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TRAD II TOUR 2004

Berg- und Talsicht

Frankfurter Rundschau 9. März 2004 | Text: Hans-Klaus Jungheinrich

Musiker aus dem Alpenland um Hubert von Goisern in Frankfurt

Hubert von Goisern (erstmals) mit vier Musikern im Großen Saal der Alten Oper: Man kann sich diesem Phänomen von zwei ganz verschiedenen Seiten nähern.

Vom Berge her: Volksmusik ist eh schon verhunzt oder ganz kaputt. Wie die Dialekte, steht sie unter generellem Ideologie- und Sozialbenachteilungsverdacht. Wo etwa wären noch das Originalidiom, die Volksmusik der nordhessischen Schwalm? Die Alpenmenschen, knorriger als andere Ethnien, sehen das Verdikt nicht ein und halten zäh an ihrem angestammten musikalischen "Volksvermögen" fest. Hubert von Goisern (kein Adels-, sondern ein Künstlername, auf den Heimatort nahe dem Hallstätter See im Salzkammergut anspielend) ist älplerischer Sturkopf und hellwacher Intellektueller zugleich. Vielleicht nur in dieser Mischung lässt sich - mit Herz und Hirn - das folkloristische Potential triftig erhalten, entdecken, retten und erneuern. Nicht als wissenschaftliches Präparat für gelehrte Sammlungen und Museen. Sondern als lebendige Gegenwartskultur.

Den Kühen zusingen

Wenn ein gebirglerischer Gast- oder Hüttenwirt in aufgekratzter Stimmung die Ziehharmonika umhängt und dazu jodelt; noch mehr, wenn Senn oder Sennerin auf der Alm ihren Kühen und einander zusingen, ist diese Musik ihrem ursprünglichen Kontext nah. Die Informationsgesellschaft erweitert Zusammenhänge und realisiert andere. Als Veranstaltung in großen Sälen sieht auch Alpenmusik anders aus. Statt des bescheidenen Hüttenzaubers gibt es beim Hubert-von-Goisern-Auftritt das raffinierte Lichttheater einer Popshow. Volksmusik als Pop-Attraktion. Warum auch nicht.

Aus dem Tal: Die Bauchrede aus dem Inneren der Popmaschine könnte also davon erzählen, wie sie sich auch des alpinen Volksvermögens bemächtigte und es auf Erfolgskurs bis in die Charts hineinjagte. Dank einer Figur wie Hubert von Goisern, der sich wie ein gelinder Popstar wahrnehmen lässt. Einer besonderen Mimikry bedarf er dafür nicht. Natürlich produziert er Fans, die ihn bewundern und all seine Stücke kennen und mitsummen können. Er singt, er erzählt auf der Bühne Geschichten (in denen die bedeutungsvollen Pausen, die den Hörer zum eigenen Weiterspinnen anregen, am schönsten sind). Er spielt auf mehreren Akkordeons, auf der Gitarre, der Trompete, der Okarina, der Mundharmonika. Auch die Musiker neben dem primus inter pares handhaben mehrere Instrumente; Monika Drasch neben ihrer giftgrünen Geige vor allem den Dudelsack, Bernd Bechtloff verschiedene Schlag- und Geräuschinstrumente, Arnulf Lindner neben Kontra- auch E-Bass.

Grießknödel oder Leberknödel

Die Arrangements sind oft so feinfühlig, dass kaum rabiate Folklore-Verfremdungen merklich werden; zu aggressiven Gstanzln passt eben ein jazzoides Trommelgewitter, als könne es gar nicht anders sein. Und der E-Bass kommentiert die dadaistische Bauernpoesie vom Streit zwischen Grießknödel und Leberknödel wunderbar keifend. Erst gegen Schluss des langen Abends schweift die Musik weiter aus und nähert sich im letzten, fast meditativen Stück der nordindisch-himalayesken Hochgebirgssphäre, die der Weltwanderer Hubert von Goisern sich auch erschloss, ohne dabei seine oberösterreichische Bodenhaftung zu verlieren. Die äußert sich (beim Titel Ausseer Schottisch) auch mit leise selbstironischem Lokal-Ressentiment gegen die nahen Steirer. Ohne Schmäh und Hetz kein richtiger Genuss. (Ein paar politische Aktualitäten halten ihren demonstrativen Effekt zurück durch das Beinahe-Verschwinden der Dialektsprache in der Musik.)

Jenseits von Folklore an sich und Pop für sich offenbart sich das Besondere eines Goisern-Auftritts mithin in einer Erfülltheit und Vielfarbigkeit des Vortrags, die die Lieder frisch erscheinen lassen, indem sie sie mit neuer Klangfantasie beflügeln. Dabei werden sie nicht auf modische Art drapiert, ausstaffiert, aufgeblasen - die "Zutaten" dienen eher dazu, ihre Essenz, Wahrheit, Würde (aber auch ihre subversiven Energien) zu Tage treten zu lassen. So scheint die hochgradige Professionalität und Perfektion dieser Performance (die sich aber auch mal im ellenlangen Bericht über gelungene Produktionszeiten im Krippenstein-Berghotel unterhalb des Hohen Dachsteins verliert) kein bloß routinehaftes Pop-Accessoire, vielmehr Bestandteil jener luziden Intensität, jener alpenhohen density, die Merkmal lebendiger Kunst sind.

Vom steirischen Landler zur bluesigen Percussion

Wiesbadener Kurier 9. März 2004 | Text: Peter Müller

Alpenrockstar mit grenzenloser Kehlkopfakrobatik

"Jahutrolieeriöhhdiliööhdiähh", der Achleitner Hubert auf Trad 2-Mission - in Sachen Kehlkopfakrobatik und Jodel-Diplom für Fortgeschrittene. Bedeutet: Jede Menge steirische Landler, die Grooves oder bluesige Percussion kreuzen, wehmütige Waisen, kräftig rhythmisierte Gstanzler und verrockte Schuhplattler aus den Tiefen der alpinen Volksmusik, dazu skurrile Anekdoten, etwa wie "der Schottisch nach Goisern kam" oder was eine "Gschwoagerin" ist? Das und mehr Sonderbares kommt dabei heraus, wenn der Musik-besessenste Ehrenbürger eines oberöstereichischen Örtchens namens Bad Goisern in Klausur war. Auf den 2100 Meter hohen Krippenstein hatte Hubert von Goisern seine Musiker aus fünf verschiedenen Ländern samt einem mobilen Produktionsstudio zitiert, um in der fast klösterlichen Strenge eines verlassenen Hotels jenes Liedgut ins Hier und Jetzt zu spielen, das sonst wohl nur noch Hochbetagte an heimischen Hackbrett und der Zither zum Besten geben.

Puristen, Traditionsverwalter und die globale Genre-Polizei wird der notorische Widerständler damit erneut verschrecken, aber das kennt man ja. Von Goisern sind Grenzziehungen und Schubladendenken wurscht, er spielt alles und überall, auf seine Weise. Beduinen brachte er die Quetschen, den Berbauern die Bongos und schon vor Jahren mutierte er vom "Alpenrock"-Star, der er ohnehin nie sein wollte, zum World-Musiker des Volstümlichen, ohne je volkstümelnd zu sein. Die einzige Regel, der sich das Landlermusik-Update des Goiserern unterordnet.

Das dankt ihm auch die Fan-Gemeinde. Ob 50 Leute auf der Almhütten oder eine ausverkaufte Alte Oper - der Musik-Pirat HvG hat gehörigen Spaß daran, Steirische Schrammel-Oldies mit Jazz, Rock und Pop zu kreuzen, das Altehrwürdige aufzubohren, zu tunen oder in ein frisches Gewand zu stecken. Und trotz Slide-Gitarre, E-Geige und exotischem Percussion-Instrumentarium wirkt das alles sehr organisch, auch von Respekt für das Überlieferte getragen.

Trad 2, die Fortschreibung des gleichnamigen ersten Ausflugs in die guten Stuben der heimatlichen Volksmusik, ist nach dem eher groovig extrovertierten Werk Iwasig wieder ein Schritt in Richtung "neuer Traditionalismus": Jodler, ausschließlich, in tief-steirischem Dialekt - das klingt dennoch verdächtig, braucht auch so weit nördlich der Alpen immer mal eine Gebrauchsanleitung, die von Goisern munter plaudernd bis kräftig ironisch abfeiert. Musikalische Wurzeln hat er jedenfalls weder zur musealen Bewahrung noch zum schlichten Abstauben ausgegraben, er will dem Ganzen neues Leben einhauchen. Und das gelingt trefflich, jenseits aller flachen Schunkel-Philosophie, die Schürzenjäger und Co. so kommerziell erfolgreich predigen. In Stücken wie Meraner oder Kohler werden jazzige Percussion- oder Bass-Elemente mit tradierten Strukturen kurzgeschlossen, durch Stadltür fegt ein treibender Blues, dann treffen rhythmische Trommel-Loops auf Kuhglocken-Geläut oder Monika Draschs elektrische Violinen-Klänge auf Mundart-Anekdoten über Sennerinnen und Almbauern. Mal luftig, virtuos, dann wieder auf klare Einfachheit reduziert, ob gezupft, gedudelt oder gequetscht, ob grob und sentimental oder unverblümt komisch - das Jodel-Experimentarium des Hubert von Goisern und seiner Band um Arnulf Lindner (Bass), Bernd Bechtloff (Drums/Percussion) & Max Lässer (Gitarre/Mandoline) ist ein einziges Unikum. Zweifellos auch ein Mordspaß für alle Piefkes, die gut zwei Stunden begeisternd jauchzend mitschrammeln dürfen - ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Dafür aber klingt es erschreckend gut.

Jodler auf höchstem Niveau

Neue Westfälische 8. März 2004 | Text: Ute van der Sanden

Hubert von Goisern rockte in der Altenbekener Eggelandhalle

Altenbeken. Etliche der knapp eintausend Besucher, die am Samstag in die wiederum völlig ausverkaufte Eggelandhalle strömten, hatten eine wahrlich weite Reise hinter sich: Aus Berlin, aus Holland sogar, aus Bayern natürlich und wer weiß, woher sonst noch, waren die Fans des Alpin-Rockers Hubert von Goisern nach Altenbeken gekommen.

Echte Fans, bitteschön, daran zu erkennen, dass sie schon Zustimmung skandierten, bevor auf der Bühne auch nur ein Mikro gewackelt hatte. Sie wussten, was sie erwartete: "Liadln" - wie es sich gehört in einer WDR-Liedernacht, deren zehnte Ausgabe als Teil des Jubiläumsfestes für "Zehn Jahre im Museum" ausnahmsweise in Altenbeken über die Bühne ging.

Volksmusik aus Österreich also, schlichte Gesänge, die von Goisern in markigen Gipfelrock packt oder in avantgardistisch schräge Klangmeditationen hüllt wie in fetten weißen Bergnebel.

"Do is einfach 'n unheimlicher Blues drin in die Volkslieder", erkannte der Musiker - und brachte sie, sich und seine faszinierende Band ganz groß heraus. Trad II heißt sein neues Programm, mit dem er von der Alm erzählt, von den Sternen, von den Kühen und davon, was dazwischen die Menschen treiben. Auf der mit Alpenpanorama und Hinweisschild zur Schönbergalpe illustrierten Bühne umher tollend schildert er in schwer verständlichem Österreichisch bukolische Idyllen, "sehr archaische Rituale" der heimatlichen Schützenfeste und wie schlecht "a Grießknödl un a Leberknödl" sich vertragen. Dazu huldigt er der Dreiklangsmelodik des Alpenraums, feiert Polkas, Ländler und Schuhplattler mit satten Bässen ab, krönt das Ganze lustvoll mit Juchzern und Jodlern.

Wie er das alles tut und mit ihm seine vierköpfige Band, ist hinreißend und genügt höchsten Ansprüchen. Ein Alpentraum von Folk-Rock mitsamt fünf spielwütiger Multiinstrumentalisten. Von Goisern selbst bedient Ziehharmonikas in verschiedenen Größen, eine schmucker als die andere. Nicht minder virtuos spielt er Trompete und Flügelhorn, Traversflöte und Gitarre, Mundharmonika und Maultrommel.

Monika im roten Haar fiedelt auf der grünen Geige, bläst Klarinette, Pfeife und Dudelsack und gibt so manch lakonisches Widerwort. Der Gitarrist greift in ein beeindruckendes Arsenal von Zupfinstrumenten, und am Zaubertisch des Schlagwerkers harrt so ziemlich alles, was klappert, knallt und scheppert, seines Einsatzes. Inklusive der obligaten Kuhglocken.

Kurzum, die Vielfalt ist enorm, die Musi zünftig, der Unterhaltungswert groß. "Scheen wars", bemerkte von Goisern knapp, als er sein Publikum nach dreieinhalb prallen Stunden in die eisglatte Nacht entließ. War es. Dankscheen!

Kabarett-Menü mit Leberknödeln

Westfälisches Volksblatt 8. März 2004 | Text: Manfred Stienecke & Thorsten Böhner

Alpenrocker Hubert von Goisern gastierte in der Eggelandhalle

Altenbeken (WV) [...] Am Samstag stürmten rund 1000 zum Teil von weither angereiste Anhänger in die Eggelandhalle, um Hubert von Goisern zu erleben: den musikalischen Tramp, den es im Laufe seiner Karriere nach Afrika, Kanada, auf die Philippinen, sogar ins ferne Tibet verschlagen hat. Nach der Trennung von seiner Gruppe Alpinkatzen und Ausflügen ins Filmgeschäft kehrt er mit seinem aktuellem Programm Trad II zu seinen Wurzeln zurück.

Von Goisern und seine vierköpfige Band präsentierten den Zuhörern die gelungene Verbindung von Elementen der Volksmusik sowie des Rock und Pop. Die unterschiedlichsten Instrumente kamen dabei zum Einsatz: Geige, Schlagzeug, Kontrabass, Akkustik- und Elektrogitarre, ja selbst ein Dudelsack fehlte nicht. Eine Keksdose wurde kurzerhand zum Tamburin umfunktioniert. Den Hauptbestandteil aber bildeten von Goiserns unabkömmliches Akkordeon und seine kraftvolle, markante Stimme. Auch das Programm konnte sich sehen lassen. Die Palette von schwungvollen und melancholischen Titeln (selbst innerhalb eines Liedes wechselte schon mal die Stimmung) war reichhaltig. Dass man als Nicht-Alpenländer die Liedertexte kaum verstand, war nicht wirklich tragisch - die Musik sprach für sich, und die instrumentalen Zwischenparts waren eh das Sahnehäubchen. Ebenso die diversen Jodeleinlagen, die von Goisern - wie überhaupt alles - mit ganzem Körpereinsatz brachte und dabei seine Kopfstimme herausforderte, um anschließend noch ein Solo mit Trompete hinzulegen - einfach klasse! Ebenso beeindruckend, wie er beim Titel Ausseer Schottische als Mundharmonika-Virtuose fungierte und das Instrument während des Titels zweimal wechselte, ohne sein Spielen zu unterbrechen. Bei A Griesknödl und a Leberknödl, die sich so gar nicht lieb hatten, war die Stimmung im Saal auf dem Höhepunkt. Der Hauptakteur und seine Mitstreiter spielten mit absoluter Hingabe und führten vor Ohren, wie viel Kraft in einem Instrument steckt, wenn man es denn beherrscht. Einzig die Tatsache, dass sich einzelne Titel zu sehr im Arrangement ähnelten, fiel etwas negativ auf.

Zwischendurch plauderte von Goisern verschmitzt mit dem Publikum. Er erklärte, warum die Schützen in seiner österreichischen Heimat nach dem Schießen die Hosen runterlassen, warnte augenzwinkernd vor dem teilweise depressiven Touch seiner Lieder und lieferte sich einen humorvollen Schlagabtausch mit Geigerin Monika Drasch, die als zweite Vokalistin agierte. Mit ihren jeweiligen Instrumenten spielten sich insbesondere diese beiden im besten Sinne musikalisch die Bälle zu. Auch bei ihrem A-Capella-Jodler gegen Ende des Konzerts bildeten sie ein tolles Team. Nach satten drei Stunden echter handgemachter Musik, stehenden Ovationen und drei Zugaben verabschiedete sich Herr von Goisern: "Schön war's! Danke schön!" Gleichfalls, Hubert!

Hubert von Goisern: Live in Liezen - 26. Februar 2004

2. März 2004 | Fotos: © Elli Christl

Zurück zum Volkslied

Bad Ischler Rundschau Februar 2004 | Text: Josef H. Handlechner

Hubert von Goisern mit neuer Band und mit einem ganz neuen Programm

Natürlich ist es kein Zufall, dass Hubert von Goisern eine neue Tour im Lehártheater startet; das hat schon Tradition, wie so vieles in diesen Tagen: Trad II heißt die neue CD, die im vergangenen Herbst auf dem Krippenstein eingespielt wurde. Und Trad II heißt die aktuelle Tour, die in den nächsten Monaten durch Österreich, Deutschland und die Schweiz führen wird. Tradition ist also groß geschrieben für den erst vor kurzem zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Bad Goisern ernannten Musiker, der für sein neues Programm ausschließlich alte Volksweisen herangezogen hat.

Das hört sich vordergründig ziemlich simpel an; und so mancher - hieße er nicht Hubert von Goisern - könnte es sich recht einfach machen. Doch weit gefehlt: Hier ist die Rückkehr zu den Wurzeln harte Arbeit, ist Risiko. "Wenn man sich längere Zeit intensiv mit Volksmusik beschäftigt, erkennt man: Das alles hat schon auch ein hohes depressives Potenzial." Sagt er. Und tröstet sein Publikum: "Lasst's eich net abiziagn - wir habens eh gut durchgemixt." Weit über 30 (Volks)Lieder hat er mit seiner neuen Band einstudiert, in der mit Bernd Bechtloff (Percussion) ein alter Bekannter steht. Auch Arnulf Lindner (Bass) war schon einmal mit Hubert auf Tour, die "Neulinge" sind Max Lässer (Gitarre) und Monika Drasch, die durch viele Jahre mit ihrer grünen Geige ein unverzichtbarer Bestandteil des Jodelwahnsinns war. Bei Trad II steuert sie zusätzlich Gesang und Dudelsackklänge bei und das eine oder andere Bonmot. "Unser Schweizer", spielt sie auf die Herkunft von Max Lässer an, habe mit dem Salzkammergut-Dialekt noch leichte Probleme und deshalb den Liedtitel Goiserer Jaga auch nicht richtig verstanden und durch "Goisern jagen" ersetzt: "Und so steht das jetzt auch auf unserem Zettel!" Ein bisserl was Zweideutiges hat es aber natürlich schon an sich, das "Goisern jagen", denn wer ist nun gemeint: Der Hubert oder das Bad?

Respekt, aber keine Unterwürfigkeit

Die Tradition zu entblättern, aus ihrer sentimentalen Verkleidung zu schälen, das ist gerade im Bereich der Volksmusik ein heikles Unterfangen. Hubert packt's mit Respekt an und in der Gewissheit, dass er keinem mehr etwas beweisen muss. "Es gibt eine Vernichtung durch Anerkennung", zitiert er Qualtinger; dieser zu entgehen, mag auch bei Trad II eine Rolle gespielt haben. Und es ist wohl auch kein Zufall, dass Hubert das Hiatamadl wieder aus der Verbannung zurückgeholt hat. Das Publikum staunte, atmete kräftig durch und blieb wie schon in den knapp drei Stunden davor "voll auf der Groove."

Hubert von Goisern: Live in Bad Ischl - 25. Februar 2004

1. März 2004 | Fotos: © Elli Christl

Der Goiserer spielt kräftig auf

Tiroler Tageszeitung 29. Februar 2003 | Text & Foto: Klaus Erler

Am Freitag besuchte Hubert von Goisern auf seiner "Trad 2"-Tournee das Zillertal.
Hunderte Fans erlebten ein Konzert voller Spielfreude und Kraft.

Hubert von Goisern und Arnulf Lindner

MAYRHOFEN. Seine Mayrhofener Fans lieben ihn, sind schon ganz auf seiner Seite, bevor er noch ein Lied gesungen hat. Und Hubert von Goisern gibt seinen Fans von Anfang an, was sie wollen: traditionelle Volksmusik mit modernem Einschlag. Eine kräftiger Jodler dient als Einstiegsnummer, dann kommt Hinter unserer Stadltür, verfremdet in Tempo und Betonung, aber doch klar erkennbar.

Faszinierende Band

Nach dieser musikalischen Einleitung wird es für Hubert von Goisern Zeit, eine Gebrauchsanleitung für den Abend zu geben. Nur Volkslieder wird man hören, Jodler, ganz der Tradition verpflichtet.

Wer jetzt befürchtet, von dieser Tradition überfordert zu werden, wird rasch eines Besseren belehrt. Jodler treffen auf Country-Mundharmonika, ein exaktes Schlagzeug gibt den Stücken Kraft und Intensität.

Die Geige, meist wie auf dem ländlichen Tanzboden gespielt, setzt immer wieder überraschende rhythmische und tonale Akzente. Eine zentrale musikalische Rolle spielen Gitarre und Mandoline, liegend zitherähnlich verwendet, seufzend wie in Hawailiedern und doch fähig, ganz in steirischer Volksmusik aufzugehen: Hubert von Goiserns vierköpfige Band gibt ihr Bestes, den Meister bei den Nummern der neuen CD Trad 2 zu unterstützen.

Stücke wie Meraner oder Kohler versprühen einen eigenen Charme, weil sich jazzige Elemente wie Percussion oder Basssoli mit tradierten Strukturen verbinden. Immer wieder wechselt Hubert von Goisern das Instrument, mit dem er sich selbst beim Jodeln begleitet. Die Knopfharmonika löst die Mundharmonika ab, auch mit Gitarre und Trompete weiß das Aushängeschild der "neuen österreichischen Volksmusik" perfekt umzugehen, wenn er freie Einlagen zum Schottischen spielt.

Jazz und Tradition

Dass die musikalische Reise an diesem Abend auch in eine ganz andere Richtung gehen könnte, erkennt man immer wieder am Anfang der Stücke.

Da werden mit Percussion und Streichinstrumenten Klangwelten erzeugt, wie man sie in einem Pariser Jazzkeller nicht besser hören könnte. Und doch: Die nächste Abzweigung führt wieder zurück nach Bad Goisern und zu den musikalischen Wurzeln von Hubert und seiner Band.

Und um die kümmert man sich ausgiebig an diesem Abend. Über zwei Stunden dauert das Trad 2-Programm, bevor der große Hit Hiatamadl vielbejubelt die Zugaben einleitet.

Im Sound der weiten Welt

Salzburger Nachrichten 27. Februar 2004 | Text: Clemens Panagl

BAD ISCHL (SN). "Das erste Mal spielen is' immer furchtbar", sagt Hubert von Goisern, nachdem er die Bühne vergeblich nach der Mundharmonika abgesucht hat, die für das nächste Lied gebraucht wird. Ganz ernst ist das natürlich nicht gemeint. Schließlich steht die Band zum Auftakt ihrer Trad II-Tournee auf der Bühne des Léhar-Theaters in Bad Ischl, und die Premiere des Live-Programmes ist damit gleichsam ein Heimspiel.

Trotzdem: Diesmal ist alles ein bisserl anders. Mit dem Album Trad II, aufgenommen im Sommer 2003 auf dem Krippenstein, hat Hubert von Goisern den Weg weiterverfolgt, den er im Jahr 2001 mit dem Album Trad eingeschlagen hatte, und mit seiner Band ausschließlich alte Volksweisen eingespielt. Volksweisen aus dem Salzkammergut, um genau zu sein.

Und damit, meint Goisern, seien die Zuhörer in Ischl innerhalb der 70 Konzerte umfassenden Tourneeroute wohl so ziemlich "die einzigen, die beurteilen können, ob die Lieder alle so stimmen, wie wir sie spielen". Im Publikum fällt die Beurteilung eindeutig und äußerst positiv euphorisch aus. Auch die Mundharmonika findet sich schließlich in der Hosentasche des Goiserers wieder und der weiteren Erkundung des heimatlichen Liedgutes steht nichts im Weg.

Wenn Goisern davon spricht, ob Lieder "stimmen" oder nicht, ist damit nie historische Authentizität gemeint, sondern die selbst empfundene Stimmigkeit. "Das Einzige, was man falsch machen kann, ist zu sagen: So ist es richtig", hatte er schon im Klappentext des ersten Trad-Albums konstatiert.

Goisern spielt die Lieder, wie er sie hört, das heißt: Mit von Expeditionen in die weite Musikwelt geschärften Ohren. E-Gitarre und Violine, Percussion-Instrumente und E-Bass hüllen Traditionelles in ein zeitgenössisches Klanggewand. Dabei haben Goiserns Interpretationen nichts mit eindimensionalen Crossoverversuchen zu tun, bei denen Rock und Volksmusik zu einem polternden "Hollaröduliyeah!" verschmelzen.

Ganz unaufdringlich gesellt sich eine subtil gespielte Slide-Gitarre zur Ziehharmonika und kehrt den in vielen Texten verborgenen Alpin-Blues hervor - er habe viele "lässige Liada" ausgegraben, so Goisern, die eines gemeinsam hätten: Ein "gewisses Depressionspotenzial".

Ebenso selbstverständlich klinken sich vertrackte Grooves und ein rockender Bass in andere Songs ein. Manchmal dürfen die Verwandlungen auch ohrenfälliger ausfallen, dann wird in exotischen Skalen gejodelt. Dass die Klangosmose zwischen den weit entfernten Musikwelten so selbstverständlich funktioniert, liegt auch am weiten Horizont der Bandmitglieder Bernd Bechtloff (Percussion), Arnulf Lindner (Bass), Max Lässer (Gitarre) und Monika Drasch (Violine). Wen wundert's, dass Goisern schon in der ersten Halbzeit feststellt, dass das Auditorium "voi auf der Groove" ist. Wer in Ischl dabei gewesen sei, sagt der Sänger, habe ohnehin Glück gehabt: Am ersten Abend spielt die Band "alle Stückln" des einstudierten Programms. Und das waren in dem beinahe dreistündigen Konzert am Mittwoch sehr viele.

Ein Madl kehrt zurück

OÖN 27. Februar 2004 | Foto: © Josef H. Handlechner
Hubert von Goisern und Max Lässer

Im Bad Ischler Lehar-Theater ließen Hubert von Goisern und Band
zum Start der "Trad"-Tour am Aschermittwoch alte Volksmusik so frisch heraus, wie sie es drinnen hatten. Mit einer handfesten Überraschung ...

Seine traditionellen Wurzeln hat der Goiserer nicht zur musealen Bewahrung ausgegraben. Auch das schlichte Abstauben genügte nicht. Wenn sich in den sehnsüchtigen "Kohler"-Jodler ein rassiger Trommelbeat mischt, die "Stadltür" plötzlich in einen Blues fällt, zur Kehlkopfakrobatik die Saiten des Dobro heulen, Landler-Gstanzl zur scharfen Ziehharmonika rocken und zu De Gamserl der Fotzhobel Dylan-Späne fliegen lässt - dann spürt man, worum es geht: überlieferte Melodien mit Leben zu erfüllen.

Die "Düs'n" gehe ihm schon, gibt der Musikant eingangs zu, wenn er daran denke, ab jetzt ein Jahr lang unterwegs zu sein - nur mit Volksliedern. Nach gut zweieinhalb Stunden steht fest, dass ihm keiner gram sein darf, sieht man von den tausendprozentigen Puristen ab.

Ob luftig, virtuos, auf klare Schönheit reduziert, gezupft, gequetscht, geblasen, gedudelt oder perkussiv verzaubert - das Bekannte kriegt einen frischen Reiz, dem man gerne erliegt.

Einiges wird behutsam neu eingekleidet, anderes - wie Abend spat- gewagt, aber faszinierend. Die Spielgemeinschaft ist erlesen: Arnulf Lindner zupft, streicht und schlägt einen kräftigen Bass, Bernd Bechtloff ist uneingeschränkter Herr der rhythmischen Geräusche, Max Lässer lässiger Gitarrenvirtuose und Monika Drasch (vormals Baierisch Diatonischer Jodelwahnsinn) resche Geigerin, Dudelsackbläserin und starke zweite Jodelstimme.

Es gab wehmütige Waisen, saftigen Groove und eine Zugaben-Überraschung, die staunende (oder entsetzte?) Münder öffnete. Hubert holte sein "Hiatamadl", von dem er sich vor langer Zeit getrennt hatte, zurück auf die Bühne. In diesem Umfeld darf sie getrost wieder ihre Wadeln zeigen.

Hubert von Goisern: Live in Bad Ischl - 25. Februar

26. Februar 2004 | Fotos: © Josef H. Handlechner