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HAUT UND HAAR

Reisen braucht kein Gepäck

Wienerin Juni 2009 | Text: Johanna Jenner

Wer nicht auszieht, kommt nicht heim: Hubert von Goisern kann ein Lied davon singen. Im WIENERIN-Interview erzählt der Weltenbummler, was er von philippinischen Kopfjägern gelernt hat und warum er am liebsten mit leerem Rucksack reist.

Sie haben in Kanada gelebt, die Alpen überquert, sind durch Asien getrampt und haben in vielen Ecken der Welt musiziert. Ihr neues Livealbum heißt Haut und Haar. Sind Sie mit Haut und Haar Nomade?

Ja. Aber da ist noch das Fleisch, von dem man sagt, es sei träge. Das Nomadenleben gelingt mir nicht mehr so gut wie früher.

Welche Ihrer Reisen hat Sie am meisten geprägt und verändert?

Meine letzte große Reise. Ich habe vier Monate bei Kopfjägern auf den Philippinen gelebt und dort eine archaische Kultur kennengelernt, ohne Strom, Fernseher oder Radio. Weg von der Zivilisation lässt es sich einen lehrreichen Blick auf das eigene Leben werfen.

Was haben Sie dabei gelernt?

Ich habe die Musik neu erfahren. Ich habe erfahren, was es bedeutet, wenn es nicht ständig aus dem Radio oder aus den Supermarktlautsprechern dudelt. In dem Stamm auf den Philippinen passiert Musik nur, wenn sie bewusst gespielt wird, sich die Dorfgemeinschaft versammelt und zusammen musiziert. Wir haben uns oft gegenseitig vorgesungen. Die haben mir ihre Lieder gezeigt, ich ihnen österreichische Volkslieder. Viel Kommunikation und Kennenlernen fand durch Musik statt. Ich habe mir dabei oft gedacht: So muss es früher einmal gewesen sein ...

Hören Sie überhaupt noch Radio?

Wenn, dann nur Wortprogramme. Ich muss keine Musik aufdrehen, um Musik zu hören. In mir tönt es dauernd. Ich höre ständig Melodien - ausgelöst durch das, was um mich ist. Das kann ein Autoblinker sein, Regentropfen oder der Lärm in der Straßenbahn. Alle Geräusche haben eine Harmonie, wenn man hinhört. Was um mich ist, nehme ich in mir auf und summe vor mich hin. Bis ich merke, dass mich Leute im Bus komisch anschauen.

Schärft das Verreisen Ihre Sinne?

Durch das Eintauchen in eine fremde Umgebung läuft nichts mehr automatisch ab wie zu Hause. So werden sicher die Sinne geschärft. Aber Reisen entstaubt auch die Sinne. Reisen bedeutet, sich zu lösen von den Routinen des Alltags und frei zu sein, um wahrzunehmen.

Was nehmen Sie in Ihrem Rucksack mit auf Reisen?

Idealerweise nichts. Wer mit vollem Rucksack unterwegs ist, hat nicht Platz, Neues dazuzugeben. Aber es ist auch hilfreich, mental mit vollem Rucksack unterwegs zu sein und von Zeit zu Zeit die Altlasten am Wegrand liegenzulassen.

Fernweh haben und dabei heimatverbunden sein. Geht das überhaupt?

Ja, Heimatliebe ist für mich Welt­ und Lebensliebe. Die Heimat gewinnt erst durch das Wegfahren an Tiefe. Ich kam im Frühling von einer Tour heim und die Bäume blühten. Vielleicht hätte ich das nicht so intensiv empfunden, wenn ich die ganze Zeit daheim gewesen wäre.

Welche Reise steht als Nächstes an?

Mitte August, nach meiner Tour, werde ich eine längere Auszeit nehmen. Dazu muss ich aber nicht wegfahren. Für mich ist eine Reise ja auch schon auf den Berg zu gehen.