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BRENNA TUATS TOUR 2012

Kreatives kann man nicht steuern

Straubinger Tagblatt 4. November 2012 | Text: Ulli Scharrer

Interview mit Hubert von Goisern, der am Montag, 12. November, in der Stadthalle spielt

Der Pionier "alpiner Weltmusik", Hubert von Goisern, präsentiert live seine bekannten Klassiker in ungewohntem Gewand sowie seine neuen Songs aus dem im Spätsommer 2011 erschienenen zwölften Studioalbum Entweder und Oder am Montag, 12. November, in der Stadthalle. Mit dabei ist natürlich sein derzeitiger Hit Brenna Tuats Guat". Selten und ungern führt er Interviews, mit dem Tagblatt redete er aber gern darüber, warum Volksmusik immer neu erfunden werden sollte und warum es schön ist, nicht zu wissen, wann oder warum ein Lied ein Hit wird. Restkarten für das Konzert gibt es noch im Vorverkauf beim Leserservice des Straubinger Tagblatts, Telefon +49 (0)9421 9406700.

Sie waren einer der Vorreiter der Volksmusik mit neuem Gesicht und Schwung. Warum war das nötig und was ist Ihrer Meinung daraus geworden?

Eine Not gab es für mich schon. Es war nötig, sich mit der Tradition auseinanderzusetzen, aber in einer Art, in der ich mich auch versöhnen kann. Da ist viel, ausgehend von den Nazis, kaputtgemacht worden. Als geistige Vertreter und Musiker damals ausgewandert sind und wenig übrig war. Das Vakuum füllten dann volkstümliche Vertreter. Volksmusik ist aber ein Musikfeld, bei dem es notwendig ist, sich damit auseinanderzusetzen und Neues zu schaffen.

Können Sie etwas mit dem Begriff Alpenrock anfangen?

Ja natürlich kann ich mit dem Begriff etwas anfangen und lehne ihn auch nicht unbedingt ab. Allerdings trifft er bei mir nur zum Teil zu. Ein Teil meiner Musik speist sich aus Rock und Blues, einem Teilaspekt meines Schaffens.

Koa Hiatamadl war Ihr Durchbruch, ein Stimmungshit, viele andere Lieder haben aber eine politische oder soziale Aussage. Welche Lieder sind Ihnen wichtiger und wie entstehen die Texte?

Grundsätzlich kommen meine Ideen aus dem Inneren. Ich habe keine Listen oder Themenkreise. Während des Komponierens oder Textens kommen Dinge aus meinem Untergrund hervor, erst im Nachhinein kann ich das analysieren. Ich will und kann mein Schaffen nicht steuern. Ich setz mich tagelang hin und lass meine Fantasie schweifen.

Hat man das im Gefühl, ob ein Lied ein Erfolg wird, oder nicht? Oder überrascht Sie das selber, dass ein Lied ein radioerfolg wird, ein anderes nicht?

Darüber denke ich wenig nach. Das liegt auch nicht in meinem Einfluss. Es macht also keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich habe das Glück, seit 20 Jahren Erfolg und Gehör mit meiner Musik bei meinem Publikum zu haben. Schön ist es natürlich schon, wenn ein Lied durch die Decke geht. Grundsätzlich ist das aber nicht planbar - Gott sei Dank.

Mit welchem Künstler/Musiker würden Sie noch gerne ein Projekt machen? Und welches?

Da gibt es schon ein paar, allerdings sollten die das nicht aus der Zeitung erfahren. Die Künstler, auf die ich steh, sind natürlich auch viel beschäftigt. Mit einigen habe ich aber schon gesprochen, es ist nur schwierig einen gemeinsamen Zeitplan zu finden und oft scheitert das auch an meiner eigenen Umtriebigkeit, die mir wenig Zeit lässt.

Sie sind ja auch als Globetrotter bekannt. Welches ist das schönste Land, das Sie bereist haben und wohin zieht es Sie noch?

Eine Rangordnung kann ich nicht machen. Weder bei Ländern, Büchern oder Komponisten, die mir gefallen und das widerstrebt mir auch. Es gibt viele schöne Plätze auf der Erde, wobei schön ein relativer Begriff ist. Ich suche beim Reisen auch nach der Natur, es geht mir aber in erster Linie um die Menschen, auch wenn mir grundsätzlich wenig besiedelte Gegenden lieber sind als urbane Räume. Begegnungen mit Menschen und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, find ich spannend. Und Menschen, mit denen so etwas möglich ist, kann man überall finden. Deutschland ist zum Beispiel ein unterschätztes Land. Es ist so vielfältig und der Begriff Industrieland trifft für mich bei so viel Natur und so vielen unterschiedlichen Menschen und Einstellungen nicht zu. Deutschland ist für mich ein Land, das man noch lange und oft bereisen und entdecken kann.

Die Nachbarn Bayern und Österreich gelten ja als geistig verwandt. Was aber ist anders?

Die Verwandtschaft trifft vor allem für die Grenzgebiete zu, weiter weg finden sich weniger Gemeinsamkeiten. Allerdings sprechen wir ja alle dieselbe oder sehr ähnliche Sprache. Ich kann also keinen Unterschied benennen. Außer im Fußball sind die Bayern besser und wir sind besser beim Skifahren. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Was wären Sie gerne geworden, wenn Sie nicht Profimusiker geworden wären?

Alles, was mit Kreativität und künstlerischem Ausdruck zusammenhängt, hätt ich mir vorstellen können. Musik ist mir aber in die Wiege gelegt worden und fällt mir am leichtesten.

Was kann man mit Musik ausdrücken, was man mit Text oder Film nicht ausdrücken kann?

Wenn es dafür Worte geben würde, würde ich die Frage ab absurdum führen.

Mit welchem Gefühl sollen die Konzertgäste nach Ihrem Auftritt nach Hause gehen?

Sie sollen besser drauf hinausgehen, als sie hineingegangen sind und mit einem Lebensgefühl, das ich mir immer denke, aber nie ausspreche: Geht hin und vermehrt euch. Ich bin kein Verfechter eines Kondomverbots, aber die Welt braucht mehr Kinder.

"Unser Wirtschaftssystem kommt mir vor wie ein Pyramidenspiel"

Format 2. November 2012 | Text: Miriam Koch | Foto: Thomas Stampfl
Hubert von Goisern

Musiker und Kapitalismuskritiker Hubert von Goisern über absurde Interviews, seine "Anti-Kapitalismushymmne", Geld und Wirtschaftsstudenten, die nichts checken.

Haben Sie schon einmal einem Wirtschaftsmagazin ein Interview gegeben?

Nein. Es gab zwar viele Anfragen, aber ich finde das irgendwie absurd.

Was finden Sie absurd?

Ich kenne einige Kollegen, die sich zu politischen oder wirtschaftlichen Beilagen melden und wo ich mir denke, hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.

Aber Ihr Hit Brenna tuats guat wird als Anti-Kapitalismushymne bezeichnet und hat sicher dazu beigetragen, die Stimmung gegen über dem Agrarsprit E10 zu verschlechtern...

Ich erzähle in dem Lied ja keine neuen Erkenntnisse, ich habe sie nur in Lied-Form gepackt. Der Umstand, dass das so erfolgreich geworden ist, zeigt, dass die Leute wissen, was da abgeht. Dass es falsch ist, wenn Lebensmittel nicht für Menschen sondern für Maschinen da sein sollen. Und die Menschen verhungern daneben. Ich glaube nicht, dass Lieder die Welt verändern. Aber vielleicht hat es dazu beigetragen, dass sich Landwirtschaftsminister Berlakovich schwerer tut, E10 durchzusetzen.

Würden Sie das Lied auch auf einer Betriebsfeier der Agrana, einem Konzern der Bio-Sprit herstellt, singen wollen?

Ich spiele für keine geschlossene Gesellschaft.

Ist es in Ihrem Sinn, Brenna tuats guat als Anti-Kapitalismushymne zu bezeichnen?

Wenn das manche so sehen, mag ich es keinem wegnehmen. Kapitalismus ist so ein Wort, bei dem ich mir denke, das ist ungesund. Wenn man die Welt dem Kapitalismus unterordnen möchte, dann bin ich auf jeden Fall dagegen. Ebenso wie dem Kommunismus, dem Nationalismus und all diesen -ismen. Wenn man sich einer Ideologie so unterordnet, ist man schon am Holzweg, weil alle anderen Ideen ja ausgeschlossen werden. Und das große Potenzial ist ja diese Vielfalt an Ideen, Sichtweisen und Lösungsvorschlägen, die es in der Welt gibt.

War eher die Musik oder der Text der Grund, warum das Lied zum Hit wurde?

Die beiden Dinge sind gleich wichtig. Es ist ein Aufzeigen der Zustände und Umstände gepaart mit wirklich geilem Groove, sodass man nicht denkt "Uh, wie schlimm ist die Welt". Es ist die Chance, die Krise zu durchtanzen. Das nehmen die Leute auch gern wahr. Es hat keinen Sinn, den Kopf hängen zu lassen und zu schimpfen. Die Grundstimmung der Unlauterkeit, wo die meisten auf sich schauen und ihre Clique, gehört geändert und ich habe das Gefühl, dass der Wellenkamm überschritten ist. Auch wenn Justiz und Gesetzgebung noch hinten nachhinken. Es wäre wichtig, einige Leute noch hinter Gitter zu bringen oder zumindest aus den verantwortlichen Stellen zu entfernen. Nicht zuletzt um den Ehrlichen und Verantwortungsbewussten den Rücken zu stärken.

Glauben Sie, gibt es in Österreich besonders viel Korruption?

Es ist ein viel schlampigerer Umgang als in Deutschland. Was die Selbstreinigung anbelangt, ist Deutschland vorbildhaft, weil Politiker von ihrem Amt zurücktreten. Es sitzen bei uns Leute in Ämtern, die verurteilt sind und haben die Chuzpe, weiter zu bleiben. Das kann einfach nicht sein.

Wie politisch interessiert sind Sie?

Nicht mehr als die meisten Leute.

Wählen Sie noch?

Wenn ich da bin schon, klar. Ich habe auch schon via Briefwahl teilgenommen, aber wenn es recht kompliziert ist, sage ich, auf meine Stimme allein kommt es nicht an.

Sind Sie schon einmal von politischen Parteien gefragt worden, ob Sie ein Amt übernehmen wollen?

Nein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich mit den Grünen sympathisiere und seit vielen Jahren auch Wahlempfehlungen abgebe. Aber ich leide wie wahrscheinlich 90 Prozent der Grün-Wähler darunter, dass sie es nicht noch besser machen. Vieles ist für mich unverständlich. Ich habe mich nach einem Wien-Konzert einmal mit ein paar Leuten von den Grünen getroffen und gesagt, eure Öffentlichkeitsarbeit, wie ihr euch präsentiert, könnte besser sein. Ich habe angeboten, einmal zu einem Parteikongress zu gehen und Feedback zu geben. Aber ich darf nicht.

Weil Sie kein Delegierter sind?

Weil ich kein Parteimitglied bin und nicht die Hierarchien durchlaufen habe. Das hat mich getroffen. Aber eigentlich sollte ich froh sein, sonst wäre ich vielleicht mehr hineingerutscht als mir lieb ist. Ich möchte nicht Politiker sein, denn ich habe nicht diese dicke Haut, dass ich diese dauernden Angriffe aushalten würde. Ich nehme alles persönlich, jede Kritik. Zu den allerschlimmsten Politikern gehören für mich die Klubobleute, weil die grundsätzlich auf jeden Gegner losgehen, egal ob ein Argument oder eine Idee gut ist oder nicht. Dieser Reflex, jeden anderen als Trottel hinstellen widert mich an.

Halten Sie das Steuersystem in Österreich für gerecht?

Ich beschäftige mich nicht sonderlich damit. Ich weiß, dass ich in der höchsten Steuerklasse bin und bereit wäre, mehr zu bezahlen.

Fänden Sie Erbschaftssteuern sinnvoll?

Ich kenne viele Leute, die sagen, das sei nicht sinnvoll, weil das Schaden anrichtet, den Firmenstandort Österreich gefährdet würden und Leute zum abwandern veranlassen würden. Da tue ich mir schwer zu sagen: ich bin für Erbschaftssteuer. Ich würde mir – wie auch zu vielen anderen Themen – wünschen, dass nicht polemischen Diskussionen, sondern faktische Informationen angeboten werden würden. Etwa bei der Heeredebatte. Da bekomme ich zu wenig Informationen als dass ich wirklich abstimmen könnte. Wahrscheinlich geh ich da nicht hin zur Abstimmung, weil ich noch zu wenig weiß. Aber einem Verteidigungsminister, der selber Zivildiener war, nehme ich nicht ab, dass er sich in der Causa auskennt. Das ist, wie wenn mir ein Barfüssiger erklären will, was einen guten Schuh ausmacht.

Sie waren ja kürzlich auf der Wiener Wirtschaftsuniversität. Was meinen Sie, sollten angehende Manager lernen?

Die Zahl der Wirtschaftsstudenten ist in den vergangenen Jahren weltweit stark gestiegen. Da denke ich mir, was wird dort gelehrt, wenn es trotzdem immer schlimmer wird? Oder ist das System etwa gerade deshalb so krank, weil sich mehr Leute mit der Verteilung von Gütern beschäftigen als mit der Produktion der selben? Ich bin entsetzt, dass Leute, die Wirtschaft studieren, nicht checken, dass es so nicht rennt. Es gibt dieses Bild vom Jordan, der zwei Gewässer speist: den See Genezareth und das Tote Meer. Der eine ist ein fruchtbarer See und das andere ohne Leben. Warum? Weil in das eine Gewässer der Fluss nur hineinrinnt und nichts mehr davon heraus. Das sollten sich die Wirtschaftsstudenten vergegenwärtigen, dass auch ein Geben notwendig ist, nicht nur ein Nehmen. Energie muss fließen. Geld ist Energie und muss fließen. Es hat keinen Sinn, das nur zu horten und sich eine depperte Yacht zu kaufen.

Unser Wirtschaftssystem kommt mir vor wie ein Pyramidenspiel. Aber man muss sich klar sein, dass irgendwer zahlen muss, wenn man bei so einem Spiel mitmacht. Ich war in Griechenland und habe mit einer Frau gesprochen, die traurig gesagt hat, jetzt sind diese Programme aus Brüssel eingestellt worden, die in der Vergangenheit geholfen haben. Und ich habe sie gefragt, wo glaubst du, wo dieses Geld herkommt? Sie sagte naiv: Aus Brüssel. Aber dass das irgendwer erwirtschaften muss, wird vernachlässigt.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich Geld?

Da fragen Sie wen, der viel Geld hat. Der tut sich leicht zu sagen, es ist unwichtig.

Sie haben ja andere Zeiten auch durchlebt...

Existenzielle Ängste gibt es mit Geld und ohne. Die wesentlichen Sachen kann man sich mit Geld nicht erkaufen: Gesundheit kann man sich nicht kaufen, Freunde kann man sich nicht kaufen, Liebe kann man sich nicht kaufen, schöne Tage kann man sich nicht kaufen. Glücksgefühle und Glücklichsein hängen sehr viel damit zusammen, dass man die Dinge annimmt, auch wenn sie nicht so sind, wie man es gerne hätte.

Aber was machen Sie mit dem Geld, das Sie verdienen?

Ich habe einen Teil angelegt, ein Teil ist auf Sparbüchern, eine Riesensumme ist am Girokonto, weil ich einfach keine Zeit habe, mich darum zu kümmern. Irgendwann werde ich mich damit auseinandersetzen. Ich habe eine großartige Bankbetreuerin, mit der sitze ich zweimal im Jahr zusammen und wir überlegen, was gut und sinnvoll ist. Wenn ich schon Geld anlege, sollen es Dinge sein, für die ich mich nicht schämen muss. Grüne Technologie und solche Sachen. Ich suche nicht die große Sicherheit, aber ich bin auch kein Zocker. Es gibt Aktien, mit denen ich mich identifizieren kann und dann ist mir das Risiko nicht so wichtig.

Wissen Sie, wie viel Geld Sie besitzen?

Nein. Das Bewusstsein, das ich reich bin, habe ich erst seit höchstens fünf Jahren. Aber ich bin eigentlich seit 20 Jahren ein reicher Mann.

Hat dieses Bewusstsein etwas verändert?

Nein. Die Zeit, als ich arm wie eine Kirchenmaus war und von der Großzügigkeit meiner Freunde abhängig war, die idealisiere ich jetzt vielleicht etwas. Aber damals hatte ich sehr, sehr viel Zeit. Ich hatte kaum Engagements und habe darunter gelitten, aber dafür hatte ich viel Zeit Freunde zu treffen, zu reden, in die Berge zu gehen. Ich habe in Wien gewohnt und bin mehrmals in der Woche in die Oper gegangen auf einem Stehplatz.

In Wien waren Sie ja auch Schwarzfahrer. Fahren Sie immer noch ohne Fahrschein?

Nein. Aber ich bin der Meinung, öffentlicher Verkehr sollte eigentlich gratis sein.

Sie haben auch gesagt, es stört Sie nicht, wenn man Ihre Musik illegal runterlädt.

Ich freue mich über jeden, der meine Musik hört, ob er sie kopiert oder kauft, ist egal. Ich kenne viele junge Leute, die sich Musik runter laden ohne Ende und die meisten Sachen hören sie sich gar nicht an. Das tut dann auch niemanden weh, weil die CD würde der ja auch nicht kaufen. Da, wo die Musik wirklich passiert, das ist ja nicht auf dem Tonträger, das ist im Konzert und dieser Augenblick ist nicht reproduzierbar. Durch diese Verlagerung vom Tonträgerverkauf zu den Konzerten ist für mich ein gesunder Schritt passiert. Wenn die Leute von der Musik leben wollen, müssen sie Konzerte spielen.

Aber das ist anstrengender.

Naja. Wir spielen heuer hundert Konzerte. Das heißt 265 Tage spielen wir nicht. Man muss nicht Mitleid haben für einen Künstler, der hundert Konzerte im Jahr spielt sondern für die, die keine Engagements haben.

Sie sind ja auch ein kleiner Unternehmer und Geschäftsführer und Mitgesellschafter von Synthakus Musikproduktion. Was macht das Unternehmen genau?

Ich produziere: Musik, Filmmusik, Konzerte... Es gibt auch seit einem Jahr einen angeschlossenen Verlag.

Macht Ihnen der geschäftliche Teil Spaß?

Nein, aber ich habe Menschen, die sich darum kümmern, für mich ist das alles ziemlich chinesisch. Ein paar Sachen verstehe ich aber inzwischen schon.

Hubert von Goisern: Goisern ist anders

Volume 1. Oktober 2012| Text: Philipp Heinkel | Foto: © Konrad Fersterer

Hubert von GoisernRocken tuats guat: Hubert von Goisern spielt mit Band und seinem preisgekrönten Album Entwederundoder gerade ein ausverkauftes Großkonzert nach dem anderen – wohlgemerkt im gesamten deutschsprachigen Raum. Diesen November wird der grenzenlose Weltmusiker aus Oberösterreich 60 Jahre jung, davor gibt es ein feierliches Gastspiel in der Wiener Stadthalle am 25. Oktober. VOLUME hat Hubert von Goisern zu Wien, täglicher Fingerpflege und leidenschaftlicher Geldverbrennung befragt.

Am 17. November feiert Hubert Achleitner seinen sechzigsten Geburtstag – hat deine Heimatstadt Bad Goisern schon angekündigt, wann sie dir ein Denkmal bauen? Welche Beziehung pflegst du generell zur Marktgemeinde in Oberösterreich?

Ich habe mich mit Bad Goisern versöhnt, und ich glaube, umgekehrt ist es auch so. Aber ein Denkmal zu Lebzeiten - das wäre mir richtig peinlich.

Apropos runder Geburtstag: Wo und wie feiert der Globetrotter Hubert von Goisern sein persönliches Lebensjubiläum?

In Österreich – näher kann ich es noch nicht eingrenzen.

Im Salzkammergut, da kammer gut lustig sein: Welchen See bzw. welchen Berg liebst du besonders? Und wo gibt's das beste Wirtshaus?

Das behalte ich am besten alles für mich – oder sage es nur meinen engsten Freunden. Nicht, dass ich dann keinen Platz mehr bekomme, wenn ich an den See, auf den Berg oder ins Wirtshaus gehe.

Musik beschäftigt dich seit deiner frühen Jugend, über die Jahre hast du dir im Selbststudium viele unterschiedliche Instrumente beigebracht. Welches Musikgerät willst du in diesem Leben unbedingt noch lernen?

Eigentlich beherrsche ich keines. Ich kann die meisten spielen, aber ich bin auf keinem Instrument ein Virtuose. Insofern sind die Aufgaben noch recht groß...

Quetschn bis die Hände bluten: Welches Heilmittel empfiehlst du für ramponierte Fingerkuppen?

Ich habe mir ja vorgenommen, dass ich mal in ein Nagelstudio gehe und frage. Ganz oben auf meiner Liste steht ein Superkleber für die Nägel. Ich brauche lange Fingernägel für die Gitarre, die mir bei der Ziehharmonika oft im Wege stehen – wenn einer bricht, ist das schlecht. Sicher ist: Nagellack funktioniert nicht als Stabilisator.

Entwederundoder ist als "Album des Jahres" mit dem österreichischen Musikpreis Amadeus prämiert worden und hat mittlerweile Platinstatus erreicht – was auch immer das heißt. Welche Alben bzw. Musiker stehen in deiner persönlichen Rangliste 2012 ganz weit oben? Eine aktuelle Jahresempfehlung von Hubert von Goisern:

Ich bin da ich nicht so auf dem neuesten Stand der aktuellen Veröffentlichungen. Was mir konkret in den Sinn kommt, ist Adele. Es ist ein unglaubliches Geschenk, dass diese Platte das meistverkaufte Album 2011 war – so ein Meisterwerk wie 21 vor allen anderen Tonträgern im Verkauf, nicht nur in der Gunst des Feuilletons. Das lässt hoffen oder bestätigt, was ich sowieso schon lange denke: Nämlich, dass der Konsument zu Qualität greift, wenn er sie bekommt.

Von wegen Brenna tuats guat: Hast du eine Leidenschaft, für die du gerne Geld "verschwendest"?

Wenn ich Essen gehe, dann schaue ich nicht aufs Geld. Andererseits kann es auch passieren, dass ich hungrig bleibe, weil ich nichts Gescheites finde.

Stimmt es, dass du auf Tour immer einen Flaschenöffner dabei hast? Weiß oder rot? Was den Wein betrifft...

Beides, Hauptsache schmecken tuats guat.

Dieses Jahr stehen über hundert Konzerte auf deinem Tourneeprogramm, 2013 ist eine Auszeit geplant – kann ein umtriebiger Künstler wie du überhaupt komplett abschalten? Wenn ja, wie?

Ich schalte nicht ab, ich schalte nur um. Und zwar von Öffentlichkeit und Bühne auf nicht-öffentlich. Ich arbeite dennoch, ganz privat bin ich nicht – komponieren, schreiben, reisen, Begegnungen, Kontakte pflegen oder Bücher lesen.

Weit, weit weg – momentan zieht es dich für diverse Musikprojekte verstärkt in den Norden. Wie wäre es mit einer Konzertreise auf einem Eisbrecher? Erfahrungen mit musikalischen Schiffsreisen hast du ja anlässlich von Linz09 bereits gesammelt.

Es gab Überlegungen - nicht von mir, aber von einem Freund - mich mit Band auf einer Eisscholle auszusetzen und uns musizierenderweise gegen Süden abtreiben zu lassen. Dagegen ist die Idee mit dem Eisbrecher ja harmlos.

Von wegen Eis brechen: Wien ist anders, und nicht jeder Österreicher bzw. jede Österreicherin fühlt sich wohl in der Hauptstadt. Wie verstehen sich Wien und Hubert von Goisern?

Wir verstehen uns sogar sehr gut, weil ich auch anders bin. Wien ist meine Lieblingsstadt. Weltweit.

Am 25. Oktober spielst du in der Wiener Stadthalle – Heimspiel, Routine oder jedes Mal eine neue Herausforderung?

Alles andere als Routine – ich glaube, ich habe vor 18 Jahren das letzte Mal in der Stadthalle gespielt. Große Vorfreude also!

Ebenfalls – alles Gute und bis bald in der Stadthalle!

Hubert von Goisern: "In Österreich gibt es einfach nichts Vergleichbares"

OÖN 4. August 2012 | Text: Lukas Luger

Was steckt hinter dem Erfolg vom Hubert von Goisern?

Seit 45 Wochen steht Entwederundoder ununterbrochen in den österreichischen Charts, die Single Brenna tuat's guat hielt sich fünf Wochen auf Platz eins, dazu Dutzende ausverkaufte Konzerte zwischen Bern, München und Linz – Hubert von Goisern hat einen Lauf.

"Das ist ein Traum. Wir spielen heuer mehr als 100 Konzerte, fast ausschließlich in großen Locations. In Österreich gibt es einfach nichts Vergleichbares", sagt Bassist Helmut "Hell" Schartlmüller. Gemeinsam mit dem Ottnanger Alexander Pohn (Schlagzeug) und Gitarrist Severin Trogbacher aus St. Florian bei Linz bildet der Steyrer das musikalische Trio hinter Goiserns berühmtestem Sohn.

"Junge Musiker, die g'scheid draufdrücken können und Energie haben" – nach diesen Vorgaben hat Hubert von Goisern 2009 seine neue Band zusammengestellt. Ein Glücksgriff. Die Power-Akkorde des ursprünglich aus dem Jazz kommenden Trogbacher, das aggressive, dabei stets songdienliche Spiel Pohns und die rasanten Bassläufe "Hells" – wer weiß, ob die neuen Goisern- Songs auch ohne diese musikalische Frischzellenkur jene Breitenwirksamkeit entfaltet hätten?

Obwohl das Schreiben der Songtexte absolute Chefsache ist, lässt Hubert von Goisern beim Komponieren den drei Oberösterreichern viel Spielraum. "Er ist froh, wenn jeder im Proberaum seine Einflüsse einbringt. Und wir zahlen dieses Vertrauen zurück", sagt Alexander Pohn (35), privat ein Fan elektronischer Musik. Es gäbe keine genauen Vorgaben, nur eine ungefähre Richtung, die gemeinsam erarbeitet wird. Bassist Schartlmüller (47) ergänzt: "Aus dem Jammen heraus Songs entwickeln – für einen Musiker gibt's nichts Cooleres."

Der immense Erfolg von Brenna tuat's guat habe aber auch Zweifel geschürt, verrät der 29-jährige Trogbacher, der seit Jahren in Wien lebt: "Wir waren unsicher, ob nicht plötzlich ein Publikum zu den Auftritten kommt, dass nur wegen der einen Hit-Single da ist. So wie es dem Hubert damals massiv mit dem Hiatamadl gegangen ist." Ein Blick in die ersten Reihen bei den Auftaktkonzerten der Tour habe aber alle Bedenken zerstört. "Die Älteren sprechen vielleicht die teils sehr tiefsinnigen Texte an und der jüngeren Generation geht diese Mischung aus Rock- und Volksmusik leicht ins Ohr", versucht Drummer Pohn das "Hubert"-Phänomen zu erklären.

Wer von Goisern und seine Band live sehen will, muss sich beeilen. Die Brenna tuat's-Tournee läuft nur noch bis Dezember 2012. Dann ist vorerst Schluss. 2013 will sich Hubert von Goisern eine Auszeit nehmen. Hoffentlich keine allzu lange.

Die Band von Hubert von Goisern:

Helmut SchartlmüllerHelmut Schartlmüller (Bass)
Erst mit 14 begann der gebürtige Steyrer sich ernsthaft für Musik zu interessieren. Der Bass ist bis heute die erste Liebe des bekennenden "PC-Nerds" geblieben. Seine Rolle in der Band sieht der 47-Jährige, der gerne eine Tauchschule in Thailand eröffnen möchte, entspannt: "Der Bassist muss alles zusammenhalten und sich auch zurücknehmen, damit das Ganze funktioniert."

Alexander PohnAlexander Pohn (Schlagzeug)
"Und wenn ich ein Lied lang nur das Tamburin auf der 2 und der 4 spiele - der Song muss gut rüberkommen. Das ist das Einzige, was zählt", erklärt der 35-Jährige seine Musikmaxime. Sein Entschluss, Drummer zu werden, fiel bei einem Auftritt von Hubert von Goisern. "Das letzte Konzert mit den Alpinkatzen - da war ich mit 15 Jahren im Publikum und wusste: Das ist es!"

Severin TrogbacherSeverin Trogbacher (Gitarre)
Seit 2007 spielt der 1983 in St. Florian geborene Gitarrist in der Hubert-von-Goisern-Band. Vor allem das freie, intuitive Musizieren habe er von seinem Chef gelernt, so der Miles-Davis-Fan. "Der Hubert kümmert sich nicht um Regeln, nicht darum, was die Schulmusik lehrt. Er macht, was er fühlt und plötzlich kommen dann unglaublich komplexe Sachen dabei raus."

"Wenn mich das schwierig macht, dann soll's so sein"

Tiroler Tageszeitung 29. Juli 2012 | Text: Liane Pircher | Foto: Konrad Fersterer

Vorbehalte und Grenzen interessieren Hubert von Goisern nur insofern, als er sie überwinden will.
Das war schon immer so und bleibt so.

Hubert von Goisern

Hubert von Goisern hat gerade viel um die Ohren. Die aktuelle Brenna tuat's guat-Tour führt ihn durch Österreich, Deutschland und die Schweiz – sie ist ein Megaerfolg. Nur mit ganz viel Glück gehe sich ein Interviewtermin in Salzburg aus, sagte sein Pressesprecher. Knapp, aber doch ging es sich dann auch wirklich aus.

Sie stecken momentan mitten in Ihrer Konzerttournee. Ihren aktuellen Hit Brenna tuat's guat spielen Sie immer am Ende, obwohl die Leute ganz heiß darauf sind. Wollen Sie Ihr Gesamtwerk Entwederundoder nicht auf einen einzigen Hit reduzieren lassen?

Wir haben den Titel – aus einer Laune heraus – auch schon als zweite Nummer gespielt. Aber es hat keinen Grund gegeben, das beizubehalten. Man isst ja auch die Hauptspeise nicht vor der Suppe, und das hat nichts mit der Qualität der Suppe zu tun.

Bei Ihrem Song Hiatamadl kamen Sie irgendwann an den Punkt, an dem Sie ihn nicht mehr spielen wollten. Da konnte das Publikum kopfstehen. Haben Sie Angst davor, dass das mit der neuen Hymne wieder passieren könnte?

Davor ist man nie gefeit. Man kann sich von allem einen Grausen holen, indem man es übertreibt.

Brenna tuat's guat ist eher gesellschaftskritisch – es geht um Themen wie die Verbrennung von Lebensmitteln, den schnöden Mammon und die Geldkrise. Stört es Sie, wenn so ein Song in den Discos auf und ab gespielt wird und es die Leute dazu tuschen und krachen lassen?

Nein, das stört mich nicht. Ich finde es sogar großartig. Besser als depressiv oder wütend zu werden, ist es doch, die Krise durchzutanzen.

Sie waren schon immer einer, der den Mund aufgemacht hat, und in einem früheren TT-Interview sagten Sie: "Als Künstler hat man die Chance, sich einzumischen. Ich tu' das eben. Politik kann auch nicht nur den Politikern überlassen werden." Regen Sie momentan Verschwendung und Habgier am meisten auf?

Mich regt die Unverfrorenheit auf, mit der viele Politiker, Manager, Direktoren und Leute auf solchen Ebenen sechs-, sieben- oder noch höherstellige Beträge abzweigen und die auf private Konten im Ausland und an der Steuer vorbeilenken. Und mich regt die Unfähigkeit unserer Justiz auf, dieser Personen habhaft zu werden. Da schießt man sich lieber auf Jugendliche ein, die eine Hanfpflanze am Balkon stehen haben, oder auf Radfahrer, die sich verkehrswidrig verhalten. Schlimm ist auch die Vorbildwirkung. Es zerfrisst die Moral der ganzen Gesellschaft. Mich regt auch dieser ganze Glücksspielboom auf. Dass Wettbüros im öffentlich-rechtlichen Fernsehen werben dürfen, finde ich nicht in Ordnung. Ich bin nicht für ein Verbot. Für mich hat Glücksspiel ein ebenso großes Sucht-, Unglücks- und damit Zerstörungspotenzial wie Alkohol oder Nikotin. Das Zeug gehört aus der Werbung verbannt.

Apropos verbannt. Von Zeit zu Zeit hauen Sie gerne aus Österreich ab. Sie haben auch Seelenbrüder in fremden Kulturen, etwa den afrikanischen Künstler Mohamed Mounir. Was lieben Sie am meisten, wenn Sie unterwegs sind?

Ich bin ein neugieriger Mensch und ich setze mich gerne dem Unbekannten aus. Diesen Gefühlszustand mag ich. Und ich mag es, wenn ich davon inspiriert wieder heimkomme.

Gibt es ein Land, das Sie nie bereisen würden? Das Sie null interessiert?

Nein, eigentlich nicht. Aber generell kann ich sagen, dass es mich mehr in die Natur als in dicht besiedelte, zubetonierte Gebiete zieht.

Haben Sie in Ihrem Leben schon einmal mit dem Gedanken gespielt, fix auszuwandern, oder könnten Sie Österreich niemals den Rücken kehren? Und könnten Sie ohne Berge sein?

Im Prinzip bin ich schon zweimal so etwas wie ausgewandert (Anmerkung der Redaktion: Goisern lebte u. a. länger in Kanada und auch Südafrika) und habe insgesamt sieben meiner vielen Lebensjahre außerhalb Europas verbracht. Zurzeit fühle ich mich hier sehr wohl. Berge sind aber in der Tat etwas Wichtiges für mich. Ohne sie werde ich auf Dauer schwermütig.

Man hat den Eindruck, dass Ihnen das Traditionelle, das Heimische gleich nah ist wie die Liebe zum Exotischen. In Ihrer Musik sprengen Sie beides, um das Grenzenlose zu zeigen. Glauben Sie, dass sich dieses Spiel nur musikalisch so gut machen lässt?

Das ist schwer zu sagen. Alle Traditionen sind durch Abgrenzung entstanden. Sei es freiwillig oder durch geographische oder andere Umstände erzwungen. Ich bin selber in einem speziellen Kulturbiotop aufgewachsen, nämlich dem des Salzkammergutes. Dadurch habe ich ein Verständnis und eine Faszination für diese in sich geschlossenen Welten. Allerdings habe ich auch früh die Erkenntnis gewonnen, dass ich ein Wanderer zwischen den Welten bin und aus dem Grund habe ich Grenzen und vor allem Grenzkontrollen immer als schikanös empfunden. Denn alles hängt mit allem zusammen. Vorbehalte und Grenzen interessieren mich nur insofern, als ich sie überwinden möchte.

Als Jugendlicher sind Sie ja aus der örtlichen Blasmusikkapelle geflogen und sind dann in eine andere gewechselt. Sie waren im Dorf eher ein Rebell. Hat sich das Verhältnis zu Ihnen mit dem zunehmenden Erfolg als Musiker verändert?

Ich würde sagen, dass ich im Großen und Ganzen mit meiner Heimat Frieden geschlossen habe – und sie mit mir.

Sie schaffen es im Sound zwischen totaler Verinnerlichung (Trad) und Extrovertiertheit zu pendeln. Welchem Gefühlszustand sind Sie im Alltag näher? Gibt es da privat und beruflich viel Unterschied?

Ich glaube, auch mein Privatleben hat diese Bandbreite.

Ihr Sound muss sich ja seit zwanzig Jahren viele Beschreibungen gefallen lassen, mögen Sie noch als Erneuerer der Volksmusik bezeichnet werden?

Ich kann es nicht beurteilen, ob mein Schaffen dieses Prädikat rechtfertigt. Aber mein Ziel war – und ist es nach wie vor – neue Wege zu gehen.

Was steht eigentlich nach dieser Riesen-Konzerttour dieses Jahres am Plan? Man hört, dass Sie einen Roman schreiben wollen, stimmt das?

Das ist spekulativ – ich habe viele Träume und Ideen, da ich aber selber nicht weiß, wie's weitergeht, kann ich Ihnen darauf keine ehrliche Antwort geben.

Als ich mich auf das Interview vorbereitet habe, kam zufällig eine Freundin vorbei und als ich sagte, wer mein Interviewpartner sein wird, meinte sie: "Ein guter Typ, aber sicherlich ein schwieriger Mensch." Würden Sie so einem Satz zustimmen?

Ich weiß meistens, was ich will, oder zumindest was ich nicht will. Wenn mich das schwierig macht, soll's so sein. Aber ich denke, die Grenze des Un- bzw. Erträglichen liegt bei jedem Menschen woanders. Es ist wie mit dem Bergsteigen – für manche sind zwei Stunden Aufstieg schon zu viel oder der fünfte Schwierigkeitsgrad unüberwindlich. Bei anderen fängt es da erst an spannend zu werden. Wem ich zu anstrengend bin, die/der muss sich halt einen Einfacheren suchen.

Interview mit Hubert von Goisern

Mainpost 19. Juli 2012 | Text: Christoph Forsthoff

Ihr neuer Song I versteh di nit offenbart eine enge Beziehung zu Heiligen, obwohl Sie doch schon lange nicht mehr in der Kirche sind . . .

Das ist weniger eine Religion als religiöse Geschichten, auf die ich mich da beziehe. Ich finde es ganz wichtig, dass man nicht mit einem Gefühl von Omnipotenz durchs Leben geht, sondern eine gewisse Gelassenheit mit sich trägt. Und da kommt mir der Glaube zu Hilfe – und ich habe auch keine Scheu, eine Anrufung zu machen.

Und wen ruft Hubert von Goisern dann an?

Der klassische Heilige ist da der Heilige Antonius, der für das Wiederfinden von Verlorenem steht. Jeder kennt die Situation, dass man etwa einen Schlüssel sucht, und der ist einfach weg. Und irgendwann musst du loslassen, musst aufhören zu suchen und dich damit abfinden – was auch eine Art von finden ist –, dass es so ist.

Und dann?

Dann kann man einfach das Suchen dem Heiligen Antonius übergeben – und wenn es möglich ist, dann sorgt er dafür, dass du den Schlüssel findest. Einfach, weil du losgelassen hast und dein Blick offen ist für andere Stellen – denn die Dinge können sich verbergen. Letztlich ist das mehr Psychologie als Glaube, aber es hat natürlich auch etwas mit glauben zu tun.

Dann spielt die Religion also doch keine große Rolle in Ihrem Leben?

Nein. Wobei meine Lieblingsheilige die Heilige Rita ist: Die habe ich auch erst entdeckt im Zuge meiner Kompositionen und Textarbeiten, als ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe. Sie ist zuständig, das Unmögliche möglich zu machen – und das finde ich, ist das Optimale: Also, die sollte man sich merken (lacht).

Dennoch scheinen der Glaube und die Religion nach wie vor eine große Faszination, nicht zuletzt auch auf viele junge Menschen auszuüben – obwohl gleichzeitig immer mehr der sogenannten letzten Geheimnisse entschlüsselt werden. Wie kommt das?

Ich glaube, das ist kein Widerspruch, sondern das eine bedingt das andere. Gerade diese aktuelle Lage: Vieles ist gruselig, die ganze Finanzmarktsituation ist so etwas von prekär, und wir haben es ja in den letzten beiden Jahren erlebt, auf welcher Kippe das stand, bevor es mit Ach und Krach gerettet worden ist.

Wobei nach der vermeintlichen Rettung ja nun schon wieder die nächste Finanzkrise, die Eurokrise, da ist.

Und wir sehen die Entmündigung und Entmachtung der Politik, die sich einfach schulterzuckend den wirtschaftlichen Regeln unterwerfen muss, weil die offenbar global sind und die Politik immer nur eine regionale und nationale sein kann – und in solchen Situationen ein Stück Halt zu finden, einen Glauben, das finde ich nicht verkehrt.

Aber kann der Glaube wirklich weiterhelfen?

Religionen im Allgemeinen ermöglichen uns, ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Weg vom Ich, hin zu einem Gefühl, eingebettet zu sein in ein Kollektiv: Das ist der Hauptgrund, warum Leute sich zusammenfinden und gemeinsam auf einer Wiese zu einem weißen Punkt beten, der irgendwo weit entfernt auf einer Leinwand zu sehen ist.

Und wo finden Sie Halt?

Im Buddhismus gibt es das Bild vom kleinen und vom großen Fahrzeug – das kleine bringt dich zum Heil und zur Erleuchtung, das große bringt alle dorthin. Dieses Bild gefällt mir: Die Religion ist das Fahrzeug, aber nicht das Ziel. Es hat keinen Sinn, die Religion anzubeten: Ich glaube an Gott, aber ganz sicher nicht an die Kirche.

Hubert von Goisern über die Bühne als Heimat

Salzburger Nachrichten 11. Juli 2012 | Text: Bernhard Flieher | Fotos: SN/Wolfgang Lienbacher

Hubert von Goisern bespielt ab Mittwoch drei Mal hintereinander den Domplatz. Der Musiker im Gespräch mit den Salzburger Nachrichten über die Bühne als Heimat, schwere Zweifel und den öffentlichen Umgang mit einem Hit.

Hubert von Goisern

Drei Heimspiele auf dem Salzburger Domplatz, drei Mal ausverkauft: Der 59-jährige Hubert von Goisern befindet sich seit Monaten auf einer der umfangreichsten Tourneen seiner Karriere. "Schuld" daran ist auch sein Hit Brenna tuats guat.

Sie spielen in den nächsten Tagen drei ausverkaufte Konzerte in der Stadt, in der Sie daheim sind. Haben solche Auftritte einen besonderen Reiz?

Es ist stressiger, weil die Erwartungshaltung größer ist. Meine eigene - und ich habe das Gefühl, dass auch der kritische Blick und das kritische Ohr daheim größer sind als anderswo.

Welche Rolle spielt der Ort für die Qualität eines Auftritts?

Es gibt schon Orte, wo ich nicht mehr spielen mag, weil die Halle grindig ist oder die Akustik schlecht. Aber es gibt auch Orte, wo sich beim Spielen ein sehr heimatliches Gefühl breitmacht.

Und der Salzburger Domplatz?

Es ist eine unglaubliche Kulisse. Drei Mal Domplatz sind knapp 7000 Leute - da hätten wir ein Mal in der Salzburgarena auch spielen können. Aber ich wollte nicht dort spielen. Die Arena ist wie ein Symbol für die Zumutung, die es auf diesem Gebiet in Österreich gibt: Es gibt für Popmusik keine guten Hallen, nur diesen Allzweckteil in jeder Landeshauptstadt. Das ärgert mich. Da ist mir drei Mal Domplatz trotz des größeren organisatorischen und finanziellen Aufwands tausend Mal lieber.

Sie haben Ihre Musik immer weit hinaus getragen. Wie wichtig ist die Erfahrung des Fremden für die Rückkehr ins Bekannte?

In der Fremde, an Orten wie Ägypten oder Mali, habe ich auf der Bühne das Gefühl, es geht jetzt ums Leben. Das nimmt man mit.

Warum ist das so existenziell?

Wo einen keiner kennt, muss man die Leute ja tatsächlich gewinnen. Da gibt's keine Vorschusslorbeeren wie hier, wo man auf die Bühne geht und die Leute klatschen, weil sie sich freuen, dass du kommst. In der Fremde ist alles noch angespannter, noch unselbstverständlicher als hier.

Die Bühne ist nach all den Jahren immer noch ein Ort des Unselbstverständlichen?

Ja, es ist eine Ausnahmezeit, ein Fenster in einer Zeit, in der es nur ein Hier und Jetzt gibt. Da ist nichts, was dich daran denken lässt, dass du etwas vergessen hast, und schon gar nicht kommen Gedanken daran, was in Zukunft sein könnte.

Sie gehen also immer noch mit Verunsicherung raus ans Mikrofon?

Ja. Die Möglichkeit, dass es nicht gut geht, die ist immer da. Manchmal mehr, manchmal weniger - und ganz selten vergesse sich diese Möglichkeit.

Im Gepäck haben Sie einen Hit. Brenna tuats guat war auf Platz eins und in Radio-Dauereinsatz. Wie erklären Sie diesen Erfolg?

Ich habe keine Erklärung. Komischerweise hat sich für mich diese Nummer stark verändert, nachdem sie so oft gespielt wurde und Massenphänomen geworden ist. Da hörte ich sie anders. Ich habe den Song plötzlich als Hit gehört. Vorher hab ich nur die Fehler gehört und die Möglichkeiten, die ich ausgelassen habe, was ich besser hätte machen können, mir aber nicht eingefallen ist. Ich habe nur die Schwachstellen gehört. Kaum war's Nummer eins, waren die Schwachstellen weg. Diese Verschiebung der Wahrnehmung fand ich witzig.

Hubert von GoisernWoher kommt diese Verschiebung?

Die kommt wohl aus einer grundsätzlichen Unsicherheit. Einerseits prägt mich ein Gefühl der Unverwundbarkeit. Aber es gibt auch das andere Extrem, das Zweifeln und Zittern.

Wie groß ist denn die Gefahr, dass - wie einst beim Hiatamadl - viele nur wegen des eines Hit kommen?

Es kommen sicher Leute zu den Konzerten, die nur dieses kleine Segment meines Schaffens wahrnehmen und die gar nicht daran denken, dass sie bei einem Konzert durch ganz schön viel durch müssen, um dann den Hit zu hören.
Ich finde das lässig, dass da welche sozusagen in den falschen Film kommen. Denn sie müssen da auch in eine andere Welt tauchen, bevor sie das bekannt bekommen.

Haben Sie die Hoffnung, dass ein paar auch in dieser anderen Welt hängen bleiben?

Das Potenzial, etwas Neues zu erfassen und zu absorbieren, ist ja bei den meisten Menschen eh viel größer, als es von der Industrie kolportiert und auch gewünscht wird. Wenn man alles immer auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner eindampft, ist das am Ende halt quantitativ günstiger und lässt sich leicht verkaufen.

Wie ist das Glücksempfinden über Brenna tuats guat im Vergleich zum Hiatamadl vor genau 20 Jahren?

Ich habe 1994 ja aufgehört, weil ich wieder auf den Boden kommen wollte, den ich unter anderem durch einen Hit, das Hiatamadl, verloren hatte. Ich wollte wieder in den Zug einsteigen können und zweite Klasse fahren, einkaufen gehen, in ein Wirtshaus gehen, ohne dauernd das Gefühl zu haben, dass mich alle anstarren. Als nun wieder so ein Hit passierte, war das wieder ein Schritt zurück in diese Zeit.

War es schwer, damit umzugehen?

Ich habe den Vorteil, dass ich alles schon kannte. Damals hat mich das am linken Fuß erwischt, zwar freudvoll, aber eben auch mit totaler Überforderung. Ich ließ viel zu vieles zu und viel zu viel zu nahe an mich heran. Das gibt es nicht mehr.
Das Fiebrige ist schon wieder da und die Temperatur ist wieder gestiegen. Aber jetzt weiß ich, dass es gerade in so einer Situation heißt: Cool bleiben. Damals bin ich da hineingestürzt und ging verloren.

Aber Sie blieben nach dem Rückzug und erst recht nach Ihrer Rückkehr 2000 immer öffentliche Person.

Ich bin jetzt aber älter, habe eine über zwei Jahrzehnte dauernde Vita des Öffentlichseins. Ich bin kein No-Name mehr wie damals, rund um den die Gier nach Berührung, nach jeder Neuigkeit riesig war. Mittlerweile gibt es da so eine Art Respekt, eine Schwelle, die nicht mehr so leicht überschritten wird. Ich war damals weit volksnäher als jetzt. Ich will auch jetzt nicht volksfremd sein. Ich bin keiner, der sich hinter der Sonnenbrille versteckt und sich wichtig fühlt. Aber ich habe gelernt, wie man sich wie ein Indianer unerkannt in ein Fort einschleicht.

Der Domplatz beherbergt mit dem Jedermann ein österreichisches Kulturgut. Wo sehen Sie denn nach 20 Jahren Karriere Ihren Platz in der Kulturlandschaft des Landes?

(denkt lang nach) Da kann ich nichts sagen, was man nicht gegen mich verwenden könnte.

Zwischen Berg und Bühne

Auto Touring Juli/August 2012 | Text: Christoph Löger | Foto: Heinz Henninger

Hubert von Goisern über das Reisen und warum es wichtig ist, einen Korkenzieher dabei zu haben.

Hubert von GoisernViele Leute sagen, sie können mit Volksmusik nichts anfangen, meinen dabei aber den volkstümlichen Schlager. Stört es dich, dass das ständig verwechselt wird?

Ich kenne gar nicht viele, die das verwechseln. Das liegt wahrscheinlich an meinem Bekanntenkreis. Ich verstehe aber, wenn man so Heimattümelndes ablehnt. Egal, ob das jetzt musikalischer Natur ist, man Kitsch-Postkarten meint oder auch das Gewand. Im Radio zum Beispiel wird ja kaum echte Volksmusik gespielt, da ist das meiste schon eher Schlager.

Du bist viel herum gekommen, hast in Südafrika und in Kanada gelebt. Wie wichtig ist es für dich, unterwegs zu sein?

Es ist perfekt, um jegliche Routine zu unterbrechen. Wenn du nicht weißt, was hinter der nächsten Kurve wartet, musst du die ja schon ganz anders anfahren als wenn du weißt, dass dahinter ein Graben ist. Ich brauche aber beides - einerseits das Daheimsein, meine Freunde, meine vertrauten Berge. Und andererseits das Wegfahren. Eigentlich fahre ich ja nie weg, sondern immer irgendwo hin.

Ist die Umstellung schwierig, wenn es von daheim wieder auf Tour geht?

Das Abnabeln von zuhause ist jedesmal wieder eine Aufgabe. Rein in den Bus, in die Schlafkoje, das ist schon Rock 'n' Roll. Ich habe von uns allen den kleinsten Koffer, das hat schon J.J. Cale besungen - "Travellin' light is the only way to go" (lacht). Heimkommen bedeutet dann wieder Integrieren in die Familie. Wenn man nicht da ist, stellen die sich ja auch um und leben ohne den Hubert. Bin ich wieder da, ist mein Platz besetzt, den muss ich dann wieder zurück erobern. Da gehen wir zwei Tage lang behutsamer miteinander um. Sie lassen mich langsam ankommen, und ich schärfe meinen Blick fürs integrative Leben daheim und lass mich nicht so treiben wie auf Tour. Da passiert ja ganz wenig außer Schlafen, Essen, Soundcheck und Bühne.

Was ist immer in deinem kleinen Koffer?

Ein Buch, ein Taschenmesser mit Korkenzieher, damit man den Stoppel nicht hineindrücken muss, wenn irgendwo einmal eine gute Flasche Wein passiert, und eine Stirnlampe. Die ist praktisch, wenn wir wo hinkommen, wo der Veranstalter vergessen hat, uns für die Nacht ein Stromkabel zum Tourbus zu legen.

Glaubst du, dass die Menschen durch den einfachen Zugang zum Reisen heutzutage toleranter werden in Bezug auf anderen Kulturen?

Ich glaube, dass man entspannter wird. Denk an Afrika oder Grönland: Würden wir dort so tun, wie wir in Österreich tun, würden wir nicht überleben. Wenn man sich das bewusst macht, bildet man sich auch weniger auf die Lebensweise ein, die man sich angeeignet hat.

Hat sich am Reisen in den letzten Jahren etwas verändert?

Es ist selbstverständlicher geworden. Der Höhepunkt an individueller Freiheit und Mobilität ist aber überschritten. Wegen der ganzen Katastrophen, der Erderwärmung, der Spritpreise. Ich finde es ja absurd, dass so viele Güter, die es auch regional gäbe, quer durch Europa transportiert werden. Ich habe nix dagegen, dass es ein Vorarlberger Bier gibt, aber warum muss ich es in Wien trinken können? Ich will sowas nicht verbieten, aber es stört mich. Gäbe es diese gestützten Warentransporte nicht, würde sich Mobilität auf die wirklichen Herzensangelegenheiten der Menschen beschränken.

Du spielst am 14. Juli am Red Bull Ring in Spielberg. Wie passt das zum Naturmenschen Hubert von Goisern?

Ich mag ja Motorsport. Ich schau gern Formel 1, schlaf auch gern dabei ein (lacht). Das ist die entspannendste Sonntagsbeschäftigung überhaupt. Und ich habe auch eine PlayStation, auf der ich "Gran Turismo", das Autorennen-Spiel, spiele. Dafür habe ich mir extra selber eine Kiste gebaut mit Schalensitz, Pedalen und Lenkrad. Die hab ich sogar auf Tour mitgehabt. Ich würde auch wahnsinnig gern einmal mit so einem KTM X-Bow über den Ring brettern. Ansonsten bin ich aber kein schneller Fahrer, eher ein Genießer.

Hand aufs Herz: Wär's dir manchmal lieber, du hättest das Hiatamadl nie geschrieben?

Nein, nie. Ich spiel es zwar nicht bei jedem Konzert, aber wenn wir es tun, taugt's mir irrsinnig. Es ist ja eine Nummer, die ordentlich fährt. Sie ist nur irgendwann im Radio so zu Tode gespielt worden, dass mir selber schlecht geworden ist, wenn ich sie gehört habe. Aber ich hab keine Ahnung, wie mein Leben ohne Hiatamadl verlaufen wäre, insofern bin ich dankbar. Wir haben unseren gemeinsamen Frieden gefunden, denk ich.

Alpenrock zwischen Poesie und Provokation

Saarbrücker Zeitung 14. Juni 2012 | Text: Adrian Froschauer

Im Rahmen seiner Brenna Tuat's Tour 2012 gibt der Österreicher Hubert von Goisern am Freitag, 20. Juli, ein Open-Air-Konzert am Strandbad des Stausees Losheim. Ab 20 Uhr tritt er auf mit seiner Ziehharmonika und mit seiner jungen Band, die nur noch aus Schlagzeug, Bass und Gitarre besteht, und präsentiert auch die Lieder seinen neuesten Albums Entwederundoder. Die neuen Lieder - wie der Hit Brenna tuat's guat - sind alpin angehauchte Rocksongs, die Inspiration aus Weltmusik, Jazz und Klassik und im Gegensatz zu früheren, fast orchestralen Werken, radikal reduziert wirken. SZ-Mitarbeiter Adrian Froschauer hat mit dem österreichischen Musiker gesprochen.

Ihr jüngstes und bisher erfolgreichstes Album trägt den Titel EntwederUndOder. Was hat es mit dem Titel auf sich?

Es geht mir gegen den Strich, Erklärungen meiner Lieder oder Titel zu geben. Es muss für den Zuhörer auch noch was zu tun sein. Es geht darum, die Fantasie anzuregen, nicht Erklärungen abzuliefern.

Dieses Jahr gewannen Sie mit EntwederUndOder einen Amadeus-Award in der Kategorie "Bestes Album". In Deutschland würde wahrscheinlich leider niemand mit "Alpenrock" einen Popmusik-Preis abräumen können. Sind die Österreicher offener für verschiedene Musikrichtungen, oder woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen?

"Alpenrock" ist eine Schublade; mein musikalisches Leben findet im freien Raum statt. Rockmusik ist eine der Quellen, die mich speisen, andere sind Blues, Jazz, Klassik, Romantik, Barock, aber auch außereuropäische Traditionen. Dass die Österreicher generell offener sind, würde ich nicht behaupten. Aber Österreich ist nicht Deutschland, und das ist gut so. Außer der so genannten Industrie hat doch niemand Interesse an normiertem Verhalten.

Was begeistert Sie besonders an traditioneller Folklore, und was an moderner Rockmusik?

Aus irgend einer Quelle muss sich jeder Kreative speisen. Es hat keinen Sinn, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Ich studiere die Traditionen - Rock ist ja auch "nur" eine Tradition - weil sie Geschichte transportieren. Sich damit kritisch auseinanderzusetzen, ist spannend und inspirativ.

Sie verbinden, wie gesagt, alpine Volksmusik nicht nur mit Rock-Klängen, sondern auch mit Reggae, Jazz, afrikanischen und südamerikanischen Einflüssen. Ist eines dieser Experimente schon mal schiefgegangen? Gibt es eine Mischung, die partout nicht funktionieren will?

Komponieren ist vor allem - wie das Wort schon sagt - Zusammensetzen. Und das ist eine persönliche Frage. Die beteiligten Personen bestimmen die Verhältnisse; es sind nie die Inhalte selbst, die sich weigern, in Verbindung gebracht zu werden, sondern Menschen, die sich als Gralshüter verstehen. Aber auch die muss es geben.

Sie waren auch schon selbst in Afrika und Asien unterwegs und musizierten mit Einheimischen. Wie nahmen Angehörige einer vollkommen anderen Kultur den jodelnden Österreicher auf?

Das Jodeln gibt es in vielen verschiedenen Kulturkreisen. So fremd klingt es auch in Afrika und Asien gar nicht. Eigentlich wurden wir immer sehr herzlich und neugierig aufgenommen. Musik hat etwas Verbindendes. Gegenseitiges Zuhören ist die Grundlage einer Begegnung, und Musik schafft das - denn Musik ist eine ideologiefreie Zone.

Sie spielen Gitarre, Klavier, Ziehharmonika, Trompete, Mundharmonika, Klarinette und wahrscheinlich noch viele andere Instrumente. Bevorzugen Sie eines beim Komponieren?

Nein, ich komponiere vieles auch ganz ohne Instrument - nur im Kopf.

Ihre Texte sind häufig politisch oder gesellschaftskritisch, wie zum Beispiel der Nummer-Eins-Hit Brenna tuat's guat, der unter anderem von der Finanzkrise handelt. Kann Musik, oder Kunst im Allgemeinen, Ihrer Meinung nach etwas verändern?

Wenn ich mit meinen Liedern die Aufmerksamkeit auf Themen lenken kann, die ich als spannend empfinde, freut mich das.

Österreich hat sich dieses Jahr leider nicht für die Fußball-Europameisterschaft qualifizieren können. Wird es trotzdem wieder eine Aktion wie vor zwei Jahren geben, als Sie während der WM Ihre Single Rotz und Wasser kostenlos zum Download anboten?

Ja, das ist eine gute Idee. Ich rufe gleich meine "Webmistress" an - mein Webmaster ist eine Frau.