ist der 17. November 1992. Gerade haben die Alpinkatzen ihre letzte Zugabe gespielt, und die "Alpine Sabine" hat verkündet: "Der Hubert hat heute Geburtstag." Die Feier von damals ist Vergangenheit. In ein paar Wochen hat Hubert von Goisern wieder Geburtstag. Zukunft. Irgendwo dazwischen: Ein Gespräch mit dem "Tageblatt" - nicht über Gott, aber über die Welt und das neue Album Fön, mit dem der Künstler im März und April auf Tour durch Österreich und Deutschland geht.

Vor der 92er Geburtstagfete hat der Bär auch einsame Alpinkater auf der Bühne gesehen. Später kamen sie nicht mehr. Der Bär war viel zu klein geworden. Fernsehauftritte, große Hallen, Tonträger in Edelmetall (vierfach Platin in Österreich für das Album Aufgeigen statt niederschiaßn). Kaum ein Tag ohne neue Nachrichten: Hubert in Texas, ausgeflippte Village-People in New York. Der Weg scheint nur noch nach oben zu führen. Dann 1994 der Entschluss: Nach der Tour Omunduntn wird das Projekt Alpinkatzen beendet.

Der Goiserer will sich Familie und Freunden widmen, die er vernachlässigt hat. "Wie mir's in Zukunft geht, kann i ned sagn", antwortet er auf die Frage nach Plänen. Und die hängen eben vollkommen davon ab, wie es ihm geht.

Dass er so konsequent dem inneren Ruf folgt, hat sich auch in den sechs Jahren seit seinem letzen Bühnenauftritt bewährt. Er schuf die Musik zum Film Schlafes Bruder ("Es war ein Ringen um Luft und Licht.") und gab sein Schauspieldebüt in der Hölleisengretl von Hubert Achleitner ("Ich habe nicht gewusst, ob ich es kann. Ich habe gewusst, dass ich es will.") Und auch für den Kinderfilm Ein Sack voller Lügen machte er die Musik.

Zwischen immer mehr Vergangenheit und möglichst viel Zukunft sieht die Gegenwart von 1998 Hubert von Goisern im Parlament. Nicht als Politiker. Mit den Worten: "Ich war schon immer anders als all anderen. Und das ist ein Grund, hier zu sein", präsentierte er seine neue CD. Sie heißt InExil und entstand nach mehr als zwei Jahren der Beschäftigung mit der Kultur Tibets, die in ihrem Heimatland verfolgt wird. Hubert arbeitete mit tibetischen Künstlern in Indien und Österreich und trifft auch den Dalai Lama ("Mit seiner Haltung, wie er mit unangenehmen Situationen und dem generellen Gedränge um ihn imgeht, beschämt er micht.").

Aus Reisen nach Ostafrika und der Begegnung mit der Verhaltensforscherin Jane Goodall entsteht das Album Gombe und ein gleichnamiger Dokumentarfilm. Am Ende des Films kündigt der Österreicher an: "Aber eines Tages werde ich wieder auf der Bühne stehen." Und Jane Goodal gibt ihm mit auf den Weg: "Wenn Du einmal hier warst, wirst Du nie wieder derselbe sein."

Nun steht er wirklich bald wieder auf der Bühne. Und Goodalls Prophezeiungbestuatigt er für sich und seine Arbeit: "Ich bin nicht mehr derselbe und meine Musik ist auch nich mehr dieselbe." Auch frühere Alben seien ein Sammelsurium gewesen, so wie das neue Fön. "Aber durch alle zieht sich ein roter Faden - das bin ich. Ich habe Ecken und Kanten und die will ich nicht verstecken."

Hubert von Goisern hat sich weiterentwickelt. Als Mensch, als Musiker, als die Einheit aus beidem, die er konsequent sein Leben gestalten lässt. Nach den Studioproduktionen will er ketzt wieder Kontakt mit dem Publikum: "Du spürst, was die Lieder den Leuten bedeuten." Dass die Mischung auf Fön ein Publikum finden wird, ist sich der Künstler sicher. Bald jazzig, bald voller Blues und Soul, stets durchwirkt vom silbernen Klangfaden seiner "Quetschn", offenbart die Musik immer wieder erst nach einer Weile den Landler oder den Scottisch oder was auch immer der Goiserer der Volksmusik seiner Heimat entleiht. Doch eine Anleihe soll es gar nicht sein. Weiterentwickeln wollte er schon immer. Neues machen. Der "Quetschn" Töne entlocken, den Jodler modifizieren, wie es keinen zuvor gelang.

Seinen Landsmann Jörg Haider mag er nicht. Und es gibt schon mal eine Bemerkung auf der Bühne, die das zeigt. Ein Lied widmet er dem Rechtsausleger nicht: "Das ist er mir nicht wert." Überhaupt findet Hubert von Goisern: "Es schadet Musik, wenn Du sie politisiert. Politische Songwriter sind Politiker, keine Musiker." Musik, meint er, kann mehr bewirken, wenn sie die Politik bedeutungslos macht. Wenn vor der Bühne eine Gemeinschaft entsteht, über die Grenzen der Generationen und der politischen Anschauung hinweg.

Träume? "Da sitz mer morgn no do, wann ich die aufzähl!" Einer vielleicht: "Ein Auftritt auf dem großen Platz vor dem Potala-Tempel in Lhasa", aber da heißt es vorher ins Trainingslager, um mit dem Sauerstoffmangel fertig zu werden. "Als ich dort war, wollt' ich einen Juchtzer machen, der ist nach der Hälfte ausbliebn - wegn der Luft."

Coburg mag Hubert von Goisern und erinnert sich an seine Auftritt im "Bären" noch gut: "Schon wegn die Wierschtl und wegn dem (dunklen) Bier will ich wieder mal herkommen." Warum nicht auf der Fön-Tour? Das muss der Tour-Planer von Blanko Musik beantworten. Hage Hein: "Zur Vorbereitung war klar, dass wir herkommen. In Coburg ist medienmäßig viel Leben. Aber wo hätten wir auftreten sollen? Wo?"

Hubert von Goisern

www.inmusic2000.de | Text: Duklas Frisch

"Musik ist mein wichtigstes Mittel zu kommunizieren. Auch ohne die Texte zu verstehen, kann man sehr gut fühlen, welche Stimmungen ich damit erzeugen wollte."

Mit Fön legst du nach deinen letzten beiden Soloalben wieder eine CD vor, die mehr in Richtung Alpinkatzen geht. Gab's dafür einen bestimmten Grund?

Ich hab' ganz einfach wieder die Lust verspürt, etwas Eigenes zu machen. Die letzten beiden Produktionen Tibet und Afrika waren doch sehr davon geprägt, dass ich stark auf andere Leute und Kulturen eingegangen bin. Und da wollte ich unbedingt wieder etwas machen, wo ich niemanden fragen muss, ob das so jetzt auch in Ordnung geht.

Wie sind die Tibet und die Afrika denn allgemein vom Publikum aufgenommen worden? Die beiden Themen waren ja nicht ganz einfach...

Och, ich war von der Reaktion sehr überrascht, da ich eigentlich angenommen hatte, dass es bei einigen Fans größere Probleme geben wird. Beide CDs erschienen gleichzeitig und haben im deutschsprachigen Raum zusammen etwa 100.000 Stück verkauft, was für solch eine exotische Musik ganz erstaunlich ist.

Und dennoch hast du diesen "ethnischen" Weg auf Fön nicht weiterverfolgt? Es gibt ja noch andere Länder und Kulturen, die sich musikalisch bereisen lassen?

Das kann ich ja noch zukünftig machen. Ich wollte Musik wählen, mit der ich endlich wieder mal auf die Bühne gehen kann. Das war der eigentliche Ausgangspunkt dafür, dass ich mich hingesetzt und komponiert habe. Live vors Publikum zu treten, ist schon etwas sehr Positives.

Wenn ich ins Booklet schaue, ist das Line-Up der vertretenen Musiker/Instrumente schon sehr beträchtlich! Interessant sind auch die Steel-Drums auf dem zweiten Stück Da Dåsige...

(lacht) Dabei waren es gar nicht so viele Musiker. Der Kernstock, mit mir eingeschlossen, waren 5 Leute. Dann gab's noch eine Geigerin, die oft dabei war. Alle anderen sind dann mehr oder weniger punktuell im Studio dazugekommen: Ein Saxophonspieler bei der Nummer und die Monika Drasch da, wo es etwas zu jodeln gab. Im Grunde genommen war's das dann eigentlich schon. Da ich selbst Multiinstrumentalist bin (Pfeifen, Gitarren, diatonische Ziehharmonika, Flügelhorn, Althorn, Mundharmonika), kann ich diesbezüglich schon sehr viel abdecken.

Wann habt ihr mit den Aufnahmesessions begonnen?

Eigentlich wollte ich im Februar damit beginnen, doch dann hatte ich einen massiven Wasserschaden im Studio: ein 12,7 mm dickes Rohr war zugefroren und ist 12 Stunden nach dem einsetzenden Tauwetter ausgelaufen. Dann musste ich alles auslagern und mir neue Räumlichkeiten suchen, was die Produktion letztlich um 2 Monate hinausgezögert hat. (lacht) In dieser Zeit ist eigentlich nichts anderes passiert als logistischer Kram. So haben wir erst im April mit den Proben begonnen, im Mai die Grundtracks eingespielt und im Juni die Overdubs gefahren. Im Juli hab' ich meine Solospuren und Gesänge draufgelegt, daneben gab's dann die Chorgeschichten. Und im August haben wir die ganze Platte gemischt, so dass wir mit allem am 3. September fertig waren.

Hubert von Goisern: "Volksmusik ist peinlich!"

Rennbahn Express 11/00 | Text & Fotos: Alex Lisetz
Hubert von Goisern

Bergsteigen mit Hubert:
Er präsentierte seine neue CD in 3000m Höhe!

HvG mit Alex LisetzHubert und BongoEin Gipfel, zwei Lautsprecherboxen und ein Haufen müder Journalisten mit Blasen und Muskelkater - so wenige Zutaten brauchte Hubert von Goisern für Österreichs romatischste CD-Präsentation des Jahres!

Hoch oben am Sonnblick pfeift der Wind mit den Murmeltieren um die Wette. In 3106 Metern Höhe, da, wo die höchste Wetterstation der Welt steht, stapft eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von musikern und Reportern durchs ewige Eis. Nur der braungebrannte Mann an der Spitze ist beim Aufstieg kaum ins Schwitzen gekommen: Hubert von Goisern, der hier seine neue CD Fön vorstellen will.

"Föhn, das ist ein intensiver Zustand, der Schönwetter auslöst, bei dem man plötzlich alles ganz klar sieht. Aber man muss fit sein dafür, sonst bekommt man Kopfweh und Kreislaufprobleme!" Beides passt, so Hubert, auch auf seine neue CD.

"Volksmusik ist peinlich. Das finden viele Kids, und das war auch meine Meinung, als ich 12 oder 13 war", meint Hubert zum Thema "Alpinrock", "aber wenn man Volksmusik behutsam mit zeitgenössischen Zutaten würzt, können sie auch Jugendliche von heute wieder entdecken." Leider versagt die Schule da total, findet er: "Alles, was nicht wirtschaftlich nützbar ist, wie Mathematik oder Fremdsprachen, wird immer mehr hinausgedrängt. Ich habe selber in der Schule meiner Kinder ein paar Musikstunden gehalten. Da bin ich draufgekommen, dass viele Kids gerne Musik machen würden, aber gleich wieder den Mut verlieren, weil sie es ja doch nie so perfekt hinkriegen, wie man es im Radio hört. Die Volksmusik mit ihren einfachen Tonfolgen wäre da doch ein perfekter Anfang..."

Bongo und HvGDa müsste Hubert doch eigentlich ein Fan vom Anton aus Tirol sein? Er grinst über die provokante Frage: "DJ Ötzi ist eine lustige G'schicht. Und der beste Beweis, wie ausgehungert die Leute nach Liedern sind, die sie auch verstehen!" Mit Liedern, die er selber nicht verstand, hat sich Hubert in den letzten Jahren beschäftigt: Auf einigen weiten Reisen beschäftigte er sich mit Volksmusik aus Tibet und Afrika und nahm die musikalischen Experimente auch auf zwei CDs auf. "Die Mentalität der Menschen dort ist schon sehr anders als bei uns. In Tibet war ich z.B. mit ein paar jungen Leuten unterwegs und wollte am Abend etwas für sie kochen. Doch sie bekräftigten mehrmals, dass sie überhaupt keinen Hunger hätten! Nur für mich wollte ich mich auch nicht an den Herd stellen und aß dann nur ein paar Wurstbrote. Als ich kurz aus dem Zimmer war, stürzten meine Begleiter in die Küche und machten sie ein Nachtmahl. Über Dritte erfuhr ich, dass sie unglaublich hungrig waren, es aber für sie unhöflich gewesen wäre, mich als Älteren kochen zu lassen..."

Nach all den Erfahrungen mit traditioneller Musik aus den anderen Erdteilen "bekam ich wieder richtig Lust, neue Lieder zu schreiben. Aber ich wollte mich weiterentwickeln und nicht nur drei, vier neue Hiatamadln aufnehmen." Die Arbeit lief gut an - bis im heurigen Frühjahr die Katastrophe passierte! "Als ich nicht zuhause war, froren in meinem Haus in Goisern die Leitungen ein. Daraufhin gab's einen Wasserrohrbruch, der vom ersten Stock aus mein Studio im Keller überschwemmte und alle meine Instrumente, die Bänder und alle Computer mit der bisherigen Arbeit zerstörte!"

Drei Tage lang war Hubert verzweifelt, dann siegte die Gelassenheit, die er sich beim Tibet-Aufenthalt angewöhnt hatte: "Ich versuchte, mir vorzustellen, wozu diese Probe gut sein könnte... und dass ich nun die Chance hätte, alles neu und besser zu machen!"

"Die Ziehharmonika hat mich schon traurig angschaut"

Die Ganze Woche nr 43/00 | Text: Miriam Berger

Nach sechs Jahren Abstinenz von der Bühne und der Volksmusik wirft sich Hubert von Goisern wieder ins Geschehen. Vor allem das "Aussisingen" vor Publikum ist dem "Herrn Hiatamadl" schon ziemlich abgegangen. Nicht so vermißt hat er hingegen die Alpinkatzen, mit denen das Leben schließlich doch zu stresig geworden war. Entsprechend kommt Hubert, 47, als Solo-Künstler und mit neuem musikalischen Back-Mix zurück, auch wenn der Grundteig nach wie vor volkstümlich resch ist.

Es ist sechs Jahre her, daß du dich von der Bühne verabschiedet hast. Nicht ohne die Worte, daß du die Volksmusik nimmer aushältst. Jetzt bist du mit einem neuen Album wieder da. Meinung geändert?

Es war die Inflation an Volksmusik, die ich nimmer ausgehalten hab. Jeder wollt a bißl klingen wie der Hubert. Außerdem hab ich nur gesagt, daß ich mit den Alpinkatzen aufhöre. Und ich hab wirklich eine kreative Pause gebraucht.

Sie ist sehr lang geworden.

Länger, als ich geplant hatte. Ich hab lang nicht gejodelt, meine Ziehharmonika nicht angegriffen. Als ich nach fünf Jahren den Koffer wieder aufgemacht hab, war's als würde sie mich direkt traurig anschaun. Wenig später war sie eh auf einmal kaputt.

Die Stimme hat zum Glück gehalten.

Aber ich hab sie auch wieder trainieren müssen. Das Jodeln überhaupt. Vor meinem einsamen Haus auf dem Berg, da hört einen keiner. Die Stimme ist wie ein Muskel, da geht ohne Training ohne gar nichts.

Die Leute werden sagen: Der kommt wieder, weil er Geld braucht.

Sagen sie das? Ich sage, ich arbeite gern, musiziere gern, ob's Geld gut oder schlecht ist. Was mir wirklich sehr abegangen ist, war die Bühne. Auf die Bühne gehen und so richtig aussisingen. Aber ich will das Ganze nicht mehr mit dieser Ausschließlichkeit wie mit den Alpinkatzen betreiben. Nicht mehr jedes Konzert annehmen und nicht mehr TV-Show.

Du schöpfst auf dem neuen Album Fön weiterhin aus volksmusikalischen Resourcen, hast aber diesmal Funk, Rock und karibische Elemente in den Kuchen eingebacken.

Das war schon eine Bedingung, die ich mir selbst gestellt habe. Wenn ich zurückkomme, dann nur, wenn ich mich entsprechend weiterentwickelt habe. Ich wollte sicher nicht genau dort weitermachen, wo ich aufgehört habe.

Wird wieder ein Hit wie Hiatamadl dabeisein?

Ob ein Lied ein Hit werden könnte, daran denke ich nicht beim Komponieren. Dazu bin ich zu sehr Musikant und zu wenig Produzent.

Aber über die Texte denkst du sehr wohl nach. In Katholisch hast du zum Beispiel der Kirche eins ausgewischt.

Na, das Priesteramt ist doch ein Machotraum. Sind wir uns ehrlich, jeder Pfarrer hat doch heut irgendeine. Aber er kann immer ganz offiziell sagen: "Heiraten kann ich dich nicht."

Das können ja andere auch sagen. Du zum Beispiel.

Ich hab vor einem Jahr geheiratet. Mein "Priesterleben" ist vorbei.

Du hast einmal gesagt, das größte Opfer des Erfolges war, daß du vom Beobachter zum Beobachteten geworden bist. Willst du dich auf das wieder einlassen?

Ich glaube, mit dem Beobachtetwerden kann ich inzwischen ganz gut umgehen. Wenn man das alles nicht mehr so exzessiv betreibt, ist mehr Platz bis zur Schmerzgrenze.

Wie geht's deinen beiden Kindern?

Sehr gut, danke. Wenn mich einer fragt, wer die faszinierendsten Menschen für mich sind, dann sag ich: Diese beiden. Die zeigen mir nämlich, was Individualität wirklich ist. Obwohl ich mich so bemühe, daß sie so werden, wie ich will, habe ich keine Chance.

Du hast große Reisen gemacht, nach Tibet, Indien ... In andere Kulturen einzutauchen, was hat dir das gebracht?

Ich weiß nicht, wie ich mich entwickelt hätte, wenn ich die Reisen nicht gemacht hätte. Aber eines kann man schon lernen: Sie machen dort alles ganz anders als wir daheim, aber es führt auch zum Ziel. Der Kern der Sache, die Wünsche, Träume und Hoffnungen, die sind wiederum überall gleich.

Deiner Frau gebührt aber auch ein Orden. Viel daheim warst du nicht.

Der Orden gebührt ihr. Zwei Kinder, der Haushalt, der Beruf und dann ich mit dem Anspruch als Musiker auch Egozentriker sein zu dürfen. Zwischendurch hat mich immer das schlechte Gewissen gepackt und der Gedanke, daß ich eigentlich beziehhungsunfähig bin. Wir haben dann auch öfter gesagt, wir trennen uns, aber zum Glück ist das nicht passiert.

Zuletzt warst du ja mehr zu Hause.

Ja. Ich mein, die Zeit meiner Reisen war ja nichts im Vergleich zu der Zeit, wo ich getourt bin. Mein Sohn hat mich ja nur mehr als den gekannt, der immer auftaucht, todmüde umfällt, sich ausschläft und dann wieder abhaut. Wenn ich jetzt wieder auf Tour gehe, wird's spannend. Jetzt fragt mein Sohn nämlich schon immer: "Papa, wo gehst hin?"

Wie gefällt dir eigentlich der DJ Ötzi?

Ich mein, es müssen halt alle Ebenen abgedeckt werden. Und es heißt ja so schön: In Zeiten, wo die kulturelle Sonne niedrig steht, werfen auch Zwerge lange Schatten.

Ja aber das Hiatamadl ...

... i bin ja eh scho ruhig.

Hubert von Goisern - Das Abenteuer noch mal von vorn

www.feedback-magazin.de November 2000 | Text: Hans Kraus

Hubert von GoisernHubert von Goisern ist wieder da. Obwohl, so richtig weg war er ja eigentlich nie. Nach dem Ende seiner Original Alpinkatzen schrieb er zunächst Filmmusiken, trat als Schauspieler in Erscheinung, setzte sich für die Rechte der unterdrückten Menschen Tibets ein und besuchte die Tierverhaltensforscherin Jane Goodall in Afrika. Inspiriert von seinen Reisen und Eindrücken entstanden die beiden EthnoCDs Inexil und Gombe. jetzt ist Hubert wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und legt in Fön sein neues Album vor.

Warum aber hat er die Alpinkatzen 1994 überhaupt aufgelöst?

Ich bin ein Abenteurer, Und das musikalische Abenteuer Alpinkatzen war einfach zu Ende. Wir hatten mehr erreicht, als wir uns je erhofft oder erträumt hatten. Ich habe das schon im Herbst 1992 erkannt und wollte unseren Stil wechseln. Aber die anderen hatten Angst, dadurch den Erfolg zu verlieren.

Schreibst du noch Filmmusiken?

Zur Zeit leider nicht. Filmmusik ist eine spannende Geschichte. Ich bin Opernfan, und Film ist für mich die moderne Form der Oper. Ich hoffe, wieder einmal einen Regisseur zu finden, der mir den nötigen Platz läßt, den ich brauche, um Filmmusik zu machen.

Wird es den Schauspieler Hubert von Goisern wieder einmal geben?

Hoffentlich. Ich warte darauf, eine interessante Rolle zu kriegen. Ich hatte schon Angebote, aber das ging alles so in Richtung 'Bergdoktor', und das ist nicht meine Schiene.

Auf Fön behandelst du gesellschaftspolitische Themen genauso wie ganz banale Liebeslieder. Wie stellst du die Themen für deine Texte zusammen?

Überhaupt nicht, das passiert einfach so. Das sind eben meine persönlichen Empfindungen, die sich meistens in irgendeiner Form mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen. Das kannst du nicht planen, irgendwann kommt die Kreativität über dich, dann bist du wie in einem Fluß und wirst mitgetrieben.

In Kalt, einem deiner neuen Titel, spiegelt sich dein Ekel gegen Typen wie Jörg Haider wider. Glaubst du, daß die Sanktionen der EU ihm geschadet haben?

Haider hat vielleicht regional noch etwas zu sagen, bundespolitisch ist er eher kaltgestellt. Positiv an der ganzen Sache mit der EU war eigentlich nur, daß sich nun auch andere Politiker mit Osterreich als Teil der EU auseinandersetzen müssen. Und die Sanktionen? Die Wirtschaft hat weiter funktioniert, von daher ist schwer zu sagen, ob es einen richtigen Schaden gegeben hat. Man muß aber auch sehen, daß Haider durch einen demokratischen Prozeß an die Macht kam. Wie kann man so etwas verhindern? Hier stößt die Demokratie leider an ihre Grenzen. Viele haben ihn gewählt, aber genauso viele sind gar nicht zur 'Kahl gegangen und haben ihn dadurch indirekt unterstützt. Vielleicht hört diese Politikverdrossenheit jetzt auf.

Im Titelstück deiner neuen CD Fön behauptest du, daß alles geht, was du willst, solange du weißt, was du willst. Was willst du eigentlich?

Das hängt immer von der momentanen Situation ab. Zur Zeit will ich unbedingt wieder auf die Bühne gehen, das ist jetzt schon seit zwei oder drei Jahren mein Wunsch. Aber ich gebe zu, ich habe Schiß davor, das ist für mich nach so langer Zeit wie von vorn anfangen. Aber ich will Leute treffen. So ein Konzert ist immer eine interaktive Geschichte, wobei das Publikum mitbestimmt, ob es ein guter oder ein schlechter Abend wird.

Warum wirst du keine deiner alten Erfolgstitel mehr live zu Gehör bringen?

Auf meiner neuen CD ist schon eine Stunde Programm. Dazu arbeite ich schon wieder an der nächsten und werde davon auch ein paar Titel singen. Auch aus der Gombe Scheibe wird es etwas geben. Damit habe ich soviel Programm, daß ich neue Titel rauswerfen müßte, um alte zu spielen.

Fönsturm aus den Alpen

Quelle unbekannt 2000

Hubert von Goisern muss ein Sonderling, ein Querkopf, ein Sturschädel sein. Wer sonst schon würde seine Karriere auf Eis legen, wenn's gerade am schönsten in der Kasse klingelt? Da half Ende 1994 auch kein Bitten und Flehen von Plattenfirma oder Mitmusikern: Der Hubert aus dem wunderschönen Tiroler Ort Goisern wollte partout eine Auszeit - und er nahm sie sich. Bis heute hat er diesen radikalen Entschluss nicht bereut. Im Gegenteil: "In diesen sechs Jahren sind wichtige und schöne Dinge passiert. Ich habe mit tibetanischen Musikern gespielt, bin mehrmals nach Afrika geflogen, habe Leute wie die Schimpansenforscherin Jane Goodall kennengelernt und Filmmusiken gemacht. Hätte ich mit den Alpinkatzen so weitergemacht, wäre das alles nicht möglich gewesen."

Nach Hits wie Hiatamadl, stapelweise Goldenen Schallplatten und unzähligen Konzerten hatte der alpine Eigenbrötler aber auch die Motivation verloren, wie er heute zugibt: "Ich fand, dass ich in diesem Kontext alle erreicht hatte. Also wollte ich von da oben wieder runter und Ruhe und Kraft für neue Ideen sammeln." Wie gut dem kreativen Extremisten seine selbstauferlegte Pause bekommen ist, beweist seine Comeback-CD Fön. Mit neuen, unverbrauchten Musikern spielte er in einem Salzburger Studio zwölf Titel ein, die Hubert von Goisern - auch musikalisch - als Kosmopoliten reisten Wassers ausweisen: Von HipHop-Grooves bis Reggae-Rhythmen, von elegischen Ethno-Klängen bis Lederhosen-Rock, vom jazzigen Blues bis zur folklorischen Ballade präsentiert er eine grenzenlose Stilvielfalt - ohne dabei seine Roots zu verleugnen. Wie zu Alpinkatzen-Zeiten singt er seine frechen und hintergründigen Texte im astreinen Tiroler Slang und spielt die Diatonische Ziehharmonika meist die erste Geige. Die schönste Wortmeldung aus Österreich seit langem!

Durchblick - Hubert Goisern

Müller for Music November 2000 | Text: Werner Pilz

Genau vor sechs Jahren, am 1. November, dem Allerheiligen, gab er sein letztes Konzert mit den Alpinkatzen. Auf dem absoluten Höhepunkt des Erfolges. So manche Reisen und CD-Projekte später steht Hubert von Goisern mit neuer Band und neuer Platte Fön (Virgin) vor neuem Triumph und neuer Tour.

Bei dem Begriff "Fön" denkt der Flachländer zunächst an Kopfschmerzen und Ohrensausen. Warum hast du deine neue Platte so genannt?

Fön ist ein Zustand, der unglaubliche Spannung mit sich bringt. Nicht jedermanns Sache. Aber Fön bedeutet immer Schönwetter und ganz klare Fernsicht. Die Visionen, um die man schon lange ringt, tauchen plötzlich vor dem inneren Augen auf, sind deutlich erkennbar, scheinen ganz nah, und dann ist es doch noch ein langer Weg bis man das Ziel erreicht. Das beschreibt den kreativen, künstlerischen Prozess sehr treffend.

Du hast dich auf Fön dem Jazz, dem Blues, dem Soul zugewandt...

Ich habe mit den Alpinkatzen aufgehört, weil mir ihre rockige Art und Weise, um es überspitzt zu sagen, zu plump war. Die Rhythmik, die ich damals gespielt habe, ist ständig glattgekämmt worden, weil es immer diesen Mittelscheitel gab, den der Rock 'n' Roll zieht. Jetzt wollte ich weniger Muskeln und mehr Esprit in der Umsetzung meiner Ideen.

Hast du das Gefühl, dass es dir gelungen ist, etwas Neues zu machen?

Manche sagen, dass habe nun absolut gar nichts mehr mit den Alpinkatzen zu tun, manche fragen mich, warum ich sechs Jahre Pause gebraucht habe, im jetzt wieder genau dasselbe zu machen. Mir selbst ist es noch zu nah, als dass ich darüber schon reflektieren könnte.

Auch wenn rootsige Elemente, vom Jodler bis zum Zydeco, vorhanden sind, ist der vorherrschende Klangeindruck sehr urban...

Ich hatte den Anspruch subtiler zu werden. Ohne ein Mehr an Urbanität müsste ich mich auf einen instrumentalen Purismus reduzieren, der dann ein regionaler wäre. Das würde aber nicht meiner Lebenserfahrungen entsprechen. Ich bin viel gereist, ich mag Wien genauso, wie ich Goisern mag, ich hasse Wien, wie ich Goisern hasse, mich ziehts nach New York, ich habe mit Tibetern und mit afrikanischen Musikern gearbeitet. Ich würde es komisch finden, sogar politisch nich angesagt, wenn ich mich in Zeiten wie diesen auf einen inneralpinen Purismus zurückziehen würde.

Du nutzt Reggae-Off-Beats und Steel-Drums, Da Däsige entwickelt eine westafrikanisch/karibische Leichtigkeit. Nachwirkungen deiner afrikanischen Gombe-CD?

Deren letztes Stück hatte schon dieses rhythmisch-bouncige drin. Ich war zweimal auf Trinidad in den letzten Jahren. Meine Ziehharmonika ist dabei kaputtgegangen, weil sie die extreme Luftfeuchtigkeit nicht ausgehalten hat, mir während des Spielens weggeschimmelte. Ich habe ein paar Sessions mit Steel Drums gespielt, bei denen ich total weggeflogen bin, das war ein Wahnsinn, dass die ihr's machen und ich mach' mein's und keiner macht einen Kompromiss und es ensteht etwas, was viel größer ist als einfach 1+1. Da träume ich immer noch davon. Ich hätte am liebsten einige der Nummern in Trinidad produziert. Das wird jedenfalls auf meine Plattenfirma noch zukommen, eine Tour auf Trinidad zu organisieren.

Von Goisern, der österreichische Ry Cooder?

Ry Cooder ist ein Musiker, den ich sehr schätze. Sting, Peter Gabriel oder Paul Simon, das sind Personen, die aufzeigen, dass ein kulturelles Miteinander einfach spannend sein kann. Das ist ganz wichtig, das Künstler diesen Part wahrnehmen, um der Gesellschaft ein Stück ihrer Angst vor diesen Begegnungen nehmen.

Auf Fön taucht immer wieder eine melancholische, traurige Gefühlslage auf. Gab es konkrete Ereignisse, die das ausgelöst habe?

Ja, da gibt es etwas, da möchte ich aber nicht drüber reden. Ich bin ein sinnlicher und melancholischer Mensch. Ich kann nur über das schreiben, was auch in mir drinnen ist. Wir Künstler sind jedoch keine Fotografen des Ist-Zustandes, sondern haben die Aufgabe über die banalen Wahrheiten hinauszugehen und ihnen eine Dimension zu geben, die sie in einen Kontxt stellt. Dort werden sie wieder auf das reduziert, was sie sind, nämlich Gegebenheiten, die geschehen, was auslösen, aber auch vorbeigehen.

So wie auf Weh toan tuat's auf jeden Fall...?

Ja, das mündet in diese New Orleans-Begräbnisstimmung. Dort geht man durch das Gefühl hindurch, und das ist die wirkliche Kunst, die ich auch nicht immer zusammenbringe. Aber hier ist es mir gelungen, da ist nichts was in den Abgrund führt.