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INTERVIEW

"An Jesus gibt's nix auszusetzen"

Grüß Gott Frühjahr 2021 | Text: Robert Maruna

Sieben Tage, Sieben Fragen, die zur Reflexion einladen. Diesmal haben wir sie einem gestellt, den man kaum vorstellen muss: Hubert von Goisern – erfolgreicher Volksmusiker, derzeit gefeierter Schriftsteller und schon immer ein kritischer Geist.

Ihr aktuelles Album Zeiten & Zeichen beginnt mit der unmissverständlichen Ansage: "Freunde, das Leben ist lebenswert!" Was macht das Leben für Sie lebenswert?

Ursprünglich stammt diese Liedzeile von Fritz Löhner-Beda, einem jüdischen Librettisten. Er hat diesen Text zu einer Zeit geschrieben, als man sich seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte. Es war das Aufkommen des Nationalsozialismus Anfang der Dreißigerjahre. Wenig später wurde Löhner-Beda ins Konzentrationslager deportiert. Und selbst dort, wo das Leben vom Tod bestimmt war, hat er noch immer positive Lieder verfasst. Das inspiriert mich sehr. Denn es erinnert an eine Sache, die oft in Vergessenheit gerät: Egal wie schlecht es im Leben läuft, wir haben immer noch unsere Freunde. Und genau das bringt dieses Lied zum Ausdruck. Nicht nur, dass das Leben an sich lebenswert ist, sondern eben auch deshalb, weil es Menschen gibt, mit denen man sich über das Leben austauschen kann. Und in diesen Gesprächen findet man Freude, Inspiration und manchmal eben auch Hoffnung.

In jungen Jahren haben Sie Österreich den Rücken gekehrt und die Weite der Welt gesucht. Heute sind Sie einer der erfolgreichsten Volksmusiker des Landes. Was bedeutet Ihnen Heimat?

Es ist ein Gefühl der Vertrautheit. Außerhalb meiner Heimat, also in einer Gesellschaft, die nicht meine ist, da kann es passieren, dass jemand kommt und sagt: "Friss, Vogel, oder stirb!" Also entweder man passt sich dem Umfeld an, oder man lässt es bleiben. Zu Hause ist das anders: Da würde ich so eine Ansage nicht einfach akzeptieren. Weil ich hier daheim bin, habe ich hier auch etwas mitzureden. In dem Moment, wo man sich also einbringt, da wird es zu Heimat. Wenn man nur Gast ist, dann ist es schwierig, so ein Gefühl zu entwickeln, weil man im Grunde nur zusieht.

Ihr Debütroman flüchtig handelt von der Flucht aus der gebirgigen Heimat quer durch Europa bis zum heiligen Berg Athos. Haben Berge auch für Sie etwas Heiliges?

In gewisser Weise schon: Die Natur ist große Kirche. Und je unberührter sie ist, desto intensiver ist das Gefühl. Sowohl das Meer als auch die Wüste und die Berge lösen dieses Empfinden bei mir aus. Das sind alles Orte, an denen Mensch nicht viel verrichten kann – er bleibt ein Eindringling. Und genau dort kann ich sehr gut zu mir selbst und zu Gott kommen. Diese Landschaften strahlen beinahe schon eine Unvergänglichkeit aus, während in einer Stadt dauerhafte Veränderung stattfindet. In der Natur ist es das komplette Gegenteil: Ich betrachte einen Baum und erkenne, dass er viel mehr zu erzählen hat als ich selbst.

In flüchtig fällte die abwechslungsreiche Sprache auf: Poetische Sätze wechseln mit Alltagssprache, dazwischen finden sich Austriazismen und Ausdrücke wie "krass" und "geil". Das wirkt manchmal irritierend und erinnert an die Gegensätze in Ihrer Musik, die irgendwo zwischen Volksfest und Vernissage daheim ist. Muss Kunst ein bisschen irritieren, damit sie wirkt?

Ich denke, dass Gegensätze etwas sind, was die Spannung erhöht. Bei meinem Lied Brenna tuats guat dachte ich mir zunächst: Das geht knapp an einem Hit vorbei. Weil der Text einfach zu gesellschaftskritisch ist. Aber offensichtlich sind die Menschen eben doch belastbarer, als es oft scheint. Natürlich ist die Hauptsache, es steppt der Bär!  Das hat man bei dieser Nummer gut gesehen. Sogar das Publikum in Norddeutschland hat jede Zeile mitgesungen. Die konnten phonetisch erkennen, was ich da singe, ein Teil der Grundaussage wird also hängengeblieben sein. Insofern habe ich auch nicht das Gefühl, dass die Nummer vergewaltigt wird, wenn sie auf dem Oktoberfest oder einer Vernissage gespielt wird. Ich versuche, in meiner Kunst immer alle Welten zu vereinen: von der Sensibilität bis hin zum Orgiastischen.

In Brenna tuats guat heißt es auch: "War'n ma Christ, hätt ma wisst, wo da Teufel baut in Mist." Wie stehen Sie zu den christlichen Werten?

Christsein ist für mich etwas anderes, als katholisch zu sein. Jesus Christus war und ist eine unglaubliche Inspiration. Er verbindet Demut mit einer - ganz salopp gesagt – provozierenden, ungeheuren, ja anstößigen Kompromisslosigkeit. Wenn man sich also an Jesus orientiert, dann bekommt man eine gute Einschätzung dessen, was richtig und was falsch ist. In der Geschichte der Menschheit gibt es nur ganz wenige Figuren, an denen ich nichts auszusetzen habe. Jesus ist eine von ihnen. Allerdings frage ich mich oft, was er gemeint hat, als er am Kreuz hing und sagte: "Vater, warum hast du mich verlassen?" Ist das ein Hinweis darauf, dass sich Jesus geirrt hat? Dass es den Vater am Ende vielleicht gar nicht gibt? Ich denke jedenfalls oft darüber nach. Letztlich ist es aber für mich viel wichtiger, dass es den Menschen, die Vorbildfigur Jesus, gegeben hat, als die Lösung der unbeantwortbaren Frage nach der Existenz Gottes.

Was bedeutet Ihnen Anerkennung? Wie wichtig sind Ihnen Musik- oder Literaturpreise?

In erster Linie geht es darum, mit seinem Tun und Lassen ein Teil der Gesellschaft zu sein. Wenn das persönliche Schaffen von der Gesellschaft ignoriert wird, dann schleicht das Gefühl ein, dass man nicht dazugehört. Anerkennung und Wahrnehmung erlangen so eine entscheidende Rolle, denn sie geben uns Feedback. Selbst kann man sein Tun ja nicht immer genau beurteilen. Insofern ist Anerkennung auch eine Form der Identitätsfindung.

Als Musiker und Schriftsteller sind Sie nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden. Halten Sie sich an die Sonntagsruhe?

Ich bin sogar ein großer Verfechter der Sonntagsruhe: Dieses kollektive Pausieren erachte ich als etwas Wertvolles. Da man dabei nicht nur sich selbst eine Pause gönnt, sondern als Gemeinschaft durchatmet. Ich empfinde auch den gemeinschaftlichen Gottesdienst am Sonntag als eine wichtige Sache. Wobei ich persönlich nur mehr selten hingehe. Die letzten Gottesdienste, die ich besucht habe, waren nicht sehr inspirierend. Es gibt sie sicher noch, jene Priester, die lebendige, inspirierende, mit anderen Worten gute Predigten halten können. Die meisten finde ich floskelhaft und nicht selten anmaßend. Auch diese Anbetung eines männlichen Gottes – jetzt sind wir wieder beim Vater, unserem "Herrn", und dem auf Männer reduzierten Priesteramt -, das geht sich für mich einfach nicht aus. Ich habe auch keine Lösung, wie man den Glauben auf eine dem Zeitgeist entsprechende Stufe heben könnte. Das Beharren auf der Männlichkeit Gottes steht jedenfalls für mich symbolisch für die Schlagseite nicht nur des Christentums, sondern aller großen Religionen. Schöne Musik, habe ich oft den Eindruck, verbindet die Menschen besser als die Anrufung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Pfingstbotschaft

23. Mai 2021 | Text: Hubert von Goisern

liebe theologisch umwölkten briefschreiber!

(nachdem es ausschließlich männer waren die sich bemüßigt gefühlt haben mir die wahre natur gottes bzw jesu, bibel-zitatreich zu erklären, verzichte ich in dieses mal auf das gendern.)

danke für eure ausführlichen und sicher wohlmeinenden korrekturen meiner gedanken, die unter dem titel "an der person jesus gibt es nix auszusetzen" in der mai ausgabe des magazins "grüß gott" erschienen sind.
euere versuche mich in die wüste der theologische spitzfindigkeiten und intellektuellen wortklaubereien zu entführen haben keine aussicht auf erfolg. 
ich bevorzuge den fruchtbaren boden der herzensbildung.

in diesem sinne - und zum heutigen anlass des pfingstfestes, 
sendet nicht - sondern empfanget!

im namen der mutter,
der tochter,
und der heiligen inspiration

amen