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INEXIL

Hubert von Goisern: Inexil

Inexil

Hubert von Goisern - Inexil

24.06.98 | 74321579012

  • 01. yerketamu
  • 02. panchen lama
  • 03. akupema
  • 04. losar
  • 05. kham-lu
  • 06. dream
  • 07. nyelu
  • 08. gendak-re
  • 09. sugkinyima
  • 10. 10. märz 1959
  • 11. dawa
  • 12. dherchen phama

Ich habe auf all meinen Reisen die Menschen dieser Welt als friedfertig erlebt. Nur wenige stören dieses Bedürfnis durch ihren Anspruch, Macht über andere auszuüben. Oft getarnt als ideologische oder religiöse Kreuzritter (weil der Mut zur ichbezogenen Aufrichtigkeit fehlt), gelingt es ihnen immer wieder, Willige um sich zu scharen, die dankbar die Verantwortung für ihre eigenen Handlungen, ja ihre Gedanken, abzugeben bereit sind. Eine pauschale Kritik an derartigen Machtstrukturen fällt mir dennoch schwer, da sie die noch immer "herrschende" Nachfrage nach Herrschertypen ignoriert. Der Menschheit dienen diese jedenfalls nicht. Wie sollten sie auch, es geht ihnen schließlich nicht ums Dienen, sondern ums Herrschen. Wenn nun aber mangels wahrer Macht die Herrschaft durch Gewalt ausgeübt wird, wie im Falle Tibets, so fühle ich die dringliche Notwendigkeit einer Solidarität mit den Unterdrückten. Die vorliegende CD ist Ausdruck dessen.

Die erste Idee zu dieser Produktion entstand, als ich vor zwei Jahren mit tibetischen Künstlern zusammentraf. Einerseits war es das Fremdartige, ja Unzugängliche ihrer Kultur, das mich reizte; andererseits die unglaublich klingenden Geschichten über die chinesische Besatzungsmacht. Mehr um mich vom Gegenteil dieser Erzählungen zu überzeugen, als sie bestätigt finden zu wollen, packte ich meinen Rucksack und machte mich im Frühjahr 1996 auf nach den Weg nach Lhasa.

Was ich vorfand, übertraf alles Gehörte und Gelesene. Die Willkür des Terrors war leiden ebenso allgegenwärtig wie die tiefe Spiritualität und die daraus resultierende Friedfertigkeit des tibetischen Volkes.

Geprägt von vielen Eindrücken kam ich zurück und begann mit der Arbeit. Eine Zusammenarbeit mit in Tibet lebenden Musikern war undenkbar, ohne diese und ihre Angehörigen zu gefährden. Also wandte ich mich an die im Exil lebenden Künstler des "Tibetan Institute auf Performing Arts" (TIPA) im nordindischen Dharamsala. 1959 vom 14. Dalai Lama gegründet, pflegt TIPA die reiche Tradition von tibetischer Musik und tibetischen Tanzes, und vor allem die tibetische Oper.

Der erste Teil der Aufnahmen fand in Indien statt. Zusammen mit Wolfgang Spannberger, seit sieben Jahren tontechnischer Begleiter auf all meinen musikalischen Abenteuern, verbrachte ich dort einige Wochen mit unserem mobilen Tonstudio.

Für den nächsten Abschnitt lud ich vier der Sänger/innen Passang, Sherab, Sonam und Jamjang zu mir ins Studio nach Salzburg ein, wo zusammen mit einer Reihe von europäischen und südamerikanischen Instrumentalisten die Vision ihre Gestalt bekam.

Immer wieder tauchten massive Verständigungsprobleme auf, und nicht nur einmal stießen wir an die Grenzen unserer Vorstellungskraft. Daß wir trotz alledem einen gemeinsamen Weg gefunden haben, ist auf die gegenseitige Bewunderung, den Respekt und das Interesse für den, die und das Andere zurückzuführen und erfüllt uns angesichts der großen Kluft zwischen unseren Kulturen mit Stolz. Möge diese Musik Mut zur Begegnung machen.

Hubert von Goisern
Salzburg, 27. April 1998

Die Lieder

Yerketamu

"Bezaubernd und herrlich ist Lhasa..."
Im kleinen Viertel um den Jokhang-Tempel ist das noch so. Sieht man von den Überwachungskameras ab. Der Rest von Lhasa ist Vergangenheit, zerstört. Die betende Prozession der Pilger bewegt sich zwischen chinesischen Rotlichtbars und Kolonnen von Militärlastwagen.

Panchen Lama

Der jüngste Gefangene der Welt! Mit sechs Jahren wurde Gedhun Chökyi Nyima samt seiner Familie von der chinesischen Polizei entführt und wird seither gefangengehalten. An seiner statt hat man einen anderen Knaben aus einem regimegetreuen Umfeld installiert. Welche Farce; ein kommunistisches Regime installiert einen religiösen Führer, und wie beschämend, wenn Kinder dafür benützt werden.

Akupema

Traditionelles Amdo Volkslied; beschreibt die Vielfalt des Lebens dieser Provinz mit Tigern, Adlern, Geiern, Schwänen inmitten einer grandiosen Landschaft.

Losar

Zum traditionellen Losar (Neujahrsfest) gehen Sänger von Haus zu Haus und singen Auszüge aus der Geschichte Tibets.

Kham-Lu

Der typische Gesang der östlichen Provinz Amdo ist Lu. Auf den wochen- ja, monatelangen Fußmärschen nach und von Lhasa drückt es die Sehnsucht nach der Heimat aus.

Dream

"Ich träumte, ich sei in Tibet..." Autor dieses Liedes ist der im Exil geborene Ngawang Chöpel. Ein Mitglied von TIPA, reiste er 1995 "bewaffnet" mit einem Cassettenrecorder in die Heimat seiner Vorfahren, um deren Musik zu erforschen. Prompt wurde er festgenommen und wegen Spionageverdachts zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nyelu

Die Melodie ist nomadischen Ursprungs. Der Text stammt vom 6. Dalai Lama: Rindzin Dangzang Gyatso (1683-1706). Er weigerte sich, die Mönchsgelübde abzulegen und wurde berühmt als Sänger und Dichter. Die Lust nach weltlichen Freuden, nach sinnlichen Genüssen, nach Wein, Weib und Gesang spiegelt sich in seinen Versen ebenso wider wie seine Verzweiflung. Er wurde mit 23 Jahren von mongolischen Invasoren festgenommen und ermordet.

White crane, lend me your wings
Now that the smell of her sweet body is gone
And the drops of rain have washed away my songs
But the love, though unwritten,
Remains long after in the heart
And all that's left of my beloved
Are some footprints in the snow
But soon even those will be gone,
Even those will be gone.

Weißer Kranich, leih mir deine Flügel
Verweht der Duft ihres köstlichen Körpers
Meine Lieder fortgewaschen vom Regen
Und doch: die Liebe, ungeschrieben,
Verweilt lang noch im Herzen
Was blieb von meiner Liebsten
Sind Fußspuren im Schnee
Auch die werden bald vergangen sein
Auch die werden vergangen sein

Übersetzung des tibetischen Liedtextes:

Ich verbeuge mich vor den Lehren meines Lamas,
aber mein Herz flüchtet unbemerkt zu meiner Liebsten.
Könnte ich so hingebungsvoll dem rechten Pfad folgen,
wie ich an meine Geliebte denke,
ich würde sicher Erleuchtung erlangen,
noch in diesem Leben.

Wenn die Frühlingsblumen welken
ist es nicht an der türkisen Biene zu trauern
wenn meine Liebste und ich uns trennen müssen,
ist es nicht an uns zu weinen.
Auf dem kurzen Weg dieses Lebens hatten wir unseren Teil an Freude.
Laß uns hoffen, in der Jugend unseres
nächsten Lebens wieder aufeinander zu treffen.

Gendak-Re

Ebenfalls aus Amdo, ruft dieses Lied zu Respekt und Toleranz gegenüber den Alten der Gesellschaft auf.

Sugkinyima

Auszug aus der gleichnamigen tibetischen Oper; Auftritt der "Königin der Nacht" und des Hofnarren.

10. März 1959

An diesem Tag starben in Lhasa Tausende tibetische Frauen und Männer für Freiheit und Unabhängigkeit, für ihr Land, für Tibet...

Dawa

Instrumental

Dhernchen Phama

Beim Abschiedsfest in der Provinz Kham tanzt das ganze Dorf im Kreise und besingt den Segen, den die Eltern den Kindern mit auf die Reise geben.