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TRAD II TOUR 2004

Trad-Abschiedstour

10. Dezember 2004 | Fotos: © Elli Christl

Ganz obn spuit se ois ab

Donau Kurier 2004 | Text: Norbert Schmidl | Foto: Herbert

"HvG" im Festsaal

HvGIngolstadt (DK) Nur wer am Gipfel steht, hat den Überblick, den Ausblick, das Panorama. Aber wie anstrengend es ist, dorthin zu kommen, lässt schon bei noch abgedunkelter Bühne die schwer keuchende Ziach erahnen. Dass es dem Publikum im ausverkauften Festsaal des Theaters Ingolstadt dennoch vergönnt ist, am Gipfel dabei zu sein, ist zum einen der großen Leinwand mit dem gegen Schluss des Konzerts darauf projizierten Panorama zu verdanken, zum anderen und vor allem Hubert von Goisern, der die Zuhörer mit auf seinen musikalischen Gipfelsturm nimmt. Und weil man sich am Berg "ois vorstelln ka", ist aus der "Schnapsidee", ein reines Volksmusikprogramm zu spielen, "znagst" eine Tournee geworden.

"Znagst" (für Preußen: unlängst) ist nur für ein Beispiel für Textpassagen, die viele vielleicht nicht verstehen, was aber nichts ausmacht. Denn nach HvGs Meinung könnten alle alles verstehen, und es mache oft trotzdem keinen Sinn. Da kommt die "verschlüsselte Botschaft" vom Griesknödel, der den Leberknödel nicht mag, und so weiter. Das sind nicht die einzigen Geheimnisse der Volksmusik, aber Hubert von Goisern löst in seiner Lehrstunde einige Rätsel auf. Wohlgemerkt: einige. Denn "in normalem Bewusstseinszustand kommt man auf viele solcher Texte gar nicht".

Da ist auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung des Volkmusikers dabei. Erst lange Auslandsaufenthalte hätten ihn dazu gebracht, die Volksmusik zu spielen, mit der er aufgewachsen ist. Denn in fernen Ländern habe er erkannt, dass man "auch im Senegal da auf die Trommel haut, wo man es auch woanders tun muss, wenn der selbe Ton rauskommen soll". Und noch eine wichtige Erkenntnis hat dazu geführt, dass das Ingolstädter Publikum ein musikalisches Highlight mit einer mit Standing Ovations umjubelten Band erleben durfte: "Es warn net die Lieder, die ich nit singen wollt. Ich wollt nur net so werdn wie die, die die Lieder gesungen haben."

Das ist Hubert von Goisern bis heute gelungen. Dennoch hat das Traditionelle - "Trad" - bei ihm höchsten Stellenwert. Aber erst mit der ausgezeichneten Band im Rücken kommen die Neuarrangements so richtig zur Geltung. Da wird ein Akustik-Gitarrenduo von Kuhglocken verstärkt, da schrammelt eine blecherne Country-Gitarre neben unzähligem Schlagwerk aus aller Welt, inklusive einfacher Holzkisten und einer ins Drum-Set integrierten Milchkanne. HvG zelebriert die Vereinigung von Ziach, Dudelsack und Bottleneck. Fernöstliche Klänge werden abgelöst von einem herzzerreißenden Jodler, dem ein markerschütternder Schrei folgt. Hubert von Goisern (Ziach, Mundharmonika, "Gebläse", Gesang) ist mit seiner Band - Monika Drasch (Geige, Gesang), Arnulf Lindner (Bass), Bernd Bechtloff (allerlei Schlagwerk) und Max Lässer ("fast alle Gitarren und sonstigen Saiteninstrumente") - im Bereich Volksmusik ganz oben angekommen. Den Platz am Gipfel macht ihm derzeit so leicht keiner streitig. Und er wird ihn wohl auf längere Sicht verteidigen. Denn er weiß: "Ganz obn spuit se ois ab. Da gibt's nämlich nix. Und wo gibt's des no?"

Apropos: Wann gab es das zum letzten Mal, dass das Ingolstädter Publikum gejodelt (oder es zumindest versucht) hat? Ein kollektives Hollareiduljö schwang da durch den Festsaal, dass selbst HvG zugeben musste, er habe gedacht, Ingolstadt liege nördlich von München. Aber das hier klinge ja wie Rosenheim oder so.

Finale furioso in Gersthofen

Augsburger Allgemeine 7. Dezember 2004 Text: Martin Deibl | Foto: AZ-Archiv

Zum Abschluss der "Trad Tour 2004" begeistert Hubert von Goisern in der Stadthalle

Hubert von Goisern und Arnulf LindnerAusverkauft. Kein Wunder, Hubert von Goisern hat schon größere Hallen gefüllt als die in Gersthofen. Zudem ist es sein letztes Konzert in Deutschland auf seiner diesjährigen Trad Tour 2004. Tags drauf stand nur noch Basel in der Schweiz auf dem Programm.

"Griaß eich." Hubert von Goisern, seit dem 17. November 52 Jahre alt, begrüßt seine Fans. Die sind, wie er auch, in die Jahre gekommen. Vielleicht liegt es daran, vielleicht aber auch am so genannten Stadthallen-Publikum, dass es auch für einen Edel-Vollblut-Volksmusiker wie ihn ein schwieriges Geschäft ist, die Zuhörer aus der Reserve zu locken. "Ihr seid Spitze" schreit eine Frau.

Dabei ist der Schwarm (fast?) aller Frauen wieder in die Welt der Berge zurückgekehrt, in seine Heimat, nach Bad Goisern, wo er als Hubert Achleitner geboren wurde und als Fünfjähriger schon Trompete gespielt hat. Dieses Musikinstrument ist eines von vielen, das er so glänzend beherrscht wie die Klaviatur der alpinen Sprache. Hubert von Goisern hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Dies gilt auch für die Musiker, die ihn begleiten. Im Laufe der Jahre ist die Band immer wieder durchgewechselt worden. Inzwischen ist Monika Drasch dabei. Sie hat früher beim Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn gesungen und gespielt. Kennzeichen: Rot gefärbte Haare, grüngestrichene Geige. Vervollständigt wird die Band von Bernd Bechtloff, Max Lässer und Arnulf Lindner.

Kuhglocken läuten, die Bassgitarre schrammelt, der Text ist auch für Altbaiern so schwer verständlich wie das Echo am Hallstätter See. Gut, dass man die meisten Stücke kennt. Aber der Zuhörer braucht ja nicht mitsingen; mitjodeln reicht zuweilen.

"Jetzt schau mehr moi, ob ihr Spitze seid." Na ja, das mit dem Jodeln war nicht so spitzenmäßig, aber die Erklärung (Entschuldigung?) hat der Künstler seinen Zuhörern ja selbst geliefert, denn sie lebten "an der Reibungsfläche zwischen Bairisch und Schwaben". Wer kann hier schon jodeln?

Hubert von Goisern verwebt immer wieder Elemente aus seinen ersten Stücken, mit denen er den Gipfel (nicht nur des Watzmanns) gestürmt hat. "Musik ist eine Droge, Volksmusik sowieso", bekennt er und schnallt sich wieder die Ziehharmonika um. Er philosophiert und lästert über bairische Gamsbärte, gibt den immer noch tagesaktuellen Haider (Iawaramoi) und als Zugabe sein Koa Hiatamadl, das er ab 1992 mit Sabine Kapfinger gesungen hat, bevor diese als "Zabine" eine Solokarriere gestartet hat. Hubert von Goisern singt es jetzt im Duett mit Monika Drasch und die klemmt sich dazu auch noch den Dudelsack unter dem Arm.

"Aus is": Das gilt für die Tournee wie für das Konzert. Es ist inzwischen fast halb zwölf geworden. "Wia die Zeit vergeht." Hubert von Goisern hat dieses wunderschöne Lied geschrieben und Joseph Vilsmaier seinen Film über das Konzert 1994 im Circus Krone in München so genannt. Es war das einzige Stück, das wir an diesem wunderschönen Abend echt vermisst haben.

Hubert von Goisern in Mannheim

www.mannheimeins.de 28. November 2004 | Text: Carmen Reiss

"Volkslieder sind das musikalische ABC" und erzählen vom wahren Leben. Vom Kampf des Schütz gegen den Jager (Wilderer und Jäger), vom Schmalz und der Balz. Anarchie-gegen-Gesetz-Geschichten und Sex-und-Liebe-Lieder. Hip Hop und Black Music sagen Grüß Gott, wenn die Alpen glühen.

Hubert von Goisern hat die alpenländischen Traditionals seiner Heimat hergenommen und mit neuem Leben erfüllt. Eine Hommage an seine Heimat, an die Bergwelt und die Sennerinnen. Damit erntet er überall in der Welt staunende Anerkennung. Auch in Mannheim war der Musensaal im Rosengarten beinah vollständig ausverkauft. Das Publikum - an das sich nicht nur Hubert noch von seiner Watzmann-Tour 1991 liebevoll erinnert - war trotz Sitzplätzen und teilweise wahrhaft vorgeschrittenen Alters von Anfang an mit ihm.

Ja, Mannheim ist ihm im Gedächtnis geblieben. Damals sang und jodelte er im Mozartsaal und als die Stelle mit dem Löffel kam, erwies sich das Publikum als so gut vorbereitet, wie sonst nur bei der Rocky Horror Show. Seit damals sind nun Freunde, Bekannte und Kollegen aus Huberts Dunstkreis allüberall in Österreich im besitz von Mannheimer Löffeln!
Liebhaber volkstümelnden Schunkel-Schlagers verlassen bei Hubert von Goisern Trad erbost den Saal. Liebhaber intelligent gemachter Musik für Herz und Sinne erleben einen unvergesslichen Abend. Hubert, der auf CD kraftstrotzend klingt, ist auf der Bühne ein eher filigraner Selbstdarsteller. Und ein herausragender Akkordeonspieler und begnadeter Jodler.

Wenn Abend spat mit seinen verwehten Sounds erklingt, dann fragt man sich, ob man je zuvor ein schöneres Liebeslied gehört hat. Und wer einem endlich mal dieses hier singt!

Außerdem gibt's noch eine Menge merkwürdiger Instrumente von Buschtrommeln über so 'ne art hohler Metallsteine bis hin zu Mandoline, Steelguitar, Tin Whistle und Dudelsack.

All das so wie auf CD und doch ganz anders und doch sogar noch besser, noch spärischer, noch kraftvoller oder melodiöser. Mit Matterhorn von hinten auf Großleinwand...

Weltmusik, die klarmacht, dass Österreich ein Teil der Welt ist und Jodeln die Sangeskunst des einheimischen Naturvolks.

Und nicht nur das. Nach einem Kurzkurs jodelt auch das Publikum und es wird klar: Jodeln ist Text, Jodeln ist Magie. Und Jodeln ist in Wahrheit der wahre Weg zur wahren Erleuchtung! Kult!

Der bairisch-diatonische Jodelwahnsinn

Rhein-Zeitung 2. Dezember 2004 | Text: Lenard Hanson

Ein ganz normales Konzert: Der Österreicher Hubert von Goisern machte mit seiner Band für eine 3sat-Sendung Station in der Mainzer Phönixhalle

Kuhglocken, Geigen und ein Akkordeon auf einer Bühne? Jodeln zu krachenden E-Gitarren-Akkorden? Für Hubert von Goisern kein Problem. Der Österreicher war zu Gast in der Phönixhalle.

Mainz. Das Stöhnen stammt nicht aus der Kehle eines verendenden Rentieres. Es kommt aus dem Akkordeon. Und dann wird gejodelt. Nein, wir befinden uns wirklich nicht bei einem Großen Preis der volkstümlichen Musik. Auch wenn die gemeinsamen Wurzeln offensichtlich sind. Als Silhouette ist der Held des Abends schon vor seinem Auftritt zu sehen, dann empfängt stürmischer Applaus den leibhaftigen Hubert von Goisern in der Phönixhalle.

Mit seiner vierköpfigen Band befindet sich der Mann, dem das Stigma des "Alpenrockers" wohl für immer anhaftet, zurzeit auf seiner Trad Tour und machte nun für eine 3sat-Aufzeichnung Station in Mainz. Ganz offensichtlich wissen nicht alle Besucher, was genau sie da erwartet. Doch der "Goiserer" bangt ganz umsonst. "Machts a ganz a normails Konzert, bitscheen," fleht er sein Publikum angesichts laufender Kameras an. Liebend gern - doch was ist ein ganz normales Konzert, bei dem man die Anzahl der Instrumente nicht mehr zählen kann? Bei dem E-Gitarren-Getöse, Kuhglocken, Geigen und Kontrabässe eine merkwürdig stimmige Kooperation eingehen? Bei dem gejodelt, getanzt und gerockt wird, als gäbe es kein Morgen?

Da stampfen die fünf Vollblutmusiker in krachenden Dreier-Takten über die Bühne, sind dabei unaufhaltsam und gnadenlos. Hubert von Goisern entlockt dem Akkordeon Töne, die man nie erwartet hätte. Es plärrt und hupt, kreischt und lacht, kichert und tobt. Bernd Bechtloff trommelt dazu fordernd den Takt, treibt seine Kollegen munter vor sich her, bereitet ihnen einen Flächensound aus Kuhglocken und anderen alpinen Alltagsgeräusch. Anfangs noch geradezu schüchtern an der Zither supfend, entpuppt sich Max Lässer als aufmüpfiger Derwisch an den sonstigen Saiten-Instrumenten. Von Laute bis E-Gitarre zerlegt er alles, was mindestens vier Saiten hat. Die Duelle, die er sich mit seinem Frontmann liefert, dürften endlos dauern, die balladesken Einwürfe aber auch.

Arnulf Lindner gibt vor allem am Kontrabass souverän den Takt an. Und dann Monika Drasch. Die Frau vom "Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn" mit der grünen Geige bekam bereits mehrfach die Kunst des "erotischen Jodelns" zugeschrieben. Und tatsächlich: Es kommt zum Balztanz mit von Goisern, der zwischendrin auch mal erklärt, dass jeder Jodler einen Text besitzt. Jodeldiplom? Haben beide mit Auszeichnung bestanden.

Monika Drasch ist als wahres Multitalent auch mit Dudelsack und Klarinette gut anzuhören und verliert zum Glück oft genug den Kampf gegen das Stillstehen und hupft wie gestochen zum Takt. Worum geht es eigentlich? Wer kann, hat sich einen österreichischen Übersetzer mit ins Konzert genommen, doch auch das führt nicht immer zum Erkenntnisgewinn. Dann die Auflösung: Hubert von Goisern selbst verrät, dass es oft gar nicht auf den Sinn der Texte ankommt. Puh! Schön, dass er ihn manchmal doch versucht zu erläutern, doch spätestens der Krieg zwischen Leber- und Griesknödel lässt sich einfach nicht verstehen.

Dafür spricht die Musik für sich. Ausgesprochen durchdachte Arrangements liefern so unendlich viel mehr als einfach nur Brauchtumspflege. Hier wird Musik weiter entwickelt. "Böse Volksmusik" wollte der Weltenbummler ja eigentlich machen, doch das ist ihm nicht gelungen. Mit seiner Musik tut er einem verpönten Genre wohl den besten Dienst. Fernab von tümelnder Seligkeit doch eben auch nicht mit der Brechstange, liebäugelt er mit traditionsreichen musikalischen Ausdrucksformen, so dass jeder sehen kann: der Hubert von Goisern, geborener Achleitner, ja, der hat seine Patriotismusdebatte schon längst geführt.

Singen ist Gold...

Erlanger Nachrichten 4. Dezember 2004 | Text: Stefan Mössler-Rademacher | Foto: Harald Hofmann

Hubert von Goisern spielte in der Stadthalle

Monika Drasch und Hubert von GoisernWer dieses Panorama, das auf den Bühnenhintergrund projiziert wird, sieht, kann verstehen, weshalb Hubert von Goisern in sich ruht. Denn immer, wenn der Stress naht, dann schaut er diese Bildchen an, trinkt ein Bier und raucht ein wenig "Shit". Das jedenfalls behauptet er bei seinem Konzert in der nahezu ausverkauften Heinrich-Lades-Halle - und niemand ist sich so ganz sicher, ob man ihm nur das Vertrauen auf die entspannende Kraft eines Blicks aus dem Berghotel, in dem die aktuelle CD TRAD II eingespielt wurde, abnehmen soll...

Der gute Hubert redet viel an diesem langen Abend. Manchmal zu viel. Da erklärt er etwa, warum es notwendig ist, schon zu Beginn des Konzerts den Schleim aus den Nebenhöhlen zu rotzen. Immerhin sollen ja einige Mundharmonika-Einlagen folgen. Ach ja. Dass Jodeln gesund ist, erfahren wir auch. Also dann: Wenn uns der Grippe-Virus anspringt - Hollarduliööööööö...

Irgendwann erzählt er dann sogar die Geschichte vom im Gebirge verschollenen, verletzten amerikanischen Touristen, der nicht entdeckt wird, obwohl ein Hubschrauber samt Hexe für den Filmdreh zu Bibi Blocksberg zwanzig Mal haarscharf über seinen Kopf segelt. Ja, ja: Reden ist Silber, singen ist Gold ... Gut, es gibt auch andere Momente im Smalltalk. Etwa, wenn Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern bei einem Lied eingestehen muss, dass er nach der Plattenaufnahme erfahren musste, dass dies das Lieblingslied von Adolf Hitler gewesen sein soll. Dann berichtet er über den Unsinn, den Traditionalisten oft absondern, wenn sie nicht wunderschöne Lieder singen. Egal wo, ob in Österreich, Deutschland oder in anderen Ländern dieser Welt.

Weltmusik-Variationen

Doch genau gegen dieses scheinbare Naturgesetz muckt mit Multi-Kulti-Geist Achleitner auf. Um die Volksmusik Österreichs webt er die unterschiedlichsten Stile. Da schwirren dann Klänge aus Tibet, Afrika, den Clubs in Liverpool oder aus dem Mississippi-Delta durch die Luft. Heraus kommt dabei eine Mischung, die irgendwann mal als Alpenrock bezeichnet wurde, aber eigentlich eher eine spannende Weltmusik-Spielerei darstellt.

Dafür kann sich Achleitner blind auf eine hervorragend eingespielte Band verlassen. Max Lässer ersetzt dann mit der Mandoline oder der Slide-Guitar manchmal gar die Zither-Stimme, und die fulminante Geigerin Monika Drasch (in der Vergangenheit bekannt durch den Baierisch Diatonischen Jodelwahnsinn) greift ab und zu zum Dudelsack. Und wenn dann der Roadie, der ansonsten brav die Gitarren stimmt und auf die Bühne reicht, wie ein tollwutkranker Holzmichl zwischen den Musikern herumtanzt, denkt keiner an den Musikantenstadl. Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern weiß eben ganz genau, wie er echte und falsche Wahrer der Volksmusik so richtig ärgern kann. Und das ist gut so!

Von Skispringern, Ohrenbläsern, "Shit" und "Chick"

Erlanger Nachrichten 11. Dezember 2004 | Text: Stefan Mössler-Rademacher

[...] Eine heraufziehende Mittelohrentzündung ist oft nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für ganz Unschuldige eine Bedrohung. Vor allem dann, wenn's ums Hinhören geht. Da glaubte der Verfasser dieser Zeilen beim Konzert in der Stadthalle endlich den wahren Gründen für die Ausgeglichenheit des Hubert von Goisern auf die Spur gekommen zu sein - selbst, wenn er annahm, dass der alpine Weltmusiker bei einer seiner Ansagen eher ironisch mit dem Gebrauch von gebrandmarkten Rauschmitteln kokettierte. Aber nein, der gute Hubert blickt natürlich nicht mit einem "Shit" zum Rauchen ins Alpenpanorama, sondern freut sich auf einen "Chick". Sein Management teilte prompt amüsiert mit, dass es sich dabei "im österreichischen Umgangs-Jargon" um "nichts anderes als eine völlig normale, nicht psychoaktive Filterzigarette" handele. Auch aufmerksame EN-Leser wiesen auf die temporäre Unzurechnungsfähigkeit des Kritikers hin und empfahlen - wohl nicht zu Unrecht - einen Sprachurlaub im Salzkammergut. Also denn: Asche aufs Haupt. Auf der Alm, da gibt's koa Sünd. Und koan "Shit".

Alpenländischer Abschiedsschmerz

Nürnberger Zeitung 4. Dezember 2004 | Text: Clemens Helldörfer

Hubert von Goisern in Erlangen

Hubert von Goisern ist ein Gemütsmensch. Bei einem langsamen, gefühlvollen Musikstück scheint er förmlich in sein Instrument hineinzukriechen und sieht völlig entrückt aus, bei fetzigen Melodien fegt er wie ein Irrwisch über die Bühne. Dabei hat man aber nie den Eindruck, dass er der Show zuliebe ein wenig posiert, sondern sieht immer einen Menschen, der ganz in seiner Musik aufgeht.

Es ist klar, das ein anstehender Abschied von seiner bestens eingespielten Musikanten-Truppe, mit der er sich sogar schon zur CD-Produktion in die Einsamkeit der österreichischen Bergwelt zurückgezogen hat, schwer fällt.

"Viele kleine Tode" seien das, erklärte der "Goiserer" bei seinem Auftritt am Donnerstag in Erlangen: Übermorgen spiele er mit der Band noch in Basel, dann sei es aus und vorbei mit seiner Trad 2-Tour. Wie man hört, soll wieder eine längere Bühnen-Abstinenz folgen, wie schon nach dem Ende der Alpinkatzen.

Dies geht Hubert von Goisern sichtlich nahe: Noch länger als sonst üblich kommt er zwischen den einzelnen Liedern ins Grübeln und philosophiert nach dem Motto "Heut' is scho eh' wurscht" über Sinnfragen und Traditionen. Und weil er halt ein Gemütsmensch ist, verabschiedet er sich auf der Bühne nicht nur von seinen samt und sonders exzellenten Musikerkollegen, sondern auch von seinem fränkischen Busfahrer, was diesen schier zu Tränen rührt.

Ansonsten wird natürlich Musik gemacht, die traditionelle Wurzeln hat und trotzdem 100 Prozent Hubert von Goisern-typisch ist. Jodler und Steelgitarre, Mandoline und Schlagzeuggewitter: In diesem Kosmos ist alles möglich. Und man versteht den Abschiedsschmerz der Band, gerade wenn man die Lieder auch auf CD besitzt: Es ist einfach ein himmelweiter Unterschied zur Live-Performance, man muss diese Musiker einfach an ihrer unglaublichen Vielzahl von Instrumenten inklusive Dudelsack, Klangbecken und Maultrommel agieren sehen, um in diesen aberwitzigen Mix aus alpenländischer Tradition und weltweiten Musikströmungen eintauchen zu können.

Hubert von Goisern: Live in Luzern - 25. November 2004

2. Dezember 2004 | Fotos: © Dragan Tasic www.nga.ch

Krieg der Knödel

Allgemeine Zeitung 2. Dezember 2004 | Text: Michael Jacobs | Foto: hbz / Kristina Schäfer

Hubert von Goisern in der Phönix-Halle

Hubert von Goisern"Verstehts des oalles? I net". Einerseits will man Hubert von Goisern gerne Recht geben, denn einer, der im Liede nächtens Eiszapfen brennt scheint nicht ganz geheuer. Ähnliches ließe sich vom Krieg der Knödelrassen behaupten, den die Kapelle als deftige Polka auftischt. Andererseits irren aber auch die von Goiserschen Erläuterungen etwas orientierungslos im teutonischen Mittelohr umher. Man hätte eben doch vorher den Kurs "Oberöstereichisch für Anfänger" besuchen sollen.

Unmissverständlich ist aber die Musik, die der weltgereiste Alpenländer dem begeisterten Publikum anlässlich des 20-jährigen 3sat-Geburtstages in der Mainzer Phönix-Halle aus den keuchenden Ritzen des Akkordeon-Balgs zaubert. Es sind die Lieder seiner Heimat, knorrig-ausgelassene Folksongs von archaischer Wucht, über Generationen tradiert, in ihrem Wesen unschuldig, aber immer auch von reaktionärem Gedankengut in Beugehaft genommen.

In seinen Anfängen hat von Goisern diese bornierte Rückwärts-Welt aus Eichenlaub und Hirschhorn-Knöpfen mit seinen Alpinkatzen böse verpunkt. Jetzt gibt er den Ländlern, Polkas, Jodlern ihre reine Würde zurück. Und gejodelt wird nicht wenig zwischen Rockgitarren-Riffs, Akustikbass, Violinenspiel und krachendem Schlagwerk seiner vierköpfigen Band.

Die hohe Holladihö-Kunst hat von Goisern einst an stark befahrenen Autobahnbrücken perfektioniert. So können sich die alpin hochgeschraubten Silben-Wendeltreppen beim Kohler zu perlenden Almdudlern auswachsen. Bodenständige Balladen, wie D'Schwoagrin brettern mit Westcoast-Drive über die Bühne, dann ein Tänzchen zur Mundharmonika, hinauf zu De Gamserln mit Glocken-Tupfen und Gitarren-Pickings. Ironische Brechungen besorgen nicht nur Song-Titel wie Hoalt, oder I schieß di zsamen, sondern auch Country-, Reggae und Weltmusik-Zitate, die weit über die Gipfel des Krippensteinmassivs, wo von Goisern einen Teil der österreichischen Traditionals eingespielt hat, hinausführen.

Ganz zart, fast unwirklich hallend, mit Trompeten-Flirren, gespenstigem Flügelschlag und Jodelseufzern dann ein anrührendes Wehmuts-Stück. "Das war dem Hitler sein Lieblingslied", sagt von Goisern, "ehe er auf Märsche umgestiegen ist". Die Volksmusik trägt schwer an ihrer Last, und man braucht schon ein glückliches Händchen, um ihr jenseits vom Musikantenstadl-Unwesen Erleichterung zu verschaffen. Zum Beispiel durch die Knöpfe von von Goiserns Quetschkommode

Zurück auf dem musikalischen Pirschgang

Schwäbische Post 30. November 2004 | Text: Markus Lehmann | Foto: Gaida

Vor zehn Jahren war der Hubert schon mal in der Greuthalle. Viel ist seither passiert und den Herrn von Goisern gibt es jetzt auch als Briefmarke. Nach Aalen war nicht der Weltmusiker, sondern der "alte" Steirer auf seiner "Trad II"-Tour zurückgekehrt.

Hubert von Goisern

Kurz nachdem er 1994 in Aalen ein frenetisch bejubeltes Konzert gegeben hatte, löste er die Alpinkatzen auf. Ging nach Nepal und Indien. Und brachte von da massiv musikalische Eindrücke mit. Ach ja, und das Hiatamadl wollte er auch nie wieder geben.

"Zum Hirzkarsee" steht auf dem Schild vor der Bühne. Darauf ein Bergschuh, der eigentlich einen Fußweg ausweist. Aber die robusten Bergtreter sind ja auch so eine Art Wahrzeichen von Goiserns. Deutlicher Hinweis also, dass der 52-Jährige zurück zu den Wurzeln kehrt. Oder wieder eine Kreativpause einlegt nach seiner "Best-Of"-Tournee. Unspektakulär betritt er die Bühne, grüßt mit einem launigen "Griaßt eich". Und "bläst" auf seiner Quetschkommode Töne, wie wenn ein gewaltiger Drache tief durchatmet. Die Ziehharmonika sollte neben der Mundharmonika, etwa beim Song Benni vom Album Aufgeigen statt niederschiassn, das Hauptinstrument sein. Der einstige Revolutionär der Volksmusik referiert über dieselbe oder philosophiert über Sein, Wesen und Flugeigenschaften von Knödeln. Rustikal, recht geistreich und witzig. Das gefällt den etwa 700 Zuhörern.

Das Thema Knödel war natürlich nur eine Überleitung zum Song Goassbeitl-Bauernbuam, in dem sich "a Griasknedel und a Leberknedel gornit vertragn". Dann stellt er seine Akteure des "musikalischen Pirschgangs" vor. Ergebnis der Pirsch sind die leisen Töne und die treibenden Ländler der Alben vor Goiserns musikalischer Weltreise. Aber die sind mit akustischen Effekten und Details angereichert.

Als Zugabe: Doch das Hiatamadl, das er im Sommer auf Schloss Kapfenburg noch strikt verweigert hatte. Allerdings mit Kontrabass- und Dudelsack-Klängen angereichert.

Hubert von Goisern: Live in Germering - 26. November 2004

27. November 2004 | Fotos: © Elli Christl