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AUSLAND

Hubert von Goisern über Ferne

Süddeutsche Zeitung Nr.23 28. Januar 2006 | Text: Karl Forster | Foto: Robert Haas
Hubert von Goisern

Auf dem Gartentisch liegt der Diercke-Weltatlas als Taschenbuch. Er sieht etwas mitgenommen aus. "Den hab ich fast immer bei mir", sagt Hubert von Goisern und dreht sich eine Zigarette.

Hubert von Goisern, Sie als Musiker und Vielreisender - wo beginnt für Sie Ferne?

Am Gipfel eines Berges. Wenn ich auf einen Grat steige und auf der anderen Seite runterschauen kann, schaue ich in die Ferne.

Hat das was mit Horizont zu tun?

Ja, sicher. Wenn ich von da oben in ein Tal schaue, flussabwärts bis ins Nichts, kommt mir der Begriff Ferne in den Sinn.

Ist dieses Gefühl mit Sehnsucht verbunden? Oder mit Angst?

Vor allem mit Neugier, mit Phantasie. Man stellt sich ja vor, wie es dort sein könnte. Dann möchte man nachschauen, ob die Vorstellungen stimmen. Und dann macht man sich auf den Weg.

Auf den Weg machen, heißt ja auch immer, sich von etwas zu entfernen. Etwas verlassen.

Daran denkst du aber zunächst nicht, wenn du diese Sehnsucht hast. Auch wenn du die Reise planst, denkst du nicht an Abschied, sondern an die Sehnsucht. Kurz vor der Abreise kommt dir dann der Gedanke: Ich kann jetzt nicht weg, ohne nicht auch etwas hinter mir zu lassen. Das ist zwar schmerzvoll, aber sehr kurz.

Sie haben ja schon sehr oft Abschied genommen. Hat sich das Gefühl im Laufe des Lebens geändert?

Ja. Es war am Anfang deutlich intensiver. Und zwar positiv. Die Neugier und der Tatendrang waren so stark, dass ich alles andere ausgeblendet habe. Aber im Alter merke ich: Das Reisen, auch auf Tour mit der Band, steht mir fast im Weg. Wenn ich kreativ sein will, muss ich mich hinsetzen. Die Sehnsucht nach Sesshaftigkeit ist jetzt viel größer als vor zehn oder zwanzig Jahren.

Ihr erster großer Aufbruch vor knapp 30 Jahren hatte Kanada zum Ziel.

Ja, das ist schon lange her. Aber eines ist gleich geblieben: Wo immer ich auch hingereist bin, ich bin dann lange dort geblieben. Ich wollte die Ferne kennen lernen und bin dort sesshaft geworden.

In Kanada zum Beispiel gibt es Berge wie in Goisern den Dachstein, weckt so ein Anblick nicht auch Heimweh?

Nach einer gewissen Zeit, in der sich der Kopf mit vielen Geschichten prall gefüllt hat, kommt dieser Impuls: Ich muss wieder nach Hause, um das rauszulassen, zu erzählen, weiterzugeben. Ich bin einer, der das Erlebte kommunizieren muss. Bei mir geht das am besten übers Musizieren, übers live Spielen. Ich brauche das. Ich kann nicht nur reisen und Geschichten aufsaugen. Sonst zerreißt es mich. Ich muss wieder leer werden, um Lust zu bekommen, neue Sachen zu erleben.

Benutzen Sie die Musik in der Ferne, um an zu Hause zu denken? Spielen Sie in Afrika den "Ausseer Landler", um den Dachstein vor Augen zu bekommen?

Nein, überhaupt nicht. Ich verwende meine Musik, um mich darzustellen, gerade bei Menschen, mit denen ich mich verbal nicht verständigen kann, die meine Sprache nicht sprechen. Wenn ich ihnen meine Musik spiele, dann können sie mich einordnen. Wer ich bin, was ich bin. Und obwohl sie noch nie bei mir zu Hause gewesen sind, bekommen sie ein Gefühl dafür, wo ich herkomme. Und wo die Musik herkommt. Und wenn ich den "Ausseer" spiele, bekommen sie vielleicht eine Ahnung vom Dachstein. Muss aber nicht sein.

Touren Sie, um Geld zu verdienen?

Nein, es ist eher so, dass ich Publikum finden möchte. Dort zu spielen, wo sie einen noch nicht kennen, wo sie auch die Musik nicht kennen, das ist eigentlich der Anreiz für diese Art zu reisen.

Ist das was ganz Spezielles, mit der Musik Gefühle weitergeben zu können?

Ja, auf alle Fälle. Wenn ich nach Afrika fahre, habe ich viel mehr das Bedürfnis, nicht selbst dazustehen mit meinen Kompositionen und meinen Geschichten, da funktioniert viel besser jetzt einfach Volksmusik aus meiner Heimat.

Wenn Sie in Afrika Ihre Volksmusik spielen, vor Menschen, die ja auch eine eigene Volksmusik haben - passiert da was? Funkt da was?

Eigentlich passiert da immer was. Manchmal funkt es auch unangenehm.

Wann?

Für mich waren die beiden Reisen nach Nordafrika und Senegal richtige Augenöffner. Ich verstehe jetzt auch Menschen, denen Volksmusik und Tradition und alles, was damit zu tun hat, unangenehm ist. Mir ist durch diese Reisen dieses Traditionsgetümmle äußerst suspekt geworden. Ob das im Senegal die Trommlergruppe ist oder bei uns der Neuper Lois mit seiner Kapelle, es ist alles so ausschließlich. Wenn jemand sagt: So sind wir, wir definieren uns über unser Gewand, über unsere Instrumente, über unsere Gesangslinien, über unsere Tänze, dann tust du entweder mit, ziehst dich genauso an, lernst das alles, dann bist du mit dabei. Wenn nicht, bleibst du draußen. Ich mag das nicht.

Kategorisierungen haben Sie ja noch nie gemocht.

Richtig. Ich habe mich aber früher immer unverstanden gefühlt, wenn es Kritik gegeben hat, dass ich eine Musik mache, die sehr klar definiert aus einem sehr kleinen geografischen Bereich Europas, ja sogar Österreichs kommt. Mittlerweile verstehe ich solche Kritik eher. Weil das so eine "Friss-Vogel-oder-stirb"-Mentalität ist: Wenn es euch nicht taugt, wie wir spielen, dann geht doch dorthin, wo sie die Musik spielen, die euch taugt. Manchmal habe ich das Gefühl, die Tradition ist ein Riesenballast, ein Riesenrucksack, der es mir manchmal unmöglich macht, auf der ganzen Welt zu Hause zu sein. Das aber ist mein Anspruch. Man sollte diesen Rucksack wegwerfen, oder ihn zumindest entrümpeln, dass man wieder durch die Türe kommt.

In der Zeit vom frühen Hiatamadl aus 1991 bis zum ein Dutzend Jahre später erschienenen Album Trad II hat sich Ihre Musik sehr verändert.

Das ist wahr.

Zuerst war da der Alpenrock, dann kam der angejazzte Alpenrock, dann kam die Weltmusik über Sie. Kommt das durch die Ferne?

Es kommt durch die Begegnungen mit diesen indigenen Menschen. Die nicht immer einfach waren. Meine letzte Reise ging nach Nordnorwegen, nach Lappland. Auf der einen Seite ist das faszinierend und schön, wie nationalstolz die nordeuropäische Urbevölkerung, die über Generationen hinweg unterdrückten Volksgruppe der Samen, heute dort auftreten. Andererseits wollen die halt jetzt nur noch ihre Sprache, nur noch ihre Musik, nur noch ihre Tradition gelten lassen, alles andere ist für sie ein Scheiß. Es gibt mittlerweile bei den gemäßigten Samen sogar welche, die sagen: Ich bin keine Same, ich bin Norweger. Weil es auch bei den Samen jede Menge Haiders gibt. Haider ist kein österreichisches Phänomen. Haider ist überall.

Aber die Identifikation mit der eigenen Kultur kann auch positiv sein.

Ja, natürlich. Ich habe daran früher nur das Positive gesehen. Das, was ich mit den Alpinkatzen gemacht habe, war ja ohnehin schon ein Aufbrechen von Grenzen. Aber wenn man älter wird, spürt man: Manche Sachen stimmen nicht so, wie man sie sich zurecht gedacht hat. Manchmal verengt Identifikation auch den Blickwinkel. Auch auf die Heimat.

Als Musiker sagt man: Auf diesem Instrument bin ich daheim, jenes liegt mir ferner.

Stimmt.

Sie sind vor allem auf der Ziehharmonika daheim, trotzdem legen Sie sie ab und zu ins Eck und spielen, zum Beispiel auf der CD Fön, Trompete oder Gitarre.

Ja, das stimmt auch. Es liegt vielleicht daran, dass die Ziehharmonika eher ein Orchester ist, mit Bass, Akkorden, Melodie, da ist alles da. Eine Trompete hat dagegen diesen ganzen Freiraum der Melodie, die du über die Harmonien legst, die in deinem Kopf sind.

Welches Instrument spielen Sie in Gedanken?

Ich höre Gesang, und ich höre den Groove. Besser: Ich spüre ihn. Das hat jetzt nichts mit Gehen zu tun. Es wabert etwas in mir, und darüber liegt eine Stimme. Manchmal höre ich auch Akkorde, die ineinander gleiten, fast Choralmusik.

Wenn Sie auf der Bühne stehen, hat man das Gefühl, Ihre Band sei Ihnen nicht nur körperlich sehr nahe, sondern auch musikalisch und geistig.

Sicher, wir sind uns körperlich sehr nahe. Aber musikalisch noch näher, das erarbeiten wir uns. Die Erkenntnis ist, dass es nur so funktioniert. Wäre es nicht so, wäre es wie Sex ohne Liebe. Ich brauche das, ich lasse mich auf die anderen ein. Und ich lerne sehr viel dabei. Jeder Kollege, jede Kollegin muss auch sich einbringen. Mit Leuten, die sich nur an mir orientieren, bin ich am unglücklichsten.

Fürs Publikum hatte es fast schon etwas Erotisches, wie eng Sie mit ihrer Sängerin Sabine Kapfinger waren, sich sogar das Mikro teilten. Wie ehrlich war diese Nähe?

Von mir aus war das sehr ehrlich, ich denke auch von ihr. Es geht auch nicht mit jeder Partnerin.

Und dann kam die Trennung von ihr, von der Band. Für die Alpinkatzen war das sehr schmerzhaft. Und für Sie?

Mir ist damals ein Riesenstein vom Herzen gefallen, dass das jetzt ein Ende hat. Es ist mir alles zu heftig geworden, auch dass wir so aneinander geklebt haben. Ich mag das ja, ich brauche das auch, da mache ich mich auch ganz auf. Obwohl ich weiß, dass die Leute dann todtraurig sein werden, wenn es aus ist. Die Alpinkatzen haben mir den Vorwurf gemacht, ich hätte mich halt nicht so aufmachen dürfen. Ich habe euch aber nichts vorgespielt, das hat alles total gestimmt. Aber ich wurde irgendwann klaustrophobisch.

Wie sehr trifft es Sie, wenn sich Ihnen nahe Menschen entfernen?

Jeder lebt sein Leben. Wenn er oder sie von mir weggeht, dann ist es schmerzvoll, aber da steht bei mir immer gleich dieser Gedanke da: Es ist nicht mein Leben, es ist seines oder ihres. Und wenn die das brauchen, wo sie jetzt hingehen, eine andere Partnerschaft, einen anderen Ort, dann ist es halt so.

Sind Sie nicht doch eher ein Bergsteiger, der in der Lage ist, mit verschiedenen Seilschaften große Touren zu machen?

Diesen Anspruch habe ich sehr wohl. Es ist jedenfalls so, dass viele, mit denen ich gearbeitet habe, irgendwann in totale Eifersucht verfallen sind, wenn ich mein Auge oder mein Ohr auf irgendetwas außerhalb des Projekts gerichtet habe.

Sind Sie am Ende gar lieber alleine unterwegs?

Ja, sehr gerne. Ich reise auch gerne allein.

Besteht da nicht die Gefahr, dass man immer weiter rennt und rennt, anstatt mit jemandem das Erlebte zu besprechen? Den Sonnenuntergang in der Karibik? Den Schnee auf dem Mount Rainier?

Nein, diesen Austausch, den habe ich, wenn ich mich hinsetze, um zu komponieren. Der Sonnenuntergang, der Schneefall sind dann Teil der Musik. Für mich ist Reisen ein "immer voller werden". Du begegnest auch viel leichter Menschen, wenn du alleine reist, weil du auf Kontakte angewiesen bist. Wenn du zu zweit bist, kannst du dich die ganze Zeit in deiner Sprache unterhalten.

Viele Menschen, die ständig reisen, laufen auch vor etwas davon. Und Sie?

Es kam vor, dass ich plötzlich das Gefühl hatte, einfach nur auf den nächsten Berg hinauf zu müssen, weg von den Leuten, weg von der Situation, die gerade herrscht. Das passiert auch bei den Proben, wenn es irgendwo hängt. Da sage ich dann: Macht mal, was ihr wollt, ich muss jetzt raus hier für ein paar Stunden.

Wenn Sie zurückdenken an Kanada, an Nepal, an Afrika, an welchem Ort waren Sie am weitesten weg von zu Hause?

Ich glaube, in Tibet. Ich habe mich noch nirgendwo so ausgesetzt gefühlt wie dort, nicht einmal im Winter in Lappland. Das hängt sicher mit der politischen Situation zusammen, das war so unangenehm, weil ich so etwas nicht kannte bisher. Man ist aber auch viele Wochen in der absoluten "Oaschicht" unterwegs, in einer Art eindimensionalem Leben. In Tibet ist alles so weit weg, und selbst das, was nahe ist, ist so riesig, die Berge, die Täler, die Gletscher, dass du es gar nicht wahrnehmen kannst. Das macht vielleicht keine Angst, aber Unwohlsein.

Trotzdem sind Sie über Monate dort geblieben.

Ich bin so. Ich kann an einem Ort bleiben, auch wenn ich mich unwohl fühle. Natürlich wäre ich in zwei Tagen in Lhasa gewesen und hätte heimfliegen können. Aber das wollte ich nicht. Ich muss es nicht immer angenehm haben. Da muss ich durch.

Kann man dieses Durchhaltenwollen auch in persönlichen Beziehungen praktizieren? Sind Sie ein Beziehungskämpfer?

Kampf mag ich das nicht nennen. Da kann ich sehr geduldig sein ... , nein, stimmt nicht ganz.

Hartnäckig?

Genau. Hartnäckig. Und wenn es dann wirklich nicht funktioniert hat, hatte ich zumindest nie das Gefühl, nicht genug dafür getan zu haben. Jedes Davonrennen hängt dir einfach ewig nach.

Wenn es eine Art Endstation Sehnsucht gäbe für Sie, einen Ort, Menschen - wo könnte das sein?

Das erschreckt mich jetzt fast selber. Aber ich muss sagen: Goisern.

Der Berg und die Wüste

Teleschau 16. Dezember 2005 | Text: Jochen Overbeck

Hubert von Goisern zeigt, wie nah Musik sein kann

(tsch) Hubert von Goisern sitzt im etwas umständlichen Schneidersitz auf dem Sofa, die dunklen Augen blinzeln hellwach Richtung Interviewpartner, aber auch Richtung Fenster, Richtung Draußen. Und er stellt zunächst einmal fest, dass er eigentlich gar nicht so gerne Interviews gibt. Geht ja gut los, denkt man sich da als Journalist. Aber alles halb so wild. Wenn von Goisern, der jetzt die Live-Kopplung Ausland veröffentlichte, einmal vertieft in die Materie ist, zeigt er sich als spannender und amüsanter Gesprächspartner, der angenehmerweise auf jede Art der Geschwätzigkeit verzichtet.

Hubert, eigentlich wolltest Du 2005 / 2006 eine Auszeit nehmen - was ist passiert?

Im Grunde tue ich das. Unter einer Auszeit verstehe ich keine Bühne, keine Öffentlichkeit. Das wir jetzt doch hier sitzen und über Ausland reden, ist unumgänglich. Ohne Kommunikation kann man keine Platten veröffentlichen. Ein bisschen Aufmerksamkeit wünscht man sich ja doch. Auch wenn ich ohnehin kein großer Freund der Promotion bin. Da fühlt man sich immer wie ein Huhn, das gackert, weil es ein Ei gelegt hat. Eigentlich sollte das Ei auch alleine überzeugen.

Ausland ist eine Live-Platte und trotzdem, wie Du selber sagst, die Fortsetzung der beiden Trad-Alben. Erzähle etwas zum Trad-Konzept.

Mit den meisten der Songs aus der Trad-Reihe bin ich aufgewachsen. Ich habe sie immer schon gehört, es sind die Volkslieder meiner Heimat. Aufgenommen habe ich sie aber nie. Nun sind die besten davon natürlich hängen geblieben. Als ich nach meiner Auszeit mit den Alpinkatzen Mitte der 90er-Jahre Musikunterricht gab, merkte ich, dass die Kinder nicht mehr singen, dass sie keine Lieder haben. Und diese Volkslieder waren da einfach die beste Möglichkeit, ihnen etwas näher zu bringen. Das war ein unglaublicher musikalischer Schulungsprozess. Das Problem ist: Von diesen Liedern gibt es kaum Aufnahmen, die werden nur in sehr abgeschlossenen Kreisen gesungen, in die du als Außenstehender kaum hereinkommst. Aber wie sollen die Leute Lieder kennen lernen, die es kaum auf CD gibt?

Für Ausland warst Du also mit sehr ursprünglicher Volksmusik auf Tour. Wie hat das Publikum reagiert?

Es gibt natürlich Unterschiede in der Verarbeitung. Die Sprachverständlichkeit wächst, je näher ich an den Kern der Sache, also Österreich, komme. Wer bei mir daheim aufgewachsen ist, kennt alle diese Lieder. Es kann aber ein Vorteil sein, sie nicht zu kennen oder zu verstehen, und da sind wir dann in Oldenburg, Berlin oder Hamburg. Das macht's für die Leute aber leichter, es sich ganz offen anzuhören. Sie haben nicht die Schwierigkeit, dass da jemand ein Lied, das sie kennen, ganz anders interpretiert. Zu Hause sind die Vorbehalte größer, das fängt schon mit der Instrumentierung an.

Der Abschluss der Tour fand in Timbuktu und in Bamako statt - wie kam's?

Das ist eine lange Geschichte. Sie beginnt damit, dass der ORF das Festival aus Desert in Mali dokumentieren wollte. Da fehlte natürlich der Österreich-Bezug, das hätte niemand bezahlt. Und so kam halt ich ins Spiel, ich wurde dann eingeladen. Der ORF war dann doch nicht dabei, ich selbst aber schon.

Wie finanziert sich so etwas?

Ich musste alles selber zahlen. Den Kameramann, letztendlich auch das Hotel, obwohl das anders ausgemacht war. Die komplette Verpflegung, das war wirklich die reine Abzocke. Und so kam's auch zu dem Frust, den die DVD ganz gut zeigt. Das hatte nichts mit dem Land, den Menschen oder der Musik zu tun, sondern mit dieser Art der Organisation.

Du hast in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen oft mit dem Goethe-Institut zusammengearbeitet - obwohl Du Österreicher bist ...

Das österreichische Kulturförderungsprogramm ist ein sehr kleines Grüppchen von Leuten mit niedrigem Budget. Es gab da schon Zuschüsse. Das Goethe-Institut Kairo kam vor einigen Jahren auf mich zu und fragte, ob ich mit dem ägyptischen Künstler Mohamed Mounir zusammen ein Konzert in Assiud geben würde - das ist eine Fundamentalistenhochburg, in der seit zwölf Jahren niemand mehr spielte. Ich sagte natürlich sofort zu. Das war ein großer Erfolg, sicher eine der publikumswirksamsten Dinge, die das Goethe-Institut in den letzten Jahren veranstaltete. Aber der Vorwurf, dass ich Österreicher bin und die deutsche Kulturförderung nutze, stand irgendwie immer im Raum, übrigens auch in Österreich, das lief zum Teil ganz schräg ab.

Europäische und afrikanische Musik, passt das immer zusammen?

Es geht immer. Es gibt Zustände, in denen falsche Töne schlichtweg nicht existieren. Egal, ob ich jetzt nach Südamerika, Lappland oder Afrika fahre, es funktioniert. Wenn sich Leute treffen, die neugierig auf ihr Gegenüber sind und - wenn's geht - auch eine Zuneigung für den anderen empfinden, dann funktioniert das - egal, wo sie herkommen. Dagegen klappt nicht einmal eine Zusammenarbeit zwischen Künstlern aus dem gleichen Kulturkreis, wenn die Leute nichts miteinander anfangen können.

Du galtest vor 15 Jahren als ein Wilder der Volksmusik, auch als Kopf einer neuen Szene. Wenn Du heute Deine Heimat beobachtest - was macht das Genre? Kommt da von unten viel nach?

Ich seh' da nichts, ich hör' da nichts. Es sind immer noch dieselben Protagonisten. Attwenger, die Dinge, die ich mache. Dann gibt es ein Projekt namens Der Berg. Und eben die volkstümliche Abteilung. Also alles wie gehabt. Das war aber auch keine Bewegung damals, keine neue Szene oder so. Wir waren ja auch keine Familie, die miteinander gearbeitet hat. Das waren ein paar Leut', und ein paar von denen hüpfen eben immer noch herum.

Stichwort volkstümliche Szene. Hatten die eigentlich jemals Interesse an Dir?

Vom Musikantenstadl wurde ich dreimal angefragt, ich habe jedes Mal abgelehnt - zum Leidwesen meines Managements.

Also auch noch nie mit Karl Moik eine Diskussion über den Begriff der Volksmusik geführt?

Na. Aber der hört jetzt ja eh auf. Der wohnt übrigens nur vier Kilometer entfernt von mir. Ich hab' schon überlegt, ob ich dann mal 'rüberfahren und mit ihm ein Bier trinken soll. (lacht)

Jodler in der Wüstennacht

Allgäuer Zeitung 1. Dezember 2005 | Text: Ronald Hinzpeter

Hubert von Goisern zieht mit "Ausland" die Bilanz einer erfolgreichen Karrierephase

Timbuktu liegt in Mali, aber eigentlich in der Mitte von Nirgendwo, sandumtost in trockener Einöde, am Ende der Welt. Im Januar 2005 steht ein Mann mit Joppe und Trachtenhut im Dunkel der Sahelnacht, von funzelnden Scheinwerfen notdürftig erleuchtet - und jodelt die vermummten Tuareg an. Hubert von Goisern kennt keine Grenzen und schon gar keine kulturellen Berührungsängste. "Das war schon sehr unwirklich", sagt er über seinen Auftritt beim Festival au Desert in Mali.

Dokumentiert ist die Reise mit seiner Band als Zugabe zum neuen Album Ausland (Lawine), einer Live-Bilanz der jüngsten Trad-Tournee. Die beigelegte 45-minütige DVD zeigt eine Reise in das Herz der Wüsten-Finsternis. Die Band musste auf einer mit abenteurlicher Technik ausgestatteten Bühne stehen. Hubert von Goisern: "Ich habe überhaupt nichts gehört von dem, was ich spielte. Ich habe auch nicht gehört, ob es dem Publikum gefällt, denn der Applaus verliert sich einfach in der Weite." Dass die Band nach 100 Konzerten auch unter widrigsten Umständen hervorragend musiziert, ist im Film eindrucksvoll zu hören. Nach dem Sichten der Aufnahmen habe er festgestellt, "dass wir sehr sehr gut gespielt haben, fast besser als auf Ausland."

Das ist schwer möglich, denn die 15 Stücke der Ausland-CD, überwiegend bei Auftritten in Deutschland mitgeschnitten, klingen atemberaubend perfekt und deutlich lebendiger als die Studio-Versionen. Goisern, dem großen Verschmelzer, gelingt der Mix von alpenländischer Tradition und allerlei anderen Stilen mit faszinierend leichter Hand. Die Jodler und Volksstücke hören sich an, als wären sie schon immer mit Südstaaten-Slidegitarre oder der zehn-saitigen brasilianischen Lauda (einer Art Gitarre) gespielt worden.

Mit dieser Platte schließt Hubert von Goisern eine weitere Karrierephase ab und zieht sich bis 2007 ins Salzkammergut zurück: "Ich leiste meinen Beitrag zum Familienleben, arbeite Liegengebliebenes aus, erledige handwerkliche Sachen und überlege, was ich als nächstes tun werde. Es gibt da aber bisher nur vage Vorstellungen."