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AUFSTAND GEGEN Ö3

Der Aufstand der Künstler

News 21 / 1997
Künstler

Peter Paul Skrepek, Hubert von Goisern, Christian Kolonovits, Andy Baum und Robbie Musenbichler

Auf den ersten Blick könnte man vermuten, die Künstler seien in Folge des Wütens der staatlichen Rundfunkanstalt auf den Straßengesang angewiesen. Doch so ist das nicht: Die Elite heimischer Popkünstler und Musiker, allesamt mit Instrumenten versehen, zieht demonstrierend durch die Stadt.

Marschiert man anderswo gegen Fristenlösung und für Arbeitsplätze, so ist es hierzulande der Pop-Sender Ö3, der sensible Künstlerseelen in rhythmische Wallung versetzt.

Demo in Wien. Tausende Musikschaffende aus ganz Österreich werden Mitte Juni in Sonderzügen nach Wien gebracht. Auf dem Europaplatz vor dem Westbahnhof formieren sie sich und ziehen dann im Demonstrationszug über die Mariahilfer Straße bis zur Innenstadt. Dort werden sie im Rahmen einer gewiß melodiösen Kundgebung dagegen protestieren, daß sie vom Pop-Sender methodisch boykottiert werden. Peter Paul Skrepek, Obmann der Musiker, Komponisten-Autoren-Gilde, zur europaweiten einzigartigen Aktion: "Es geht um die Existenz der heimischen Musiker. Von Ambros, Danzer, Arik Brauer und Kolonovits bis Hubert von Goisern unterstützen alle unsere Protestaktion."

Skrepek weiter, den Ernst der Situation in Zahlen fassend: Der Musikanteil der heimischen Künstler auf Ö3 liegt bei durchschnittlich 7,5 Prozent. Das ist tödlich!"

Hubert von Goisern, der mehr als eine Million Tonträger verkaufte: "Ö3 behandelt die österreichische Musik schlecht. Es ist an der Zeit, aktiv zu werden." Legenden wie Georg Danzer und Wolfgang Ambros sprechen von "kulturpolitischer Schande", Song-Contester George Nußbaumer fordert, "endlich vom Radio als gleichberechtigte Partner und nicht als Hofnarren behandelt" zu werden.

"Keine Auslands-Musikkopie!" Und Boris Bukowski: "So gut wie keine deutschsprachige Rock- und Popmusik mehr zu spielen, das darf nicht die offizielle Meinung des wichtigsten Musiksenders in Österreich sein. Idiotisch, daß heimische Musiker angehalten werden, das Ausland zu kopieren."

Die Demonstration samt Pressekonferenz, an der auch Literaten, Filmemacher und bildende Künstler teilnehmen sollen (Skrepek: "Ich möchte von Christian Ludwig Attersee bis Niki List alle gewinnen"), wird der Abschluß einer großangelegten Offensive der Kulturschaffenden gegen Ö3, die in der Vorwoche im Parlament begann. Eine Künstler-Abordnung mit Goisern, Andy Baum und Christian Kolonovits wurde per Petition bei Nationalratspräsident Fischer vorstellig. Der Forderungskatalog:

Ende des Ö3-Österreicher-Boykotts:

  • Einsatz österreichischer Künstler im Rundfunkprogramm in jenem Ausmaß, in dem auch andere europäische Länder ihre Musikszene berücksichtigen. Skrepek: "Wir fordern keine Fixquote, sondern eine Anpassung an internationale Standards."
  • Und Änderung des Rundfunkgesetzes samt jährlicher Kontrolle der Einhaltung dieser Auflagen. Ein grober Verstoß soll bis zum Entzug der Sendelizenz führen können.
Hubert von Goisern, Andy Baum und Heinz Fischer

Hubert von Goisern, Andy Baum und Heinz Fischer

Nun muß sich zuerst der Petitionsausschuß des Parlaments mit der Forderung befassen, in der Folge auch der Verfassungsausschuß. Musikervertreter Skrepek: "Wir gehen ihnen so lange auf die Nerven, bis der Bundeskanzler sagt: "Jetzt machts endlich was!...

In Europa Schlußlicht. Spielt man anderswo zwischen 25 (Schweden) und 90 Prozent (Großbritannien) eigenes, so hört man hierzulande nur 7,5 Prozent - so wenig wie nirgendwo sonst (Quelle: MusikerGilde). Die Folge: Immer weniger heimische Plattenfirmen wagen sich an Newcomer. Ein Artist-&-Repertoire-Manager: "Ö3 spielt es sowieso nicht - also kannst du keine CDs verkaufen."

ORF-Radio-Pressesprecher Wolfgang Fischer (er dementiert heftig, österreichische Popmusik je als "Schas" bezeichnet zu haben, wie ihm Hubert von Goisern im vorwöchigen NEWS vorwarf): "Die ORF-Radios bestehen aus 13 Sendern, und bei den neun Regionalprogrammen liegt der Österreicher-Anteil bei 30 bis 40 Prozent. Es kann kein Menschenrecht auf Airplay geben! Und wir können keinen Geschmacksterror ausüben - deshalb lehnen wir jede Quotenregelung ab."

Ö3-Chef Bogdan Roscic beruft sich auf Musiktitelforschung ("Alle Lieder werden abgetestet, entscheidend ist nur, was das Publikum will"), gibt sich aber sonst verständnisvoll: "Das Ziel, das sie verfolgen, ist richtig und wichtig, aber der Weg ist falsch. Ö3 kann kein Austropop-Indianerreservat werden. Das Problem erledigt sich sowieso bald von selbst, wenn Dutzende Privatradios in den Markt eintreten werden."

Musikkonzerne verlassen Österreich. Da kann es schon zu spät sein, fürchten die Künstler. Die heimischen Plattenfirmen werden zusehends Vertriebsdependancen amerikanischer und deutscher Konzerne. Schon schließt der renommierte Musikverlag Warner/Chappell mit September sein österreichisches Unternehmen Land wird künftig das Land von Hamburg aus betreuen. Andere werden folgen. Musiker-Obmann Skrepek: "Dem Land entgehen Milliarden Schilling."

Nach einer Studie der Wirtschaftsuni Wien war 1989 die Musikindustrie für die heimische Wirtschaft doppelt so ertragreich wie die Stahlindustrie und gleichbedeutend mit der Nahrungsmittelindustrie.

HvG: "Ö3 killt die Musikindustrie"

News 21 / 1997

Mit anderen heimischen Popkünstlern überreicht Rock-Star Hubert von Goisern, dessen CDs sich öfter als eine Million Mal verkauften, am Donnerstag eine Protesterklärung gegen den Ö3 Boykott heimischer Musik an Nationalratspräsident Heinz Fischer. Damit begann eine Großoffensive österreichischer Künstler gegen den Popsender des ORF.

Warum engagieren Sie sich gegen Ö3?

Ö3 behandelt die österreichische Musik schlecht. Wenn dann noch ein ORF Sprecher namens Fischer sagt: "Wenn die das durchbringen, müssen wir den ganzen österreichischen Mist spielen!", ist es an der Zeit, aktiv zu werden. Natürlich gibt es eine Menge Schrott an österreichischer Musik - aber für den kämpfen wir ja nicht. Es gibt auch gute Ambros, Heller oder Falco Nummern. Was spielt Ö3 für ausländischen Schrott, wo die meisten übersetzten Texte auf Hansi Hinterseer Niveau sind. Ich dreh Ö3 aus diesem Grund auch nicht mehr auf.

Ist das, was Ö3 macht, eine kulturpolitische Schande, wie Stars wie Ambros oder Danzer behaupten?

Goisern: Das kann man sagen. Man zerstört mit diesem Kurs einen Wirtschaftszweig, der Milliarden bringt. Laut Unterlagen der Musikergilde war allein 1989 die Musikindustrie in Österreich doppelt so ertragreich wie die Stahlindustrie - heute killt man sie. Ich seh bei vielen Musikern, wie hart die sich tun, um überhaupt leben zu können. Du kannst hier bestenfalls Werbesingles machen - das ist entwürdigend.

Wie werden Sie protestieren?

Goisern: Es sind etliche Aktionen geplant, die Politik interessiert sich auch immer mehr für uns. Ö3 wird sich bald nicht mehr auf irgendwelche Rotationscomputer rausreden können.

"Ö3 is fad und feige!"

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Der Streit zwischen heimischen Musikern und Ö3 wird immer heftiger.
Jetzt nimmt auch Hubert von Goisern Stellung.

Seit sich Hubert von Goisern vor knapp drei Jahren aus der heimischen Musikszene zurückgezogen hattet, war es relativ still um ihn. Jetzt meldet sich auch er in der Diskussion um Ö3 zu Wort. "Mich als Beispiel hinzustellen, daß ich von Ö3 gespielt wurde, ist eigenartig. Was haben sie denn gespielt: Hiatamadl erst auf massiven Druck der Hörer, die sich das gewunschen haben, und dann Heast as net. Sonst nix. Aber ich habe vier CDs herausgebracht, das würde bedeuten, daß der Rest nur Schrott war."

Mit Ö3 heute kann Goisern, der wieder neue Songs aufnehmen will und zur Zeit an einem Projekt mit tibetanischen Musikern arbeitet, wenig anfangen: "Ö3 ist fad. Der Sender hat keine Identität. Die Programmgestaltung würde ich als feig, unkreativ und nicht innovativ nennen. Privatradios können die heimische Szene nur beleben, denn schlimmer, als es um uns jetzt steht, kann es nicht mehr werden."