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S'NIX

"S'Nix" ist doch was: Interview mit HvG

SWO 3. November 2008 | Text: Viola Eigenbrodt

Hubert von GoisernWird es in absehbarer Zeit ein Konzert in Südtirol geben?

Ja, nächstes Jahr in Bruneck und vielleicht noch ein zweites. (Das eventuell in Meran stattfinden wird, so seine Agentur)

Wie sehen Sie die Auswirkungen Ihrer Reisen auf Ihr schöpferisches Potential?

Nichts geht spurlos an einem vorbei - die Substanz, man kann auch sagen das Rohmaterial vermehrt sich ständig, das schöpferische Potential, wie Sie es nennen, bleibt jedoch unverändert. Ob man was draus macht hängt nicht von der Fülle der Ressourcen ab.

Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihrer wirklich sehr eigensinnigen Musikmischung?

Bin ich erfolgreich? Bin ich eigensinnig? Ich denke darüber nicht nach - ich mache meine Musik, was für eine sollte ich sonst machen?

Kann man mit Musik Politik machen oder wie politisch ist Musik, man denke an Bob Marley oder Bob Dylan etc.?

Man kann, aber man tut der Musik damit keinen Gefallen - Musik ist grösser als Politik je sein kann.

Wünschen Sie sich manchmal, ein unpolitischer Mensch zu sein?

Wer wünscht sich nicht, dass die Dinge von selber laufen. But they don't. Politische Entscheidungen werden doch dauernd getroffen, schon innerhalb einer Familie, einer Arbeitsgemeinschaft, eines Teams, jedes Miteinander braucht einen Konsens - das ist Politik.

Wem fühlen Sie sich verpflichtet?

Meinem Gewissen.

Wäre etwas anderes als Musiker generell möglich?

Natürlich.

Manche Maler entwickeln die Idee für ihr Bild erst während des Malprozesses, ist das auch bei Ihnen beim Komponieren so oder ist zuerst die Idee im Kopf da?

Das eine schließt das andere nicht aus!

Wie wichtig ist Ihnen Stille?

Sehr.

Was bedeutet Tradition für Sie, nicht nur in der Musik?

Tradition ist wie ein Rucksack, den wir herumschleppen und der sich mit fortschreitendem Alter mehr und mehr füllt. Da sind brauchbare Sachen drinnen - für alle möglichen Lebenssituationen, aber vieles ist unbrauchbar gewordener Tand, sentimentale Erinnerungen an vergangene Zeiten. Es lohnt sich zwischendurch immer wieder mal zu entrümpeln. Das macht den Rucksack leichter und die Lebenswanderung beschwingter.

Haben Sie eigentlich noch Ihr allererstes eigenes Instrument?

Nein, mein erstes Instrument war eine Trompete - die war geliehen und wurde von der Blasmusikkapelle eingezogen als man mich hinauswarf.

Werden Sie wieder einmal eine Filmmusik schreiben?

Kann ich mir gut vorstellen.

Werden Sie auch wieder einmal eine Rolle übernehmen, wie in Hölleisengretl?

Gerne.

Vielleicht werden wir also vielseitig begabten "Alpinisten" bald auf Zelluloid bewundern dürfen, und wer weiß, was er sonst noch so alles vorhat!

Die Blitzköpfe sind gleichmäßig verteilt

Kurier 30. Oktober 2008 | Moderator: Martin Haiden | Fotos: Julia Pühringer

Hubert von Goisern im KURIER Online-Chat über den Weltuntergang 2012,
gleichmäßig verteilte Blitzköpfe und das Herz am rechten Fleck.

Hubert von GoisernAnton F.: Wie wird es denn nun mit dem Schiff weitergehen, mit dem Sie die Welt bereist haben? Wird das weiter genutzt?

HvG: Soweit ich weiß transportiert das Schiff, die Barge inzwischen wieder Schotter auf der Donau.

Christian W.: Finden Sie es nicht schade, dass es auf Österreichs Radios kaum österreichische (Dialekt-)Musik zu hören gibt?

HvG: Da gebe ich Dir recht. Es fehlt leider den Programmverantwortlichen der Mut.

Heimo K.: Hallo Hubert! Wie hast Du eigentlich Dein Erspartes angelegt? Daheim unter der Matratze, oder auf der Bank oder ... nein...oder doch in Aktien?

HvG: Ich habe das meiste ausgegeben, zum Beispiel ein Haus gebaut, ein Schiff mit einer Konzertbühne ausgestattet und Gratiskonzerte gegeben.

Thomas W.: Hallo Hubert, mich würde interessieren, wie du die Hits, die dir deine größten (kommerziellen) Erfolge bescherten, heute siehst - gefällt dir dieser Musikstil und würdest du solche Musik vielleicht irgendwann wieder machen?

HvG: Ich habe keinen Grund, mit meiner Vergangenheit zu hadern und viele Lieder, die ich in den 90er Jahren komponiert habe, spiele ich auch im aktuellen Programm.

christian F.: Hallo Hubert ich bin der "Elbling" - Christian - ich hoffe Du kannst Dich erinnern (Wanssum) ... ich weiß bis heute nicht, ob der Wein gut war ;-) ? Ich schätze Dein Bemühen, die Menschen zusammen zu bringen und habe das mit Interesse verfolgt! Und auch bei Deinen Konzerten erlebt! ... besonders in Holland. Ein Lob auch an Deine Band! Ich kann nur sagen: weiter SO! In Hilpoltstein hatte ich das Vergnügen bei der Probe einen Titel auf englisch zu hören - war SUPER! Warum nicht mal einen Titel in englisch?

HvG: Ja eh! Auch Hochdeutsch ist eine Option über die ich immer wieder nachdenke. Dazu müsste ich aber meine Produktionsstätte dahin verlegen, wo so gesprochen wird.

julian h.: Lieber Hubert, wie die meisten hier bin auch ich von deiner Musik fasziniert. Vor allem von Alben wie Fön, Trad und Iwasig. Ich weiß dass du ein Vollblutmusiker bist und viele Arten von Musik ausprobieren willst und auch den Drang danach hast Neues zu schaffen. Denkst du jedoch daran, nach dem aktuellen Album, wieder zu deinen Wurzeln zurückzukehren, oder wieder Neues zu probieren? (freu mich schon auf den Gig am Sa u. So im MQ)

HvG: Ich werde das aktuelle Programm noch bis nächsten Sommer spielen und dann eine Pause einlegen und in mich hineinhören, was als Nächstes ansteht.

julian h.: Welche Bands hört Hubert Achleitner wenn er selber mal keine Musik macht? Gibt's Lieblingsinterpreten für dich?

HvG: Fast alles. Auch viel Schaas. Weil man das vorher ja nicht weiß, wenn es was neues ist. Aber ich gebe zu: am liebsten entweder selber zu musizieren oder die Stille zu genießen. Ich höre Musik lieber live gespielt als von einem Tonträger.

kurt george w.: Glaubst du an den Weltuntergang 2012, Religionen sagen es voraus. (Mayas, Inkas, usw)

HvG: Ja. Ich rechne jeden Augenblick damit, nicht erst 2012.

alexander h.: Einfach nur danke für die vielen schönen gemeinsamen Stunden.

HvG: Bitte!

Martin S.: Was haben sie gegen unter Unter-Dreißigjährige? Warum soll ich mich vor Ihnen hüten?

HvG: Lesen sie doch den ganzen Text auf meiner Homepage, dann wissen sie es. Aber es ist natürlich eine Überspitzung. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass junge Leute das Herz am rechten Fleck haben sollten - also links. Wenn man sich später konservativen Ansichten zuwendet, ist das normal. Aber Jungsein sollte mit einer progressiven Haltung einhergehen.

Hubert von GoisernMartin S.: Was macht Bad Goisern so außergewöhnlich? Warum kommen so viele "Celebs" (Haider, Wilfried, Haubner, Hubert) von dort?

HvG: Keine Ahnung, aber so lange es sich die Waage hält, neutralisieren sich die Wahnsinnigen.

Roberta F.: Hallo - von all den Projekten, die sie in den vergangenen Jahren gemacht haben - welche hat sie am zufriedensten gemacht?

HvG: Immer das, mit dem ich gerade fertig geworden bin.

martina v.: Eine Frage - der Chat heißt: "Hüte Dich vor den Unter-Dreißigjährigen" - was ich als Anspielung auf die politische Willenskundgebung der vergangenen Monate sehe. Was sehen Sie als Grund für dieses eigenartige Verhalten? An gewissen blauen Augen allein kans ja nicht gelegen sein - oder an orange Freundschaftsarmbändern.

HvG: Vielleicht liegt es daran, dass junge Menschen von Äußerlichkeiten mehr beeindruckt sind, als von Inhalten. Denn wenn man sich die Wahlplakate vor Augen führt, kam einem H.C. oder Jörg bedeutend lebendiger rüber, als die anderen eher griesgrämig wirkenden.

Felix G.: Lieber Hubert, warum fällt es dir so schwer, das Hiatamadl-Image abzulegen?

HvG: Ist das so? Ist mir nicht bewusst.

alexander h.: wie schafft man es, so mit sich zufrieden zu sein?

HvG: Ich tu nur so.

Gudrun N.: Ich hab gehört, oder gelesen, dass du demnächst ein Buch schreiben willst. Hast du da schon konkrete Pläne und kannst ein bisserl mehr darüber verraten, oder bist du auch der Typ der meint über ungelegte Eier gackert man nicht , dann muss ich mich halt überraschen lassen.

HvG: Nicht weil ich dich auf die Folter spannen will, sondern weil ich das Buch erst wenn es fertig ist mit einem Satz beschreiben kann. Jetzt bräucht ich dazu viele, das würde den Rahmen des Chats sprengen.

fritz m.: Haben Sie vor, in die Politik zu gehen?

HvG: Ich glaube dazu bin ich zu dünnhäutig. Ich würde die dauernden Anfeindungen der politisch Andersdenkenden nicht aushalten. Und ich mag mir auch keine dicke Haut zulegen. Der einzige interessante Posten wäre Bundespräsident, da steht man über den Dingen.

Felix G.: Hallo Hubert. Könnte es sein, dass du noch einmal für einen großen Kinofilm die Filmmusik schreibst?

HvG: Warum nicht?

Lisa M.: Hallo Hubert! Vielen Dank für das schöne Konzert in Leipzig, ich hoffe wir können noch viele Konzerte mit dir erleben. Kommst du nächstes Jahr mal nach Thüringen? Liebe Grüße von Lisa aus Thüringen und Anhang.

HvG: Meine Tournee wird von meinem Management in München gebucht. Wenn es einen Veranstalter in Thüringen gibt dann stünde dem nichts im Wege.

Felix G.: Wie ist eigentlich der Text zu dem Lied "Heast as nit" entstanden?

HvG: Um sieben Uhr morgens, in Hütteldorf am Flügel sitzend bei einer Tasse Tee, den Fingern und Geist freien Lauf lassen.

otto a.: Sie sind weit herumgekommen - wo musiziert man noch am besten?

HvG: Noch?

Felix G.: Lieber Hubert, ich (23) finde das neue Album mit dem hohen Tempo, der Lautstärke und der rockmusikalischen Modernität besonders für junge Leute ansprechend. Trotzdem hatte ich am Wochenende in Regensburg den Eindruck, dass 70-80% der Gäste jenseits der 45 waren. Warum fällt es so schwer, die Jugend wieder zurück zu holen?

HvG: Wie sollen die Leute erfahren, welche Musik ich mache, bevor sie ins Konzert kommen? Die wenigsten informieren sich vorher über das neue Programm und geben mir diesen Vertrauensvorschuss. Neues Publikum zu gewinnen funktioniert natürlich am besten über Air-Play, aber das mit deutschsprachiger Musik auf deutschsprachigen Sendern ist so eine Sache.

asf a.: Hallo Hubert! Was sagst du zu dem Rechtsruck in Österreich?

Hubert von GoisernHvG: So sind wir halt... Gott sei dank nicht nur wir. Die Blitzköpfe dieser Welt sind ziemlich gleichmäßig verteilt.

Lisa M.: Was ist das für ein Gefühl wenn man nach einem neuem Album auf der Bühne steht und nicht weiß ob das denn Leuten gefällt?

HvG: Geil!

eduard g.: Im kommenden Jahr ist Linz Kulturhauptstadt - ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Verantwortlichen gerade sehr kalte Füße haben, und vieles im Chaos aufgeht. Wie sieht Ihr Engagement dafür aus - und was hat eine Stadt davon, einmal Kulturhauptstadt zu sein - was bleibt? Gibt es gute Vorbilder? Liverpool zum Beispiel scheint die Sache ja nicht besonders geschickt angestellt zu haben.

HvG: Sowohl die Auszeichnung "Europäische Kulturhauptstadt 2009" als auch der Intendant Martin Heller sind ein Glücksfall für die Stadt.

alexander h.: ... und plötzlich strahlt von meinem PC Klugheit und Cleverness entgegen.

"Ziehe nicht mit der Fahne durchs Land"

Allgäuer Zeitung 15. Oktober 2008

Interview: Der Musiker Hubert von Goisern mag Grenzüberschreitungen,
sieht sich aber nicht als idealistischer Rebell - Am 23. Oktober tritt er mit Band in der Big Box auf

Am 31. August spielten Hubert von Goisern und seine Band in Passau das letzte Konzert ihrer Linz Europa Tour West, die sie bis zur Nordsee und wieder zurück führte. Nach 12 000 Kilometern auf Europas größter Wasserstraße kehrte er am 1. September in seinen Heimathafen Linz zurück. Doch noch scheint der 55-jährige Musiker nicht müde und tourt nun über Land. Im Vorfeld zu seinem Konzert am 23. Oktober in der Big Box sprach er mit Stefan Nowicki über die Tour und seine Pläne.

Herr von Goisern, zu ihrer großen Europatournee verbunden mit der EU-Erweiterung sagten Sie: "Es gilt einander neu zu entdecken." Haben sich ihre Erwartungen erfüllt?

Für mich persönlich auf jeden Fall. Wir waren zwei Monate in Osteuropa unterwegs, in Ländern, welche die meisten ja nicht kennen, wie Bulgarien, Rumänien oder die Ukraine.

Nun haben sie wieder festen Boden unter den Füßen. Sehnen sie sich auf das Schiff zurück?

Nein, da bin ich realistisch. Ich weiß, dass es vorbei ist. Das waren inklusive der Vorbereitungszeit vier Jahre, die mich dieses Projekt in Beschlag genommen hat, und so schließe ich es zwar mit einem weinenden Auge, aber auch mit Erleichterung ab.

Nicht nur mit dem Schiff, auch mit Ihrem persönlichen Musikstil, dem Crossover von alpenländischer Volksmusik und Rock-Pop, überschreiten sie Grenzen. Sehen Sie sich als ein Art musikalischer Rebell?

Nein, glaube ich nicht. Ich bin vielleicht ab und an unangenehm, kann mich gegen das ein oder andere auflehnen und mich aufreten, aber ich bin niemand der mit der Fahne in der Hand und mit Idealismus durch die Lande zieht.

Auf ihrem aktuellen Album S'nix präsentieren sie sich so rockig und laut wie lange nicht mehr. Ist das eine Rückbesinnung?

Nein. Es ist eher ein Voranschreiten und Eingehen auf die Situation. Als ich vor zwei Jahren die Band neu zusammenstellte, wusste ich, dass ich zwei Jahre fast ausschließlich Open-Airs spielen werde. Da muss man gegen störende Einflüsse anspielen, und so sind wir lauter.

Mit dem Album gehen sie jetzt auf Tour und kommen damit auch nach Kempten. Was motiviert Sie immer wieder zu diesem doch sicherlich anstrengenden Nomadenleben?

Dass wir jetzt auf Hallentournee gehen, liegt darin begründet, dass wir jetzt zwei Jahre lang fast nur Geld ausgegeben haben. Wir haben im Vorfeld gewusst, wir werden einiges investieren müssen, es ging aber dann wirklich bis hart an die Grenze. Wir sind finanziell mit einem blauen Auge davongekommen. So ist das, was wir jetzt machen, für uns selbst.

Die Tour endet im November. Was kommt dann?

Dann kommt der Winter mit hoffentlich viel Schnee und die Möglichkeit, Ski zu fahren. Ich hoffe ich kann mich etwas zurückziehen. Ich möchte über das in den vergangenen Jahren Erlebte ein Buch schreiben.

Linz ist nächstes Jahr Kulturhauptstadt. Haben Sie schon konkrete Pläne für weitere Projekte?

Nein. Im April geht die Tour mit dem aktuellen Programm weiter, aber am Ende des Sommers will ich die Sache wirklich zu Ende bringen. Vielleicht tauchen im Winter, wenn ich in mich hinein hören kann, neue Ideen auf und die Energie, das ein oder andere anzupacken.

"Ich finde diese Welt und das Leben schon sehr, sehr schön"

Stuttgarter Zeitung 11. Oktober 2008 | Text: Michael Werner | Foto: DPA

Vom Berg auf das Schiff in den Tourbus: Hubert von Goisern hat nach sechs Jahren wieder ein Album mit eigenen Liedern gemacht und geht damit auf Reisen

Hubert von Goisern

Erst ist er gereist. Dann hat er die alpenländische Volksmusik neu erfunden. Mittlerweile schreit Hubert von Goisern auf der Bühne oder liebkost die Instrumente so zart, dass man zu träumen beginnt.

Spätsommer auf dem Konzertschiff bei Nürnberg: "Setzen wir uns an den Bug", sagt Hubert von Goisern, "Du brauchst eine Schwimmweste, das ist so in Bayern." Man schwitzt darunter sehr. Der Musiker selbst zieht keine über. "Das bisserl Piraterie" wolle er sich gestatten, sagt er. Er ist jetzt 55 Jahre alt und hat zwei Sommer lang die Donau und ihre verbündeten Flüsse erkundet, und an ihren Ufern hat er Konzerte mit lokalen Bands gegeben, die Begegnungen suchten, so wie er selbst. In der Ukraine hat er komplette Dörfer, in denen zuvor noch nie Konzerte stattfanden, für die Magie der von Regionen globalisierten Rockmusik gekapert. Aber Pirat war er schon als Jugendlicher. Dem Kapellmeister der örtlichen Blaskapelle in Bad Goisern gefielen seine langen Haare nicht. "Es gab Streit, ich hab den Kapellmeister beleidigt, und er hat mich rausgeschmissen." Das war die Zeit, als Hubert Achleitner noch nicht auf die Idee kam, seinen Heimatort im Salzkammergut zum Nachnamen zu wählen. "Das war die Zeit, wo alles zerbröselte."

Hubert von Goisern war Anfang zwanzig und ging mit seiner Freundin nach Südafrika. Er blieb dreieinhalb Jahre, jobbte als Chemielaborant, "gerade so viel, wie notwendig war, dass ich nicht entlassen wurde". Er hielt die Rassentrennung nicht aus, kehrte zurück. Verliebte sich in eine kanadische Touristin im Nachbarort Bad Ischl, heiratete, ging nach Kanada, verkaufte dort Ski und versuchte sich ein halbes Jahr lang als Vertreter für Büroablagesysteme. Spielte Musik, "nur für mich selbst". Kehrte zurück, war Mitte zwanzig, "alt genug, dass ich das machen kann, was ich will". Er hat dann zu seiner Frau gesagt, dass er gedenke, Musiker zu werden. "Das war das Ende der Beziehung."

Hubert von Goisern ist dann zum dritten Mal fortgeflogen, diesmal auf die Philippinen, ist "hineingekippt". Ein halbes Jahr verbrachte er nur mit dem Erlernen der Nasenflöte. Dann beschloss er, zu Hause nach den Ursprüngen seiner eigenen Musik zu suchen. "Das war der Jodler." Aber erst mal arbeitete er im Salzbergwerk von Bad Ischl.

Spätsommer auf dem Konzertschiff bei Nürnberg: ein Fahrradfahrer am Rhein-Main-Donau-Kanal ruft "Servus, Hubert!" zum Schiff. "Servus!" ruft der Mann zurück, der mit fünf schon Musiker werden wollte und mit dreißig beschlossen hatte, fortan von seiner Musik zu leben, und ebendies zehn Jahre lang zu versuchen, um jeden Preis. "Für langfristige Geschichten kannst du nur einen Plan haben, sonst nimmst du ihn ja nicht ernst", sagt er jetzt, da vier Enten direkt vor dem Bug im Wasser landen. "Nein, nicht hier landen", ruft der Musiker, "nein, wieder welche, die wir schrecken!" Das ist der sanfte Familienvater, der mit seiner jetzigen Frau zwei Kinder hat, und auf seinem neuen Album S'Nix unglaublich einfühlsam davon singt, dass die Liebe jeden Tag mehr will.

Der raue Hubert von Goisern singt: "I wü neeama singa, i wü schrein!" und im Lied Showtime sägt seine Stimme vor lauter Energie virtuos den Rock 'n' Roll in Scheiben. "Es ist geil, es voll herauszulassen und zu spüren, dass es dir nicht schadet", sagt er. Das laute Singen (nicht etwa das jubelnde Publikum) ist es, was ihn in den zwei- oder auch mal dreijährigen Pausen fehlt, die er zuweilen zwischen einzelnen CD- und Tourprojekten einlegt. Dann tut er "alles, was zu tun ist: Reisen, Lesen, Komponieren, auf Berge oder Pilze suchen gehen, Freunde besuchen, ich koche gerne und repariere viel am Haus. Bloß kein Singen dann: nicht einmal in der Wohnung. Weil dann kommen's und lassen dich einweisen. Nicht einmal im Wald kannst du singen. Auch dort sind überall Leute, und dann schießen's auf dich."

Als Goisern 1983 von den philippinischen Nasenflötern ins Salzkammergut zurückgekehrt war, stauchte er jene Urgewalt, die er heute beim Singen findet, in eine Ziehharmonika. "Das war ein Tabubruch", wusste er, weil er mit den Brauchtumsbewahrern haderte und die saturierte Variante der Volksmusik zerstören wollte, bis nur noch das von ihr übrigblieb, was ihn faszinierte: Das ganz Tiefe, das dich bei den Eiern packt." Sein erster Ziehharmonikabalg war binnen zweier Monate zerrissen, "i hab's gwürgt".

Anfangs nahmen nicht allzu viele Menschen davon Notiz, dass da ein heimgekehrter Weltreisender quasi im Alleingang ein neues Genre erfunden hatte, das unter den Schubladennamen "neue Volksmusik" und dann "alpine Weltmusik" später zahlreiche Mitstreiter beackerten. Hubert von Goisern zog nach Wien, gründete mit Wolfgang Staribacher die Alpinkatzen und spielte zuweilen vor fünf Zuschauern. Das erste Album, Alpine Lawine (1988), floppte. Das zweite, Aufgeigen statt Niederschießen (1992), schloss dem mittlerweile Vierzigjährigen mit wunderbar sehnsuchtsvollen Liedern wie Heast as nit und Weit weit weg und dem eingängigen Hit Koa Hiatamadl die Tür zum Erfolg auf. Plötzlich war Hubert von Goisern ein Star, dem man "Servus" zuruft.

Der Sänger kann sich immer noch über die Aufmerksamkeit freuen. Und er hat gelernt, sich ihr zu entziehen: Sein Vater, ein Friseur, der in der Fabrik gearbeitet hat, hat ihm die Geschichte erzählt "von den Indianern, die sich - da wo kein Busch und kein Fels ist - in der Steppe unsichtbar machen können. Das hat mich sehr fasziniert." Er kann den Indianertrick anwenden, bekennt er - aber der kostet Kraft.

Hubert von Goisern hat eine Kunst daraus gemacht, sich wirkungsvoll zu entziehen. Als man weitere Alpenpop-Platten von ihm erwartete, fing er wieder an zu reisen, nach Tibet und zum Dalai Lama nach Indien, um sich die Erlaubnis zu holen, alte, tibetische Lieder zu bearbeiten. Inexil hieß die Platte. Eine Einladung der Schimpansenforscherin Jane Goodall nach Ostafrika verdampfte er zum Gombe-Album. "Ich fühle mich in der Welt gut aufgehoben", sagt er, "Wenn man mit offenem Herzen geht, findet man andere, die ein offenes Herz haben."

Sechs Jahre Bühnenabstinenz, dann im Jahr 2000 wieder Alpinpop, nun virtuos durchtränkt von der weiten Welt. Und schließlich besann sich der Großimporteur des fremden Klangs auf die alten Volkslieder seiner Heimat. Trad nannte er die beiden Alben, mit denen er wieder verreiste, zum Wüstenfestival bei Timbuktu, nach Burkina Faso, nach Ägypten: "Wenn ich so was mache, gehe ich über die Grenze und bringe was mit - meine Musik, meine Lebensfreude."

Vor ein paar Jahren setzte sich Hubert von Goisern in den Kopf, mit einem Konzertschiff die Donau zu bereisen. 2007 beschallte er den Osten Europas, in diesem Jahr folgte der Westen. Er war euphorisch, und zwischen den beiden Flussreisen hat er S'Nix eingespielt, sein bisher intensivstes, dichtestes, schlicht bestes Album. Die Songs, herausgefeuert von seiner neuen, jungen Band, explodierten diesen Sommer furios.

Als der Sommer sich dem Ende zuneigt, sitzt er vor dem letzten Konzert am Bug und sagt: "Es überwiegt die Freude, dass es passiert ist. Auch dass ich das Ganze loslassen kann und schauen, was es sonst noch gibt auf der Welt." Er sagt, dass er Reiseprojekte nicht mehr selbst organisieren werde. Er sagt, dass seine Frau ihm das nicht glaubt. Er geht jetzt mit dem Nightliner auf Herbsttournee. Er wird im neuen, klugen Lied Herschauen eine entspannte, fantasievolle Art des Reisens offerieren: "All"s auf amal geht si nur dann aus, wenn i da bin wo i denk, weil da denk i mir's aus." Dann will der Mann durchatmen, der mit trompeteter Zärtlichkeit ins All reisen kann, der mit seiner wüst zerknüllten Ziehharmonika die Zeit zu stauchen vermag, und dessen Texte einem erhellende Perspektiven auf das eigene Dasein gestatten. "Jetzt nur keinen Plan machen", schwört er sich, "weil dann kann wieder nichts passieren." Nun steht die Sonne tief: "Wenn ich mir das so anschaue, finde ich diese Welt und das Leben schon sehr, sehr schön."

Anfang September wurde das Konzertschiff demontiert. Es wird wieder Kies transportieren. Goisern sprang an diesem Tag zum letzten Mal in die Donau. "Schicke ein paar Tränen auf die Reise zum Schwarzen Meer", schrieb er. Einen Monat später wurde in Österreich gewählt. Danach schrieb er, dass er sehr traurig sei aber trotzdem nicht ans Auswandern denke. Er ist kein Aufgeber. Als er im Frühsommer krank wurde und zum ersten Mal in seinem Leben ein Konzert absagen musste, dachte er sich: "Ich bin auch schon kurz vorm Gipfel am Berg umgekehrt. Und ich bin trotzdem wieder auf Berge gegangen." Er ist in der Lage, seine Zuhörer auf Gipfel zu befördern. Nicht nur mit seiner Musik. Auch mit seiner Sehnsucht.