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IWASIG

Kreativer Remix der musikalischen Traditionen

Aargauer Zeitung 15. Oktober 2002 | Text: Nathanael Galler

Urige Kraft und rauer Charme

Woher nimmt der Goiserer seine Inspirationen? Im Interview bekennt der Kreativgeist, dass er sich weniger als Schöpfer denn als Medium begreift: "Die Dinge fliessen einfach in mich hinein." Alles sei subjektiv, von Objektivität halte er nichts. Aber er wolle allgemeine Gefühle und Stimmungen thematisieren, nicht nur "Nabelschau" halten. Tatsächlich spürt man auf Iwasig viel von der Mentalität und Denkweise der urigen Seenregion, aus der er kommt, ihrer Kraft und ihrem rauen Charme. Von Goisern: "Ich möchte letztendlich ein Haus mit vielen Räumen schaffen, in dem sich der Zuhörer ausbreiten kann. Nicht nur ein in sich geschlossenes Denkmal." Wenn das stimmt, ist der raffinierte Ethno-Vermixer doch wieder ein Volksmusiker. Auf Iwasig spürt man zumindest, dass nicht nur der Mississippi seinen Blues und New Orleans seinen Jazz hat - auch das Salzkammergut hat, wie beinahe jede Region, seine Volksweisen. Sie sind rau, zart und melancholisch. Von Goisern verbindet die verschiedenen Traditionen, befreit sie von ihrer Patina und lässt sie in neuem Glanz stehen. Und er macht daraus etwas völlig Eigenes, Neues, Kreatives, gibt ihnen eine moderne und zeitgemässe Form.

Loblied auf die Faulheit

Neue Vorarlberger Zeitung 22. September 2002 | Text: Annelies Pichler

Hubert von Goisern ist zurück. Im hellen Gewand wie immer, sonnig, auch wenn ihm der Schädel brummt. Z'viel im Kopf? Von seiner Afrika-Reise, von der Tournee Grenzenlos oder wovon? Egal, sein neues Album Iwasig ist da und fahrt ab. Es gib viel zum Raushören, besser aber, du hörst hin. Da mischt sich die Wärme des Vertrauten mit der Leichtigkeit des Könnens und drüber flakt sich der Rock'n'Roll. Oder wie, Herr HvG?

HvG: Rock'n'Roll?! Ja, dort, wo er ausdrückt: "Scheißmanix". Das is drauf. Rock'n'Roll is ja a bissl so mit'm Orsch ins G'sicht springen, net überlegen, ob des jetzt wohl a diplomatisch is.

Da gibt's diesen Track Nix tuan. Ein Wunschtraum?

Des war die letzte Nummer, die ma aufg'nommen haben, vom Text her. Ich mach ja z'erst die Musik, meistens. Da fragt der Spani (Anm. Wolfgang Spannberger, sein Ko-Produzent) "Wann singst denn da drauf?" Und i sog: "I sing da net drauf, do red' i mehr so." Und er: "Jo, wos'n?" Ich: "Jo, i waß des scho." Er: "Oba host an Text?" Ich: "Jo, im Kopf hob' ihn scho." Er: "Jo, waßt eh, übermorgn müass ma de Plottn abgeben und du host no immer net drauf g'sungan." Ich: "Jo, mei, moch' ma scho. Morgen." Faul heit, net morgen. Richtig nix tuan, des geht jo gar net, wenn'st eh nix zum tuan hast. Des gült net. I brech' a Lanzen für die Faulheit, weil i spür', wir san alle überproduktiv.

Spielt Nix Tuan in der Früh im Radio, sind die Busse sicher gleich leerer. Wie lässt man so ein G'fühl entstehen?

Des is bei mir so: i stell' mir an Zustand vor und in den versetz' i mi, dann schaff i was. So hab' i dem Spani erklärt: "Da geht's um des G'fühl: Du liegst im Bett und denkst: Scheiß drauf - und wie do glei as schlechte Gewissen tickt." Er drauf: "Ah, Bett! Hm. Jo. Richt' ma!" Er hat a Deck'n g'holt und wir ham im Studio a Bett aufgebaut, i hab mi hinglegt, das Mikro g'nommen, do hat er g'sagt: Wart! A Tuchent! Des hört' ma jo a!" Is schön intim g'wordn vom Sound.

Eure Tournee führte nach Ägypten, Westafrika, Deutschland. Sie hieß: Grenzenlos. War sie's auch?

Immer, wenn man was zum Programm macht, lernt man's erst so richtig kennen, des Programm. Diese Tour hat mir intensiv wie lang nix mehr Grenzen zeigt: der Kommunikation, der physischen Belastbarkeit, des Mutes.

Wo war's zum Fürchten?

In Assiut, Egypt. Ägypten. Dort hab' i dermaßen weiche Knie g'habt. Vor 15.000 jungen Ägyptern auf der Bühne stehen, die in Sprechchören arabische Sachen schreien und i waß net, was des is. Wo Schlagstöcke eing'setzt werden, um sie in Zaum zu halten, und wo nervöse Leut' mit MGs herumstehn. Des Ganze in der so genannten Fundamentalistenhochburg Ägyptens. Des war ma neamma a Ding.

Was ist passiert?

Der Polizeichef is ans Mikrophon und wollt einbremsen. Sinnlos. Überhaupt nix is passiert. Zum Glück war er supercool drauf, hat g'merkt, dass nichts mehr geht und alle Polizisten z'ruckgrufen. Plötzlich warn da überall Leut, auch auf der Bühne, aber mit respektvollem Abstand, dass ma musizieren kann. Nix is passiert. Ich war beschämt. Diese Leut', die haben wirklich auch das Militär und die Polizei beschämt. Es gibt ja welche, die glauben, nur so lang ma alles unter Kontrolle halt, funktioniert's, sonst setzt das Chaos ein. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Kalachakra-Besuch des Dalai Lama in Graz erinnert an Inexil, ein HvG-Album.

Musiker, mit denen wir das Album gemacht haben, treten da auf und ich moderier'.

"Religionen sind überholt"

Kurier 18. September 2002 | Text: Brigitte Schokarth | Foto: Jörg Christandl

Hubert von GoisernWarum hast du die Lieder deines neuen Albums Iwasig zuerst bei Live-Shows in Ägypten und Westafrika ausprobiert, bevor du sie aufgenommen hast?

Ich wollte es einmal anders machen. Es spricht auch nichts dagegen, denn wenn ich in Assiut vor 15.000 Arabern spiele, ist es egal, ob ich Hiatamadl spiele, oder irgendeine Nummer vom neuen Album, die kennen ohnehin kein einziges Lied.

Aber es war eine Reise mit vielen Enttäuschungen...

Ich war da mit einem Chauvinismus konfrontiert, der mich fertig gemacht hat. Ich packe es auch nicht, wenn die Unsrigen gegenüber Ausländern auftreten, als hätten sie die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Und genauso packe ich es nicht, wenn ich wo hinkomme, wo die den Macho raushängen lassen. Irgendwo verstehe ich es ja auch, denn die haben seit Generationen Unterdrückung und Kolonialismus erlebt.

Du hast dich in Dakar auch mit Youssou N'Dour getroffen, der schon mit Peter Gabriel und Neneh Cherry gearbeitet hat und wie du an einem Kulturaustausch interessiert ist. Habt ihr über eine Zusammenarbeit gesprochen?

Ich war nur eine halbe Stunde bei ihm im Studio. Und da habe ich mir auch nicht erwartet, dass er gleich sagt, komm sing auf meinem Album mit. Ich habe mir überlegt, wie würde es mir gehen, wenn da einer nach Salzburg kommt und sagt, ich steh' so auf das, was du machst, ich will dich kennen lernen. Ich glaube, ich würde auch sagen, schön, dass du da bist, da hast du einen Kaffee. Und nach einer halben Stunde würde ich auch auf die Uhr schauen und sagen, jetzt muss ich aber zu einem Termin. Auf jeden Fall habe ich in Afrika viel Blauäugigkeit und Naivität verloren.

Welche Erfahrungen hast du aus Ägypten mitgebracht?

Es war meine erste Reise in den Arabischen Raum und ich bin da runter gefahren mit der fixen Vorstellung, dass ich überhaupt nicht voreingenommen bin. Und dann bin ich da unten und mir ist ständig mulmig. Und ich habe mich gefragt, wovor fürchte ich mich eigentlich?

Geschieht das nicht zwangsläufig, wenn ihr nur mit einer Eskorte geschützt reisen konntet? Assiut gilt als Hochburg der Fundamentalisten und war 1998 Schauplatz eines Terroranschlags auf deutsche Touristen...

Vielleicht, aber ich bin dort draufgekommen, dass ich unterbewusst geglaubt habe, Araber sind aggressiv. Durch diese Mediengeschichten, von denen ich gedacht habe, sie beeinflussen mich nicht, habe ich Vorurteile gehabt. Und das hat mich beschämt, denn die Araber waren höflich und respektvoll im Umgang mit uns und im Umgang miteinander. Der Islam hat ein unglaubliches Potenzial an respektvollem Miteinander.

Du bewunderst den Dalai Lama, wirst auch im Oktober dabei sein, wenn er in Graz die Kalachakra-Zeremonie leitet. Bist du am Buddhismus interessiert?

Für mich sind alle Religionen gleichwertig. Buddhismus, Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus oder irgendwelche schamanistischen Geschichten. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und sehe keine Notwendigkeit, in einen Glauben einzutreten. Denn Religionen sind für mich so was Überholtes - so wie Nationen. Mir geht dieses, dort hört ihr auf und dort fangen wir an auf die Nerven.

Hubert von Goisern - Iwasig

Bad Ischler Rundschau 14. September | Text: Josef Handlechner

Ab Montag ist die neue CD im Handel erhältlich

Iwasig heißt sie, Hubert von Goiserns neue CD (Virgin), die nach der Afrika- und Europa-Tour entstanden ist und am 16. September auf den Markt kommt. "Der beste Hubert von Goisern, den es je gab" - so hört man von denen, die bereits hineinhören konnten. Die Produktion ist sehr bunt ausgefallen, die Palette reicht von Reggae bis zu den obligatorischen Jodlern. Hubert: "Ich habe die neuen Lieder während der Pausen auf Tournee geschrieben, um dem Gefühl Rechnung zu tragen, wie ich im Moment drauf bin."

Hubert von Goisern - Iwasig

Blanko Musik Juli 2002 | Text: Hannes Heide

Am 28. Februar 2001 ist es endlich soweit: Nach einer achtjährigen Pause betritt Hubert von Goisern wieder mit einem eigenen Konzertprogramm die Bühne. Im Herbst 2000 ist die CD Fön erschienen, im März 2001 folgt die Volksliedersammlung Trad.

Hubert von Goisern kommt aus der Stille. Dementsprechend gestaltet sich auch das Liveprogramm, das aus Titeln aus den beiden CDs besteht. Nur Heast as nit ist eine Reminiszenz an Alpinkatzenzeiten.

Und dennoch: Was kaum einer der Beobachter für möglich gehalten hat. Das Publikum kommt in Massen wie schon 1994. Standing Ovations, ausverkaufte Hallen, hundert Konzerte allein 2001 - Hubert von Goisern schließt nahtlos an "alte Zeiten" an.

Mehr noch: Mit der Fön- und Trad-Tournee wird 2001 zum erfolgreichsten Jahr für Hubert von Goisern. Und 2002 erfüllt sich Hubert von Goisern einen langgehegten Wunsch - mit seiner Musik "hinaus" zu gehen, zu sehen, wie seine Art zu musizieren in anderen Kulturen aufgenommen wird.

Grenzenlos 2002
Mit dem Ägypter Mohamed Mounir im gemeinsamen Konzert: "Wir haben einen Samen gesät"

Jodeln unter Pyramiden, Holleraähdullioöh im Lande der Pharaonen, Alpenrock im Orient?

Noch vor acht Jahren hätte sich die schreibende Zunft nur allzugerne dieser Klischees bedient und den Sprung des ersten Vertreters des "neuen Alpenrocks" über das Mittelmeer in den Nahen Osten bejubelt. Die Zeiten von derartiger Oberflächlichkeit und solch einfacher Betrachtungsweise im Fall des Hubert von Goisern und seiner Musik sollten ein für alle Mal vorbei sein und sind auch vorbei. Der Österreicher hat sich längst vom Volks- zum Weltmusiker entwickelt. Davon zeugt, was sich kürzlich im oberägyptischen Assiut bei einem Konzert von Hubert von Goisern und dem ägyptischen Musiker Mohamed Mounir ereignet hat.

Dort wurden die Schatten jedes Zweifels, auch die der Organisatoren, Orient und Okzident musikalisch zu konfrontieren, von der Euphorie von 15.000 Konzertbesuchern weggewischt.

Damit sind wir freilich wieder gefährlich nah beim Klischee: Aber der ägyptische Musiker Mohamed Mounir und der Österreicher Hubert von Goisern sind gemeinsam aufgetreten und haben, so sieht es Hubert von Goisern, "einen Samen gesät" oder, aus Sicht von Mounir, bewiesen, "daß das gemeinsame Musizieren stärker als Blut und Krieg ist".

Ja, es ist gelungen: 15.000 Besucher umjubelten den Auftritt, waren begeistert vor allem vom gemeinsamen Musizieren des Goiserers und des Ägypters.

Doch bis zuletzt war die Anspannung hinter der Bühne zu spüren, bis zuletzt waren weder Mounir noch Goisern überzeugt, daß "es" passieren könnte. Organisert wurde dieses spektakuläre Zusammentreffen vom Goetheinstitut in Kairo (Fußnote: schon der alte Geheimrat war ein Verehrer der orientalischen Dichtkunst und auch beträchtlich von ihr beeinflußt). Bewußt hat sich der Leiter der Programmabteilung, Enzio Wetzel, Assiut als Schauplatz ausgesucht. Bis 1998 fanden dort die deutschen Tage statt, ehe der Terroranschlag auf deutsche Touristen dieser gemeinsamen Initiative der deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und Schweiz ein Ende gesetzt hatte.

Freilich, der 11. September machte die Ausgangssituation nicht leichter. Und dennoch bot diese Stadt, neben Kairo mit ihren 60.000 Studenten wichtigste Universitätsstadt, den richtigen (Nähr)Boden für dieses wagemutige Experiment.

Hubert von GoisernWer immer einen Ägypter (und sei es der ägyptische Zeitungsverkäufer im heimischen Salzkammergut) nach dieser Stadt fragt, wird eine ausweichende Antwort bekommen: Galt Assiut doch lange Zeit als Hochburg der Fundamentalisten und wird nach wie vor mit der Herkunft der Attentäter auf Präsident Anwar el Sadat identifiziert. Die Universität war ein Hort der Islamisten. Entsprechend gnadenlos ist die Staatsmacht auch bei der Bekämpfung vorgegangen.

Wie gereizt die Stimmung noch immer ist, erfuhren Hubert von Goisern und seine Band schon allein dadurch, daß sie nur durch eine Eskorte geschützt anreisen konnten. Selbst der Besuch der im übrigen ruhig und angenehm erscheinenden Stadt war den Gästen aus Österreich und Deutschland nur nach massiven Hinweisen auf das Gebot der Gastfreundschaft ohne entsprechenden Personenschutz möglich!

Und dennoch bietet Assiut den idealen Boden für einen "cultural clash" dieser Art: Die Menschen sind ausgehungert und sehnten sich nach einer kulturellen Begegnung. "Von der Angespanntheit auf und hinter der Bühne haben sie gar nichts bemerkt", ist Hubert von Goisern überzeugt. Bis zuletzt war ihm die Perspektive "glorreich zu scheitern" näher erschienen.

Das Publikum drückte auf die Absperrungen und stürmte schließlich im Überschwang die Hinter- und Seitenbühne, einige hundert Schaulustige machten es sich zudem in den Fenstern des dahinterliegenden, halbfertigen Hotelbaus bequem. "Die Gefahr, daß etwas passiert, jemand herunterfällt, war größer, als daß alles gut ausgeht"; bilanziert Hubert. Und jeder Zwischenfall hätte angesichts des Aufgebots an Sicherheitskräften nur eine Konsequenz gehabt: "Das so etwas wie dieses Konzert auf absehbare Zeit nicht mehr hätte stattfinden dürfen". Daß es freilich zu möglichen Zwischenfällen nicht gekommen ist, liegt vor allem auch am "Magier Mounir" (Hubert von Goisern), dem es gelungen sei, "die Leute friedlich zu stimmen".

Schnell erkennt Hubert von Goisern in Mounir einen "Seelenverwandten": "Er kommt zwar aus einer anderen Kultur, steht aber für dasselbe, was ich gemacht habe: Er bekennt sich zu seinen regionalen Wurzeln, ist aber in seiner Umsetzung international".

Es war deshalb für den Österreicher leichter, sich mit der Musik Mounirs auseinanderzusetzen als beispielsweise mit der Musik der Tibeter: "Beide Kulturen üben auf mich eine Faszination seit Kindheitstagen aus. Mit seiner Musik habe ich mir allerdings leichter getan als mit der tibetischen, die sich als Bewahrung alter Tradition versteht. Er steht mit seiner Musik im Hier und Jetzt".

Mounir schöpft zum Beispiel aus nubischen Traditionen, was vor allem die Rhythmik durch seine vierköpfige Percussiontruppe (hier kommt vor allem die ägyptische Darabuka zum Einsatz) und die Melodien verdeutlichen. Die moderne Auffassung seines Musizierens verdeutlichen Reggaegitarre und Jazztrompete in seiner Band. Und auch Form und Länge der Nummern deuten auf Befruchtung von außen hin.

Das optische Erscheinungsbild Mounirs und der fünfzehnköpfigen Band weisen auf westliche Vorbilder, wenn man vom Kopftuch einer seiner beiden Backgroundsängerinnen absieht.

Die nubische Moll-Pentatonik, auf die Mounir in fast allen seiner Nummern zurückgreift, macht es Hubert von Goisern schließlich leicht - so urteilt er selber - "ihnen mit der Ziehharmonika und in Dur ein Stück wegzunehmen und eine eigene Geschichte ausbreiten." Die Ziehharmonika an sich ist "ein Orchester, das in sich spielt". Und war für die Zuhörer zudem auch exotisch und beindruckend.

So sind sich beide Seiten einig, daß das, was zustandegekommen ist, "außergewöhnlich war und verdient, nachbearbeitet zu werden": Mohamed Mounir spricht von einer "speziellen Situation", die Hubert und er in Assiut vorgefunden hätten. Es sei auch nicht zulässig, davon auf "irgendetwas anderes, und sei es in Ägypten" zu schließen, meint Hubert von Goisern - und bezeichnet diesen Abend schlicht als "legendär".

Das afrikanische Abenteuer

Was macht Hubert von Goisern in Afrika? Wen soll die alpenländische Weltmusik des Goiserers ausgerechnet dort interessieren? Drei Stationen hat Hubert von Goisern für sich und seine Band im Zuge des Abenteuers Afrika eingeplant: Die kapverdische Hauptstadt Praia sollte Auftakt der Reise sein, Dakar mit seiner vibrierenden Szene der Höhepunkt und Burkina Faso ein würdiger Schlußpunkt.

"Ich will Freunde finden, den musikalischen Austausch suchen und zeigen, welche Musik wir machen," stellt Hubert vor der Abreise fest. Schon mit dem ersten Konzert ist das gelungen: 4.000 Zuschauer nützen die Einladung zu einem Konzert bei freiem Eintritt vor dem Fußballstadion im kapverdischen Praia. Und die Stimmung, für die sie sorgen, ist einmalig: Da springen gelegentlich Leute, beseelt vom Grogue, dem kapverdischen Zuckerrohrschnaps, auf die Bühne und tanzen mit, die einzelnen Lieder werden eingeklatscht. Autofahrer, die auf der nahen Straße vorbeifahren, beteiligen sich am Konzert, indem sie hupen.

Tété Alhinho von der Gruppe Simentera, deren zehnjähriges Bestehen der eigentliche Anlaß für dieses Konzert ist, kommt auf die Bühne und singt gemeinsam mit Hubert Über d' Alma. Eineinhalb Stunden dauert das Konzert, das ein würdiger und ermutigender Beginn für die Afrikareise werden sollte.

Ein respekteinflössender Ruf als eine der wichtigsten Städte der Musikszene eilt Dakar voraus und einen derer, die für diesen Ruf mitverantwortlich sind, trifft Hubert gleich am ersten Tag: Youssou Ndour hat es zum Weltstar gebracht und der Welt gemeinsam mit Künstlern wie Peter Gabriel, Sting oder Neneh Cherry Hits hinterlassen. Ndour interessiert sich im Gespräch vor allem für Hubert von Goiserns Zusammenarbeit mit tibetischen Künstlern und entpuppt sich als Fußballfan.

Eine weitere Begegnung beeindruckt Hubert von Goisern: Die mit der senegalesischen Modeschöpferin Oumou Sy, die sich mit dem ersten Internetcafé in Dakar und mit der Forderung nach dem Zugang zum Internet für den afrikanischen Kontinent einen Namen gemacht hat. Ein Zusammentreffen in Österreich, wenn sie im Herbst bei der Ars Electronica vertreten sein wird, wird vereinbart.

In einem der wichtigsten Konzertsäle des afrikanischen Kontinents, dem Theater Sorano, gibt Hubert ein Konzert gemeinsam mit dem senegalesischen Musiker Falung Dieng, der ebenso wie der Nachwuchsstar Magou einen der Titel von Huberts neuem Programm mitsingt.

Absoluter Höhepunkt sollte jedoch ein Auftritt an einem ganz anderen Schauplatz sein: Trotz vieler Warnungen und Sicherheitsbedenken wagt sich die Band in einen der Slums und spielt dort vor einem dankbaren und mitgehenden Publikum eines der vielleicht besten Konzerte, das sie bis dahin gegeben hat.

Das Schöne dabei: Der Wunsch vom gemeinsamen Musizieren mit afrikanischen Musikern erfüllt sich auf eindrucksvolle Weise, als die verschiedensten Musiker sich dazu gesellen und ihre eigenen Lieder und Rhythmen von Traditionellen bis zum modernen Rap - auch dafür ist Dakar längst ein Synonym - präsentieren.

Musikalische Begegnungen der archaischen Art ermöglichten schließlich Besuche einfacher, schwer erreichbarer afrikanischer Dörfer im Senegal und in Burkina Faso, wo die Bewohner die Gäste aus Österreich mit traditionellen Gesängen und Tänzen empfingen und im Gegenzug mit Volksliedern aus dem Salzkammergut, von Hubert von Goisern auf der Ziehharmonika gespielt, zum Tanzen animiert wurden.

Das Interesse Hubert von Goiserns gehörte aber nicht nur der Musik der Länder, sondern auch den Initiativen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit: "Meine Meinung diesbezüglich hat sich stark geändert, weil ich gesehen habe, wie effektiv hier gearbeitet wird und daß die Vorgabe der "Nachhaltigkeit" bei diesen Projekten nicht nur ein Schlagwort ist!

Neben den Ausflügen nach Afrika - im Sommer folgt noch ein angesichts der Probleme und Wartezeiten an den Grenzen gen Osten denkwürdiger Ausflug nach Sarajewo -, beginnt in Salzburg die Arbeit am neuen Album iwasig. Bereits im Juli war nach neun Jahren Pause erstmals wieder eine Single erschienen: Unter dem Titel Poika enthält sie zwei neue Nummern (Poika und Voixjammer) und unter dem Übers Wasser eine Neubearbeitung des Trad-Stückes Über d' Alma.

Poika ist auch einer der Höhepunkte im neuen Live-Programm, dessen Auftakt Assiut war und mit dem Hubert zu einer ausgedehnten Festivaltournee durch die deutschsprachigen Länder aufbricht. Insgesamt präsentiert sich Hubert von Goisern mit erweiterter Band mit einem stimmungsvollen, packenden Programm, das das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen vermag.

Er wollte einmal den umgekehrten Weg gehen: Neue Nummern in einem Liveprogramm erproben und sie erst dann auf CD präsentieren. Ein Experiment, das die Vorfreude auf die Veröffentlichung wachsen, und auch viel für eine Fortsetzung der Tournee erhoffen läßt!

Neues Album von Hubert von Goisern

Neues Volksblatt 3. September 2002

In Deutschland zählt der Musiker Hubert von Goisern, im eigenen Land wird der Oberösterreicher noch immer hauptsächlich mit einem einzigen Lied in Verbindung gebracht. Dennoch will er nicht gezielt auf eine Wiederholung des Hiatamadl hinarbeiten. "Hit-Single-Strategie ist mir fremd", betont der Künstler, dessen neues Album Iwasig (Virgin) am 16. September erscheint. Die Palette darauf reicht vom Reggae bis zum obligatorischen Jodler. "Alle Seelen, die in meiner Brust wohnen, haben auf einer CD gar nicht Platz", meint Goisern. "Aber die Platte hat eine gewisse Bandbreite. So wie das Leben halt auch." Im Vergleich mit der introvertierten Arbeit Fön ist Iwasig leichter zugänglich: "Fön ist aus der Stille entstanden. Dann sind wir nach langer Unterbrechung wieder auf Tournee gegangen. Durch das Spielen vor Publikum wurde mein Leben wieder lauter. Ich habe die neuen Lieder während der Tour-Pausen geschrieben." Aufgenommen wurde in Salzburg und Bad Goisern.

Mehr Fans in Köln als Wien

Im Sommer hat Hubert 23 Konzerte gegeben - nur drei in Österreich, eines auf Burg Clam. Das in Wien war schlechter besucht als Auftritte in Berlin oder Köln. "Wenn man in Deutschland mehr Zuschauer hat als dahoam, ist das bitter. Ich will mich aber nicht dahin entwickeln, dass ich wie Thomas Bernhard sage: 'Alles Orsch'." Die zunehmend fehlende Bereitschaft, sich bewusst mit Liedern auseinander zu setzen, sei auf das Konsumverhalten zurückzuführen: "Musik kommt aus der Stille und geht in die Stille zurück. Dieses Fundament haben wir nicht mehr. Es gilt nur noch der Dauerpegel."