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ENTWEDERUNDODER

Soundcheck

HR info 14. September 2011 | Text: Dirk Leukroth

"Entweder und oder" von Hubert von Goisern

Hubert von Goisern ist Österreicher und seit jeher Suchender in Sachen Musik. Seit über 30 Jahren schon bereist er die Welt und jedes Mal hat er frische Ideen im Gepäck. Sein bisher größtes Projekt war die Linz Europa Tour 2007-2009.

Da war er mit einem Frachtschiff unterwegs, das zu einer Bühne umgebaut war, es gab mehr als 20 Hafen-Konzerte. Nun ist er mit einer einfachen Rockformation ins Studio gegangen. Heraus kam das brandaktuelle Album Entweder und oder. Hubert von Goisern ist ein Mann entgegen allen Klischees. Zwar ist er ein Weltenbummler in Sachen Musik, aber trotzdem hat er nie seine Heimat Österreich verleugnet, warum auch?

"Ich habe eine Handvoll Freunde zu Hause, wo ich mich jedes Mal sehr, sehr freue, wenn wir Zeit finden – ich mag den Geruch, die Silhouette der Berge, die mich umgeben, die ich kenne, die ich alle bestiegen habe. Da ist eine Vertrautheit da und auch eine Gelassenheit, die mir guttut, wo ich Kraft schöpfe."

Kraft – zum Beispiel ins Studio zu gehen und eine ganz straighte Platte namens Entweder und oder aufzunehmen, die mich wirklich im positiven Sinne umgehauen hat.

"Ich mag Naivität, kann was damit anfangen..."

Großartiger Rock und Blues - beides ist zu hören auf Entweder und oder mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und nicht zu vergessen, der ganz spezielle von-Goisernsche Einschlag. Mit Ziehharmonika, expressivem Gesang und viel Lust am Experimentieren, was Stilistiken angeht.

"Wenn ich mir vorher schon denk, wenn ich das mache, dann klappt das auch – dann muss ich zugeben: das interessiert mich nicht! Ich wollte einfache Lieder schreiben und habe festgestellt, das ist noch viel komplizierter als komplizierte Musik zu machen. Weil man einfach diesen Grad erwischen muss zur Naivität. Ich mag Naivität, kann was damit anfangen, aber es ist dann immer nur ein winzig kleiner Schritt oder eine Gewichtsverlagerung und dann wird´s klebrig."

Dieser Gefahr ist er entgangen. Hubert von Goisern hat einfach ein untrügliches Gespür dafür, wo musikalische Trennlinien verlaufen und wo es Sinn macht, einen Grenzübertritt zu wagen. Bei dem Liebeslied an eine Frau namens Heidi als Reggae im Dreiviertel-Takt, da hatte sogar seine Band hier und da Bauchschmerzen.

"Ich hab ihnen dann aber gesagt, das passt schon so! Das ist ein Klischee ganz klar! Aber mit dem möchte ich auch spielen und nicht so tun als sei alles bier- oder schnapsernst."

Der hohe Spaßfaktor ist mir und dem Hörer gewiss auf dem Album Entweder und oder. Kreativ ist nicht nur die Musik, sondern sind auch die Texte – drastisch und poetisch zugleich, auch gesellschaftskritisch. Zum Beispiel, wenn es um unsere Geldverliebtheit geht. Und wenn Sie noch Zweifel haben wegen des Dialekts - wir haben BAP in reinstem Kölsch liebgewonnen und uns an Ina Müllers Lieder "op Platt" gewöhnt. Nun gehört Hubert von Goisern mit Entweder und oder erst recht in Ihr CD-Regal.

Hubert von Goisern und die Brandstifter

Der Westen 15. September 2011 | Text: Susanne Schramm | Foto: Thomas Brill
Hubert von Goisern

Köln. Der ehemalige Alpinkater Hubert von Goisern geht mit neuer CD, zornigen Texten und kleinem Besteck auf Tour. Susanne Schramm traf ihn in Köln, wo er über den Kern seiner Lieder, seine Abneigung gegen Kompromisse und die gemeine Spielgeilheit sprach.

Sieht so ein Brandstifter aus? Zur Kniebundhose trägt Hubert von Goisern Flip-Flops, das Gesicht ist braun gebrannt, und die Haare mögen weder Kamm noch Schere. Ein ganzes Jahr hat er jetzt durchgearbeitet, seine neue CD Entwederundoder ist gerade erschienen, ab Mitte Januar 2012 geht er damit auf Tour. "So zwei, drei Tage würde ich mich gerne irgendwo hinlegen, wo's warm ist", sagt der 58-Jährige und nippt an seinem Espresso, "dann heimfahren, nicht wieder arbeiten, aber etwas tun. Bergsteigen, Freunde besuchen, lesen."

"Brenna tuats gut"

Mit ihrer Mischung aus Mundart-Rap, Südstaaten-Gitarren und Kuhglocken-Ska, zwischen Folklore, Blues, Reggae, Jazz, Swing und Walzerjodlern klingt die neue CD wie eine Wundertüte. Das erste Stück Brenna tuats guat hat einige Radiostationen verschreckt: "Denen war das zu kritisch. Die haben gesagt, dass ist ein Aufruf zur Gewalt, dass man die Banken anzünden soll. Es ist schon ein sehr zorniges Lied. Lebensmittel wie Mais und Rüben werden verbrannt, aber das, was man nicht essen kann, aber richtig gut brennen würde, das Geld, das verbrennt man nicht."

"Das ist Rock'n'Roll"

Nach der üppig instrumentierten Linz Europa Tour auf der von Goisern zwei Jahre mit Freunden unterwegs war, setzt er jetzt wieder auf kleines Besteck. CD und Tour kommen mit Ziehharmonika, Schlagzeug, Bass und Gitarre aus: "Wenn man mit so vielen Leuten zusammen Musik macht, dann kann das manchmal sehr kompliziert sein. Jetzt, zu viert, sind wir so eine Art musikalische Guerillatruppe. Einer von uns schert in die ein oder andere Richtung aus und zusammen gehen wir mit oder nicht. Nur mit Jungs zu spielen, das ist Rock'n'Roll." Er setzt klar auf das "Weniger ist mehr"-Prinzip: "Ich hatte das schon lange im Kopf, ich dachte an die American Recordings von Johnny Cash, sehr reduziert, sehr wenige Töne. Ich wollte den Kern der Lieder herausarbeiten. Bis jetzt habe ich nach was ganz 'uniquem' gesucht, nach neuen, anderen Tönen. Ich dachte mir, ich mach's ganz einfach, an der Grenze zur Naivität."

Des Lebens straff gespannte Saite

Schon vor Veröffentlichung der CD hat er sie mit seinen drei Jungs live gespielt, in alten Wirtshäusern in Österreich: "Ich wollte das unbedingt. Ich war so spielgeil, dass ich nicht bis zum Herbst warten wollte." Dass Entwederundoder, sowohl was den Titel angeht als auch die stilistische Mischung, ein Kompromiss ist, mag der Ex-Alpinkater nicht gelten lassen: "Ich halte nichts von Kompromissen, obwohl sie manchmal notwendig sind. Musik, das ist für mich das Leben, das sich zwischen zwei Polen abspielt. Wenn man da in der Mitte ist, ist alles sehr erleuchtet, aber in dem Zustand braucht man das Leben gar nicht mehr. Du bist dann sehr erhaben und weg von den eigentlich wichtigen Dingen. So lange ich lebe, will, und muss ich, mit dem Leben spielen. Das Leben ist die straff gespannte Saite, auf der ich die Obertöne spüren kann."

"Ich brenne gern mit großer Flamme"

Morgenmagazin 15. September 2011 | Text: Jörg-Peter Klotz

Hubert von Goisern über die Schwierigkeit der Einfachheit, über Kapitalismus und seinen Deal mit dem Teufel

"Hubert von Goisern hat seiner Musik das Fell abgezogen", heißt es im Beipackzettel zum gerade erschienenen Soloalbum EntwederundOder. Das klingt nach der opulent inszenierten zweijährigen Weltmusik-Tournee auf der Donau und dem etwas experimentelleren Album S'nix (2008) tatsächlich deutlich reduzierter, aber nicht weniger spannend. Wir sprachen mit dem 58-Jährigen, der das Werk mit seiner auf Schlagzeug, Bass und Gitarre abgespeckten Band am Donnerstag, 19. April, live im Mannheimer Rosengarten vorstellen wird.

"Anything goes" oder das einzig Wahre - ist der Albumtitel EntwederundOder besonders radikal oder ganz kompromissbereit gemeint?

Es ist so gemeint, dass ich im Leben diese beiden Pole brauche. Es geht sich nicht aus, wenn ich mich für das eine oder andere Extrem entscheiden muss - schon gar nicht künstlerisch. Nehmen wir in der Musik Tradition und Moderne - da brauche ich das Spannungsfeld dazwischen.

Sie agieren auf EntwederundOder stilistisch noch angloamerikanischer und weniger alpinkätzisch als zuletzt ...

Das ist dem geschuldet, dass ich zuletzt vier Jahre lang in der Opulenz musiziert und gelebt habe. Die Linz-Europa-Tournee auf der Donau war in der Form aber nur möglich, weil ich mich selbst sehr zurückgenommen habe - ich war da ja mehr Impresario als Frontmann. Dadurch, dass ich meine musikalischen Gäste voll zur Geltung bringen wollte, wurde ich etwas ausgebremst und habe mich gefreut, selbst wieder mehr zu machen. Dadurch war schnell klar, dass ich die Band reduzieren und mehr Transparenz im Sound haben wollte, nicht mehr das bunte Opulente. Ich habe dann gut ein Jahr nachgedacht, bis ich ein klares Bild vom Gesamteindruck des neuen Albums hatte. Da bin ich dann erschrocken ...

Weil so "einfache, ja manchmal fast naive Lieder" bei Ihnen angeklopft hätten, wie Sie das selbst beschreiben. War das ein Gefühl Marke "Die Geister, die ich rief"?

Genau. Das musste ich erst mal auf die Reihe kriegen, nichts zu verzieren oder aufzublähen. Vom Schiff aus mussten wir ja ganze Städte oder Landschaften beschallen. Es einfach zu halten, ist ja letztlich viel komplizierter, und man macht sich angreifbarer.

Letztlich klingt vieles nach guter US-Singer-Songwriter-Tradition Marke John Hiatt - zwischen Rock, Blues, Jazz und überraschenderweise etwas Country.

Das hat mich bei der reduzierten Produktionsweise nicht so sehr überrascht. Den tiefen Teller neu zu erfinden, das funktioniert nicht. Komponieren heißt ja auch, Dinge zusammensetzen. Dabei schöpft man zwangsläufig aus der Tradition. Ich selbst bin ja nur zum Teil durch die alpine Musik geprägt und auch mit Blues, Jazz oder Rockmusik aufgewachsen. Nur bei den Country-Sounds bin ich wieder etwas erschrocken. Da gibt es ja Licht und viel Schatten. Manche Vertreter des Genres würden beim Musikantenstadl noch einen draufsetzen, aber es existieren auch richtige Henker. Letztere haben mich sehr interessiert. Spannend war dann, den Claim so eng wie möglich zu stecken.

In Deutschland haben Sie mit Bands wie LaBrassBanda, Stefan Dettl und Co. quasi musikalische Jünger gefunden. Freut Sie das?

Ich find's großartig, dass solche Sachen passieren. Weil da ein Schwung drin ist ... Aber das gab's in den 90ern auch, als ich noch mit den Alpinkatzen umtriebig war. Das ist halt so, Fußballmannschaften blühen auch keine 20 Jahre lang. Aber gut, dass wieder Leute danach suchen, was in ihrer eigenen musikalischen Tradition noch gültig sein und die Leute berühren könnte. Musik ist ja wie ein Zauber.

Sie sind einer der politischsten Musiker Österreichs, verzweifeln Sie gerade an der Welt, die an allen Ecken brennt und für deren Probleme es keine Lösungen zu geben scheint? Dagegen kann man doch kaum noch musikalisch anzaubern, oder?

Es stimmt ja nicht, dass es keine Lösungen geben würde. Die sind bekannt. Erschreckend ist nur, dass sie nicht umgesetzt werden. Da ist der Schmerz wohl noch nicht groß genug. Aber ich mag keine politische Musik. Als Politiker müsste man direkt sprechen, als Künstler ganz und gar nicht. Unser Zauber soll ja utopische Bilder schaffen, die Lust und Mut machen, neue Wege zu gehen. Ich fände es kontraproduktiv, mit Musik irgendwelche Botschaften zu verbreiten, selbst in Zwischentönen geht das in der Kunst nicht.

Dann würden Sie den jungen Bob Dylan unkünstlerisch nennen - oder naiv?

Naivität entschuldigt sehr viel. Der Verlust der Naivität ist das Einzige, das mich am Älterwerden stört ... Du hast diese Ausrede nicht mehr.

Welche Lösung sehen Sie denn für die diversen Finanzkrisen?

Was mich stört, ist, dass Geld die wichtigste Ware geworden ist. Das ist absurd. Auch dass Geld Geld verdient. Ich sehe es als Form von Energie. Wenn das Geld nicht fließt, ist es nichts wert. Das Anhäufen von Reichtum ist also kontraproduktiv. Wir leben in einer Welt, die über sich alles weiß - auch, dass unser Überfluss auf Kosten anderer geht. Das auszusprechen braucht Mut, der den meisten Politikern leider fehlt.

Ihr Opener Brenna tuats guat klingt, als wollten Sie den Kapitalismus zum Teufel jagen - oder zumindest dahin, wo er seine Kinder kriegt ...

(lächelt) Von da kommt er ja, er ist ein Kind des Teufels. Aber auch einer der notwendigen Pole, die Spannung ins Leben bringen. Das merkt man, wenn man sich dieser Bilder bedient. Ich glaube aber, dass auch ich eine Beziehung zum Teufel habe.

Aha, klingt fast wie der alte Delta-Blues-Mann Robert Johnson, der einen Deal mit dem Teufel eingegangen ist, um besser spielen zu können ...

Ich weiß nicht, wie er genau aussieht, aber ich glaube, ich bin auch so einen Deal eingegangen. In einem traumhaften, unbeobachteten Moment. Dabei geht es eher um Abgründe und vor allem die Höhe des Erfolges, die mitunter etwas Schwindelerregendes hat. Aber ich bin guten Mutes, dass ich ihm ein Bein stellen kann, habe aber auch ein Gefühl der Buße.

Ein großes Wort ... Sind Sie gläubig?

Ja, aber nicht religiös. Ich werde oft gefragt, warum ich nicht Buddhist werde. Da käme ich aber vom Regen in die Traufe. Alle Religionen haben etwas Ausschließendes, das mag ich nicht.

Vor wem legen Sie dann Buße ab - sich selbst?

In erster Linie, ja, das gebe ich zu. Das Leben ist wie eine Flamme - und ich brenne gern mit großer Flamme, glühe nicht nur vor mich hin. Das kostet Energie und geht nicht ohne Verlust ab. Deshalb brauche ich auch Auszeiten.

Von der Alm in die Welt und zurück

Augsburger Allgemeine 3. September 2011 | Text: Henning Richter

Hubert von Goisern"Es ist einfacher, kompliziert zu sein, jedoch kompliziert, sich einfach auszudrücken", schreibt Hubert von Goisern im Begleittext seines neuen Albums Entwederundoder. Der österreichische Weltmusiker widmet sich wieder den vermeintlich einfachen Klängen.

"Ein Teil der neuen Songs ist sehr rockig, aber es sind auch Country, Blues und andere Töne dabei, die nichts mit diesen Genres zu tun haben", sagt er. Während von Goisern auf den Vorläufer-Alben komplexe Instrumentierungen einsetzte, ist er heute Teil eines kleinen, dynamischen Quartetts. "Wir sind sehr beweglich! Ich sag immer, wir sind eine musikalische Guerilla-Einheit. Es macht Riesenspaß, so auf der Bühne zu stehen", schwärmt er.

Immer mal wieder erinnert die aktuelle CD an den bodenständigen Mundart-Rock, den der Mann aus dem Salzkammergut zwischen 1984 und 1994 mit den Alpinkatzen machte. Der Entschluss, wieder mit kleinem
Rock-'n'-Roll-Besteck zu arbeiten, ist seine Reaktion auf die aufwendige Produktion seines letzten Werks S'Nix (2008). Die Produktion war eine Folge seiner Fluss-Tournee, die der wagemutige Musiker mit Freunden auf einer zum Konzertschiff umgebauten Transport-Barge unternahm. "Es war alles riesenhaft. Wir haben keine Clubs beschallt, sondern Landschaften. Ich hab' mich eher als Impressario denn als Frontmann gefühlt", sagt er zu den Schiffskonzerten, für die große Bildschirme und Lautsprecheranlagen nötig waren.

Dafür geht's jetzt also wieder zurück zum bodenständigen Goisern. Und seine Mischung aus Volksmusik und Rock 'n' Roll gefällt ja sogar den Traditionalisten. "Am Anfang gab es Leute, die haben angesichts meiner Musik Schaum vorm Mund bekommen. Etwas Gegenwehr ist aber auch spannend. Aber es gibt auch Leute, die früher erbitterte Gegner von mir waren und mich heute mögen", sagt von Goisern.

In den Texten von Entwederundoder behandelt er einen Reigen verschiedener Themen. Für Indianer beschäftigt er sich mit dem Klischee des "edlen Wilden". "Einmal kam ich mit einer Riesenwunde nach einem Sturz vom Fahrrad zu meinen Eltern. Sie meinten, ich müsse zum Doktor, doch ich sagte: 'Indianer kennen keinen Schmerz.' Darauf meinte mein Vater: 'Deswegen sind sie ausgestorben.'" In Halt nit an geht es über das Unterwegssein, ein Lied für's Lagerfeuer. In Heidi spielt er erneut mit einem Klischee. Es ist ein JodelRocker, der die Liebe auf der Alm wie im Heimatfilm beschreibt.

Vor Kurzem machte von Goisern mit seiner Rockband eine Tournee durch die Gasthäuser seiner Region. Dabei habe es sich um einen kulturellen Rücktransfer gehandelt, so von Goisern. "Nachdem wir die Volksmusik in die Städte gebracht haben, brachten wir sie nun – angereichert mit Urbanität und dem Atem der Ferne – wieder an ihre Ursprünge zurück."

"Musi" auf dem Dorf

Deutsche Welle 14. September 2011 | Text: Suzanne Cords

HvG & BandEr ist Volksmusik-Revoluzzer, Alpenrocker und manchmal auch Weltmusiker. Jetzt hat Hubert von Goisern sich auf die Fahne geschrieben, die vom Aussterben bedrohten Wirtshausbühnen auf dem Land zu retten.

Lange Jahre ist er rund um die Welt gereist, zuletzt schipperte er mit einem zur Bühne umgebauten Frachtschiff Donau und Rhein hinunter und gab Hafenkonzerte. Dann zog sich der Österreicher Hubert von Goisern in sein Salzburger Studio zurück und komponierte für seine brandneue Scheibe Entweder Und Oder kurze und knackige Songs, in denen viel Heimatgefühl mitschwingt.

Auf dem letzten Album S'Nix hatte er noch die Erfahrungen seiner Schiffreise in epischen Stücken verarbeitet, dagegen kommt das neue Werk geradezu minimalistisch daher. Eine logische Entwicklung, findet der Alpenrocker, es sei quasi ein Pendelschlag in die andere Richtung. "Nach dieser großen Tournee hab ich mir das Ziel gesetzt, eher Miniaturen zu komponieren", sagt er. "Was wir auf dem Schiff gemacht  haben, war von der Größe her nicht zu toppen - es sei denn, ich hätte was mit Kammerorchester oder Symphonieorchester gemacht."

Naturbursche mit Exotik im Blut

Doch ein immer "größer und lauter", wie er sagt, reizte den Musiker so gar nicht, stattdessen präsentiert Hubert von Goisern Stücke, die man alle ganz ohne Orchester nur mit Gitarre oder Ziehharmonika vortragen kann. Konsequent hat er seine Band halbiert und auch das Keyboard entsorgt. Weil das immer so nach Orchester klinge, findet er: "Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe, mich inhaltlich und auch vom Klang her so zu verschlanken, aber ich denke mal, es ist ganz gut geglückt."

Schon mit dem Eröffnungsstück Brenna tuats guat macht Hubert von Goisern von Anfang an klar, dass das alpine Feuer seiner Jugend immer noch in ihm brennt. Kraftvoll und rockig gibt er den verwegenen Naturburschen, der es auch mit dem Teufel aufnimmt.

Heidi mag Reggae

Goisern wäre allerdings nicht Goisern, wenn er seine alpenländischen Klänge nicht mit exotischen Einsprengseln garnieren würde. Auch auf seinem 18. Album ist er sich da treu geblieben und liefert den typischen Goisern-Mix ab. Da mag die Alpen-Heidi offenbar Reggae, und beim Stück Indianer mischen sich Kuhglocken unter den Gitarrensound.

Der inzwischen fast 60-jährige von Goisern war schon immer fasziniert von den unterschiedlichen und oft exotischen Klängen rund um den Globus. "Ich bringe natürlich auch musikalische Erinnerungen von meinen Reisen mit", bestätigt er, "aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich die dann bewusst in meine Kompositionen einbaue." So sehr sind Hubert von Goisern die fremdartigen Rhythmen in Fleisch und Blut übergangen, dass sie während des kreativen Prozesses automatisch bei ihm anklopfen. "Wenn ich einen bestimmten Sound brauche, denke ich nicht darüber nach, wie würden die das in Trinidad machen oder in Tansania, sondern dann schöpfe ich einfach aus meinem musikalischen Gedächtnis", lacht er.

Weg vom kulturellen Mief

Seine musikalische Karriere begann der Alpenrocker als Hubert Achleitner in seinem Heimatdorf im Salzkammergut als Trompeter in einer Blasmusikkapelle - wo er allerdings rausflog, weil erstens seine langen Haare missfielen und er zweitens zu viel am Repertoire herummäkelte. Also floh Hubert vor dem kulturellen Mief seiner Heimatregion nach Afrika, Kanada und auf die Philippinen und nahm den Namen seines Dorfes mit, fortan nannte er sich von Goisern.

Das Reisen gebe ihm die Möglichkeit, sich selber neu zu entdecken, ist er überzeugt: "Wenn man in einer vertrauten Umgebung ist, dann bewegt man sich sehr routinemäßig durchs Leben. Wenn man aber niemanden kennt, die Sprache nicht beherrscht und nicht weiß, was ums nächste Eck ist, dann schärft das die Sinne."

Mit der Spitzhacke

Zurück in Österreich wurde Hubert von Goisern dann mit der Band Alpinkatzen, seinem Akkordeon und unvergesslichen Liedern in goiserischer Mundart berühmt. Er hatte sich vorgenommen, die Tradition auseinanderzunehmen und ja, auch kaputtzumachen, sagt er. "Die Traditionsbewahrer sollten spüren, dass da jetzt einer mit der Spitzhacke reinfährt. Es war eigentlich ein heiliger Zorn, der mich dazu bewogen hat, mich damit so auseinanderzusetzen, weil mir dieses Getümmel und dieses ewig Gestrige einfach auf den Geist gegangen ist."

Längst haben sich die Wogen geglättet, von Goisern ist etabliert. Seine innere Kraft für immer neue Projekte, so sagt er, ziehe er aus dem Buddhismus. Und so klingt das Stück Es is wias is wie die alpenländische Variante des "Ommm".

Als bekennender Weltenbummler fühlt sich von Goisern trotzdem nicht eingesperrt, wenn er sich monatelang im Studio einschließt und an seiner Musik feilt. "Da geht der Kopf auf Reisen", erklärt der Perfektionist. "Ich bin ja umgeben von vielen Instrumenten, die alle die Aura der großen, weiten Welt in sich tragen und zum Schwingen bringen, wenn ich sie spiele."

Vom Aussterben bedroht

Mal zornig, mal versöhnlich kommen Hubert von Goiserns Geschichten daher, und immer hat er eine Botschaft. Am eindringlichsten wird seine Musik dann, wenn er über das Leben sinniert und klar macht, dass es nicht nur "entweder/oder" gibt, sondern auch "Entweder Und Oder".

Der Österreicher legt den Finger in die Wunden, er engagiert sich für die Grünen, für Tibet, für benachteiligte Jugendliche und jetzt für Wirtshäuser. Auch in seinem Heimatdorf, wo von Goisern hoch auf der Alm eine eigene Hütte besitzt, hat der Gasthof schon vor Jahren geschlossen. Deswegen will der Hubert die Kultur zurück in die Dörfer bringen und spielt in alten Wirtshaus-Sälen auf dem Land mit kleinen Veranstaltungsräumen und stickiger Luft. Denn diese kleinen Bühnen, klagt er, seien quasi vom Aussterben bedroht. Und das kann ein Über-Unter-Ober-Österreicher, ein "Üuoö", wie er in goiserischem Slang heißt, auf keinen Fall zulassen.

Hubert von Goisern: "Zwischen den Polen spielt sich das Leben ab"

Tiroler Tageszeitung 14. September 2011 | Text: Uwe Käding, dapd

Hubert von Goisern lässt auf seinem neuen Album "Entweder und Oder" kein Genre aus.
"Das Generalthema bin ich."

Hubert von Goisern

Frankfurt/Main - Nach drei Jahren mit einer neunköpfigen Band auf der Bühne zelebriert Hubert von Goisern die Reduktion: Nur als Quartett tritt er nun mit wieder mit neuen Liedern an, die von Tradition über Jazz und Rock kein musikalisches Gefühl auslassen und kompromisslos Sangeslust und Spielfreude zelebrieren. Entweder und Oder (Capriola/Sony) ist nach der Linz-Europatournee und dem Vorgänger S'Nix eine Reduktion - und zugleich Ausdruck eines unbändigen Freiheitswillens.

"Zwischen den Polen spielt sich das Leben ab", sagt der 58-Jährige Musiker im Interview. "Da gibt's diese Pole der Tradition und Moderne, da gibt's diese Pole Harmonie und - nicht Spannung, sondern sagen wir mal Zorn, Kompromisslosigkeit oder wo man eben raus rotzt, wo man sich irgendwas nicht gefallen lässt. Wenn man nur in der Harmonie lebt, dann wird sich das Leben irgendwann sehr schnell erschöpfen, glaube ich. Es braucht diese Spannung, für mich das‚ sowohl als auch'."

Ein Dutzend Lieder hat von Goisern für das Album geschrieben, "einfach Songs, die Lebensgefühle beschreiben, die mich in der letzten Zeit beschäftigt haben. Oder Gefühle, in denen ich gebadet habe, Erinnerungen, die einfach dauernd kommen... Das sind verdichtete Träume und auch Erinnerungen, die sich dann in Musik und Text umsetzen."

Brenna tuats guat ist ein alpiner Rocker über den Teufel und das Geld, I versteh di nit, Heidi halt mi, Suach da an andern und Neama Bang genau das, was Goisern gesagt hat: Verdichtete Träume und Erinnerungen, deren musikalische Intensität in den Bann zieht. Einfach sollten die Lieder werden, aber "ich habe mir dieses Mal immer wieder auf die Finger g'haut wenn ich so das Gefühl habe, das ist jetzt zu einfach".

Er habe sich herausgefordert, einfache Lieder zu schreiben: "Dass ich komplexe Lieder schreiben kann und Kompositionen, das habe ich mir schon genug bewiesen. Aber einfache Lieder, das ist noch viel komplizierter, als was Kompliziertes zu machen. Und dem wollte ich mich stellen, ob ich das auf die Reihe krieg. Lieder, die man auf einem Instrument und wenn man sie singt, darstellen kann. Wo man nicht einmal eine vierköpfige Band bräuchte. Das könnte ich alleine auf die Bühne bringen. Mache ich aber nicht, das ist mir zu fad."

Das ist das Goisernsche sowohl als auch, das entweder und oder. Im künstlerischen Bereich funktioniert es, im Privaten gibt er zu, doch auch schon mal Kompromisse zu machen. "Im Zwischenmenschlichen sind Kompromisse schon manchmal notwendig, auf das eine oder andere zu verzichten.» Musikalisch verzichtet er aber auf nichts, was Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein Sänger mit Ziehharmonika alles machen können, von Jazzbesen bis Klarinette und verzerrter E-Gitarre mit harten Bluesrock-Riffs ist alles dabei. "Ich bin das Generalthema, habe ich mir gedacht. Es wird schon passen, dass ich der rote Faden bin."

Die Über-Unter-Oberösterreicher spielen einen Steirer

Und auch die Lebenseinstellung lässt sich nicht in ein fatalistisches Es is wias is einsperren. Goisern schaut auf den Berg und weiß, "dass all's was's jetz abaschneibt nit liegen bleibt". Sich über einen Ist-Zustand aufzuregen sei ein Privileg der Jugend. Aber daraus folge nicht, dass man, wenn man seinen Unmut nicht heraus schreit, deshalb alles gut findet. "Nur weil man sagt, es ist, wie es ist, heißt nicht, dass man sagt: Soll auch so bleiben, wie es ist."

Wie verschmitzt sich Goiserns Musik auch ohne Worte ihren Weg ins Ohr bahnt, zeigt das Instrumentalstück ÜUOÖ (Über-Unter-Ober-Österreicher): "Wir haben lange nach einem Bandnamen gesucht und haben uns auch bis jetzt noch nicht festgelegt. Aber der Favorit ist, dass wir uns als Oberösterreicher die Über-Oberösterreicher nennen. Und ich komme aus dem untersten Ende von Oberösterreich, bin also ein Unter-Oberösterreicher. Das ist ein Wortspiel, denn im Grunde genommen ist das ein ganz langsamer Walzer, oder eigentlich ein Steirer. Ich bin ja zuhause an der Grenze zur Steiermark, aber ich wollt's nicht Steirer nennen, denn wir sind ja Oberösterreicher. Drum ist das so gekommen."

Auf der Tour im kommenden Jahr wird Goisern mit seiner Band das gesamte Album und eine Auswahl seiner Lieblingslieder spielen, kündigt er an. Die Entweder-und-Oder-Tour beginnt am 19. Januar in Zürich und geht mindestens bis in den Sommer.

"Wir brennen lichterloh"

Abendzeitung 5. September 2011 | Text: Volker Isfort | Foto: Eckhard Henkel

Hubert von GoisernHubert von Goisern spielt auf seinem neuen Album "Entwederundoder" den Alpenblues und geht nun auf Tournee

Drei Jahre nach seinem letzten Studioalbum S'Nix hat Hubert von Goisern mit Entwederundoder in kleiner Besetzung ein neues Album eingespielt, das vor allem durch die blueslastigen Lieder überzeugt. Ein schönes, reifes Album des noch immer jungenhaft wirkenden mittlerweile 58-jährigen Musikers, der nun eine ausgedehnte Tournee startet.

Herr von Goisern, Sie haben vor 23 Jahren Ihr erstes Album aufgenommen. Und seitdem – ohne Einschränkung – immer Ihren musikalischen Sturschädel durchgesetzt. Das dürfen nicht viele.

Ich kann es mir nicht anders vorstellen. Ich kann nur das schreiben und spielen, was aus meinem Herzen und aus meiner Seele kommt. Beim Gespräch zu meinem ersten Plattenvertrag kam die Frage auf: "Was ist Deine Zielgruppe?" Ich hatte das Wort bis dahin noch nie gehört und habe mir darüber auch bis heute keine Gedanken gemacht.

Aber Sie kennen Ihre Fans. Wie haben sich die verändert?

Viele sind mit mir gealtert, es sind auch einige weggefallen, die ein paar von meinen abenteuerlichen Serpentinen nicht mitgehen wollten. Dafür sind andere dazugekommen. Ich finde das ganz natürlich, schließlich habe ich mich Jahre aus der Öffentlichkeit zurückgenommen, auch um für mich wieder bei Null anzufangen. Ich brauche diesen Abstand von der Musik, sogar von meinen Instrumenten, damit ich wieder naiv an sie herangehen kann, damit es da keinen Automatismus gibt, wo die Finger hingreifen, weil sie wissen, das sind bewährte Abläufe.

Es gibt kaum einen Kontinent, den Sie nicht bereist haben. Kann man so viele Kulturen überhaupt musikalisch verarbeiten?

Ich bin nie irgendwo hingefahren, um mir Ideen zu holen. Das ist für mich eines der großen Missverständnisse, dass ich ein Weltmusiker sei, weil viele Kulturen in meiner Musik zusammenfließen. Ich fühle mich als Weltmusiker, aber nur insofern, dass ich eine spezifisch geographisch angesiedelte Musik vertrete, die alpine Tradition. Wenn ich aber mit Tibetischen Musikern in ihrer Heimat Musik gemacht habe, habe ich mich immer zurückgehalten, mich nur als Produzent, quasi Geburtshelfer für das Album gesehen.

Entwederundoder ist ein sehr reduziertes und persönliches Album geworden.

Ich habe mir ein ganzes Jahr überlegt, welchen Sound ich jetzt will und zunächst keinen Song komponiert. Ich mag es sehr, in mich hineinzulauschen, und wenn dann eine Idee auftaucht, eine Phrasierung, ein Textfragment, dann kritzle ich es irgendwo hin, auf Zettel, Bierdeckel. Und irgendwann ist dann alles fertig.

Welchen Einfluss hat die Band dann überhaupt noch?

Über Gestaltung und Arrangements gibt es dort sehr wohl eine große Bandbreite, wie man etwas spielen kann. Wenn es ein Leine gibt, dann lasse ich eine sehr lange Leine, aber eigentlich habe ich immer Musiker, die kein Halsband haben. Ich suche sie mir ja auch so aus, dass wir auf einer Schwingungsebene sind.

Kennen Sie noch das Gefühl, dass Sie Musik überrascht, wenn Sie Radio hören?

Die Momente gibt es sehr wohl, aber eher nicht beim Radio hören. Ich habe Freunde, die viel Musik hören und mir was vorspielen. In jüngster Zeitwaren das dann eher klassische Musik, oder Stücke, die es schon lange gibt, die mich überrascht haben.

Auf Ihre Ruhephasen folgt oft frenetische Aktivität, Sie planen an die hundert Konzerte.

Für mich ist Musik noch immer eine Droge, die dich über die banale Welt hinaus katapultiert, in einen Freiraum, wo man die Dinge transzendiert, um das strapazierte Wort zu verwenden. Es geht beim Live-Konzert darum, dass wir uns auf der Bühne beim Konzert wegsprengen und die Leute mit auf die Reise nehmen, zumindest die, die sich da einklinken.

Welche musikalischen Freunde werden sich diesmal auf der Bühne einklinken?

Gar keine. Nicht, dass wir nicht locker sind, aber das Programm ist schon sehr heftig. Da kann man sehr leicht sehr blöde ausschauen, wenn man da nicht eingebettet ist. Wir improvisieren ja nicht.

Sie brauchen das Adrenalin auf der Bühne.

Aber ich verbrenne! Ich sehe mein Leben als Flamme. Wir brennen auf der Bühne lichterloh, strahlen Wärme und Licht aus, aber irgendwann ist der Brennstoff alle.

Was haben Sie mit Ihrer Musik erreicht?

Ich fühle mich nicht als jemand, der für andere gesät hat, aber ich habe den verkrusteten, vermoosten alpinen Traditionsboden tief durchpflügt, so dass nun wieder etwas blühen kann.

Das Achleitnersche Pendel

SONO September/October 2011 | Text: Christian Stolberg

Zwei Jahre nach seiner spektakulären Donautournee suchte der Alpinpop-Star aus dem Salzkammergut den Weg zurück zur Einfachheit – mit dem Album "Entwederundoder" und einer Tour durch abgelegene Landgasthöfe.

Hubert von GoisernFans, die den künstlerischen Werdegang des Hubert Achleitner, der sich nach seinem Geburtsort in Oberösterreich so wohlklingend Hubert von Goisern nennt, schon länger verfolgen, kennen das Phänomen: Der charismatische Star des Alpenrock verfolgt in seiner Arbeit beileibe keine gerade Linie: Da folgte auf die erste Erfolgsphase mit seinen Alpinkatzen eine zurückgezogenere Periode mit Filmmusiken, da wechseln sich Alben mit vergleichsweise hohem Pop- und Weltmusikanteil mit stilleren, traditionelleren Arbeiten ab, fix bleibt nur eines: Bei Goisern muss mit Überraschungen gerechnet werden.

"Ich investiere mich in meine Projekte immer so total, dass ich in dieser Zeit zwangsläufig vieles andere vernachlässigen muss. Und die Folge ist, dass es mich, wenn sich ein Projekt dem Ende zuneigt, dann immer mit aller Macht weg von diesem Thema in eine ganz andere, oft völlig entgegengesetzte Richtung zieht", kommentiert der viel jünger wirkende 58jährige im Gespräch mit SONO diese Pendelausschläge.

Auch mit seinen beiden jüngsten Projekten schlägt der Musiker aus dem Salzkammergut wieder einen Haken: Nach seiner medial stark beachteten Linz Europa Tour auf der Donau, bei der Goisern in den Jahren 2007 bis 2009 in 60 Konzerten zwischen Schwarzmeer und Nordsee mit vielen Gästen (darunter Konstantin Wecker, Xavier Naidoo, Zap Mama) auf einem Schiff seine Vision einer "kulturellen Osterweiterung" verfolgte, einer Unternehmung, "bei der ich eigentlich mehr eine Rolle wie ein Impresario hatte, wollte ich wieder ein etwas persön­ licheres, privateres Album aufnehmen, etwas, was wieder mehr mit mir als Person zu tun hat".

Zwar hat Goisern nach eigener Aussage keinen "Masterplan" im Kopf, wenn er ein neues Album angeht, "aber in mir entsteht nach und nach ein akustisches Bild, eine Vorstellung davon, was für eine musikalische Anmutung eine Platte haben soll. Und wenn die soweit ist, dass sie fast aus mir herausplatzt, dann mach' ich mich ans Aufnehmen." Von Herbst 2010 bis Februar 2011 spielte Goisern nun mit seiner verschlankten Band die zwölf Lieder seines neuen Albums Entwederundoder ein, geradlinige, bisweilen intime Songs mit aufs Wesentliche reduzierten Arrangements.

Eine wichtige Farbe in Goiserns "akustischem Bild" für Entwederundoder kommt von der modernen Countrymusik: "Ich habe nach dieser Qualität gesucht, wie sie etwa in den Alben der American Recordings­ Serie von Johnny Cash steckt, dieses totale Auf­den­Punkt­Kommen". Auch der Blues spielt in zwei Stücken (I versteh di nit, Suach da an Andern) eine tragende Rolle – damit knüpft der Österreicher an ein frühes Schlüsselerlebnis an: "Ich war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt und hatte gerade gelernt ein bisschen Gitarre zu spielen, als ich zum ersten Mal in einem Club bei einer Session einsteigen durfte. Ich hatte noch keine Ahnung vom Blues, hab aber schnell gemerkt, wie leicht man diese Form mit seinen eigenen Gefühlen füllen kann. Auch, weil es da keine "verbotenen" Töne gibt." Bluesplatten von Alexis Korner, John Mayall, John Lee Hooker und anderen wurden von da ab Bestandteil seiner musikalischen Sozialisation. Nicht nur was den Sound, auch was die Songthemen angeht, zog Hubert von Goisern auf dem neuen Album die Kreise wieder enger: wehmütige Meditationen (Es is wias is, Lebwohl), Zorn (Suach da an andern), die zwischenmenschliche Kommunikation (I versteh di nit) – er thematisiert hier nicht die große Weltpolitik, sondern "Dinge, die in meiner Umgebung passieren, Problemfelder, mit denen ich als Person immer wieder zu tun hab".

Therapie im Wirtshaus

Nachdem die Rückkehr zur Einfachheit im Studio vollzogen war, drängte es Goisern auch live wieder zu bodenständigeren Erfahrungen. Und so unternahm er im April mit seiner Band eine Kurztournee durch acht abgelegene österreichische Wirtshäuser, gab dort Konzerte ohne großen Showfirlefanz, auf kleinen Bühnen und mit denkbar direktem Publikumskontakt. "Das war eigentlich zunächst als eine Art Therapie für meine Band gedacht. Ich hab gefunden, dass die sich a bisserl sehr an die großen Bühnen, des tolle Licht und das ganze Drumherum gewöhnt hatten." Schließlich aber, gesteht der Bandleader, stellte sich heraus, "dass es vor allem eine Therapie für mich selbst war". Im normalen Konzertbetrieb ziehen sich Goisern und seine Band wie die meisten ähnlich erfolgreichen Kollegen in abgesperrte Bereiche zurück, "aber im Wirtshaus geht das natürlich ned – eine Erfahrung, die uns wieder ganz gut geerdet hat".

Neues Album von Hubert von Goisern

ORF 2. September 2011 | Text: Benno Feichter

Zwischen 2007 und 2009 tourte Hubert von Goisern auf einem Konzertschiff die Donau stromauf- und stromabwärts. Das Ergebnis dieser aufwendigen musikalischen Reise waren mit S'Nix und Haut und Haar zwei opulente Alben. Nun erscheint mit Entweder und Oder von Goiserns neuestes Album. Und es überrascht!

Beim Durchhören von Entweder und Oder fällt eines schnell auf: kleinere Band, schlankere Instrumentalisierung und direktere Nummern als zuletzt.

Nach seiner aufwändigen, zweijährigen Konzertreise durch Europa spielte Hubert von Goisern zuletzt mit dreiköpfiger Band eine Wirtshaustour, quer durch die österreichische Provinz. Ottensheim und Leopoldschlag statt Rotterdam und Bukarest. Ohne Backstage-Raum, in den man sich flüchten konnte, und auf Augenhöhe mit dem Publikum sei die Unmittelbarkeit der Wirtshäuser dabei wie eine Therapie gewesen, so der Musiker.

Zwei Jahre lang bespielte Hubert von Goisern zwischen 2007 und 2009 mit seiner Band von einem Konzertschiff aus die Ufer der Donau. In Stromlinien - Ein Logbuch hat er seine Erfahrungen dieser Linz Europa Tour niedergeschrieben. Und es seien gemischte Gefühle, die geblieben sind.

Zurück zu den Anfängen

Entweder und Oder ist für Hubert von Goisern nun gewissermaßen ein Zurückkommen. Zurück nach Österreich und auch zurück zu den Anfängen. Es seien Geschichten, die ihm teilweise schon vor Jahren begegnet sind, Lieder, bei denen er früher aber nicht den Mut gehabt hätte, sie in dieser Form auf ein Album zu bringen.

Entweder und Oder ist das inzwischen 18. Album von Hubert von Goisern - und wieder einmal überrascht es. Diesmal nicht mit der zuletzt gewohnten musikalischen Reisefreudigkeit, sondern mit entspannter Direktheit: unaufgeregt und doch irgendwie aufregend.

Hubert von Goisern kehrt zurück zur kleinen Bandbesetzung

MusikWoche 1. September 2011 | Text: Dietmar Schwenger

Hubert von GoisernFür sein neues Album, Entwederundoder, hat Hubert von Goisern, der zuletzt mit einem großen Ensemble arbeitete, seine Band reduziert. Unverändert an seiner Seite steht indes sein langjähriger Geschäftspartner Hage Hein, mit dem der Österreicher eine 360-Grad-Vereinbarung für die Label- und Live-Arbeit geschlossen hat.

"Ich bin sehr dankbar, dass ich einen wie Hage habe, der mir das Geschäftliche abnimmt, um das ich mich nicht kümmern will", erläutert Hubert von Goisern auf der MusikWoche-Couch. Er habe vollstes Vertrauen zu Hein. Die Entscheidung für eine 360-Grad-Vermarktung traf er ganz bewusst: "Hage und ich erkannten, dass man wegen der Kurzlebigkeit der Managerkarrieren keine langfristigen Pläne mehr schmieden kann. Deswegen haben wir uns für die jetzige Konstruktion entschieden, in der er für mich Management, Label, Verlag und Booking übernimmt." Wenn alles aus einer Hand komme, habe das zwar bisweilen auch eine negative Komponente, aber das sage er Hein dann auch. "Aber nur, damit er sich dann noch mehr anstrengt", scherzt von Goisern. "Bei allen Entscheidungen inhaltlicher Natur hat mir nie jemand reingeredet. Lediglich einmal wollte die damalige Plattenfirma BMG das Lied Gott erhalte, Gott beschütze nicht auf dem anstehenden Album veröffentlichen. Ich habe aber gesagt, okay, dann bringen wir es auf der nächsten Platte heraus." Und so sei es dann auch gekommen.

Gelassen machte sich von Goisern auch an die Produktion des neuen Albums, Entwederundoder, das am 2. September auf dem Label Capriola von Heins Firma Blanko Musik im Vertrieb von Sony Music erscheint. "Mein letztes großes Projekt war die Linz-Europa-Tour 2007 bis 2009, bei der ich mich künstlerisch sehr zurücknehmen musste, weil ich so viele Gäste an Bord hatte", berichtet er. Mit einem Konzertschiff war er von Linz aus auf der Donau bis zum Schwarzen Meer und auf Neckar und Rhein bis zur holländischen Küste unterwegs. Dabei war ihm wichtig, dass keiner seiner acht Musiker oder der vielen Gastkünstler das Gefühl hatte, nur "Aufputz" für das Projekt zu sein. "Das war eine spannende Zeit, ich habe viel zugehört und gelernt. Ich war eher Impresario als die bestimmende Figur auf der Bühne." Die Erfahrung der großen Besetzung schlug sich dann auch in der Produktion des Studio albums S'Nix von 2008 nieder, für das die Songs als Gemeinschaftsarbeit entstanden. Für die neuen Titel zeichnet von Goisern nun wieder selbst verantwortlich. "Nach der Opulenz dieser Tour wollte ich etwas Persönlicheres, Intimeres und Kleineres machen." Zudem standen aus verschiedenen Gründen nicht mehr alle Musiker zur Verfügung. In der Besetzung Bass, Gitarre, Schlagzeug plus von Goisern an diversen Instrumenten ist er wieder offen für rockige wie auch ruhige Stücke. "Schließlich heißt die Platte ja auch Entwederundoder."

Als Pate für eine neue, alternative Volksmusik sieht sich Hubert von Goisern nicht: "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas gesät habe. Vielmehr bin ich ziemlich wild in die Volksmusik reingefahren und habe alles umgepflügt. Nun können Samen auf die lockere Erde fallen. Diese Bewegungen kommen und gehen."

"Musik ist viel größer als Politik"

Salzburger Fenster 31. August 2011 | Text & Foto: Helmut Hollerweger

Hubert von Goisern spricht im Kulturfenster-Interview über die neue CD, über die "Wirtshaustour", über neue, alte und gescheiterte Projekte, über sein Leiden an der Politik und sein Leben in der Stadt Salzburg.

Hubert von GoisernIhre neue CD trägt den Titel ENTWEDERundODER. Das ist vermutlich programmatisch zu verstehen, oder?

Ja. Das sind diese beiden Pole, zwischen denen sich das Leben abspielt. Und es ist keine Frage, ob wir uns für das eine oder andere entscheiden, sondern wir müssen mit beiden leben. Und das ist auch gut so.

Das musikalische Spektrum auf der neuen CD ist sehr breit – von Rock über Reggae und Blues, Jazz und Swing bis hin zu Balladen. Wie sind die Songs entstanden?

Ich wollte es dieses Mal nicht so machen wie bei S'Nix, wo wir eine kollektiven Kompositionsprozess gelebt haben, sondern ich wollte wieder zu mir finden. Das war für mich die notwendige Pendelbewegung in die andere Richtung nach der Linz/Donau-Tour, wo ich mich ja sehr zurückgenommen hab. Da war ich mehr Impressario als Frontman. Und vier Jahre dieser Zurückhaltung haben dazu geführt, dass ich den ganz starken Wunsch hatte, das nächste Mal eine persönliche Platte zu machen.

Sehr witzig ist der Schluss des Trennungsliedes I versteh di nit, wo sämtliche Heiligen angerufen werden. Ist in Beziehungen mitunter das Beten die einzige Rettung?

Die einzige ist es sicher nicht, möglicherweise die letzte (lacht). Beziehungen haben sehr viel mit Vertrauen zu tun. Und ich finde, Beten schafft Vertrauen.

Ihre Karriere ist gepflastert von ungewöhnlichen Projekten. Das jüngste war die sogenannte "Wirtshaustour". Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Mit der "Wirtshaustour" wollten wir einen Beitrag zur Belebung meist brachliegender Veranstaltungsorte leisten. Dabei gab es einige Kriterien: Das Wirtshaus musste mindestens eine Stunde Fahrzeit von einer größeren Stadt entfernt sein. Und: Die Wirte haben nur zwei Plakate gekriegt: eins fürs Wirtshaus und eins fürs Gemeindeamt. Gespielt haben wir dann meist vor ungefähr 300 bis 350 Zuschauern. Mehr als die Hälfte dieser Zuschauer war vorher noch nie bei irgendeinem Konzert.

Wie war da der Kontakt zum Publikum?

Da bist du einfach auf Augenhöhe mit den Leuten. Man kann sich nicht zurückziehen, es gibt kein Backstage, keine Security, die dich abschottet. Wir haben alle miteinander auf- und abbauen müssen. Das war eine gute Therapie für alle Beteiligten und sehr gruppenbildend. Und wir haben Österreich auf eine Weise entdeckt, wie man es sonst nie entdeckt. Manchmal haben wir uns gedacht: Das könnt jetzt auch irgendwo in der Ukraine sein.

Ein neues Projekt führt Sie nun im September nach Grönland. Worum geht es da?

Da geht es um ein identitätsstiftendes Programm mit perspektivlosen jugendlichen Inuits. Das Ziel sind weniger Selbstmorde. Ich möchte da einfach einen positiven Beitrag leisten. Wenn es nach den zwei Wochen, die ich jetzt einmal dort verbringen werde, eine Perspektive gibt, wird es sicher ein Langzeitprojekt.

Im nächsten Jahr gehen Sie auf eine große Tournee. Wie hält man das durch - in einem Jahr 100 Konzerte zu spielen?

No sports (lacht). Wenn man auf der Bühne steht, kommt ja auch sehr viel zurück. Es ist einfach sehr beglückend ein Konzert zu spielen, dann um Mitternacht mit einem Glas Weißbier in der Garderobe oder im Tourbus zu sitzen und zu wissen, dass man jetzt 2000/3000 Leute oder mehr mit einem Glücksgefühl heimgeschickt hat.

Sie haben in Ihrer Karriere so viele Erfolge gefeiert. Gibt es auch etwas, woran Sie gescheitert sind?

Ja, da gibt es ein paar Sachen. Beispielhaft mag ich da jetzt nur meinen Traum erwähnen, in Afrika am Tanganjikasee ein großes Versöhnungsfestival der Völker zu organisieren. Dieses Projekt verfolge ich schon seit 1997, heuer hätte es stattfinden sollen, aber ich habe dafür keine geeigneten Partner gefunden.

Sie sind ja ein sehr politischer Mensch. Worunter leiden Sie derzeit am meisten?

An der Unvernunft und der Angst und der Faulheit, die Dinge wirklich zu verändern. Das passiert immer erst dann, wenn es wirklich weh tut. Wir wissen jetzt schon seit einigen Jahren, dass die Geldwirtschaft eine große Blase ist. Und dann gabs die große Krise, dann die große Panik und dann die große Rettungsaktion - und dann tut man wieder so weiter wie vorher. Oder die Situation in Afrika: Wir rauben ihnen die Rohstoffe und dann geben wir ihnen Entwicklungshilfe. Ich finde, man müsste Afrika nur das zahlen, was man aus ihnen herausholt, dann bräuchte man ihnen keine Almosen geben.

Sie haben einmal gesagt: "Man darf die Volksmusik nicht der Rechten überlassen!". Hat für Sie Musik auch eine politische Funktion?

Ich glaube schon, dass alles in unserem Leben eine politische Komponente hat. Sie zu negieren heißt, dass man Politik den anderen überlässt. Aber wenn man Politik von Vornherein in das Lied einbringt, dann macht man die Musik kaputt. Musik ist viel größer als Politik.

Sie leben seit 20 Jahren in Salzburg. Was bedeutet ihnen die Stadt?

Ich hab mir am Anfang in Salzburg schwer getan. Was wahrscheinlich an der Bürgerlichkeit dieser Stadt liegt. Da ist mir zu wenig Punk, zu wenig Underground. So sehr ich die Hochkultur und die Schönheit der Stadt auch liebe, so sehr geht mir da doch irgendwas ab. Ich habe immer das Gefühl: Ich gehöre da nicht dazu. Inzwischen hab ich aber das für mich irgendwie durchdrungen und fühl mich sehr wohl in der Stadt.

Sie haben schon zweimal auf dem Salzburger Domplatz gespielt. Als mehr oder weniger unbekannter Straßenmusiker haben sie dort einst für polarisierende Reaktionen unter den Zuhörern gesorgt, im Jahr 2001 gaben sie dann dort als "Star" ein viel umjubeltes Konzert. Im Juli 2012 werden sie wieder dort auftreten. Mit welchem Gefühl stehen Sie da auf der Bühne?

Ich kann mich erinnern, wie ich im Jahr 2001 dort auf die Bühne gegangen bin, da habe ich mir gedacht: So, und jetzt kann niemand daherkommen und sagen: "Hören Sie auf, gehen Sie heim, ich halt das nicht aus"!