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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

Weltmusiker auf Kreuzfahrt

Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung 30. August 2008 | Text: André Ammer

Hubert von Goisern legte für einen grandiosen Auftritt an

Hubert von Goisern & BandAm morgigen Sonntag wird das schwimmende Dorf von Hubert von Goisern ein allerletztes Mal seine musikalische Fracht entladen. In Passau geht dann eine zweijährige und viele tausend Kilometer lange Konzertreise zu Ende, bei der der österreichische Weltmusiker noch einen kurzfristigen Zwischenstopp an der Lände Hilpoltstein einlegte. Ein Glück für die Burgstadt, denn so kamen die Goisern-Fans nochmal in den Genuss eines grandiosen Auftritts.

Hilpoltstein - Ein wenig Wehmut schwingt schon mit, wenn Goisern über das bevorstehende Ende seiner Linz-Europa-Tour sinniert. "In drei Wochen gibt's des ois nimmer, und hier wern mer a nimmer herkemmen", wird er zum Schluss des fast dreistündigen Konzerts etwas melancholisch. Die eindrucksvolle Bühne auf der 77 Meter langen Barge ist bald abmontiert, der Schiffsverband wird dann wieder für den Transport von Schotter und Kies eingesetzt.

Vorher aber nimmt Kapitän von Goisern die 1600 Zuhörer an der Anlegestelle bei Heuberg nochmal mit auf eine ebenso abwechslungsreiche wie entspannte Kreuzfahrt durch die verschiedensten Gefilde der Weltmusik. Afrika, Asien, Südamerika und nun eben auch noch Osteuropa - der Weltenbummler baut alle möglichen Elemente in seine Kompositionen ein; aus der Schublade des Alpenrockers ist der 55-jährige Österreicher schon lange vor seiner Donauschiffahrt vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee herausgehüpft.

Und nach gut zwei Jahren und über 50 Konzerten verfügt Hubert von Goisern über eine hervorragend eingespielte Besatzung. Die achtköpfige Band musiziert wie aus einem Guss, wobei der Kapitän jedem genügend Freiraum gewährt. Gäste wie heimische Musiker bei den Tourneestationen in Osteuropa oder Konstantin Wecker beim Auftritt in Nürnberg Ende Juli sind in Hilpoltstein zwar nicht an Bord, doch das tut der Stimmung keinen Abbruch. Dass dieses Konzert mit einer Vorlaufzeit von nur knapp vier Wochen organisiert worden war, ist zu keinem Zeitpunkt spürbar.

Verantwortlich dafür sind auch eine beeindruckende Lichtregie mit stimmungsvollen Videoeinspielungen und vor allem ein hervorragend abgemischter Sound. Wird man sonst bei Open-Air-Konzerten oft mit einem hoffnungslos übersteuerten Klangbrei malträtiert, glänzt Goiserns schwimmender Konzertsaal mit einer fein ausbalancierten Akustik. Da wird das Areal an der Lände zur Wellness-Oase, denn über weite Strecken dominieren eher getragene Stücke.

Bevor es angesichts des geballten Wohlklanges gar zu entspannt wird, geben Goisern und Co. aber wieder Gas. Mit Mundharmonika, Steirischer Harmonika und wilden Gitarre-Geigen-Duellen geht es auf zur mit Irish-Folk gemixten Power-Polka; Funk und Gypsy-Jazz, Reggae und dazwischen immer wieder ausgelassene Jodler und Juchzer wehen über Heubergs Höhen, und bei der Zugabe gibt's dann auch das unverwüstliche Hiatamadl, diesmal als Unplugged-Version, und das immer wieder wunderschöne Heast as nit.

Dazwischen präsentiert sich der Goiserer als hintersinniger Plauderer, der von seinen Begegnungen mit den Menschen in Osteuropa erzählt, mit denen uns laut dem musikalischen Brückenbauer "wenigstens" die gegenseitige Angst voreinander verbinde. Die Menschen in den reichen Industrieländern bangen um ihren Wohlstand, und die Armen fürchten sich davor, dass ihnen im Zuge der Osterweiterung der EU auch noch das letzte Hemd weggenommen wird.

Zumindest aber waren die Goisern-Konzerte in Osteuropa gratis und wurden unter anderem durch die Ticketeinnahmen in Deutschland "subventioniert". Und für solch einen schönen Sommerabend gibt dann auch der größte EU-Skeptiker gerne mal einen Euro mehr aus.

Hubert von Goisern: Live in Passau - 31. August 2008

3. September 2008 | Fotos: © Elli Christl

Heimkehr des Schiffes

1. September 2008
The ship returns

Linz, 1. September 2008, 15.00 Uhr. Als das Konzertschiff der Linz Europa Tour 2007-2009 kehrt heim, spielen Hubert von Goisern und seine Band eine letzte Zugabe für Passanten an der Linzer Donaulände.

Kulturbotschaften im schönsten Umfeld

Passauer Neue Presse 1. September 2008 | Text: ck | Foto: Geisler
Hubert von Goisern in Passau

Linz-Werbeträger Hubert von Goisern machte gestern auch viel Reklame für Passau
2000 Fans auf dem Rathausplatz.

Man könnte fast meinen, der Musik-Tausendsassa Hubert von Goisern ist eher ein Passauer Kulturbotschafter als einer der oberösterreichischen Hauptstadt Linz, in deren Auftrag er zwei Sommer lang donauauf- und abwärts tourte, um Werbung zu machen für Linz als Europas Kulturhauptstadt 2009. Über 2000 Frischluft- und Goisern-Fanatiker waren gestern Abend bei schönster Spätsommernachtidylle auf dem Rathausplatz vereint - einige Hundert auch hinter den Zäunen - , um gut drei Stunden lang und bis kurz nach 23 Uhr dem Alpinrocker zu lauschen, der rockige und verträumte Klassiker wie Hiatamadl, Weit, weit weg und Heast as nit ebenso darbot wie zeitgeistige Nummern seiner neuen CD S'Nix.

Bereits zum fünften Mal binnen vier Jahren spielte der 55-jährige Weltmusiker in Passau - vor der imposanten Kulisse des Doms bzw. auf der Schiffsbühne unterm Oberhaus. Dort war sein dreiteiliges Bühnenschiff nach insgesamt über 30 Konzerten und rund 80 000 Zuschauern gestern Mittag letztmals vor Anker gegangen. "Es is, wia's is - lasst's mi trenzen", meinte der charismatische Liedermacher unüberhörbar wehmütig.

"Für Hubert schließt sich hier der Kreis", sagte Veranstalter Till Hofmann. "Hier begann seine Linz-Europa-Tour im vergangenen Jahr. Und hier endet sie auch wieder." Für Hubert von Goisern war es ein besonderes Anliegen, hier, "an dieser traumhaften Spielstätte", erneut anzulegen und somit auch Werbung für die ideenreiche Kulturstadt Passau zu machen. 2007 waren an selber Stätte bei zwei Konzerten bereits über 5000 Fans gekommen.

"... dass dir schwindlig wird"

Salzburger Nachrichten 30. August 2008 | Text: Bernhard Flieher | Foto: SN/Lienbacher

Am Sonntag geht Hubert von Goiserns "Linz Europa Tour" zu Ende.
Mit "Wehmut und Erleichterung", wie der Musiker im Interview mit den SN in Hilpoltstein erzählt.

Hubert von GoisernHilpoltstein, Kreis Roth, Nähe Nürnberg. "Historische Burgstadt am Rothsee", steht auf dem Schild an der Ausfahrt der Autobahn München-Berlin. Mittelfranken. Föhrenwälder. Flaches Land. Der Main-Donau-Kanal zerschneidet dieses Land. Dieser Kanal verbindet - über die europäische Wasserscheide hinweg - Donau und Rhein, Nordwesten mit Südosten, Schwarzes Meer mit Nordsee. Rund 12.000 Kilometer legte Hubert von Goisern mit Band und technischer Crew in den vergangenen zwei Sommern auf dem Wasser zurück. Sechzig Konzerte wurden gespielt auf dem zu Wohndorf und Bühne umgebauten, 77 Meter langen Schiffsverband.

Morgen, Sonntag, findet das letzte Konzert der Linz Europa Tour statt. In Passau endet damit ein Unternehmen, das Hubert von Goisern vor zwei Jahren in den SN seine "bisher größte Herausforderung" nannte - künstlerisch, organisatorisch und finanziell. Die Kosten betragen etwa vier Millionen Euro. Je ein Drittel kommt von "Linz 09" und Red Bull. Der Rest muss selbst aufgebracht werden.

An Bord in Hilpoltstein lässt sich vor dem Konzert am Donnerstagabend eine Mischung aus Wehmut und letztem Tatendrang feststellen. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen und vorsichtige Ausblicke zu wagen.

Wie kommt man drauf, hier in Hilpoltstein gegen Ende einer langen Tour ein Konzert einzuschieben?

Wir hatten mehrere Puffertage eingeplant, einen haben wir genützt um an der berühmten Brücke in Arnheim zu spielen. Bei Hilpoltstein hat auch gut gepasst, dass mein Fanklub hier angesiedelt ist und wir damit eine Lobby vor Ort haben. Das hilft bei den vielen behördlichen Genehmigungen. Wir gingen erst vor drei Wochen damit in die Öffentlichkeit und haben mehr Karten verkauft als bisher für das letzte Konzert der Tour am Sonntag in Passau, dessen Termin schon seit drei Monaten bekannt ist. Wenn's nach uns ginge, würden wir am liebsten eh jeden Tag ein Konzert spielen, überhaupt jetzt, da diese Tour dem Ende zu geht. Aber die Umstände ließen das halt leider nicht zu.

Hier ist das Wasser, auf dem es dahingeht, ein Kanal, ein menschlicher Eingriff in die Natur ohne jeden Charme. Wo waren denn Lieblingsorte an der Strecke zwischen Oberösterreich und Nordsee?

Na ja, so schlimm ist es am Kanal auch wieder nicht. Es ist immer noch schöner, am Bug eines Schiffes zu sitzen und durchs Fränkische zu gleiten und mit den Radfahrern, Spaziergängern und Fischern kurze Gespräche im Vorbeifahren zu führen, als sich auf der Autobahn rasend oder stauend die Sinnfrage zu stellen. Wenn man wie ich, am Bug sitzend die Fahrt geniessen, den Enten, Schwalben und Bachstelzen bei der Futtesuche und beim Spielen zuschauen kann, empfindet man das nicht als Prüfung. Und das mit den Lieblingsorten ist so eine Sache. Auf so einer Tour haben alle Orte den Reiz des Besonderen, weil Einmaligen.

Natürlich haben die jeweiligen Endpunkte einen besonderen Stellenwert: Voriges Jahr das Donaudelta, heuer die Hafenstädte Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Daneben gibt es aber noch die "anderen Enden", Orte bei den sieben Zwergen hinter sieben Bergen, dort wo die Welt auch irgendwie aufhört, wie Obermühl, Hirschhorn, Wanssum oder hier in Hilpoltstein.

Sie haben von den vergangenen zwei Jahren rund ein halbes Jahr auf einem Schiff gelebt und gearbeitet. Ein paar Tage noch, dann geht die Linz Europa Tour zu Ende. Mit welchem Gefühl erleben Sie das?

Mit Wehmut und Erleichterung. Die Freude über die Heimkehr überwiegt jedoch. Es ist ja nicht nur eine geografische Heimkehr. Inklusive Planung stand drei Jahre lang alles im Zeichen des Wassers, wurde alles verflüssigt, war die Wasserlöslichkeit das bestimmende Kriterium.

Natürlich tut es mir Leid, dass unser schwimmendes Dorf, welches den Urgedanken des Projektes so großartig erfüllt hat, nämlich zwei Sommer lang eine Plattform für Begegnungen zu sein, von nun an nicht weiterfahren wird. Aber wer weiß, welche Blüten die Samen tragen werden, die wir in diesen Jahren quer durch Europa verstreut haben?

Worin liegt die grundsätzliche Faszination an so einem Projekt?

Die Art des Reisens - gibt es etwas Edleres als mit einem Schiff unterwegs zu sein? Jedenfalls nicht für mich, der ich das Wasser liebe und das Reisen nicht als notwendiges Übel betrachte.

Ich suche ja dieses nomadische Leben, diese nomadische Grundstimmung. Denn da heraus entwickeln sich Begegnungen. Eine Begegnung kann nur passieren, wenn sich zumindest einer der Beteiligten bewegt. Ich habe mich bewegt, ja man kann sagen, ich habe Österreich bewegt, und damit auch ein Stück Europa, denn de facto war unser Schiff, wo immer es lag oder fuhr, österreichisches Hoheitsgebiet - also Europa.

Es gab ja auch immer wieder schwierige Situationen - verursacht von der Natur, aber auch von Bürokratie. Haben Sie denn angesichts von Problemen auch hin und wieder an das Aufgeben gedacht?

Nein, ich hab vielleicht manchmal am Gelingen gezweifelt, und ja - es gab Enttäuschungen, aber Aufgeben war kein Thema. Das hätte schon mein Verantwortungsbewusstsein gegenüber meinen Partnern "Linz 09" und Red Bull, respektive Linz09-Intendant Martin Heller und Red-Bull-Inhaber Dietrich Mateschitz, und auch gegenüber allen Freunden und Mitarbeitern, die mit Begeisterung und großem Vertrauen an der Umsetzung gearbeitet haben, nicht zugelassen. Ich wäre eher bereit gewesen unterzugehen als über Bord zu springen, nur um meine Haut zu retten.

Im vergangenen Jahr war die Reise zum Schwarzen Meer eine Abenteuerreise in unbekannte Regionen - für Sie persönlich, aber auch für Ihre Musik. Was war dazu heuer der Unterschied?

Es ging heuer einiges leichter, was die Zusammenarbeit anbelangt. Voriges Jahr gab es da mehr Spannung und Unsicherheit auf beiden Seiten - ausgelöst unter anderem durch Sprachbarrieren. Und auch für uns war ja im vergangenen Jahr alles neu. Wir haben auch erst lernen müssen, dem Schiff und uns selbst zu trauen.

Es ging auch darum, künstlerische Kontakte zu knüpfen. Wie fällt da die Bilanz aus?

Gut. Es ist ein großes Netzwerk entstanden - oder besser: Viele Netzwerke wurden miteinander verbunden durch diese Aktion. Ja, ich denke, einen Beitrag zum Chaos gemacht zu haben, einen gelungenen Anschlag auf die bestehende Raumordnung.

Mit der moldawischen Band Zdob și Zdub, die im Vorjahr an Bord war, haben sie eine neue Version des Hiatamadl aufgenommen. Werden auch aus anderen Kontakten konkrete Projekte entstehen?

Wer bin ich, um in die Zukunft zu schauen? Es gibt Ideen, aber ich mag mich zu diesem Zeitpunkt nicht schon mit dem nächsten beschäftigen, sondern erst dieses Abenteuer einmal ausatmen lassen.

Welchen Unterschied gibt es denn im Umgang mit der Musik zwischen Ost und West?

Im Osten ist mir eine schon fast ins Sportliche gehende Virtuosität aufgefallen. Hier im Westen gibt's das zwar auch - etwa im Jazz. Aber im Gegensatz zu hier bläst und fiedelt im Osten fast jeder Dorfmusikant, dass dir schwindlig wird. Im Westen gibt es dafür mehr Sänger, die etwas zu sagen haben, und es ist mehr auf einzelne Personen zentriert, weniger kollektivistisch. Ist jedenfalls mein Eindruck.

Sie waren als Botschafter von "Linz 09" unterwegs. Was brachte die Reise für die Kulturhauptstadt?

Eine Menge Kommunikation über Linz als "Europäische Kulturhauptstadt 2009". Ich war für "Linz 09" ebenso ein Glücksfall, wie "Linz 09" für mich. Wenn man einen Blick auf die Budgetierung wirft, wird das auch klar. Mehr als zwei Drittel der Finanzierung kommen von Red Bull und aus eigenen Ressourcen.

Der Abschluss dieses Drei-Jahres-Projekts wird ein Festival im Rahmen von Linz Kulturhauptstadt 2009 im Juli kommenden Jahres sein. Was kann man dort erleben?

Begegnungen - wir wollen alle Künstler für eine Woche nach Linz holen, um eben das zu fördern: Begegnungen. Das wird kein Festival, auf dem hintereinander mehr oder weniger kompatible Musik abgespielt wird. Es wird ein Konzert, das mehrere Tage dauern wird.

Hubert von Goisern: Live in Kelheim - 29. August 2008

30. August 2008 | Fotos: © Matthew Ulbrich

Ein Überraschungskonzert in Kelheim, wo der Main-Donau-Kanal trifft auf die Donau.
Hubert von Goisern und Band spielen im Vorbeifahren fur die Zuschauer am Ufer ...

Alpenglühen am Kanal

Donau Kurier 29. August 2008 | Text: Jürgen Leykamm | Foto: Tschapka

Alpen-Fusion-Rocker Hubert von Goisern schippert auf einer umfunktionierten Barge seit einem Jahr in Europa umher, um an den Ufern Konzerte zu geben. Nun ging er auch an der Anlegestelle Hilpoltstein vor Anker und begeisterte dort etwa 1600 Zuhörer.

Hubert von Goisern & Band

Es ist die vorletzte Station seiner Linz-Europa-Tour und von Goisern beginnt seinen dortigen Auftritt, wie er einst seine musikalische Karriere begann: mit traditionellen Akkordeonklängen. Dazu eine herrliche Abendsonne und gemütliche Biergarten-Atmosphäre. In die platzt plötzlich eine kreischende E-Gitarre, die nur dank einiger Stahlseile den Konzertkahn nicht zum Wackeln bringt. Dazu gibt es österreichische Mundakrobatik - von Goisern rappt, was das Zeug hält, während seine Musiker wilden Balkan-Beat erklingen lassen.
Als der Sänger seine Version des Wildschütz zum Besten gibt, zeigt er sich in seinem eigentlichen Element: Von Goisern dreht die Jodler durch die Mühlen rockender Rhythmen, mischt gesungene Zungebrecher dazu und all dies mit einer Leichtigkeit, als wäre eine solch teils recht abenteuerliche musikalische Mischung so selbstverständlich wie nur irgendwas. Seine Spiel- und Singfreude wird auch dadurch gesteigert, dass es in Marquardsholz angeblich "den bedeutsamsten und einzigen Fan-Club" des österreichischen Multitalents gibt.

Warum man in Straßburg nicht gespielt hat und stattdessen in Hilpoltstein? "Weil wir hier mehr Freunde haben", ruft von Goisern vom Kahn in die Menge und sucht so die Distanz über das Wasser zu verringern. Zur Verstärkung des Effekts schiebt er ein Lied über eine Beziehung hinterher, die von ihrer Gegensätzlichkeit lebt. Ebenso wie auch die von Goisernsche Musik, die kurz darauf wieder in Tempo und Lautstärke ansteigt.

Zu neuen Ufern

"Ich will leben", röhrt der Alpenrocker ins Mikrofon, bevor er zu seinem stärksten musikalischen Ausdrucksmittel greift: dem Jodler, den der Mann wirklich beherrscht. Ob langgezogen und mit Pathos oder als aus dem Mund holpernde Lautmalerei. Hier steht jemand, der heimatliche Klänge nicht durch den Kakao ziehen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes zu neuen Ufern führen will.

Zum Ufer der Anlegestelle Hilpoltstein etwa, wo sich nun der Abendstern zeigt, der Bühnennebel verzieht und von Goisern stimmungsvoll auf den China-Gong drischt. Dann wirds trotz einpeitschender Trommel-Ryhthmen philosophisch: Im Auge des eigenen Gegners sieht man sich selbst, hört man es aus dem Instrumentenmix herausklingen, bevor alpine Urschreie das Gelände durchziehen. Der Satz "es iss nix woar, was net a glong is" lässt so manchen lange über seinen Sinn nachgrübeln bis er erkennt: "Der Regen kommt, der Regen geht - koaner waas, aber jeda versteht", so singen es zumindest die drei Sängerinnen, die von Goisern mit im Gepäck hat.
Fast unmerklich zieht unterdessen ein Passagierschiff an dem Konzertkahn vorbei, der die knapp 12 000 Kilometer umfassende Tournee bald beendet hat. Nach Hilpoltstein legt die Barge nur noch in Passau und schließlich in Linz an. Eine Reise, auf der von Goisern feststellen musste, dass die Westeuropäer ihren östlichen Nachbarn genauso skeptisch gegenüberstehen wie andersherum.

"Die Angst voreinander verbindet uns", sagt er sarkastisch wie auch trotzig hoffend, bevor er musikalisch in höhere Sphären eintaucht, der Gesang ohne Worte auskommt und die Musik Anklänge beim 70er-Jahre-Artrock sucht. In der Zugabe landet er aber dann doch beim Hiatnmaderl, womit er aber wohl nicht Veranstalterin Ruth Kiefer meint, die sich schließlich bei Thomas Amann von der Stadt, der Feuerwehr und dem Sportverein aus Heuberg für deren Unterstützung bedankt.

Wo Musik die einzige Sprache ist

Fränkische Nachrichten 27. August 2008 | Text & Foto: Timo Lechner

Live vom Schiff: Hubert von Goisern begeisterte in Lohr am Main

Hubert von Goisern und Severin Trogbacher

Hubert von Goisern kennt keine Grenzen. Zumindest hat man bislang von dem österreichischen Musiker noch keinerlei Beschränkungen erlebt. Immer weiter hat der 55-Jährige seine musikalischen Erforschungstouren getrieben, rastlos und voller inbrünstiger Energie, die nie zu verlöschen scheint. Auch das Publikum in Lohr wurde Zeuge des Seelen- und Musikulturtrips dieses Ausnahmekünstlers, der mit seiner aktuellen Tournee wieder mal Grenzenlosgkeit beweisen will: Mit einer schwimmenden Bühne, unterwegs von Linz bis zur Nordsee.

Und auch die Botschaft, die der eigentlich Hubert Achleitner heißende Liedermacher und Weltmusiker aus dem österreichischen Kurort Bad Goisern seinen Fans verbal vermittelt, lässt keine Fragen offen. "Wir Menschen haben alleine durch unsere unterschiedliche Sprache schon so klare Grenzen, wieso also noch weitere schaffen oder aufrecht erhalten?", fragt er in die Menge. Die ist begeistert und lässt sich drei Stunden lang voll in den Bann des Alpenrockers und seiner achtköpfigen Begleitband ziehen.

Grenzen. Lächerlich, dass es diesen Begriff überhaupt gibt, scheint sich Hubert von Goisern zu denken. Bluestonleitern auf einer türkischen Gadulka? Kein Problem. Steirische Zwiefacher-Rhythmen während eines strammen Rocksongs? Eine der leichtesten Übungen. Die atemberaubende Achterbahnfahrt durch scheinbar sich gegenseitig ausschließende Stilistiken gelingt der Band hervorragend, ohne auch nur einmal aufgesetzt zu klingen. Dabei hilft der glasklare Sound, der das Hafengelände in Lohr erfüllt. Dazu ist aber eine atmosphärische Dichte unerlässlich, die die Musik des Österreichers ausstrahlt, der sich ohne jeglichen Personenkult in seine deutlich jüngere Begleitmannschaft einfügt.

Hubert von Goisern ist das, was man einen echten Bandleader nennt, wie es, um mal ganz hoch anzusetzen, einst Miles Davis war oder, um auf dem Boden der Tatsachen und im Hier und Jetzt zu bleiben, im deutschsprachigen Raum vielleicht Hans-Jürgen Buchner von Haindling ist: Ein Musiker, der mit einer exzellenten Band unterwegs ist und seinen Mitmusikern ausreichend Raum zum Entfalten gibt, selbst den Laden aber zusammenhält, ohne den Bühnendiktator spielen zu wollen.

So wird die Fahrt durch das mittlerweile schon über 20 Jahre dauernde auf Tonträger gepresste Schaffen des Weltmusikers zu einer echten Leistungsschau: Pluckernde Bassläufe von Tieftöner Helmut Schartlmüller, knallige Leadsounds von Gitarrist Severin Trogbacher und fiese Synthiekaskaden und abwechslungsweise schön analog klingende Fender Rhodes-Töne von Keyboarder David Lackner. Dazu gesellen sich die drei äußerst ansprechend anzuschauenden Backgroundsängerinnen Maria Moling, Elisabeth Schuen und Marlene Schuen, die neben Optik und Stimme sogar jeweils noch ein weiteres Instrument zu bieten haben. Mit diesem Arsenal an Top-Musikern, einer modernen LED-Bühne und filigraner Tontechnik lässt es sich aufspielen.

Das hat auch die österreichische Kulturhauptstadt Linz gemerkt, für die Hubert von Goisern drei Jahre lang auf Fluss-Tournee geht. Von hier startete er auf der Donau mit einer zur schwimmenden Konzertbühne umgebauten Barge gen Osten und erkundet zahlreiche Städte auf seiner Reise bis zum Schwarzmeerdelta.

Immer nimmt er musikalische Vertreter der jeweiligen Regionen an Bord. 2009 wird im Sommer das finale Fest der Expedition in Linz stattfinden. Ein Wahnsinns-Projekt für einen Musik-Wahnsinnigen.

Dieses Bild zeichnet der 55-Jährige während seines Auftritts, mit tief in Falten gelegter Stirn und jodelnd-jauchzender Stimmakrobatik nicht nur vordergründig von sich selbst, wenn er beispielsweise den langsamen Blues Fön mit Trompete und Stimme aus sich heraus presst, an der Ziehharmonika den Derwisch spielt oder die "Pflichterfüllung" in Gestalt des eigentlich untypischen, aber prägenden Hits Hiatamadl anstimmt.

Er strahlt es so authentisch aus, wie man sich einen steirischen Gebirgsbach am Morgen vorstellt. So werden die ländlichen Wurzeln des Dialektsprechers und Heimatverfechters eins mit der Vielfalt an Klängen und Kombinationsmöglichkeiten, die plötzlich so selbstverständlich scheinen.

Jetzt merkt auch der letzte Zuhörer nicht im Kopf, sondern schon vom Bauch aus, das hier eine grenzenlose Sprache gesprochen wird. Das ist Musik und Emotion pur. Ohne Poser-Gehabe, ohne ablenkende Gigantomanie, ohne coole Sprüche, ohne Filter, einfach ohne Grenzen. Schön, dass es so etwas heute noch gibt.

Hauptsache, du spürst es

Main Post 24. August 2008 | Text: Mathias Wiedemann

Plädoyer für die Lust am Leben und an der Musik: Hubert von Goisern an der Mainlände

Hubert von Goisern & Band

"I bi ån" bedeutet so viel wie "mir geht's gut". Vor allem aber heißt eines der mitreißendsten Stücke Hubert von Goiserns so, das auch Freitag beim Open Air am Main seine Wirkung nicht verfehlt.

Bis eine knappe Stunde vor Konzertbeginn tröpfelt es noch, weswegen das Publikum gut eingepackt - nicht wenige mit Kissen, Decken und Klappstühlen - an der Mainlände erscheint. Doch dann klart es auf, und zum Schluss wird es sogar richtig heiß - musikalisch gesehen.

7000 Kilometer sind Hubert von Goisern und seine Band 2007 auf dem Schubverband "Brandner IV" auf der Donau bis ans Schwarze Meer gefahren, haben unterwegs in Südosteuropa Gratis-Konzerte gegeben, oft gemeinsam mit Gastmusikern, die zustiegen und ein Stückchen mitfuhren.

Die Balkan-Einflüsse sind denn auch im aktuellen Programm deutlich zu hören, nicht nur in den Parts von Darinka Tsekova aus Sofia, die auf der traditionellen Gadulka, einem kürbisgroßen Streichinstrument, ziemlich markante Klänge beisteuert.

Und doch hört man gegenüber den älteren Stücken keinen Bruch: Schon immer hat Hubert von Goisern verschiedenste Klänge und Muster in seiner Musik verarbeitet. Dass dadurch immer wieder Stücke entstehen, die ebenso ungehört wie zugänglich sind, beweist, dass das Klischee von der Musik als universeller Sprache keines ist.

Wie er es macht, ist schwer zu sagen, aber Hubert von Goisern besitzt die Gabe, einfache Botschaften mit großer Tiefe zu vermitteln. So hat er auf seinen Erkundungen in Bulgarien und Rumänien festgestellt, dass die Menschen dort ebenso viel Angst vor der EU haben wie die Mitteleuropäer vor ihren südöstlichen Nachbarn. "Da haben wir ja schon den kleinsten gemeinsamen Nenner", sagt er, "die Furcht voreinander."

Doch Hubert von Goisern ist kein notorischer Völkerverständiger. Er plädiert für die Lust am Leben und an der Musik: Du brauchst es nicht zu verstehen, Hauptsache, du spürst es. Was bedeutet da Sprache: "Ich versteh' auch kein Fränkisch, wenn's so durcheinander geredet wird", ruft er den Fans vor der Bühne zu, die offenbar dauernd alte Nummern hören wollen. Und die kriegen sie dann auch. Kaum ein Hit fehlt, ob Hiatamadl, Weit weit weg, Juchitzer, Poika oder eben I bi ån.

Das Publikum dankt es mit freudigem Wiedererkennen und eifrigem Mitsingen. Da ist selbst der Goiserer beeindruckt, wie fehlerfrei der nicht ganz unkomplizierte Text beim Hiatamadl kommt. Und zum Schluss, nach drei Stunden nahezu pausenlosem Programm, gibt es wohl niemand, der nicht sagen würde, "i bi ån".