DeutschEnglish

TOUR 2011

"Holz und viel Grün - das ist mein Ding"

Hallo Weekend 16. Juli 2011 | Text: Marco Litzlbauer | Foto: Martin Kucera

Mit dem "Hiatamadl" wurde er berühmt, mittlerweile ist der 58-jährige Salzburger aus der Alpenrock-Bewegung nicht mehr wegzudenken. Vor seinem Festival in Kaltenberg erzählt der Musiker in Hallo Weekend von seinem Treffen mit dem Dalai Lama, dem Wunsch nach mehr Kontinuität und seinem Verhältnis zu Geld.

Hubert von GoisernWas wird den Reiz des zweitägigen Festivals in Kaltenberg ausmachen?

Wir versuchen, den Spirit unserer Linz-Europa-Tour mit dem umgebauten Konzertschiff und vom Abschlusskonzert in Linz auch in Kaltenberg auf die Bühne zu bringen. Jede der teilnehmenden Bands war auch schon in Linz dabei und spielt ein eigenes kleines Konzert. Ich hoffe aber, wieder mit möglichst vielen auch gemeinsam musizieren zu können.

Was ist Ihnen von Ihrer Schiffs-Tour besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Ich war da so unter Strom, dass ich mich kaum erinnern kann. Ich habe in dieser Zeit auch nur vier oder fünf Stunden pro Nacht geschlafen. Erst wenn mich Freunde jetzt mal wieder nötigen, mir mit ihnen die DVD davon anzuschauen, merke ich, wie toll und aufregend das eigentlich alles war.

Dürfen sich Ihre Fans in Kaltenberg auf alte Hits freuen?

Natürlich werden wir Vieles aus der Zeit zwischen 1988 und 2008 spielen. Und das, obwohl wir die Band im Vergleich zu damals fast halbiert haben. Doch interessanterweise funktionieren auch die Stücke, bei denen eigentlich ein Keyboard vorkam, wunderbar mit Bass, Gitarre und Schlagzeug. Auf der anderen Seite spielen wir in Kaltenberg natürlich auch viele Stücke der neuen CD, die am 2. September erscheint.

2011 gibt's das neue Album, 2012 folgt die große Tour. Nehmen Sie sich danach wieder eine Auszeit?

Soweit plane ich nicht. Ich merke aber, dass ich mich da ein Stück weit verändere. Früher habe ich immer vier Jahre durchgebuckelt und mir dann eine totale Auszeit genommen. Jetzt wünsche ich mir, dass da mehr Kontinuität rein kommt. Ob sich das umsetzen lässt, ist natürlich eine andere Frage.

Sie haben sich auf dem Höhepunkt des Erfolgs von den Alpinkatzen getrennt, nehmen sich lange Auszeiten, haben die Gage einer kompletten Tour in die Linz-Europa-Tour gesteckt. Aus Geld scheinen Sie sich nicht viel zu machen ...

Man kann sich mit Geld kein Leben kaufen. Ich genieße das Hier und Jetzt, mache mir über Geld keine großen Gedanken und muss das zum Glück auch nicht. Ich habe aber auch schon von der Hand in den Mund gelebt, einige Male hat es nicht mal dafür gereicht und ich musste fasten. Doch auch das war nie ein Problem für mich.

1996 hatten Sie eine Audienz beim Dalai Lama. Waren Sie sich aufgeregt?

Aufgeregt nicht, ich habe mich sehr auf das Gespräch gefreut. Mittlerweile habe ich ihn mehrmals getroffen, teilweise einen ganzen Tag mit ihm verbracht. Ich mag seine Ausstrahlung, die einen so überhaupt nicht runterzieht.

Hat er sich auch Ihre Musik angehört?

Ja. Ein Lied der CD Inexil musste er sogar persönlich absegnen, weil sich das sonst keiner getraut hat. Da habe ich Auszüge aus Texten des 6. Dalai Lamas verwendet, in denen dieser schreibt, dass ihm das Zusammensein mit einer Frau mehr bedeutet als jede Meditation. Da hat der Dalai Lama natürlich schon geschluckt, es aber letztlich nicht beanstandet.

Wofür nehmen Sie Zeit?

Ich gehe gerne fischen, lese viele Sachbücher und bin gerne in meiner Werkstatt. Da entwerfe ich dann Sessel, Bänke oder eine Sauna und baue sie nach meinen eigenen Skizzen. Holz ist einfach mein Ding.

Wie finden Sie München? Ist die Stadt auch Ihr Ding?

Ich lerne die Stadt immer mehr schätzen und lieben. Ich bin ja eher kein urbaner Mensch, brauche das Grüne. Aber München ist sehr charmant, hat ein schönes Lebensgefühl und eben auch viel Grün. Ich bin gerne hier.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in München?

Nein, aber ich muss mir unbedingt den neuen Bahnhof an der Münchner Freiheit anschauen. Ich bin ein Fan des Farb- und Lichtgestalters Ingo Maurer. Ich mag es, wenn Menschen verzaubert werden, wenn man vergisst, dass man eigentlich gerade auf einen Zug wartet. Mit Farbe und Licht arbeiten das könnte ich mir auch gut vorstellen.

Hubert von Goisern in der Nahaufnahme

ORF 10. Juli 2011

Hubert von Goisern Der Dialektrocker und Erfinder des Alpenrock: Hubert von Goisern hat viele Namen. Der Musiker aus Bad Goisern veröffentlicht sein zwölftes Studioalbum und erzählt in der Nahaufnahme, dass er die Stadt braucht, um kreativ zu sein.

"Der einzige rote Faden bin ich selber"

Mit den vielen Namen und Bezeichnungen, die ihm gegeben werden, kann er nicht viel anfangen. "Der einzige rote Faden, den es gibt, bin ich selber. Und ich habe eh einen Namen." Das sagt Hubert von Goisern in der Nahaufnahme mit Judith Weissenböck.

Derzeit ist er auf Tour, vor allem in Deutschland. In Österreich gibt es nur zwei Konzerttermine, am 10. Juli in Grafenegg und am 14. Juli in Bad Ischl. Sein neues Album entwederundoder erscheint am 2. September.

Jedes Konzert ist für ihn noch einzigartig: "Ich bin sehr nervös vor jedem Auftritt. Das hat sich nicht gelegt, im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Jetzt habe ich es dort, dass ich nur noch die letzten 20, 30 Minuten sehr dünnhäutig bin. Da will ich nicht, dass mich jemand anspricht, außer die Musiker und die Techniker."

"Das sind Panikgedanken, dass alles schief gehen könnte. Es ist mir alles schon passiert, von gerissenen Saiten über explodierte Boxen bis zu Textlücken. Grundsätzlich ist es die Angst, sich zu blamieren. Da nützt schon auch die Erinnerung, dass man mit all dem fertig geworden ist."

"Brauche urbanes Umfeld, um kreativ zu sein"

Über sein neues Album will von Goisern nichts sagen: "Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen, hat Leonard Bernstein einmal gesagt. Man muss es hören."

Seine Lieder schreibt er nicht in der Natur: "Es ist so, dass mir in der Natur nichts einfällt. Aber ich will gar nicht, dass mir da etwas einfällt. Wenn ich in der großen Natur bin, auf den Bergen, ist für mich alles perfekt. Da habe ich nicht das Gefühl, dass ich etwas dazutun sollte."

"Ich brauche ein urbanes Umfeld, um kreativ zu sein. In der Stadt ist alles menschengemacht, da habe ich das Gefühl, auch etwas zu machen, ein akustisches Graffiti, das alle hören können."

"Volksmusik zerreißen, das ist wie Exorzismus"

Der Standard 9. Juli 2011 | Text: Wojciech Czaja | Foto: Lisi Specht

Am Sonntagabend gibt Hubert von Goisern ein Benefizkonzert in Grafenegg
Über Kinder in Afrika, Forderungen der FPÖ und Minenfelder aus der Nazizeit

Hubert von GoisernWie spricht man Sie an? Herr von Goisern?

Sagen Sie einfach Hubert zu mir. Das ist mir lieber.

Morgen Abend geben Sie ein Benefizkonzert zugunsten von SOS-Kinderdorf in Afrika.

Ja, ich hatte schon lange den Gedanken, dieses Benefizkonzert zu geben. Ein paar Kinderdörfer in Österreich und in Afrika kenne ich persönlich, und ich finde die Menschen, die das machen und die sich dafür engagieren, einfach großartig. Ich will auch einen Beitrag leisten. Kleinen Erdenbürgern zu helfen und dafür zu sorgen, dass ihnen ein bissl Harmonie und Liebe widerfährt - das ist, als würde man dabei helfen, eine Blume zum Blühen zu bringen.

Wie war Ihre Blütezeit?

Ich hatte eine schöne Kindheit. Das ist ein Geschenk, und ich sage bewusst ist, denn ich zehre noch immer davon. Wenn Kinder inmitten von Schmerz, Not und Hass aufwachsen, dann setzt sich das so gut wie immer in die nächste Generation fort. Gerade bei Kindern, die im Leben auf die Schattenseite gefallen sind, ist es wichtig zu helfen. Und ich denke, dass die Schattenseite in Afrika noch etwas größer und dunkler ist als bei uns.

Wie gut kennen Sie Afrika?

Ich habe viel Zeit auf diesem Kontinent verbracht, vor allem in Südafrika während der Apartheid. Aber Afrika ist so groß und vielfältig, dass ich mich nicht als Kenner bezeichnen möchte.

Sie sind in Afrika auch schon öfters aufgetreten.

Ich habe zwei Tourneen in Westafrika gespielt. Das war in Burkina Faso, Mali, Senegal und auf den Kap Verde. Wir haben zwar auch richtige Konzerte gegeben, also in Konzerthäusern und Open-Air-Arenen, aber das Schönste waren immer die Dorffeste.

Sie haben mitgesungen?

Ja! Es hat sich immer sehr schnell herumgesprochen, dass ich und meine Freunde Musiker sind. Und so findet man sich irgendwann am Dorfplatz ein und beginnt zu musizieren und zu tanzen. Das ist Musik auf Augenhöhe. Ich liebe es!

Wie kommt Ihre Musik in Westafrika an?

Ich habe in Afrika vor allem unsere Volksmusik, also Jodler und Tänze gespielt und gesungen. Das kommt gut an! In diesen Ländern hat Musik einen ganz anderen Stellenwert als bei uns. Musik ist dort nicht hohe Kultur, sondern eher eine Art Gebrauchsartikel. Die Trennlinie zwischen Musiker und Publikum ist verwischt. Du spielst und singst, und rundherum schießt's den Leuten in die Hüften, sie fangen an, sich zu bewegen und mitzusingen, ihre G'stanzln über unsere Ländler und Steirer ...

Bei uns wird doch auch geschunkelt.

Bei meinen Konzerten wird getanzt und nicht geschunkelt. Gott sei Dank!

Die FPÖ will per Gesetz mehr Volksmusik im Fernsehen erzwingen. Wie stehen Sie dazu?

Wie so vieles, was die FPÖ sagt, ist auch diese Forderung zu kurz gegriffen. Aber ja, es wäre auf jeden Fall schön, wenn mehr österreichische Komponisten und Musiker im Rundfunk vertreten wären. Da gibt es ein Defizit. Und das liegt nicht an der Qualität. Das ist das Programmschema des ORF.

Wie sind Sie eigentlich zur Volksmusik gekommen?

Auslöser war ein halbes Jahr in einem Bergdorf auf den Philippinen, weit weg von Manila. Dort habe ich Volksmusik ganz neu erlebt. Als ich dann nach Österreich zurückgekommen bin und mich auf die Suche nach unseren musikalischen Wurzeln gemacht habe, bin ich auf ein Tabu gestoßen. Die Beschäftigung mit Volksmusik war wie ein Gang über ein Minenfeld. Minen aus der Nazizeit. Und dann noch Phänomene wie der Musikantenstadl! Um die Volksmusik aus diesem Sumpf wieder rauszuholen, musste ich sie zerreißen.

Zerreißen bedeutet?

Ich habe die Musik dekonstruiert. Ich habe sie in ihre Bestandteile zerrissen. So habe ich dann auch Ziehharmonika gespielt, und so spiele ich sie teilweise heute noch. Das hat etwas von Exorzismus.

Heast as net ist nach 15 Jahren noch immer das am häufigsten gespielte Lied von Ihnen. Nervt das nicht?

Überhaupt nicht! Ich spiel's bei fast jedem Konzert immer noch gern. Das ist ein echt geiles Lied. Inzwischen gefällt's mir sogar, wenn die Leute mitsingen.

Was ist zuerst da: Text oder Musik?

Das Komponieren kommt zuerst. Selten ist es umgekehrt. In Ausnahmefällen fallt's gleichzeitig vom Himmel.

Was ist schwieriger?

Ich finde es leichter, mich mit Musik auszudrücken. Alles hat einen Puls, einen Atem, einen Klang: die Leidenschaft, die Freude, die Sehnsucht, die Trauer, der Zorn ... Beim Komponieren macht man all das hörbar. Nachträglich zu texten - das ist aber ein Hund. Ich habe schon die Melodie im Ohr, und ich weiß, was ich sagen will, und dann kommt die Suche nach den richtigen Silben für jede einzelne Note. Das ist anfangs wie luftleerer Raum.

Wo komponieren, wo dichten Sie?

Ich komponiere daheim. Mein Studio ist aus Schallschutzgründen betoniert. Ich kann mich so laut aufführen, wie ich will, und im Haus hört man nichts davon. Zum Dichten muss ich mich aber in mein Goiserer Haus zurückziehen. Da brauch ich die Abgeschiedenheit, das Ganz-auf-mich-zurückgeworfen-Sein.

Morgen Abend ist Ihr Auftritt im Wolkenturm. Heast as net, werden wir das hören?

Schaut gut aus. Das Lied ist ja erst 20 Jahre alt.

Kreativität fließt in Lieder und Gärten

Stuttgarter Zeitung 27. Juni 2011 | Text: Michael Werner

Hubert von Goisern spielt im Juli ein Konzert beim Zeltspektakel. Der Star der alpinen Weltmusik hat sich auf seinem balderscheinenden neuen Album "Entweder und Oder" der Reduktion verschrieben.
An das Remstal erinnert er sich gerne.

Winterbach. Hubert von Goisern (58) hat die Quintessenz fremder Kulturen in Afrika und in Tibet gesucht, er hat die traditionellen Klänge seiner Heimat im Salzkammergut wiederentdeckt, und er ist mit einem klingenden Konzertschiff auf der Donau bis in die Ukraine gefahren. Jetzt kommt er wieder: Sein neues Album Entweder und Oder wird zwar erst Anfang September veröffentlicht, aber die frischen Songs hat er schon im Programm, wenn der Star des Alpinpop am 25. Juli beim Zeltspektakel in Winterbach gastiert.

Hubert von Goisern, wenn man über drei Sommer hinweg ein Riesenprojekt wie Ihre Donautournee gestemmt hat - wie motiviert man sich hinterher dazu, etwas vergleichsweise Konventionelles wie einfach eine neue Platte zu machen?

Das ist ja die Kernfrage. Nach diesem Riesending auf der Donau habe ich mich gefragt, was man jetzt noch machen kann. Die Donautour war für mich ja der Mount Everest, sodass hinterher eine Reduktion logisch war - weg vom Breitwand-Cinemascope und den sehr epischen Titeln meiner letzten Platte S'Nix, hin zu kleinen Liedern, die ich zur Not auch alleine zu einer Gitarre vortragen kann. Diese Reduktion war für mich die spannende Aufgabe.

Haben Sie nach der Besteigung Ihres Donau-Mount-Everests eigentlich mal daran gedacht, ganz mit der Musik aufzuhören?

Ja, schon, aber das denke ich mir nach jeder abgeschlossenen Phase. Aber dann saß ich alleine mit der Gitarre und der Ziehharmonika in einer Hütte in meinem Heimatort Bad Goisern und wollte wirklich Lieder schreiben, die ich alleine vortragen kann. Lieder, für die ich - wenn's hoch her geht - überhaupt niemand anderen brauche. Später kam dann doch die Energie der Band, die nur noch aus Schlagzeug, Bass und Gitarre besteht, dazu.

Sie gelten als großer Kulturensucher, der sich in Afrika, Asien und daheim im Salzkammergut intensiv mit traditionellen Klängen beschäftigt hat. Wie reiht sich da ein sehr gelungenes Popalbum ohne große Weltmusikanbindung ein?

Schon bei der Produktion meines letzten Albums S'Nix hatte ich das Gefühl, dass ich mich total vom Gedanken freigespielt habe, ob das noch alpin oder Weltmusik ist. Jetzt habe ich halt so eine Art Liedermacheralbum gemacht, reduziert auf die Geschichten, die erzählt werden.

Schreiben Sie Lieder immer, wenn sie eine Inspiration dazu spüren - oder en Block, gezielt für die Produktion eines Albums?

Letzteres trifft zu. Ich habe das Gefühl, dass ich jederzeit ein Lied schreiben kann, aber ich mache es einfach nicht.

Fürchten Sie dabei nicht, dass Ihnen oder ihren Zuhörern dabei manches entgeht?

Nein, ich mache mir schon gelegentlich Notizen, auf einer Serviette zum Beispiel. Das ist dann aber nur ein Kern, zu dem das musikalische Fruchtfleisch noch dazuwachsen muss. Andererseits habe ich, wenn ich einen kreativen Tag erlebe, nicht unbedingt das Gefühl, das in ein Lied umsetzen zu müssen. Ich bin auch zufrieden, wenn ich meine Kreativität umsetze, indem ich den Garten so umarbeite, wie ich ihn mir gerade vorstelle. Oder ich koche was. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass alles zu Musik werden muss. Hauptsache, es wird irgendwas draus.

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass es für Sie nicht mehr wichtig ist, ob Ihre Kreativität Tausende mitkriegen?

Nein, aber es hat der Freundeskreis auch eine sehr große Bedeutung. Und ich möchte mein Publikum und meine Freunde nicht gegeneinander aufrechnen und glauben, etwas sei mehr wert, nur weil es Tausende hören. Picasso hat einmal gesagt: "Kunst ist zu neunzig Prozent Transpiration und zu zehn Prozent Inspiration." Das glaube ich auch. Wenn ich Lieder schreibe, bin ich in meiner eigenen Welt drin und für andere Menschen eigentlich nicht mehr zugänglich. Wenn ich mich darauf einlasse, dann mache ich die Tür wirklich hinter mir zu.

Ihr neues Lied Halt nit an handelt vom unterwegs sein. Welche Bedeutung hat das Reisen mittlerweile für Sie?

Nach wie vor ist es wichtig für mich, immer wieder Abstand zu mir selber zu gewinnen. Und das geschieht immer noch am Besten durch Reisen.

Sie haben eine Zeit lang intensiv um Verständnis für den Islam geworben; und sie haben Lieder geschrieben, die sich kritisch mit dem Katholizismus auseinander setzen. Wie stehen Sie momentan zum Glauben?

Ich bin ein gläubiger Mensch, aber ich bin nicht religiös. Ich bin christlich sozialisiert, und das kann ich nicht mehr abschütteln. Religionen geben den Menschen die Möglichkeit, über die Banalität des Materiellen hinauszudenken. Glaube ohne Religion ist sehr schwierig. Drum möchte ich die Religionen auch nicht schlecht machen. Aber kritisieren schon.

Zieht der Glaube nicht automatisch eine Form von Religiosität nach sich?

Naja, ich weiß zum Beispiel, dass es gut ist, sich zumindest drei- besser fünfmal in der Woche körperlich anzustrengen. Ich tu's aber trotzdem nicht. Alleine, es zu wissen, genügt mir nicht. Ich brauche einen Anlass. Der wäre zum Beispiel gegeben, wenn ich einen Berg besteigen möchte, um herunterzuschauen. Das lässt mich auch die Anstrengung vergessen. Aber Bewegung nur der Gesundheit wegen ist mir zu wenig. Und mit der Religion verhält es sich ähnlich bei mir. Aber ich kenne viele religiöse Menschen, bei denen ich das Gefühl habe, dass es gut ist, dass sie ihre Religion haben.

Auf Ihrer neuen Platte befinden sich ein Abschieds- und zwei Beziehungsstreit-Lieder, obwohl der Künstler Hubert von Goisern seit Jahren in einer stabilen Beziehung zu seiner Frau lebt. Wo kriegen Sie die Inspiration zu solchen Liedern her?

Naja, ich habe eine stabile Beziehung, aber ich lebe nicht nur in dieser Beziehung. Ich gehe durch die Welt, und es widerfahren mir auch außerhalb dieser stabilen Ein-Frau-Beziehung Dinge. Und wenn Lieder wirklich nur eine wahre Begebenheit widerspiegeln, dann sind das sehr schwache und arme Lieder. Das heißt, in meinen Liedern sind viele Dinge verdichtet. Ich bin Ende fünfzig, und da kommen auch viele alte, noch nicht verarbeitete Dinge wieder hoch. Und viele Lieder entspringen einfach aus Jux und Völlerei einer Fantasie. Manchmal ist es auch so, dass ich ein Lied singe, und dass sich die Geschichte dazu erst hinterher zuträgt.

Welche Geschichten werden wir in Zukunft von Ihnen zu hören kriegen?

Das weiß ich noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, mal ein Buch mit Fiktion zu schreiben. Das wäre vielleicht lustig. Ich weiß aber auch, dass es mir in die Wiege gelegt wurde, Musik zu machen und auf einer Bühne zu stehen. Und ich sehe es mit großem Respekt, dieses Geschenk bekommen zu haben. Ich könnte mir in ein paar Jahren auch vorstellen, Musik zu unterrichten. So nach dem Motto "Wie kann man Leute mit Musik verzaubern - und warum sollte man das überhaupt machen". Ich würde aber nur Leute unterrichten wollen, die sich wirklich dafür interessieren - und nicht solche, die in dem Kurs sitzen, weil sie irgendwas abhaken müssen.

Sie sind vor zwei Jahren schon mal beim Zeltspektakel in Winterbach aufgetreten. Erinnern Sie sich daran?

Es war ein echt geiles Konzert mit einer sehr dichten Atmosphäre. Normalerweise mag ich Zelte nicht so, weil der Sound sehr schwierig ist. Aber in Winterbach habe ich daran keine negativen Erinnerungen. Und ich kann mich noch sehr gut an die Bademöglichkeit erinnern. Wahrscheinlich ist es der Fluss, der da hinten vorbei rinnt. Es war ein sehr heißer Tag, und man konnte gut drin schwimmen. Ich freue mich sehr auf das Konzert.

Hubert von Goisern singt für SOS-Kinderdorf

APA 24. Mai 2011| Foto: Imageinterface

Der Musiker und Liedermacher Hubert von Goisern gibt am 10. Juli im Wolkenturm von Schloss Grafenegg/NÖ ein Benefizkonzert, dessen Reinerlös dem SOS-Kinderdorf Fort Portal in Uganda zugutekommen wird.

Man wolle auch "den allerletzten Platz" füllen, "um sehr viel Gutes in Afrika tun zu können", sagte Heinz Nußbaumer, Vorsitzender von SOS-Kinderdorf Niederösterreich, am Dienstag bei einem Pressegespräch in Hinterbrühl in Anwesenheit des Künstlers.

Hubert von Goisern selbst gab sich im Zusammenhang mit seinem Auftritt - dem ersten von nur zwei in Österreich im Rahmen seiner Tour 2011 - bescheiden. Sein Beitrag, den Kindern in Afrika zu helfen, sei "klein", meinte er. Der Kontinent und seine Menschen seien ihm nahe. Der 58-jährige Oberösterreicher merkte an, nirgendwo sonst Kinder "so ausgeliefert und hilflos, aber auch so lebendig und fröhlich" zu erleben. Das Benefizkonzert sei ein Versuch, "Aufmerksamkeit zu schaffen und Herzen zu gewinnen".

Nicht zuletzt freut sich Hubert von Goisern, "die legendäre Akustik in Grafenegg ausprobieren zu können".

Die Idee für das Konzert sei bereits vor etwa eineinhalb Jahren entstanden, sagte Nußbaumer. Nun falle der Termin mit "40 Jahre SOS-Kinderdorf in Afrika" zusammen. Hubert von Goisern sei "der einzige lebende österreichische Weltmusiker, der mit seinen Liedern und Kompositionen immer wieder Kontinente und Generationen überbrückt, aber auch unterschiedlichste Kulturen verbindet". In Grafenegg erwartet werde unter anderem auch Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger, so Nußbaumer.

In Fort Portal wird am 23. Juni das dann vierte SOS-Kinderdorf in Uganda eröffnet. Es ist rein mit österreichischen Spendengeldern entstanden. Die Einrichtung soll auch einen Kindergarten erhalten, dem der Reinerlös des Konzerts in Grafenegg dienen wird.

Hubert von Goisern

"Publikum schreckt sich nicht"

Salzburger Nachrichten 1. April 2011 | Text: Bernhard Flieher | Foto: SN/Bayer

Hubert von Goisern spielt im April neben den ersten regulären Konzerten nach eineinhalb Jahren Live-Pause auch in Wirtshäusern. Viele der Auftritte – heute, Freitag, geht es in Neuhofen im Innkreis los – sind ausverkauft.

Hubert von GoisernNach welchen Kriterien wurden die Wirtshäuser denn ausgesucht?

Wichtig waren mir die Atmosphäre und die Geschichte. Es durften keine Neubauten sein und keine schicken Veranstaltungszentren. Die Wirtshäuser mussten außerdem fern der Ballungszentren liegen – und ein netter Wirt musste es auch sein.

Sie spielen üblicherweise vor ein paar Tausend Zuschauern. Worin liegt denn die Herausforderung, in einem solch kleinen Rahmen aufzutreten?

Es ist jedenfalls kein "back to the roots". Ich habe so was ja auch noch nie gemacht, ich meine, in Wirtshäusern gespielt. Na ja, einmal in Bad Goisern im Jahr 1992. Mich treibt die Neugier, die Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen Vilkovo und Rauris? Zwischen Donji Milanovac und Neuhofen im Innkreis?

Wie wirkt sich der Rahmen auf das Spielen aus?

Vom Spielen her sehe ich da keinen Unterschied – aber alles ist halt sehr viel näher, direkter. Es ist mehr auf Augenhöhe und das ist der Reiz.

Sie spielen im April in Deutschland auch eine "richtige" Tournee – allerdings ohne neues Album. Warum?

Das neue Album haben wir schon aufgenommen. Nach der April-Tour gibt's noch ein paar Ergänzungen und im Mai wird das Album gemischt. Erscheinungstermin ist dann Ende August.

Warum wollten Sie nicht warten?

Es hat sich so ergeben. Ich wollte im Frühjahr auf die Straße und die Lieder waren da – und ich hatte keine Lust zu warten, bis die Nachbearbeitung, die Covergestaltung und alles das fertig sein würde. Außerdem ist es spannender, wenn das Publikum nicht weiß, was es erwartet.

Haben Sie da keine Angst, Ihr Publikum zu verschrecken?

Ich hatte nie den Eindruck, mein Publikum sei schreckhaft. Ich glaube, das Publikum ist neugieriger, als die meisten glauben wollen und es lässt sich gern überraschen. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass es auf das Unerwartete wartet.