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NEUE ZEITEN ALTE ZEICHEN

Hubert von Goiserns Lust am Ausprobieren

Süddeutsche Zeitung 18. Juni 2023 | Text & Foto: Ralf Dombrowski
Hubert von Goisern in München

Der Musiker zeigt auf dem Königsplatz, dass er mit der Grundalbernheit jungmännlichen Widerstands nichts mehr am Hut hat.
Trotz der Nachdenklichkeit bleibt sein Programm bunt - und punktuell frech. Nach Aufhören sieht das nicht aus.

Erstaunlich ist inzwischen die Selbstverständlichkeit seiner Musik. Als Hubert von Goisern in den frühen Neunzigern begann, die Indie-Folk-Idee ins Jodel-Business zu überführen, stempelte man ihm vorsichtshalber das Etikett "Neue Volksmusik" auf die Tonträger, damit die jeweiligen Stilfronten in der Ungehörigkeit der Mixtur den Willen zum Experiment akzeptierten.

Inzwischen steht er auf der Bühne am Königsplatz und lockt ein Publikum deutlich Ü40 auf die Reihen der Klappstühle, das die strukturelle Wildheit seiner inhaltlichen und klanglichen Verknüpfungen nicht nur fröhlich und sommerlich fröstelnd würdigt, sondern mit einer Tendenz zur Nostalgie bereits als Kapitel der eigenen musikkulturellen Entwicklung genießt.

Weit, weit weg sind die Anfänge, in lila Licht im Zugabenblock so smart und sanft erinnert, dass sich mancher Arm automatisch um den oder die Partner/in legt. Und bis dahin hat Hubert von Goisern ein buntes, nachdenkliches und punktuell freches Programm präsentiert. Vieles kam vor, schwebende Synthie-Atmosphären in Widmung an Jane Goodall und flockige funky Rhythmen in Erinnerung an Nina Simone, ein sarkastisch grübelnder Drogen-Beat als Verweis auf die Party-Launen der Post-Techno-Feiergaudi und lärmende Gitarren-Drones mit Dunkelszene-Appeal. Manchmal streuen die alten Tanzboden-Muster mit Ziach und Löffelpercussion ein, dann wieder wird dem Kohler Seiner als traditioneller Jodler aus Goisern in einen fröhlich fließenden Latin-Pop überführt.

Die nachdenkliche Passage des Konzerts widmet sich Bayreuth, Wagner, Lehár und dessen von den Nationalsozialisten ermordeten Librettisten Fritz Löhner, dessen Leben Hubert von Goisern zu Beats und dem von Andreas Schager zugespielten Operettenmotiv Freunde, das Leben ist lebenswert erzählend in Erinnerung ruft.

Nach gut zwei Stunden ist der Bogen dann fertig gespannt und Hubert von Goisern hat gezeigt, dass er mit der Grundalbernheit jungmännlichen Widerstands nichts mehr am Hut hat, ohne dabei die Lust am Ausprobieren aufzugeben. Im Vorfeld machten Ruhestandsgerüchte die Runde. Nach dem Konzert wirkten sie unwahrscheinlich.

Hubert von Goisern in München: Auf dem Gipfel am Königsplatz

Münchner Merkur 17. Juni 2023 | Text: Michael Schleicher | Foto: © Martin Hangen/Hangenfoto
Hubert von Goisern in München

Hubert von Goisern hat im Rahmen seiner "Neue Zeiten – Alte Zeichen"-Tour in München Station gemacht und ein mitreißendes Konzert auf dem Königsplatz gespielt.

Freilich, er ist halt ein Teufelskerl und reißt selbst das sonst ach so disziplinierte Münchner Publikum von den Klappstühlen. Nach 90 Minuten sitzt an diesem Freitagabend (16. Juni 2023) niemand mehr, und so wird das auch bleiben bis kurz vor 23 Uhr, als sich Hubert von Goisern und seine wunderbar aufgelegte und großartig eingespielte Band unter heftigem Jubel verabschieden. Um keine Irritationen aufkommen zu lassen: Es ist sinnvoll, dass dieser größte Auftritt der aktuellen Tour des Österreichers bestuhlt ist. Denn der Musiker, 1952 als Hubert Achleitner in Goisern geboren, spielt für Herz und Hirn; die Musik ist also absolut tanzbar, die Texte sind unbedingt (zu-)hörenswert. "Setzt di her zu mir, egal wer du a bist", heißt es zur Eröffnung in A Tag wie heut. Das ist ein Appell an die Toleranz – und zugleich ein musikalisches Credo: Hubert von Goisern ist offen für viele Stile, die er in seine Kunst integriert und interpretiert.

München ist das größte Konzert auf Hubert von Goiserns aktueller Tour

Auf dem Königsplatz ist das ein besonderes Erlebnis, auch, weil es der Technik gelingt, die Stücke unter den – obwohl es oft windstill ist – niemals einfachen Bedingungen eines Freiluftkonzerts fantastisch abzumischen. Da ist das feine Klingen der Triangel so klar zu hören, wie der Beat fett ist, der bei El Ektro, dem zweiten Song des Abends, als satte Groove-Welle übers Areal wogt.

Gespielt werden – vor dem Ausflug in den Werkkatalog mit zig Klassikern – fast alle Titel des aktuellen Albums Zeiten & Zeichen; darunter der gut gelaunte, mit lockerer Zunge interpretierte Reim-Spaß Eiweiß sowie das politisch starke Brauner Reiter, bei dem Severin Trogbacher die Dead Notes wuchtig schrubbt. Nicht nur mit seinem Gitarristen hat Hubert von Goisern einen so fabelhaften wie künstlerisch facettenreichen Musiker mitgebracht. Stellvertretend seien zudem Schlagzeuger Alexander Pohn genannt, der das Programm erdet, zusammenhält, vorwärtstreibt, und die Multiinstrumentalistin Maria Moling, die vor allem am Vibrafon beeindruckt.

Der 70-Jährige selbst spielt eh längst in seiner eigenen Liga, ist glänzend aufgelegt und in Plauderlaune – wenn Sie ihn mal treffen, lassen Sie sich unbedingt erzählen, wie er Andreas Schager in Bayreuth kennenlernte. Gemeinsam mit dem Wagner-Tenor hat er Freunde aufgenommen, eine Verneigung vor dem Librettisten Bedrich Löwy, der viel mit Franz Lehár gearbeitet hat, der ihn jedoch nicht vor der Ermordung in Auschwitz 1942 retten konnte/wollte. Obwohl Schagers Gesang nur zugespielt wird ("Des können wir uns nicht leisten, dass wir mit dem auf Tour gehen"), ist diese so berührende wie von Zerrissenheit erzählende Nummer ein erster Höhepunkt des Abends; Standing Ovations.

Als das zweite Lied gerade verklungen ist, ruft ein Mann von ganz hinten quer über den Königsplatz in Richtung Bühne: "Ihr seid die Besten!" Hubert von Goisern kommentiert trocken: "Wos soll i do sogn?" Eben!

Hubert von Goisern auf Tour in Brixen

Rai 4. Juni 2023

Hubert von Goisern: Live in Gmunden

2. Juni 2023 | Fotos: © Sarah Marchant

Hubert in absoluter Hochform

Neues Volksblatt 29. Mai 2023 | Text: Roland Korntner

140 Minuten Goisern-Vollgas bei zehnter Auflage von "Gmunden rockt"

"Ich hoffe, ihr seid gut vorbereitet, habt die Texte gelernt. Wenn nicht, dann lasst euch überraschen", mit diesen Worten begrüßte Hubert von Goisern am Sonntag seine Fans in Gmunden und gab damit die Richtung der ersten 70 Minuten vor.

In diesen gab er nämlich nur Songs aus seinem letzten Album Zeiten und Zeichen aus dem Jahr 2020 zum Besten. "Das neue Album ist nicht mehr so neu, aber weil die Welt zwei Jahre still gestanden ist, ist es auch noch nicht so alt", meinte der 70-Jährige, der vor Energie nur so strotzte, zwischendurch augenzwinkernd.

Ansonsten war der erste Part aber vor allem eindringlich (Brauner Reiter), intensiv (Sünder), zum Nachdenken anregend (Freunde) und beeindruckend — Unterhaltung mit ganz viel Haltung eben, wie man es von HvG gewohnt ist.

Ein wenig leichter, heller dann die zweiten 70 (!) Minuten, wiewohl beim Weltmusiker ohnehin kein Song ohne Botschaft ist. Oben und Unten, Brenna tuats guat, Iawaramoi oder Goisern sorgten für prächtige Stimmung, der Rathausplatz tobte.

Weit, weit weg und Heast as net bescherten echte Gänsehautmomente. Die tolle Band schon in den Feierabend geschickt kam Hubert von Goisern nach rund 135 Minuten ein allerletztes Mal auf die Bühne, spielte solo auf der Gitarre das Liebeslied Dunkelrot.

Ein feiner Abschluss eines tollen Konzertabends und ein würdiges Finale zum Ausklang der mittlerweile zehnten Auflage von "Gmunden rockt" (seit 2012) — wieder bestens organisiert von floro.

Hubert von Goisern krönt 10 Jahre Gmunden rockt

TV1 30. Mai 2023

Was für ein Abend: So begeisterte HvG im Naturtheater Bad Elster sein Publikum

Freie Presse 29. Mai 2023 | Text: Eckhard Sommer

Der Österreicher sorgte mit seiner Band für Hochstimmung. Und er hatte so manche Überraschung im Gepäck.

Bad Elster. Irgendwann bekommt die Chursächsische Veranstaltungs GmbH jeden Künstler, jede Künstlerin und jedes Ensemble, holt sie in das vogtländische Kulturmekka Bad Elster, wenn sich der Coup denn finanziell stemmen lässt. Hartnäckigkeit braucht es, Geduld und natürlich auch ein wenig Glück - umso größer ist dann aber die Vorfreude.

So stand auch endlich Hubert von Goisern am Pfingstsamstag mit seiner Band im Naturtheater auf der Bühne. Er kam mit seiner Steirischen Harmonika, spielte an alpenländische Volksmusik erinnernde Klänge. Nach und nach folgte ihm die Band, griff zu den Instrumenten. Der Chef stellte sich vor jeden Musiker und rockte ihn an. Das Lied entwickelte sich zu einem Klang-Inferno. "Na, seid ihr alle gut vorbereitet? Habt ihr die Texte von früher gelernt? Ich kann euch einige Überraschungen versprechen, auf die man sich nicht vorbereiten kann."

Natürlich verbarg die Liedermacher-Ikone aus Österreich nicht seine Herkunft, aber "nur" ein Alpenrocker, als der er einst vor allem galt, ist er nicht mehr. Geblieben ist sein politischer Anspruch, verpackt in tiefsinnigen und schwarzhumorigen Texten, stets mit Aufforderungen zum Nachdenken und zum Fassen an die eigene Nase, was die gegenwärtige Situation betrifft: "Wo sind die Heiligen, wo sind die Sünder? Wo sind die Ruhigen, die Schweiger?", "Wann kommt der Stromstoß?", "Keiner weiß, wie lange es die Welt noch gibt. Keiner weiß das heute". Hubert von Goisern besang das auch in Deutschland vorkommende Lamentieren, in Österreich "Gesudere" genannt, "dabei sind wir doch auf die Butterseite des Brotes gefallen". Er und seine Band überraschten mit der musikalischen Vielfalt: Sie rockten das Publikum im Naturtheater und rappten es, holten es mit zärtlichen Liebesliedern wieder nach unten und zum Innehalten: "Ich bin nicht dein Bogen, nicht dein Pfeil", "Ich bin nicht das Paradies, trag' dich nicht auf den Händen, hol' dir das Goldene Vlies". Ein berührender Moment, als Hubert von Goisern zusammen mit der Perkussionistin Maria Moling sein Weit, weit weg sang, mit dem Chor aus den Sitzreihen. Berührend auch, wie er das Publikum mit seiner unverhohlener Sympathie für Nina Simone und Jane Goodall in den Bann zog.

Obwohl Hubert von Goisern zu Beginn des über zweieinhalbstündigen Konzertes sang "Wollt ihr tanzen? Ich will es nicht. Ich brauche Pflanzen, um mich zu verschanzen", hielten sich viele Besucher nicht daran und auch nicht an sich, bewegten sich in Hochstimmung zwischen und neben den Sitzreihen, so gut es ging. Ein großartiger Abend.

Hubert von Goisern: Live in Kufstein

24. Mai 2023 | Fotos: © Daniel Merkel

Hubert von Goisern: "I stirb, wenn a falscher Ton kommt!"

TV1 Oberösterreich 22. Mai 2023

Weltmusiker Hubert von Goisern ist in seine vielleicht letzte Tour gestartet! Was danach kommt, wie sehr ihn seine Versagensängste plagen, und warum er mit manchen Musikern nicht musizieren kann - verrät er in Petra plaudert.

Mit tiefsinniger und heiterer Poesie

Südkurier 22. Mai 2023 | Text: Christian Keutner

Weltmusiker Hubert von Goisern in Markdorf: Publikum findet die Wandlungsfähigkeit gut

Markdorf - Mit seiner immensen künstlerischen Vielfalt faszinierten Hubert von Goisern und seine Band beim Markdorf Open Air am Freitagabend. Der Sänger, Musiker, Texter und Komponist bestach mit einem ungewöhnlich facettenreichen Repertoire durch viele Musik-Genres und bewegte die Generationen.

Wie Doris Falge. Sie hatte die längere Fahrt aus Waldshut auf sich genommen, um zusammen mit ihrer Freundin Monika Bauer Hubert von Goisern erstmals live zu erleben. Das sei wie ein Geburtstagsgeschenk, denn tags darauf feiert sie ihren 76. Geburtstag. "Er ist mein absoluter Lieblingssänger. Wie er auf seine Texte kommt, das ist so beeindruckend und berührend. Ich habe vier CDs von ihm, die höre ich rauf und runter", erzählt Doris Falge voller Erwartung vor dem Konzert.

Hubert von Goisern, dessen Humor sich schon von seinem Künstlernamen ableiten lässt, denn er kommt aus Goisern/Oberösterreich, greift zum Mikrofon. Er warnt und rät: "Erstmal wird es nur neue Sachen geben. Wer das erste Mal dabei ist, Ohren aufsperren und gelassen bleiben."

Die Zuhörer bleiben entspannt. Auch diejenigen, die den inzwischen 70-jährigen Liedermacher und Weltmusiker hauptsächlich als Vertreter des Alpenrock mögen. Aber das macht ihn und seinen Erfolg aus: nicht stehenbleiben, sich stetig weiterentwickeln, neugierig bleiben, Engagement nicht nur zeigen. Er umhüllt seine oft gesellschaftskritischen Texte mit harmonischen Tönen und serviert sie ohne den wedelnden "Mei, mei"-Zeigefinger, garniert mit fein- und tiefsinnigem Humor, sodass sie geschmeidig ins Ohr fließen und im Hirn haften bleiben.

Das feiert das Publikum. Die Zuhörer wippen zum Beat, schmunzeln über den Song der Eisbären, die sich weigern, vegan zu leben und im Refrain inbrünstig nach Eiweiß schreien. Sie singen bei seinem Klassiker Weit, weit weg von 1992 mit, schmiegen sich zu den romantischen Songs an ihre Partner und schauern bei dunkel-düsteren weltuntergangsmäßigen Klängen mit Sturm, Krähengeschrei und Kirchenglocken. Hubert von Goisern singt gegen eine pessimistische Grundstimmung und ständiges Gemecker an. "Natürlich, es kann alles besser sein, aber uns geht es gut. Wir sind auf die Butterseite des Brots gefallen", sagt er.

Sein ganzes Leben, seine vielen Reisen und sein politisches Engagement für Menschen und Umwelt hat Hubert von Goisern musikalisch verpackt. Wie seine zeitweise Begleitung der Schimpansenforscherin Jane Goodall, über die er einen Film gedreht hatte. Er singt, jodelt, flötet, spielt Gitarre, schwenkt seine steirische Harmonika, begleitet von einer fünf Personen umfassenden Band mit lebhaftem Zusammenspiel. Goisern hat seine Fans, obwohl er kein Mainstream ist.

[...] Es gibt viele Zugaben, zuletzt sitzt Hubert von Goisern allein auf der grell beleuchteten Bühne und singt Wia die Zeit vergeht (sic - Dunkelrot). Stimmt. Auch beim Konzert viel zu schnell. Zum Schluss dankt er allen und meint: "Passt's auf aufenand, lasst euch nichts gfoallen - es sei denn, woas Schönes!" und entlässt die glücklichen Zuschauer in die Nacht.

Willkommen Österreich

ORF 17. Mai 2023

Hubert von Goisern in "Feuer und Flamme"

Südtirol 1 14. Mai 2023

Feuerrote Socken, den Spaß erlaubt sich Hubert von Goisern auch noch mit 70. "Ich bin ein lustiger Mensch, glaube ich. Auch wenn das alle um mich herum nicht immer so verstehen, denn ich kann schon auch anstrengend sein", sagt er über sich selbst. Aber Freunde hat er viele nach all den Jahren - auf der ganzen Welt. Erst im April war er mit seinem Bandkollegen, dem Südtiroler Keyboarder und Komponisten Alex Trebo auf Reisen zwischen Südtirol, Bologna und Neapel. Neben Trebo werden bei Goiserns Konzert am 2. Juni im Kletterzentrum Vertikale in Brixen auch die Gadertaler Musikerin Maria Moling, die Brixner Violinistin Irene Troi und deren Sohn Raphael mit dem Cello auf der Bühne stehen, erzählt Hubert von Goisern: "Ihr habt so fabelhafte Leute hier in Südtirol, das ist unglaublich." Im musikalischen Programm des Abends werden diesmal wieder mehr altbewährte Goisern-Lieder mit dabei sein: Brenna tuats guat zum Beispiel, oder auch Heast as nit, darauf warten die Leute. Das geht richtig hoch hinauf, aber solang ich´s noch schaffe, singe ich es!" Der heurigen Tournee mit 30 Konzerten wird wahrscheinlich ab Winter wieder eine Auszeit folgen, in der sich Goisern unter anderem zum Schreiben zurückziehen möchte. 

Warum ihm bis heute die Tränen in die Augen schießen, wenn er an seine Mutter denkt, warum er das Reisen wohl von seinem Vater geerbt hat und vieles mehr hat Hubert von Goisern auch am Sonntag, am Muttertag, in "Feuer und Flamme" verraten.

Hubert von Goisern zum Tourstart mit Liveplatte und Best-of

APA 4. Mai 2023

Hubert von Goisern geht wieder auf Tour: Der Musiker, der im Vorjahr seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, startet im Mai mit seiner Open-Air-Reise Neue Zeiten, alte Zeichen. Passenderweise veröffentlicht er dazu ein Livedoppelalbum sowie eine neue Best-of (Derweil 2), die die vergangenen 15 Jahre abdeckt. Nach den Konzerten gibt es für ihn erst mal eine Pause von der Musik. "Wie lange, das weiß ich noch nicht", betonte Von Goisern.

Schon nach dem Ende seiner Trad-Tour im Jänner 2005 gab es die Kombination aus Compilation (damals erschien die erste Derweil) und Bühnenpause. "Jetzt ist es wieder soweit, dass ich nach diesem Jahr eine Zeit lang von der Bühne weg sein werde." Wann es weitergeht, lasse sich nicht abschätzen. "Wenn ich etwas auflöse, weiß ich nie, wann und wie es weitergeht", erklärte Von Goisern am Donnerstag bei einem Medientermin in Wien.

Schließlich sei es nicht so, dass er ohne Musik nicht leben könne. "Es gibt auch andere Sachen, die schön sind", erklärte der Musiker augenzwinkernd. Für ein reines Best-of-Programm werde er nicht zurückkommen. "Entweder es fällt mir etwas Neues ein, oder ich lasse es." Nachschlag gibt es wahrscheinlich auf literarischer Seite: Nachdem er 2020 unter seinem bürgerlichen Namen Hubert Achleitner das Romandebüt flüchtig veröffentlicht hat, möchte er sich nun wieder dem Schreiben widmen. "Das ist eigentlich der Plan. Aber da muss dir erst etwas einfallen. Es ist nicht so, dass ich schon vorgearbeitet habe."

Das Schreiben empfinde er jedenfalls als sehr angenehm. "Du musst dich dabei mit niemandem koordinieren", verwies Von Goisern auf den Organisationsaufwand seiner Musik- und Liveproduktionen. "Da ist das Team sehr groß, das ist ein mittleres Unternehmen. Beim Schreiben aber bist du ganz alleine, was lässig ist. Es ist etwas, das nur mich betrifft." Im Hinterkopf habe er zudem noch den Wunsch, ein Bühnenwerk zu schaffen. "Das geht ja schon 40 Jahre zurück. Es ist schön, davon zu träumen. Aber es umsetzen? Sehr viele Noten, sehr viel Text. Der Reiz ist da. Nur weiß ich nicht, ob sich jeder Traum verwirklichen lässt."

Zuletzt hat sich Von Goisern äußerst kritisch zu den in Salzburg zwischen ÖVP und FPÖ gestarteten Koalitionsverhandlungen geäußert. Gibt es den Anreiz, den zunehmenden Rechtsruck in der Politik auch musikalisch oder literarisch zu verarbeiten? "Die Spannung hat sich erhöht", nickte Von Goisern. "Es reizt einen schon, diese sehr angespannten Saiten anzuschlagen und die hohen Töne zu spielen." Es sei aber nicht seine Absicht, "politisch aktive Klänge" zu erzeugen.

Die nun anstehende Tournee bestreite er mit derselben Livebesetzung wie im vergangenen Jahr, allerdings musiziere man ausschließlich unter freiem Himmel, weshalb die Setlist verändert und weniger auf Balladeskes gesetzt werde. "Ein paar Lieder werden rausfallen, dafür kommen andere dazu", gab Von Goisern einen Einblick. "Einige, die ich schon lange nicht mehr gespielt habe. Gute Lieder sind eh zeitlos, davon gibt es zum Glück einige in meinem Repertoire." Nach dem schwierigen Tourstart 2022, als seine Band coronabedingt kurzzeitig dezimiert wurde, gab er sich nun entspannt. "Mit jeder Schwierigkeit, die du bewältigst, mit jedem Überhang, den du schaffst, bekommst du mehr Selbstvertrauen, dass sich eine Lösung finden lässt." Insgesamt sind 30 Konzerte in Österreich, Deutschland und Italien angesetzt.

Willkommen in recht ewiger Vergangenheit

Salzburger Nachrichten 3. Mai 2023 | Text: Bernhard Flieher

Alte, neue Alben, 30 Konzerte und politische Geister:
Hubert von Goisern über entsetzliche Koalitionsideen und eine Pause von der Musik.

"In diesem Sinne: Willkommen in der Vergangenheit." So steht es auf dem Booklet eines der beiden neuen Doppelalben von Hubert von Goisern. Bei einem Blick auf die politische Lage kann ein Willkommen im Vergangenen auch dann gelten, wenn man sieht, wie der Goiserer sich im Lauf seiner Karriere politisch äußerte - meist als Privatperson, immer mit einer weltoffenen, künstlerischen Haltung und Ästhetik und bisweilen ganz unmittelbar in Songs: iawaramoi ist so ein Song. Darin geht es um ein Grundunbehagen, was das Tümmeln am rechten politischen Rand betrifft. Im Original wird Jörg Haider direkt angesprochen: "In an Beisl zett da Haider wie a Pfarrer, auf de Obizahrer und de Schwarzfahrer, Kommunisten und de ganze Packlrass, der sagt eanas eini, des is klass ..." Danach wurde das Lied auf HC Strache umgemünzt. Und nun ist Herbert Kickl dran. Denn iawaramoi wird der Goiserer in diesem Jahr mitnehmen, wenn er Mitte Mai zu Konzerten aufbricht.

Der Song hat 31 Jahre auf dem Buckel. Ist aber aktuell, denn es sei "eine entsetzliche Vorstellung, dass es eine Koalition mit der FPÖ geben könnte", sagt der Goiserer am Dienstag über die Folgen der Landtagswahl in Salzburg. Und er will und kann nicht glauben, dass Landeshauptmann Haslauer so eine Koalition eingehe. Er würde von Haslauer zutiefst enttäuscht sein.

Neue Zeiten, alte Zeichen heißt die Tour, die der Goiserer im Mai startet. Vieles behalte eben seine Gültigkeit - "oder bekommt sie gerade wieder", sagt er über den Titel. Darüber, was die Kunst oder ein Song ausrichten könnten, macht er sich keine Illusionen. "Kunst kann nichts verändern, aber sie kann Trost spenden", sagt er.

30 Konzerte wird er heuer spielen. Es ist die Fortsetzung der Zeiten & Zeichen-Tour aus dem vergangenen Jahr. 70 Mal ist er da mit seiner Band aufgetreten. "Für mich haben wir zu viel gespielt", blickt er zurück. Der Goiserer hätte sich gewünscht, dass sich die Menge der Auftritte gleichmäßig auf beide Jahre verteilt. "Aber das haben wir uns nicht aussuchen können", spricht er darauf an, dass vieles wegen der Pandemie hat verschoben werden müssen. Das letzte Konzert dieser Reihe hat im vergangenen November im Salzburger Festspielhaus stattgefunden. Der Mitschnitt erscheint nun als eines von zwei neuen Doppelalben knapp vor Tourneebeginn.

Heuer werden ausschließlich Open-Air-Konzerte gespielt. Daher habe er aus dem Programm des Vorjahrs vieles Balladenhafte gestrichen. "Bei einem Open Air herrscht nie so eine Ruhe, wie es in einer Halle sein kann", sagt er. Im vergangenen Jahr hatte er bei den Konzerten alle Songs des bisher letzten Studioalbums Zeiten & Zeichen gespielt. Erst gegen Ende der Auftritte griff er in die Songkiste vergangener Tage. Welche älteren Songs bei der anstehenden Tournee neben iawaramoi auftauchen, steht noch nicht fest. Zehn "alte, neue Stücke" stehen derzeit zur Disposition. In den nächsten Tagen wird sich bei den Proben herausstellen, was es aus der Erinnerungskiste in neuem Klangbild in die Setlist schafft.

Es wird auch jenseits der Bühne zurückgeschaut. Derweil 2 heißt eine Zusammenstellung, deren gleichnamiger "Vorgänger" 2005 erschienen war. Damals hatte der Goiserer auf der Trad-Tournee gut 100 Konzerte gespielt und dazu einen Auftritt beim Festival au Désert nahe Timbuktu in der südlichen Sahara, einem Ort, der derzeit nicht bereisbar ist. Danach wurden aus zwölf Alben - erschienen zwischen 1988 und 2004 - 34 Lieder gesucht. Derweil 2 beinhaltet nun Lieder aus zehn Alben und deckt den Zeitraum 2008 bis 2023 ab.

Dass Livealbum und Best-of gleichzeitig herauskommen, hat ökonomische Gründe. "Weil wir das auf Tour dann beim Merchandising-Stand verkaufen können", sagt der Goiserer. Anderswo nämlich ist die Zeit der CD vorbei. Freilich mute ein physisches Album nostalgisch an und anachronistisch in Zeiten des Herunterladens und Streamens. Im Anachronismus erkenne er aber auch etwas Widerständiges.

So wie nach 2005 und schon einmal in den 1990er-Jahren nach dem Erfolg mit den Alpinkatzen stellen die Compilation und das Livealbum den Abschluss einer künstlerischen Phase dar. "Nach diesem Jahr werde ich eine Auszeit von ein paar Jahren nehmen", sagt der Goiserer, der im vergangenen November seinen 70er gefeiert hat. Das gilt fürs Musizieren und für Livekonzerte. Der Goiserer deutet aber an, dass er schreiben wird. Ob es ein Nachfolgeprojekt zu seinem Roman flüchtig wird, ließ er offen.

Hubert von Goisern in München: Krönung auf dem Königsplatz

Münchner Merkur 3. April 2023 | Text: Michael Schleicher | Foto: © Marcus Schlaf

Hubert von Goisern geht auf seine "Neue Zeiten – Alte Zeiten"-Tournee und macht am 16. Juni 2023 auf dem Münchner Königsplatz Station. Außerdem kündigt der Musiker zwei neue Alben an.

Als dieses Pressegespräch am Montagvormittag (3. April 2023) beinahe zu Ende ist, wird Hubert von Goisern nach künftigen Projekten gefragt und antwortet mit diesen zwei Sätzen: "Ich hoffe, dass es noch Dinge gibt, die auf mich warten. Von denen ich aber bislang nichts weiß." Gut möglich, dass es genau diese Offenheit und Neugierde des 70-Jährigen sind, die seine Musik immer wieder aufs Neue spannend machen. Denn so, wie sich der Künstler überraschen lässt, so überrascht er sein Publikum. Bei einem Konzert des Österreichers weißt du eben, dass du nicht weißt, was dich tatsächlich erwartet. "Ich habe immer mehr Lieder auf dem Zettel, als wir zeitlich unterbekommen." Leiwand.

Hubert von Goisern spielt am 16. Juni 2023 auf dem Münchner Königsplatz

Dennoch gibt es nun einige Fakten, die fix sind: Hubert Achleitner, 1952 im oberösterreichischen Goisern geboren, startet am 18. Mai 2023 seine Tour Neue Zeiten – Alte Zeichen und macht am 16. Juni 2023 auf dem Münchner Königsplatz Station; es wird der größte Auftritt dieser Reise. Die vogelwilde bayerische Band Pam Pam Ida tritt zusammen mit dem Silberfischorchester als Vorgruppe auf. "Ich bin sehr gespannt und freue mich darauf", sagt von Goisern. Der Königsplatz wird bestuhlt sein; der Vorverkauf läuft bereits.

Pam Pam Ida ist in München die Vorgruppe von Hubert von Goisern

Vor acht Jahren hat der Musiker, der in den Achtzigern mit den Original Alpinkatzen den Alpenrock quasi erfunden hat und seitdem in vielen Stilen, Ländern und Genres unterwegs war, zum bislang letzten Mal auf dem Königsplatz gespielt. Für den Auftritt heuer verspricht er Rückblicke auf sein Schaffen – und Ausblicke. Um eine Werkschau geht's übrigens auch auf seinem Doppelalbum Derweil II, das im Mai 2023 erscheint und die vergangenen 15 Jahre Revue passieren lässt. Zugleich kommt ein Mitschnitt seines Konzerts heraus, das er im vergangenen Jahr im Salzburger Festspielhaus gegeben hat. Der Auftritt wurde auch gefilmt – derzeit laufen Verhandlungen mit BR und ORF über eine Ausstrahlung.

Hubert von Goisern: "Veränderung ist Leben"

Das Tourmotto ("Wir spielen Songs, die überdauert haben und noch immer aktuell sind") versteht Hubert von Goisern ebenso wie den Titel seines Studioalbums Zeiten & Zeichen (2020) durchaus politisch: "Die neuen Zeiten haben uns nicht erst seit Corona und dem Ausbruch des Krieges im Griff." Er erinnert an ein Gespräch, das er in den Neunzigern mit der britischen Forscherin Jane Goodall geführt habe: "Sie hat damals gesagt, die Menschheit sei auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt. Wir haben nicht mehr viel Zeit, den Kurs zu ändern." Die "weltweite Solidarität", die angesichts der vielen Krisen erforderlich sei, überfordere viele Menschen – oder sie sei ihnen abhandengekommen, lautet sein Fazit. "Aber genau die brauchen wir jetzt. Sonst wird's ganz schlimm." Dennoch bleibt er optimistisch: "Ich bin überzeugt, dass die Menschheit die Ressourcen zur Veränderung hat." Natürlich, räumt von Goisern ein, würden alle manchmal bedauern, dass vieles nicht mehr so sei wie früher. "Aber Veränderung ist Leben." Als Künstler weiß er darum ganz besonders – nicht erst, seit er vor drei Jahren mit Flüchtig sein Romandebüt veröffentlicht und damit auf Anhieb einen Bestseller gelandet hat. Möglich, dass er sich trotz seines "Respekts vor der Literatur" an ein neues Buch setzen wird – wenn die Konzerte rum sind. "Nach dieser Tour ist erst mal Schluss. Wenn ich Musik mache, ist an einen Roman nicht zu denken."