DeutschEnglish

INTERVIEW

"Ich liebe es, mich selbst zu überraschen"

2003 | Text: Sarah Marchant | Foto: © Hannes Heide

Hubert von GoisernDein musikalischer Output seit Deinem Comeback im November 2000 war unglaublich beeindruckend: Fön, Trad, Iwasig, unzählige Tour Konzerte und andere Projekte. Woher kommt all die Inspiration für so viele Projekte?

Ich kann das nicht sagen. Es ist einfach so, dass mich etwas vorwärtstreibt. Sicher auch die pure Neugier und die Abenteuerlust, aber auch die Lust am Zusammenarbeiten mit den verschiedenen Menschen die ich entlang des Weges kennenlerne. Es ist als ob ich der Musik folge. Die Töne sind wie die Brotkrumen im Märchen "Hänsel und Gretel" Sie bringen mich zur nächsten Station meines Lebens.

Deine Songs wurden mit überschwenglichen Kritiken und begeisterten Ovationen gefeiert. Aber was würdest Du sagen, ist das beste Kompliment, das Dir jemand machen könnte?

Komplimente machen mich immer verlegen. Ich kann mich schon darüber freuen, wenn ich merke, dass ich andere Menschen glücklich oder nachdenklich mache mit dem was ich tue, aber für meine Talente kann ich ja nichts. Ich habe sie in die Wiege gelegt bekommen. Und ich fühle mich privilegiert von meinen Neigungen leben zu können.

Es ist großartig, daß ein weiteres Album mit Folksongs in Vorbereitung ist. Warst Du vom Erfolg von Trad überrascht, als Du es 2001 veröffentlicht hast?

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht arrogant: Nein ich war nicht überrascht. Ich habe vor der Veröffentlichung zu Hage gesagt, es würde mich nicht wundern, wenn Trad ebenso erfolgreich wie Fön wäre. Schon während der Produktion zu Trad (I) war mir auch klar, dass es eine Fortsetzung geben muss, weil ich zum Beispiel für Jodler keinen Platz mehr hatte, aber auch für einige Lieder die ich aus Platzgründen zurückhalten musste.

Was wird Trad 2 vom ersten Album unterscheiden?

Naja, das ist wirklich schwer bzw. unmöglich mit Worten zu beschreiben. Ich glaube es ist freier als sein Vorgänger. Nicht dass die erste Trad streng war oder gar konservativ, aber ich bin, oder besser gesagt, wir alle sind, einfach einen Schritt weiter gegangen.

Wann glaubst Du, wird das Album veröffentlicht?

Es ist geplant für den September - ich glaube so gegen Mitte September. Der genaue Tag ist noch nicht fixiert, aber ich plane ein kleines Fest am Krippenstein, also dort, wo es auch entstanden ist.

Wenn Du ein Album aufnimmst, wie stark mußt Du berücksichtigen, was Du auch live auf der Bühne reproduzieren kannst?

Gar nicht. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Bisher habe ich es immer geschafft die Musik für die Bühne zu adaptieren. Ausser bei der Tibeter CD Inexil, da ist eine Umsetzung ohne Tibetische Sänger nicht denkbar. Aber wenn ich im Studio bin denke ich nicht an die Umsetzbarkeit bei live-Konzerten.

Für Solo's wie Reinhard's in Weit,weit weg und Bernd's live Akipenda-Solo, bis zu welchem Grad sagst Du dem Musiker vorher was Du willst? Oder haben sie für einige Takte völlig freie Hand?

Ich bin für solche Passagen nur das Korrektiv. Sage, ob mir was gefällt oder nicht. Wenn nicht muss sich der/die Betreffende was anderes einfallen lassen. Solange bis es mir passt. Aber bei solo Passagen haben die Künstler weitgehend freie Hand.

Eine ganze Reihe von Deinen Kompositionen, wie zum Beispiel Iawaramoi und Katholisch, waren ziemlich gewagt und umstritten. Schreibst Du diese Gedanken nur für Dich selbst oder möchtest Du damit irgend eine Art von Wirkung erzielen?

Ich bringe in meinen Liedern aber auch in meinen Interviews meine persönlichen Gefühle und Gedanken zum Ausdruck. Wie weit diese eine Bedeutung haben, die über das Subjektive hinausgeht, also etwas Allgemeingültiges, entzieht sich meiner Beurteilung während des Schreibens. Erst nachdem es veröffentlicht wurde und Reaktionen zurückkommen (Feedback), weiss ich, was andere dabei denken und fühlen.

Ich halte im Grunde jeden Anspruch auf objektive Wahrheit als vermessen. Aber wenn wir alle den Mut haben, unsere Erfahrungen die wir im leben machen, auszutauschen, bekommen wir ein Bild von dem, was das Leben ist.

Das Einzige, was man über Dich vorhersagen kann, ist, daß Du nicht vorhersagbar bist. Ist das eine faire Aussage? Liebst Du es, Leute zu überraschen?

Ich liebe es, mich selbst zu überraschen. Das ist ja die wahre Herausforderung, sich selbst immer wieder in Frage zu stellen.

Letztes Jahr bist Du ausgiebig durch West Afrika gereist und bist gerade nach Hause gekommen von einer weiteren Reise nach Kap Verde - ist die Reise erfolgreich gelaufen?

Ich/wir habe/n eine sehr intensive und schöne Zeit gehabt. Und viele hervorragende Künstler getroffen. Das Konzert war ein Ereignis wie man es wohl selten erlebt. Vorsichtige Schätzungen sagen, es waren 60.000 Menschen als wir spielten, andere meinen es waren über 100.000. Ich habe jedenfalls noch nie vor so vielen Leuten gespielt und dass wir als einzige Band eine für dortige Begriffe exotische Musik gemacht haben und trotzdem sehr gut angekommen sind, macht mich glücklich.

Was hast du von diesen Menschen gelernt, sowohl von denen auf der Bühne, als auch im Publikum?

Keine Ahnung - dazu ist es noch zu früh. Ich stehe noch immer unter dem Eindruck, auf einem riesigen wunderbaren Fest Gast gewesen zu sein. Ich mag es, wie die Menschen dort feiern, tanzen, lachen, ausgelassen und gut drauf sind. Musik bedeutet den Menschen dort wirklich sehr viel.

Vermißt Du irgendwelche Annehmlichkeiten von daheim wenn Du auf Reisen bist?

Nein - im Gegenteil. Ich reise auch mit nur ganz wenig Gepäck und fühle mich dementsprechend erleichtert von unnötigem Kram. Wie schon Erich Fromm sagte: "Jedes Stück haben ist ein Stück weniger sein." Auf Reisen habe ich nicht viel und bin gerade dadurch oft mehr. Weisst Du was ich meine?

Du wirst diesen Sommer eine Tour machen, die einige gemeinsame Konzerte mit Mohammed Mounir, dem ägyptischen Künstler, mit dem Du letztes Jahr in Assiut gespielt hast. Was erhoffst Du Dir für diese Tour?

Eine schöne, spannende, gemeinsame Zeit. Ein besseres gegenseitiges Kennenlernen, und ein Interesse von Seiten des Publikums, sodass die Begegnung der Kulturen nicht nur auf der Bühne bzw. unter den Musikern stattfindet, sondern auch im Publikum. Im Moment sieht es allerdings mit dem Kartenvorverkauf eher nach Ablehnung aus. Ich hoffe auf schönes Wetter aber, dass wir nicht baden gehen (im übertragenen Sinn).

Wie probt man, wenn ein Musiker in Österreich und der andere in Ägypten ist?

Ich weiss es nicht. Das werden wir sehen und herausfinden, wenn wir uns am 16. Juni in Ischl treffen und mit den Proben beginnen.

Was setzt ein Auftritt auf der Bühne in Dir frei? Es muß etwas sein, das Dir sehr wichtig ist, da Du dafür das Lampenfieber an jedem Abend einer Tour auf Dich nimmst.

Lust, Energie, alle meine Träume beginnen zum Leben zu erwachen, alle Sorgen und Ängste lösen sich auf. Es gibt kein Morgen und kein Gestern mehr; nur mehr hier und jetzt.

Es gibt viele Open-Air Konzerte auf dem Tourplan. Gibt es einen Unterschied in der Atmosphäre zwischen einem Open-Air Konzert im Vergleich zu einem Konzert in einer Halle?

Ja natürlich, das eine ist mehr intim, das andere freier, oft auch weniger steif. Aber man kann es nicht verallgemeinern. Es gibt auch Open-Airs die in einem "Raum" stattfinden, zum Beispiel in einem Burg-Innenhof, oder auf einem Stadtplatz... Andererseits gibt es grosse Hallen, wie z.B. die Wiener-Stadthalle oder andere meist für Sportveranstaltungen errichtete Mehrzweck-Hallen, wo es dann auch unüberschaubar wird.

Du wirst sicher in der Öffentlichkeit häufig erkannt und angesprochen. Was machst Du, um wenigstens einen gewissen Grad an Anonymität zu haben? Wie behältst Du Deine Füße am Boden?

Ich war eh nie einer, der gerne öffentliche Situationen mit vielen Menschen gesucht hat. Ich verbringe die Freizeit mit Freunden und Familie, bzw bewege mich meist alleine in der freien Natur. Und ich habe gelernt, meinen Sinnen eine Art Filter einzbauen, der mich davor bewahrt, auf alles zu reagieren, was um mich geredet, geflüstert oder gestikuliert wird. Das führt natürlich auch dazu, dass ich manchmal unsensibel bzw. ignorant wirke. Es gibt Menschen, die behaupten, ich sei arrogant. Das tut mir dann schon leid, denn das will ich nicht. Aber es ist mir trotzdem lieber von ein paar nicht verstanden zu werden, als immer nur auf das zu reagieren, was um mich abgeht.

In vielen früheren Interviews hast Du über einen Film gesprochen, den Du selbst geschrieben hast. Was ist aus diesen Plänen geworden?

Das ist eine Geschichte, die noch auf eine Auflösung wartet.

Hast Du je daran gedacht, ein Musical zu schreiben, das Musik und Schauspiel ideal kombinieren würde?

Wenn es etwas gibt was ich nicht sonderlich mag, so ist es das Genre "Musical". Ich liebe Oper ich liebe das Zusammenwirken von Wort, Bild, Dramaturgie, Licht, Klang und habe oft daran gedacht eine Oper zu schreiben. Aber da gehts mir wie mit dem Film. Das gehört zu den Sachen, die mich daran erinnern, dass ich mir noch nicht alle Träume und Visionen erfüllt habe.

Amerika, Ägypten, Westafrika - was glaubst Du, wohin die Reise als nächstes gehen wird?

Naja, am 29. brechen wir auf nach Rumaenien und dann freu ich mich auf die Konzerte in Deutschland, Österreich, Schweiz. Darüber hinaus gibts schon Pläne, aber ich rede erst gerne über Träume und Pläne wenn sie konkret sind; am liebsten erst nachdem ich sie verwirklicht habe.

Herzlichen Dank für das Interview!

Bitteschön.