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HÖLLEISENGRETL

Hölleisengretl

1995

Martina Gedeck und Hubert AchleitnerSie ist bildschön und stolz, kann einen Hof im Oberbayerischen ihr eigen nennen, und dennoch will kein Bauer sie heiraten: Die Hölleisengretl leidet unter dem Makel eines Buckels. Als sie endlich mit einem spät aus Russland heimgekehrten Österreicher die ersehnte Ehe eingeht, ahnt sie nicht, dass jener alkoholsüchtig und brutal ist.

Eine Bäuerin Anfang 30 bewirtschaftet allein einen stattlichen Hof im Bayerischen Voralpenland, unweit eines Dorfes. Dass diese Bäuerin, die Hölleisengretl, noch immer allein ist, liegt an einem Gebrechen: Sie hat einen Buckel. Ein Makel, der sie seit ihrer Kindheit brandmarkt; selbst ihre eigene Familie, der Vater vor allem, verachtet sie darum, hasst sie dafür. Als ihre Brüder im Zweiten Weltkrieg fallen und ihre Eltern vor Gram darüber sterben, übernimmt die Gretl das Bauernanwesen. Aber im Dorf wird sie noch immer geächtet, der sonntägliche Kirchgang ist ein Spießrutenlauf. Doch die Gretl, eine starke Frau, will sich nicht einfach mit ihrem Schicksal abfinden. Auch sie hat ein Recht auf Liebe. Sie stillt ihren Hunger nach erotischer und menschlicher Zuwendung, indem sie den Wiggerl nachts auf ihre Kammer holt. Zwischen dem armen Häuslersohn und der Bäuerin entwickelt sich ein sprödes Liebesverhältnis. Eine Heirat mit dem nicht standesgemäßen Tagelöhner aber wäre für Gretl undenkbar.

Gretl verliebt sich in den gutaussehenden Tiroler Matthias, der als Zweitgeborener seinem älteren Bruder den heimatlichen Hof überlassen musste. Bald darauf heiraten die beiden: für die bucklige Gretl der glücklichste Tag im Leben. Der Auserwählte, ein Spätheimkehrer aus Russland, erweist sich jedoch nicht als der erhoffte Märchenprinz. Er scheint nicht an ihr, sondern lediglich an ihrem Anwesen interessiert und verbringt seine Zeit am liebsten im Wirtshaus. Zuhause lässt er seine Launen an der hilflosen Bäuerin aus, wird gewalttätig. Gretl ist physisch und psychisch am Ende, so kann es nicht weitergehen. Eines Abends kommt der Bauer vom Wirtshaus nicht mehr nach Hause...

Hölleisengretl basiert auf der Erzählung von Oskar Maria Graf (1894-1967), Die Geschichte von der buckligen Hölleisengretl (aus dem Band Kalendergeschichten, 1929), deren Inhalt weitgehend auf authentische Geschehnisse zurückgeht. "Ein Heimatfilm, in starken, von Detailtreue geprägten Bildern. Aus der kargen Genauigkeit des bayerischen Dialekts heraus entstehen Charaktere, in deren Abgründe wir uns einrichten dürfen, als seien es die eigenen" befand die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, die Jo Baier bei den Baden-Badener Tagen des Fernsehspiels 1995 mit dem Sonderpreis für die Regie zu Hölleisengretl auszeichnete. Der Film erhielt außerdem eine Telestar-Nominierung.

Ein Drama voller Präzision

rtv Nürnberg, 15/95

Von Drehbuch bis Filmmusik - Regisseur Jo Baier ist erst zufrieden, wenn alles perfekt ist

"Manchmal haben wir uns umarmt wenn eine Szene abgedreht war", erzählt Musiker Hubert von Goisern, 43, von seinen ersten Filmerfahrungen. "Wir mußten uns zeigen, daß der Haß nur gespielt war." Das Stück, um das es geht, heißt Hölleisengretl und läuft am Ostersonntag im ZDF.

Es ist eine Beziehungstragödie aus der Nachkriegszeit zwischen einer buckligen Hoferin und einem Kriegsheimkehrer im Alpenland nach einer Erzählung von Oskar Maria Graf (1894 - 1967).

Hubert Achleitner wie sich Alpenrocker Goisern und Chef der Alpinkatzen als Schauspieler nennt, spielt den brutalen Ehemann einer charakterstarken Frau mit einem Buckel. Hubert Achleitner: "Bei Regisseur Jo Baier ging es zu wie in einem Präzisionsuhrwerk - so sorgfältig ist sein Drehbuch verfaßt". Dieses Drehbuch, von der ersten bis zur letzten Seite mit der Hand geschrieben, hat Baier mit vielen Skizzen versehen, in denen er genau aufgeführt hat, wo und wie Kamera und Schauspieler sich bewegen mußten. Das war für Schauspiel-Neuling Achleitner eine wichtige Hilfe: "Ich konnte mich an den präzisen Vorgaben festhalten."

Nur mit einem hatte der perfekte Planer Jo Baier Pech: Weil er für die Hauptrolle einen richtigen Musiker brauchte, hatte er Hubert von Goisern die Rolle gegeben. Und weil er schon einen Musiker verpflichtet hatte, wollte er auch von ihm die Musik zur Hölleisengretl.

Das ging schief. "Was ich komponiert habe, mochte Jo Baier nicht", sagt Hubert von Goisern. Kein Wunder, denn der Österreicher hatte eine Musik für Metallplatten und Glasflaschen geschrieben. Hubert hat die Pleite locker weggesteckt und versucht sein Komponisten-Glück mit Filmmusik zu Schlafes Bruder von Josef Vilsmaier.

Die moderne Oper ist der Film

OÖN 13. April 1995

Hubert von Goisern gibt am Ostersonntag Schauspieldebüt im TV-Film "Hölleisengretl"

Als Hubert von Goisern hat er seinen - vorübergehenden - Rücktritt erklärt. Als Hubert Achleitner präsentiert sich der "Mostdipf"- Preisträger am Ostersonntag im ZDF (21.45 Uhr) erstmals als Schauspieler, und zwar in Joe Baiers Hölleisengretl. "Bedauerlicherweise", sagt Hubert, "hat der ORF nicht als Koproduzent mitgemacht."

Die schauspielerische Herausforderung, erzählt er, kam gerade zum richtigen Zeitpunkt: "Ich verspürte bereits seit längerer Zeit den Drang in mir, eine Musikpause zu machen. Das sagte ich vor eineinhalb Jahren in einem Interview. Und ich sprach auch davon, daß ich mich gerne mit dem Thema 'Film' auseinandersetzen wollte. Davon hörte die Münchner Elan-Produktion, es gab ein Gespräch mit Joe Baier, der die 'Hölleisengretl' auch inszenierte, und der Dreh ging sich in einer Tourneepause gerade aus. Schon im Hinblick darauf, daß ich selbst einen Film machen möchte, dachte ich mir, das wäre eine gute Gelegenheit zum Lernen."

Hubert verkörpert den Bauern Mathias, der beim Rußland-Feldzug gefangengenommen und als vermißt gemeldet wird. Fünf Jahre später kommt er zurück, da hat bereits der älteste Sohn den Bauernhof übernommen, Mathias fühlt sich "unerwünscht", geht auf Wanderschaft und trifft die stolze, bildschöne junge Bäuerin vom Hölleisenhof, die jedoch unter dem Gebrechen eines Buckels leidet und daher dauernd verspottet wird. "Die beiden finden, als 'Ausgestoßene', Gefallen aneinander und heiraten. Damit nimmt, wie es so schön heißt, das Schicksal seinen Lauf."

Nach diesem ersten Versuch fühlt Hubert von Goisern alias Achleitner, daß "ich ein guter Schauspieler werden könnte, daß ich das Talent dazu habe. Auch Joe Baier und meine Partnerin Maria Gedeck bestätigten mir, daß das hinhauen könnte. Seither habe ich mit Julian Pölsler ein Buch fertiggestellt, das ich in diesem Jahr selbst verfilmen will. Ein Heimatfilm, wenn man so möchte, doch nicht im traditionellen Stil. Es wird so sehr ein Heimatfilm, wie meine Musik Volksmusik ist. Im Idealfall, würde ich sagen, wird der Film wie meine Musik - und hoffentlich genauso erfolgreich. Die Geschichte spielt in den Bergen und in der Großstadt. Ländliche Lebensweise und ländliches Milieu werden durch die Augen eines Großstädters gesehen, der sich mit dieser Kultur auseinandersetzen muß. Das Drehbuch räumt mit den romantischen Vorstellungen vom idyllischen Landleben auf."

Film fasziniert Hubert Achleitner, weil das "eine andere Ausdrucksform ist als Musik. Ich war auch immer von der Oper fasziniert, vor 15 Jahren habe ich mir sogar vorgenommen, eine zu schreiben. Mittlerweile habe ich erkannt: Die moderne Oper ist der Film. Im konkreten Fall möchte ich nicht nur spielen, sondern auch, neben Julian Pölsler, Koregisseur sein. Ich habe zu konkrete Vorstellungen, wie der Film aussehen soll, um mich allein mit schauspielerischen Ambitionen zu begnügen". Auch bei Schlafes Bruder (Weltpremiere im September im Hochmontafon) hat Hubert von Goisern ins Filmmilieu geschnuppert und, neben Norbert Schneider, Musik dafür geschrieben.

Vor seinem Abtritt auf Zeit von der Musikbühne erhielt Hubert im Bergwerk von Bad Dürrnberg für sein Album Aufgeign statt niederschiassn vierfaches Platin. Rückblickend, wie er beim Interview erklärt, eine "total wehmütige G'schichte": "Eine solche Sache hat etwas von einem Begräbnis an sich. Ich fand im Bergwerk gar nicht viele Worte, sonst hätt' mich die Emotion überrollt." Ein halbes Jahr ohne Termine leben

Zum "Warum?" sagt er: "Ich wollte schlicht und einfach meine Ruhe haben. Ich habe mein 'Geschäft' nun schon lange sehr intensiv ausgeübt, und wenn das in Routine mündet, ist es Zeit für einen Künstler, Abstand zu nehmen. Ich versuche nun, ein halbes Jahr lang weitgehend ohne Termine zu leben, einen Stapel Bücher zu lesen und meinen beiden Kindern ein guter Vater zu sein. Und dann werden wir sehen, welche Art von Liedern aus mir rauskommt. Im Herbst nächsten Jahres könnte es soweit sein, daß ich wieder für einen Tonträger ins Studio gehe."

Hölleisengretl: Szenen aus dem Film

Fotos: © ZDF