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STROMLINIEN

Stromlinien - Ein Logbuch

12. Dezember 2009

Hubert von Goisern - StromlinienStromlinien - Ein Logbuch von Hubert von Goisern

Eine musikalische Brücke quer durch Europa, die Donau entlang:
Das Logbuch zur Tour

Dieses Buch erzählt von jener Reise, die Hubert von Goisern mit seinen Freunden auf einer zum Konzertschiff umgebauten Transport-Barge unternahm. Mit einem schwimmenden, klingenden, singenden Dorf, wie er es nannte, fährt er die Donau rauf und runter, stromaufwärts und stromabwärts quer durch das neue Europa, von den Zentren bis an die Ränder, von Linz aus nach Rotterdam und bis zum Schwarzen Meer.

Er erzählt von Begegnungen mit Menschen entlang der Ufer, von Künstlerkollegen aus einem Dutzend Länder, von gemeinsamen Konzerten, von der Sehnsucht nach Freiheit und Ferne und von einer Vision: der Einheit in der Vielfalt. Musik ist die gemeinsame Sprache und die Botschaft. Und Hubert von Goisern ist ein Künstler, der sie in die Welt hinausträgt, der über alle Grenzen hinweg Verständigung und Austausch sucht. Dazu begibt er sich auf Reisen, auf Neuland, und kehrt immer wieder als ein anderer zurück.

Stromlinien - Ein Logbuch von Hubert von Goisern erscheint am 14. Mai 2010
ca. 280 Seiten - mit zahlreichen Fotos | ISBN: 9783701731862 | Bei Amazon bestellen

Drei Österreicher entdecken Europas Vielfalt

Märkische Oderzeitung 2. Januar 2011

Europa lebt von seiner Vielfalt. Dennoch gibt es immer stärkere Bemühungen, Europa zu vereinheitlichen. Die Europäische Union will die Lebensverhältnisse angleichen. Drei österreicher haben Bücher darüber geschrieben, wie verschieden Europa war und ist. Sie sind alle eine Entdeckung für all jene, die gern mit Ungewöhnlichem konfrontiert werden.

[...] Ganz andere Schiffspassagen als die im Zwischendeck von Hamburg nach New York sind der Inhalt des Buches von Hubert von Goisern. Der Musiker, der vor 20 Jahren damit begonnen hat, die traditionelle Musik der Alpen als Quelle für inspirierende Rockmusik zu nutzen, hat 2007 eine Konzertreise auf der Donau von Regensburg bis ins Schwarze Meer unternommen. Unterwegs legte er mit seinem Bühnenschiff an, um mit einheimischen Musikern Konzerte zu geben. 2008 fuhr er dann Donau, Main-Donau-Kanal, Main, Rhein, Neckar und Maas entlang, um den westlichen Teil Europas von der Wasserstraße musikalisch zu erkunden.

Stromlinien ist ein Logbuch, das aus dem Reise begleitenden Blog entstanden ist. Ergänzt hat Goisern das Buch um längere Texte über die Vorbereitung der kostspieligen Reisen, die im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Linz zustande kam. Goisern nimmt den Leser mit auf seine Reise, die er als eines der letzten Abenteuer in Europa beschreibt. Die Vielfalt der Erfahrungen, die überraschungen, Enttäuschungen und Jubelmomente wirken alle authentisch. Da wo Europa am wildesten und unberechenbarsten von ihm - und dem Leser - erwartet wird, funktioniert es am unkompliziertesten; etwa in Serbien und Bulgarien. Und da, wo Europa schon seit Jahrzehnten auch ein politischer Raum ist, ist die Skepsis am größten, etwa in Deutschland und Holland.

Hubert von Goisern öffnet aber vor allem den Blick auf die Schönheit der Donau und der Flusslandschaften. Ausgewählte Fotos runden das schöne Buch ab. Und laden wie die anderen beiden Bücher dazu ein, sich selbst auf den Weg zu machen, um Europa zu erkunden.

Alles verflüssigt sich

Stuttgarter Zeitung 13. September 2010 | Text: Michael Werner

Grenzgänger Hubert von Goisern hat im Stuttgarter Theaterhaus aus seinem Reisetagebuch "Stromlinien" gelesen.

Dutzende Musiker spielen auf Hubert von Goiserns Konzertschiff, das erst zum Schwarzen Meer fährt und dann zur Nordsee hoch. Aber das passiert im Film, das ist schon ein paar Jahre her. Als der Film nach ein paar Minuten angehalten wird, trottet der Initiator dieses musikalisch-nautischen Großprojekts ganz alleine zum Tischchen auf der Theaterhaus-Bühne. Nur sein Buch begleitet ihn. "Ich finde es überhaupt eigenartig, dass man jemandem aus einem Buch vorliest", sagt Hubert von Goisern. Wo doch alle im Publikum des Lesens mächtig seien.

Er liest dann zwar aus seinen Stromlinien, seinem Logbuch eines großen musikalischen Abenteuers auf der Donau und auf dem Rhein, aber mehr noch erzählt er, und zwar vor allem von den Widerständen. Von Hafenmeistereien in Holland also, von Polizisten in Bayern, von Bürgermeistern in der Ukraine. Und als er damit fertig ist, fasst er seine ausgedehnten Flusstourneen in den Sommern 2007 und 2008 so zusammen: "Es war manchmal zäh. Aber es war das Großartigste, was ich bisher gemacht habe in meinem Leben."

Das ist übersetzt aus dem sympathischen Dialekt, den man im Salzkammergut spricht. Von dort, von Bad Goisern genauer gesagt, ist der Hubert, der mit Nachnamen eigentlich Achleitner heißt, einst ausgezogen, um Musik zu suchen, zu spüren, zu sammeln, zu spielen. Seine Reise hatte ihn früher auf die Philippinen und nach Afrika geführt und später beispielsweise ins Donaudelta: "Alles hier steht unter Wasser, lebt vom Wasser und mit dem Wasser. Alles verflüssigt sich, auch der Antrieb, die Welt und das, was in ihr geschieht, zu erfassen", liest Hubert von Goisern aus seinen Stromlinien. Als er wenig später den Hafen von Ismajil in der Ukraine erreicht, "empfangen uns 15 Uniformierte, zwei davon sind Frauen – wie sich herausstellt, die Einzigen, die Englisch können."

Hubert von Goisern beherrscht die hohe Kunst, sich auf seine Umgebung staunend einzulassen. Das zeichnet seine Musik aus – und letztlich auch sein Reisetagebuch. Er kann beobachten, verbinden und verzahnen, was sich in seinem Kopf ereignet und in einer Welt, die Grenzgängern wie ihm Inspirationen und Hindernisse meistens im Paket offeriert. Der Mann, der in der Musik seine Sprache gefunden hat, tut sich nicht schwer mit Worten zur musikalischen Reise. Jetzt träumt er von einem Festival am Tanganjikasee in Ostafrika.

Von Goisern und seine Erlebnisse auf der Donau

Augsburger Allgemeine 13. September 2010 | Text: Michael Peter Bluhm

Der Musiker Hubert von Goisern hat erzählend und lesend im Roxy sein Buch "Stromlinien" vorgestellt. Darin sind Erlebnisse und Begegnungen seiner Donaufahrt mit einem Konzertschiff festgehalten.

Ulm. Beim Donaufest 2006 in Ulm hat das größte Abenteuer seines Lebens begonnen und jetzt kam er ins Roxy, um mit seinem Logbuch Stromlinien Bilanz zu ziehen: der ehemalige Alpin-Rocker, Filmmusik-Komponist, Schauspieler, Modeschöpfer und Reisende zwischen den Welten Hubert von Goisern.

Mit einem Konzertschiff war er auf der Donau bis zur Mündung ins Schwarze Meer gefahren und hatte mit den Künstlern der Anrainerstaaten Musik gemacht.

Das klingt einfach, war aber auch organisatorisch ein Abenteuer, erzählte von Goisern bei der Lesung aus seinem Logbuch Stromlinien und offenbarte weitere Talente aus seinem reichen Fundus: fesselnde Erzählkunst und hintergründigen Humor.

Ohne das Donaufest hätte es dieses Projekt nicht geben können, das osteuropäischen Künstlern die Gelegenheit gab, mit dem österreichischen Barden gemeinsam in ihrer Heimat aufzutreten: In Ulm knüpfte er die notwendigen Kontakte, um die Grenzen zu überwinden und sein jetziger Rückblick in Buchform auf die Reise von 2007 bis 2009 ist ein liebevolles Andenken an die überbordende Gastfreundschaft und Spontanität der Menschen der osteuropäischen Länder Bulgarien, Rumänien und Ukraine, durch die die Donau fließt: Ganz im Gegensatz zu den organisierten "Europäern" der EU in Straßburg und Brüssel, die mit ihrer, so Goisern "lähmenden Allmacht ihrer Bürokratien" das Vorhaben, Europa sozusagen im Fluss zu erleben, beinahe zu Fall gebracht hätten.

Die Grenze in den Köpfen ist schwierigste

Es sind gerade die geschilderten Hemmnisse für die Konzertschifffahrt-Reise, die das Buch so spannend machen. Wie etwa gerade die bayerische Polizei das Konzertschiff mit Strafandrohungen verfolgte und sein Heimatland österreich sich als eine Welt der Institute, Ministerien und Sekretariate mit ihren Formalien und Seilschaften von Pfründehütern entpuppt haben soll.

Doch es war die europäische Kulturstadt Linz, die die Reise letztendlich mit einem Zuschuss ermöglichte.

Dort hat man begriffen, welch tiefer europäischer Gedanke darin lag, mit einem schwimmenden, klingenden Dorf, wie von Goisern seine Transport-Barge nannte, die Donau rauf und runter, stromaufwärts und stromabwärts quer durch das neue Europa, von den Zentren bis an die Ränder zu fahren.

Ausschnitte aus einem Video vermittelten den Eindruck, was auf diesem Schiff abging: herrliche Musik mit den besten Künstlern der Anrainerländer.

Das Fazit von Hubert von Goisern: "Vier Jahre lang haben wir die trennenden und die einenden Kräfte der großen Ströme Europas erfahren. Die am schwierigsten zu überwindenden Grenzen, auf die wir gestoßen sind, waren jene, die man nicht sieht: die in unseren Köpfen".

Der wilde Fluss und seine Menschen

Südwest Presse 13. September 2010 | Text & Foto: Albert Hefele

Der Musiker Hubert von Goisern hat erzählend und lesend im Roxy sein Buch "Stromlinien" vorgestellt.
Darin sind Erlebnisse und Begegnungen seiner Donaufahrt mit einem Konzertschiff festgehalten.

Hubert von Goisern

Eine Frage aus dem Publikum mochte Hubert von Goisern offenbar gar nicht so gerne hören: "Hast du deine Zieharmonika dabei?" Ein schroffes "Naa!" war die Antwort. Denn an diesem Abend im Ulmer Roxy war von Goisern einmal nicht als Musiker anwesend, sondern als Autor und als Lesender aus seinem Buch Stromlinien - Ein Logbuch.

Logbuch deswegen, weil es um zwei Flussreisen durch Europa geht. Auf einem nahezu 100 Meter langen Schiffsverbund, der im Wesentlichen aus dem Schubschiff MS "Wallsee" und einer zum Konzertschiff umgebauten Transport-Barge bestand. Das liest sich einfacher als es dann letztendlich war. Denn - wie man sich denken kann - sind die Bürokratien aller Länder sofort zur Stelle, wenn es darum geht, "Chaoten" wie Hubert von Goisern allerlei Steine in den Weg zu legen.

Warum müssen schließlich diese Musiker ausgerechnet mit einem riesigen Schiff die Donau rauf- und runtergondeln, um Gratiskonzerte zu geben? Irgendwas kann da doch nicht stimmen ... Hubert von Goisern musste mehr oder weniger elegante Methoden ("hab den Kulturminister österreichs eine halbe Stunde beschimpft") anwenden, um zum Ziel und an einen gewaltigen Haufen Geld (über vier Millionen Euro) zu gelangen. Von Goisern ist einer, der sehr hartnäckig sein kann, wenn es darum geht, eine Vision zu verwirklichen. Vermutlich eine Stärke, die ihn dahin gebracht hat, wo er jetzt ist. Ohne Zweifel ist er einer der am nachhaltigst wirksamen europäischen Musiker. Einer, der es wie kein zweiter versteht, die Musik seiner Heimat Goisern mit allen möglichen und unmöglichen Inputs aus anderen Stilen und Ländern zu verknüpfen, ohne dass das Ergebnis zu einem unerträglichen musikalischen Gewürge verkommt. Also einer, der weiß, was er will und es auch meistens kriegt.

Diesmal die Donau-Tour. Auf einem Fluss, der für ihn viel mehr als ein bloßes Gewässer ist: "ein völkerverbindendes Geschenk der Natur". Und der immer noch ein wilder Fluss ist und bei Hochwasser erschreckende Dimensionen annehmen kann. Hubert von Goisern hat diesen Fluss, der auch ein Ulmer Fluss ist, in all seinen Facetten erlebt, und was viel wichtiger ist: Er hat die Menschen, die an ihm leben, kennengelernt.

Da gab es zögerliche Stadtverwaltungsdamen, die die Veranstaltung schon wegen der möglichen Mückenplage am Wasser gecancelt hätten: "What about the moskitos?" Die konnte von Goisern damit beruhigen, dass er behauptete, "Autan" als Sponsor gewonnen zu haben. Da gab es ukrainische Bürgermeister, denen man Zugeständnisse am ehesten über das völkerverbindende Medium Wodka abringen konnte. Da gab es natürlich auch die Musiker aus allen am Ufer liegenden Ländern. Wie den Serben Rambo Amadeus, oder die unglaublichen Roma-Bands, die zu Gast auf dem Konzertschiff waren.

Menschen aus dem "wilden Osten", der Hubert von Goisern im Vorfeld ein wenig nachdenklich gemacht hatte. Man hört ja so einiges. In seiner ersten Kalkulation waren jedenfalls für Bestechungszwecke 30 000 Euro veranschlagt. Er hat das Geld nicht gebraucht. Jedenfalls nicht zum Zwecke der Bestechung. Den meisten ärger gab es ganz wo anders: "Wir haben auf der ganzen Reise dreimal Strafe gezahlt. Und das jedesmal in Bayern."

Weit, weit weg

Titel Magazin 19. August 2010 | Text: Ingeborg Jaiser

Dieses Projekt entstammt einer kraftvollen Idee: mit einem Schiff die Donau hinab bis zum Schwarzen Meer zu fahren, um mit Musikern aus den Anrainerländern Konzerte zu veranstalten. Der oberösterreichisches Künstler Hubert von Goisern hat das scheinbar Unmögliche realisiert - und ein umfangreiches Logbuch seiner Reise verfasst. Ingeborg Jaiser ist seinem Traum gefolgt.

Eine Schiffsreise auf Donau und Rhein - quer durch Europa - mag zu den letzten großen Abenteuern zählen, die auf diesen Kontinent noch möglich sind. Hubert von Goisern hat vier Jahre lang die trennenden und einenden Kräfte dieser Ströme erfahren. Und kommt zu dem Schluss: "Die schwierigsten Grenzen, auf die wir gestoßen sind, waren jene, die man nicht sieht. Die in unseren Köpfen."

Irrwege, Umwege, Auswege

Seit langem träumt der Weltmusiker und -reisende von einem Konzertschiff. Als sich die tollkühne Route durch den afrikanischen Tanganjikasee als kaum realisierbar erweist, wächst die naheliegende Idee einer Donaufahrt, von Regensburg bis zum Schwarzen Meer, quer durch vierzehn Länder, begleitet von Musikern der jeweiligen Region. Mit Martin Heller, dem Intendanten der Europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009, lernt Hubert von Goisern einen visionären Impresario kennen, der bereits 2005 spontan Unterstützung verspricht. Nur das ursprüngliche Ansinnen, die Aktion in einem Weblog zu dokumentieren, lehnt von Goisern ab - zu ungefiltert, zu unreflektiert, zu spontan. Nein, ein Buch soll es werden, das Tage- und Logbuch eines ungewöhnlichen Grenzgängers.

Doch die ersten Erkundungstouren im Frühjahr 2006 lesen sich wie ein satirischer Bericht über die Fährnisse und Fallstricke europäischer Kulturförderung. Von Goiserns Begeisterungsfähigkeit stößt allenthalben auf Ignoranz, Arroganz, Zynismus. In Bratislava sorgt man sich eher um die sommerliche Mückenplage, in Budapest verweist man in Richtung Provinz - doch je östlicher von Goisern reist, desto offener, herzlicher wird er empfangen. Kontakte werden geknüpft, Ministerien, Magistrate und Medienvertreter besucht, musikalische Partner verpflichtet, eine Crew zusammengestellt, Pressekonferenzen abgehalten, Pläne geschmiedet und wieder verworfen.

Europa im Fluss

Mit einer zum Konzertschiff umgebauten Transport-Barge startet das Team im Juni 2007 in Deutschland. Zwei Jahre wird die Reise im "schwimmenden, singenden, klingenden Dorf" dauern, erst die Donau hinunter bis zum Schwarzen Meer, dann den Rhein hinauf nach Rotterdam. Und Hubert von Goisern gelingt es, eine musikalische Brücke zu schlagen, zwischen Künstlern und Kulturen, zwischen Ost und West, zwischen der Sehnsucht nach Ferne und dem Segen der Nähe. Wo immer das Schiff anlegt, treten bei den Konzerten Gastkollegen auf: Xavier Naidoo, Haindling, Konstantin Wecker, Klaus Doldinger, Willi Resetarits - genauso wie regionale Musiker aus Bulgarien, Rumänien, Moldawien.

Von Goisern schildert die Stationen seiner Schiffs- und Konzertreise in ausführlichen, eindrücklichen Episoden, mal himmelhochjauchzend, mal gründlich frustriert, mal vorsichtig skeptisch, mal rechtmäßig stolz. Mit seinem Mammutprojekt hat er Grenzen überschritten und Europa buchstäblich "im Fluss" erlebt. Sein umfangreiches, liebevoll gestaltetes, mit zahlreichen Fotografien und Zeichnungen versehenes Logbuch vereint den Traum eines gemeinsamen Europas mit dem Glück von Musik und Natur.

Zwischen den Radierfuzeln des Tanganjikasees fließt die Donau

Die Furche 10/2010 | Text: Nadja Kwapil

Er ist auf einem Konzertsaal dahergeschwommen. Drei Jahre lang trieb Hubert von Goisern
singend auf hohem Fluss, immer dorthin, wo der Himmel mit der Donau zusammenstößt.

Hubert von Goisern

Vor Begegnungen hat er seinen Anker geworfen und ist singend in fremde Kulturen emigriert. Entschlossen, den sicheren Hafen einer Vision zu verlassen. Drei Jahre lang war Hubert von Goisern schließlich mit seinem Konzertschiff auf der Donau unterwegs, in grenzenloser Neugierde, stromabwärts und stromaufwärts, quer durch Europa, von Linz nach Rotterdam bis zum Schwarzen Meer. Gemeinsam mit den Einwohnern der jeweiligen Anrainerstaaten veranstaltete der gebürtige Oberösterreicher klanggewaltige Konzerte. Verständigt hat man sich überall auf musikalisch.

Während dieser Zeit hat von Goisern Tagebuch geführt, ein Logbuch vielmehr, über anfängliche Hürden bei der Umsetzung seines mehrstimmigen Projekts, über seine Erlebnisse und Eindrücke auf Reisen. Im Mai dieses Jahres erschien das Buch unter dem Titel Stromlinien.

Ohne Pauken, aber mit Trompeten begann Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern seine Karriere als Musiker. Bereits im Alter von fünf Jahren stellte er seine Eltern vor unvollendete Tatsachen: Er möchte Dirigent werden, erklärte ihnen Hubert ganz rustikal. Sein erstes Musikinstrument war eine Trompete, Gitarre und Ziehharmonika folgten. Nach längeren Aufenthalten im Ausland begann er an der Wiener Musikhochschule zu studieren. 1992 gelang ihm der Durchbruch mit seiner Band, den Alpinkatzen. Seither erarbeitete der Künstler zahlreiche Projekte, neben musikalischen Intermezzi auch solche in der Film- und Modewelt. Und dann vor drei Jahren - der Sprung ans kalte Wasser.

Ein entführter Traum

Eigentlich hätte es der Tanganjikasee in Ostafrika werden sollen, diesen hatte der Musiker für seine Vision ursprünglich reserviert gehabt. Die Idee war, ein Festival zu organisieren, mit Künstlern aus allen Volksgruppen, die an den Ufern dieses fast 1000 Kilometer langen und bis zu 1500 Meter tiefen Sees leben. Ein Beitrag zu Einheit und Völkerverständigung. Der nostalgische Traum wurde aber schon bald von der Realität entführt: Ein schwelender Bürgerkrieg im Osten Kongos, köchelnde Unruheherde, Medienberichte züchteten skeptische Bilder und Einstellungen.

Kursänderung. Dann wollte er eben Europa entdecken. Vierzehn europäischen Ländern so etwas wie ein gemeinsames europäisches Gefühl zu geben, war die neue Destination des Musikers. Die Umrisse des Tanganjikasees wurden also vorläufig ausradiert, die Donau trat ins Konzept und floss feinsäuberlich zwischen den grauweißen Radierfuzeln des verblassten Tanganjikasees.

Nun herrschen in Europa zwar keine afrikanischen Verhältnisse, aber auch das Donau-Projekt auf - oder zumindest ans - Wasser zu bringen, erwies sich als nicht ganz so einfach. Die Konzerte sollten allesamt kostenlos veranstaltet werden, Hubert von Goisern und sein Team waren folglich auf öffentliche Unterstützung, auf Subventionen angewiesen. Termine im Bundeskanzleramt, bei Ministern und Staatssekretären, Vertretern der Europäischen Union sollten sich jedoch als störende Ruheherde offenbaren. Außer Anerkennung und blumigen Glückwünschen wuchs dort nämlich nichts, in keine Richtung, weder hinauf noch herüber.

Geohrfeigt von so viel Apathie eines Behördenapparats, schlug Hubert van Goisern zwar nicht zurück, aber einen anderen Weg ein: Noch entschlossener seine Pläne zu verwirklichen, wandte er sich an den Red-Bull-Magnaten Dietrich Mateschitz, der das Projekt über alle Gebühren lobte und auch tatsächlich sponserte.

Eine Transport-Barge wird prompt zu einem Holzschiff umgebaut, die Reise kann endlich beginnen.
Eine Reise, auch für Bibliophile: Hubert von Goiserns Tagebuch ist eine Kette von behutsam aufgefädelten Anekdoten, in die sich immer wieder - aber in wohl erzogener Diskretion - länder- und völkerkundliche Elemente mischen. Der Autor will nicht belehren, auch keine Abenteuer erzählen, sondern die so einfach gewachsene Realität mit dem Leser teilen; ein Protokoll über die zurückgelegten Kilometer einer ausgelebten Vision, fernab von jeglichem Behördendeutsch. Wirklich.

Der Brückenbauer

Münchner Merkur 19. Mai 2010 | Text: Zoran Gojic

Hubert von Goisern war mit seinen Musikern und Gästen drei Jahre lang mit einem Konzertschiff auf der Donau unterwegs. Über diese Zeit hat der Musiker, Komponist und Sänger ein "Logbuch" geführt. Gestern stellte er es im Münchner Literaturhaus vor.

Womöglich hätte sich Hubert von Goisern ursprünglicher Plan leichter umsetzen lassen: An den Ufern des afrikanischen Tangajika-See wollte er auf einem "Konzertschiff" mit Gastmusikern der jeweiligen Region spielen und so zur Verständigung zwischen den unterschiedlichen Völkerschaften beitragen. Stattdessen verschlug es ihn mit seinem schwimmenden Konzertsaal auf die Donau, diesen europäischen Schicksalsfluss, und nach allem, was man im gerade erschienenen Logbuch Stromlinien dieser Abenteuerreise lesen kann, könnte sich Goisern unterwegs ab und an nach afrikanischen Verhältnissen gesehnt haben.

Denn dort weiß man zumindest von vorneherein, dass alles anders kommen wird als geplant. In Europa hingegen sollte alles einfacher funktionieren, harmonischer. Weit gefehlt.

Schon die Vorbereitungen erweisen sich als nervenaufreibendes Anrennen gegen Windmühlen. Entweder man legt Goisern bewusst Steine in den Weg oder aber lässt ihn ins Leere laufen. Goisern beschreibt das unterhaltsam, ohne selbstgerechte Heldengschichterln abzusondern.

Es ist ja seit jeher das große Talent des Hubert Achleitner, vor 57 Jahren in Bad Goisern als Nachkomme sudetendeutscher Flüchtlinge geboren, immer aus Prinzip das Gegenteil dessen zu machen, was andere für gut befinden. Insofern haben ihm die "Hochzeitsscahuer und Schoaßprachter" in den Amtsstuben mit ihren reflexhaften Abwehrverhalten den größtmöglichen Gefallen getan. Angestachelt von so viel ignoranter Apathie überwindet Goisern seinen Stolz und wird beim "Red-Bull"-Magnaten Dietrich Mateschitz vorstellig, schließlich wohnt man in derselben Stadt. "Didi", wie Goisern ihn nennt, sponsert das Vorhaben tatsächlich und stockt den eher bescheiden kalkulierten Etat sogar auf. "Wenn scho, dann gscheit."

Es sind genau diese launigen Episoden, skizzenhaft festgehalten, die das Buch so lesenswert machen. Goiserns Stärke ist, wie bei den meisten Liedermachern, nicht das Epische, sondern das Anekdotische, Assoziative. Und bei der Schilderung eines dreijährigen Projekts, das den Mann und seine Band durch den gesamten Kontinent führten, ist das die beste, die einzig mögliche Option, zu erzählen.

Natürlich geht es nicht nur darum, von den Abenteuern fahrender beziehungsweise schwimmender Musikanten zu künden. Wie nebenbei, aber keineswegs zufällig, ist dieses Buch die Entdeckung eines unbekannten Landes, nämlich Europas - so wie es bereits die gesamte Donau-Tournee war. Goisern macht diese Idee eines einheitlichen Kulturraumes im wahrsten Sinne des Wortes schiffbar und streut unaufdringlich Hintergründe ein, die im Detail mehr erhellen als viele kluge Seminare. Er selbst hat dabei auch viel gelernt, und es spricht sehr für den Autor, dass er freimütig einräumt, sich vieles angelesen oder aus Gesprächen erfahren zu haben. Goisern referiert nie, er reflektiert.

Nicht jeder philosophische Antritt endet in einem geistigen Höhenflug, aber akademisches Geraune ist von Goiserns Metier ohnehin nicht. Er nähert sich der Wirklichkeit über die Menschen. Es lohnt, ihm zu folgen. Beispielsweise, wenn eine Sängerin halb amüsiert, halb genervt die Bezeichnung "Roma" ablehnt: Sie sei Zigeunerin und noch nie in Rom gewesen.

Überhaupt muss Goisern - und mit ihm der Leser - auf manch liebe gewonnene Gedankenprothese verzichten. Ausgerechnet auf dem Balkan geht es viel unkomplizierter zu als auf der Westroute. Das einzige Land, in dem Goisern und sein Schiff ständig von der Polizei überwacht und gegängelt werden, ist der Freistaat Bayern. Und trotz mancher zermürbender Erfahrung mit dem südosteuropäischen Beamtenapparat ist die Bürokratie in Deutschland ungleich träger. Ein persönliches Gespräch mit dem Bürgermeister löst viele Probleme sofort. Im Westen schafft man es oft nicht einmal ins Vorzimmer der Entscheidungsträger.

Die Odyssee durch pulsierende Metropolen und gottvergessene Einöden haben Goisern offenbar nachhaltig beeindruckt. "Lebensbestimmend" sei die Zeit gewesen, sagte er, als er die Fernseh-Dokumentation über seine Guerilla-Tournee vorstellte. Kein Wunder also, dass er diese jetzt auch in Buchform gebracht hat.

Das Geschriebene ist etwas Betoniertes

OÖN 4. Juni 2010 | Text: Bernhard Lichtenberger | Foto: Volker Weihbold
Hubert von Goisern

In der Linzer Buchhandlung Thalia ist Hubert von Goisern am Dienstagabend vor Anker gegangen. Rund 350 Besuchern stellte er sein Buch Stromlinien - Ein Logbuch (Residenz Verlag) vor, das die musikalische Begegnungsreise beschreibt, die ihn auf der Donau ans Schwarze Meer und über die Wasserstraßen bis zur Nordsee führte. Die Oberösterreichischen Nachrichten sprachen mit dem 57-Jährigen.

Am Anfang war die Aussicht auf eines der letzten großen Abenteuer in Europa. Wie haben sich Romantik und Realität vertragen?

Eh sehr gut. Das habe ich aber auch erzwungen. Die Romantik ist etwas, mit der bin auf die Welt gekommen, die brauche ich nicht hegen und pflegen. Die Pragmatik ist nicht so ganz mein's, aber die wird mir vom Sachzwang auferzwungen. Aber ich habe die zwei schon verheiratet, immer wieder.

Im Buch Weit,weit weg von Bernhard Flieher habe ich den Satz gefunden: "Die Zerstörung der Illusion vom großen, erfüllenden Abenteuer beginnt, wo die erste Erwartungshaltung entsteht." Sind Sie frei von Erwartungshaltungen in dieses Unternehmen gegangen?

Ich versuche, keine Erwartungshaltungen zu haben, aber freilich ist man nicht davor gefeit. Aber bei allem, was ich tue, habe ich riesengroße Hoffnungen, dass das aufgeht und super wird. Sonst tät ich es auch nicht. Ich kann in keine Wand einsteigen, wenn ich mir denke, das schaff' ich nicht, da fall ich herunter.

In Stromlinien werfen Sie viel Licht auf die Schattenseiten: Probleme, ein Schiff zu bekommen, ein Auseinanderdriften mit der Reederei, Behördenschikanen, Fast-Unfälle. Warum war Ihnen das wichtig?

Ich wollte es schon so schreiben, wie es war. Das auszusparen, hätte ein fades Buch und eine Lüge ergeben. Wenn es überhaupt einen Grund für diese Schreiberei gegeben hat, dann den, dass ich glaube, dass so etwas Mut machen kann: Trotz der Größe eines Traumes ist er erfüllbar, wenn du überzeugt bist, es zu machen.

Man hat Ihnen vorgeworfen, Linz09 schiebe Ihnen das Geld hinten rein und Red-Bull-Mateschitz lege noch eines drauf, damit er seine Dosen verkauft. Sie haben sich nie gewehrt, außer mit dem Satz "Der Neid is a Hund".

Das dauert zu lange, da musst du ein Buch schreiben. Damals habe ich weder die Zeit, noch die Energie gehabt, auf solche Zwischenmeldungen einzugehen.

Sie schreiben, Sie hätten ein schlechtes Gewissen gehabt, öffentliche Gelder zu verwenden. Wie schaut es mit dem Gewissen heute aus?

Mit Abschluss des Projektes, nach dem Hafenfest, habe ich gewusst, ich brauche mich für nichts zu schämen. Wir haben etwas Großartiges hingestellt, für das andere das Zehnfache gebraucht hätten. Wenn ich mir denke, was an Geld für unnötige Geschichten verbraten wird, dann stehen wir damit ganz gut da. Ich glaube schon, dass es notwendig ist, für das Gemeinsame, das Europa ja haben soll und von dem die meisten träumen, etwas tun muss. Und das haben wir gemacht.

Nicht ganz geheuer war Ihnen, die Eindrücke während der Schiffsreise als Logbuch ins Internet zu stellen.

Dem habe ich eh ein bisschen gegengesteuert, indem ich die Sachen drei bis vier Tage verzögert habe, um wenigstens ein paar Mal drüberschlafen und -lesen zu können. Das geschriebene Wort ist so etwas Betoniertes. Im Gespräch kannst du dich gerne einmal im Ton vergreifen, weil dann kann der andere sagen, bist deppert, das ist ja gar nicht so. Gegen das Geschriebene kann sich keiner wehren. Und ich wollte niemanden bloßstellen. Aber ich habe die beiden Logbücher so gelassen, wie ich sie geschrieben habe, weil es eh davor, dazwischen und dahinter die Reflexionen gibt. Aber das soll zeigen, wie es mir damals gegangen ist, da schwingt schon der Stress, die Unsicherheit, der Ärger, die Emotion mit. Im Nachhinein glätten sich die Wogen, aber davor kommen schon einige Stromschnellen heraus.

Spürten Sie Hemmungen, zu viel von sich preiszugeben?

Ich hatte keine Hemmungen. Die erste Fassung war auch schon vor mehr als einem Jahr fertig. Die habe ich meinem Freund und Manager Hage zum Lesen gegeben - und er hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Auf die Frage nach dem Warum hat er gesagt: "Du gibst zuviel von dir preis. Ein Künstler muss sich mystifizieren und nicht hinter die Karten schauen lassen." Da bin ich aber anders gestrickt, bei meiner Musik und in meinem Leben gibt es keinen doppelten Boden. Im Winter habe ich das Manuskript noch einmal überarbeitet und sehr persönliche Dinge herausgestrichen.

Trotzdem erfährt man sehr viel über Sie. Sie sind Frühaufsteher.

Ich kann in der Früh nicht lange schlafen. In dem Moment, wo es licht wird, werde ich munter. Ich spüre die Energie der Welt, wenn sie erwacht. Und dann packt es mich und ich muss aufstehen.

Packen kann Sie auch ein unheiliger Zorn.

Das war mir selbst sehr peinlich und ich war überrascht, wie vehement ich reagieren kann und welche Mordgelüste auftauchen bei einem, der sich als Buddhist bezeichnet. Aber vor dem ist keiner gefeit.

In der Not reicht Ihnen zum Frühstück ein Kaffee, eine Zigarette und ein Stamperl Schnaps.

Wenn nichts anderes da ist.

Aber der Schnaps?

Das sind auch ein paar Kalorien.

Mit der Erfüllung eines Traumes verliert sich die Sehnsucht. Die kann man sich mit einem neuen Traum wieder holen. Gibt es schon einen?

Es ist ein alter Traum, der am Anfang des Buches vorkommt: ein Musikfestival in Afrika am Tanganjika-See umzusetzen.

Wie schaut es mit einem Album aus?

Ich bin am komponieren und am schreiben. Den Prozess kann man aber nicht erzwingen. 2011 will ich wieder mit der Band spielen.

Stromlinien ist eine Dokumentation. Was folgt?

Ich möchte gerne einmal einen Roman, eine Novelle schreiben. Fiktion. Ich freue mich darauf, ein Buch zu schreiben, wo ich mich voll ausspinnen kann, wo ich nicht überlegen muss, ob ich einer Situation gerecht werde, die ich beschreibe.

Frühstück mit Hubert von Goisern

Kurier 30. Mai 2010 | Text: Maria Gurmann | Fotos: Kurier/Boroviczeny
Hubert von Goisern

Kaum hat der Musiker sein Buch über die zweijährige Konzerttournee auf der Donau fertig geschrieben,
träumt er beim Fischen auf dem Hallstätter See schon wieder von einem neuen Projekt

Am Ufer des Hallstätter Sees stehen Gruppen von Japanern und fotografieren. Sie fokussieren auf das Holzboot - im Salzkammergut Fuhr oder Plätte genannt - mit dem Fischer Hubert von Goisern an Bord.

Hubert von Goisern

Im Hintergrund der Krippenstein und der Plassen mit dem 3000 Jahre alten Salzbergwerk und im Vordergrund zwei Enten, die sich von den Wellen treiben lassen.

Die Touristen haben keine Ahnung, dass sie einen der bekanntesten österreichischen Musiker vor der Linse haben.

Sie sind einfach, wie alle Besucher, von der gewaltigen Kulisse fasziniert.

Um sechs Uhr hat sich der in Bad Goisern geborene Hubert Achleitner bereits auf den Weg gemacht, um mit seinem Freund fischen zu gehen.

Die Ausbeute um 11 Uhr: eine Forelle.

"Griaß di, Erika", begrüßt der Goiserer in seinen Goiserern die Wirtin vom Café Polreich. Der 57-Jährige ist ein Frühaufsteher. "Ich trinke dann nur einen schwarzen Tee mit Milch und Zucker." Jetzt ist Zeit fürs Frühstück: ein Milchkaffee und zwei Marmeladenbrote. Mehr nicht.

Hubert von GoisernEr kommt gerade aus Afrika. Kaum hat er seine letzte Vision - zwei Mal zehn Wochen tourte er mit einem Konzertschiff die Donau stromauf- und abwärts bis ans Schwarze Meer - verdaut, plant er schon sein neues Projekt.

"Ich möchte am Tanganjikasee ein Festival organisieren, mit Künstlern aus allen Volksgruppen, die an den Ufern dieses herrlichen Sees leben." Seine Abenteuer sind Völker-verbindend. Vier Staaten, Kongo, Tansania, Burundi und Sambia, teilen sich den fast 700 Kilometer langen See.

Goisern war immer schon ein Reisender. Noch vor seiner kometenhaften Karriere als Musiker, die mit dem Hit Koa Hiatamadl begann, lebte er vier Jahre als Chemielaborant in Südafrika, und zwei Jahre mit seiner ersten Frau in Toronto. Dort nahm der gelernte Trompeter, der als Fünfjähriger seinen Eltern erklärte, dass er Dirigent werden wolle, Flamenco-Gitarre-Unterricht. Und nach der Scheidung landete er auf den Philippinen, wo er eine Zeit lang bei Kopfjägern wohnte und unterschiedliche Instrumente aus Bambus bauen lernte.

"I bin koa Urlaubmacher net. Wenn ich reise, möchte ich auch etwas tun, forschen, Leute kennenlernen." Dinge passieren ihm, der Zufall führt ihn mit Menschen zusammen.

Hubert von Goisern"Ich selbst bin nicht die treibende Kraft. Ich bin eher der, der die Empfangsbereitschaft, die Wachsamkeit hat, um zu erkennen, dass da was Spannendes ist." Zulassen ist seine Devise, dann fällt einem auch vieles zu. "Es gibt Tage, da geht gar nichts weiter. Plötzlich lasst du aus und in dieser Gelassenheit geht eine Tür auf."

Um die mehr als vier Millionen Euro für das Donauschiffsprojekt aufzutreiben, investierte der Künstler sein ganzes Einkommen (1,5 Millionen Euro) aus seiner Tournee, noch einmal so viel bekam er als Förderung von der Kulturhauptstadt Linz 09, wo er auch das Abschlusskonzert spielte, und den Rest sponserte Red Bull. Dafür konnten 250.000 Zuschauer in ganz Europa die Konzerte entlang des Donau-Ufers gratis erleben.

Mit seinen eigenen Ressourcen will er auch das Afrika-Projekt finanzieren. "Dann werde ich einfach wieder eine Tour spielen", sagt Goisern, der an einer neuen CD arbeitet und eventuell für einen neuen Film, Die Wand, des Erfolgsregisseurs und ROMY-Preisträgers Julian Pölsler die Filmmusik komponieren wird.

Der Oberösterreicher ist gerne in Gesellschaft. "Ich bin kein Autist." Doch wenn er kreativ wird, "muss i aloa sein." Zum Arbeiten zieht sich der verheiratete Vater einer 16-jährigen Tochter und eines 22-jährigen Sohnes in sein Studio in Salzburg zurück, das gleich neben dem Wohnhaus seiner Familie ist. Oder er verkriecht sich in sein kleines Häuschen in Bad Goisern.

Hubert von GoisernDer Rastlose kann sich auch Auszeiten nehmen. "Da ist mir alles wurscht, da lass ich alle hängen, da schmeiße ich alle Termine um." Als konsequenter Mensch müsse man ab und zu auch sagen "jetzt gibt's mich nicht". Dann geht er auf die Berge, im Winter auf den Skiern, im Sommer zu Fuß, oder fischen. "Wasser ist mein Element."

Kann der leutselige Mensch auch depressiv sein? "Ja, schon. Wenn man da aufwachst ... da putzen sich ja so viele Leut’ weg, weil im Winter keine Sonne herkommt." Die Selbstmordrate sei aber mit dem Wirtschaftsaufschwung der 70er-Jahre zurückgegangen.

Früher war der Winter die Lieblingszeit von Hubert von Goisern. "Ich mag die Dunkelheit, es ist kuschelig, gemütlich, das Feuer knistert, genau das Richtige zum Komponieren und Musizieren." Jetzt mag er den Sommer genauso gern wie den Winter. "Ich will erleben, wie die Bama ausschlogn, wie's dann richtig satt wird und wenn's richtig dampft im Summa." Nur im Februar, wenn kein Schnee da ist und auch noch nichts blüht, "krieg ich den Blues".

Zufrieden ist der Mann, der einst wegen seiner langen Haare als Trompeter aus der örtlichen Blaskapelle flog, und der keine Hintergrundmusik braucht, weil er "die Musik eh immer im Kopf hat". Seine Reisen haben den Musiker eines gelehrt: "Zufriedenheit kannst du dir nicht kaufen. Zufrieden bist du, wenn du auf einen Berg hinaufgehst und den inneren Schweinehund überwunden hast. Nicht, wenn du dich mit dem Hubschrauber hinauffliegen lasst."

Hubert von Goisern wirft auch nicht den kleinen Motor an, um mit der Fuhr ins Bootshaus über den See zu fahren. Stehend rudert Hubert, der Schweiß rinnt über die Wangen, doch die Augen strahlen. Zu Gott findet der Katholik, der aus der Kirche ausgetreten ist, "wenn ich in meiner Mitte bin". Die Religionen seien die Fahrzeuge zu Gott. "Ich gehe lieber zu Fuß."

--- SONNTAGSFRAGEN ---

Mein erster Gedanke beim Aufwachen

Ist es schon licht oder noch finster? Bevor ich die Augen aufmache, höre ich schon die Vögel singen.

Humor ist, ...

... wenn man über sich selbst lachen kann.

Wenn ich Zeit habe, ...

... lese ich ein Buch oder gehe gerne ins Kino.

Hubert von Goisern

Der erste Blick in den Spiegel

Selten, ich schaue mich erst in den Spiegel, wenn ich mich rasiere.

Luxus ist, ...

... mehr zu haben als man braucht.

Meine Sonntagslektüre

Ich bin ein begeisterter Furche-Leser. Mich stressen Tageszeitungen, weil ich nicht nachkomme.

Tee oder Kaffee?

Beides mit Milch und Zucker.

Ein Sonntag, den ich nie vergesse

Der vorige Pfingstsonntag, da war ich in der evangelischen Kirche bei der Konfirmation von meinem Neffen. Das war ein Erlebnis, alle in Tracht, ein Bild, das mich berührt hat.

Den Appetit verdirbt mir ...

Ein streitsüchtiger Mensch.

Auf keinen Fall esse ich ...

Ich habe alles gegessen, was mir aufgetischt wurde. Von Käfern über Spinnen bis zu Hunden. Aber Kannibalismus ist für mich unvorstellbar.

Am liebsten esse ich ...

Risotto Milanese, mit Parmesan, Zwiebeln und Safran. Ich mag Speisen, die man löffeln kann.

Das Logbuch des Herrn H.

Die Presse 29. Mai 2010 | Text: Anna-Maria Wallner | Foto: © Clemens Fabry

12.000 Kilometer hat Hubert von Goisern bei seiner "Linz Europa Tour Ost und West" mit einem umgebauten
Frachtschiff auf der Donau zurückgelegt. Nun legt er ein Reisetagebuch vor.
Hier erzählt er von seinem Verhältnis zur Donau, zu Förderern und Verhinderern seines Projekts.

Hubert von GoisernDas umgebaute Frachtschiff, dem die Musikcrew den Namen "Wallsee" gab, ist längst zerlegt und transportiert Schotter auf der Donau. Die Musiker sind längst an Land gegangen. Was von einem solchen Experiment bleibt, sind die Erinnerungen. Von denen hat Hubert von Goisern jede Menge. Weshalb er sie nun aufgeschrieben und in einem Logbuch veröffentlicht hat.

Dabei hätten ihm "viele davon abgeraten", erzählt er. Abgeraten, so viel von sich preiszugeben. "Weil es mich natürlich angreifbar macht", sagt Goisern. "Ein Künstler sollte sich ja mystifizieren, damit er dem Publikum mehr Projektionsfläche bietet." Kurze Pause. "Mir ist das aber wurscht." Ein kurzes, verschmitztes Lachen. Hubert von Goisern hört selten auf Ratschläge, die mit "du solltest" beginnen. Das war auch so bei der musikalischen Donaureise Linz Europa Tour Ost und West, die im Sommer 2007 begann und im Sommer 2009 im Rahmen des Linz Europa Hafenfests endete. 12.000 Donaukilometer hat er mit seinen Musikern auf dem umgebauten Frachtschiff zurückgelegt, zwölf Länder hat er bereist, rund 60 Gigs auf der Schiffsbühne in Städten wie Novi Sad, Budapest, Sofia und Bukarest gespielt. Sein Verhältnis zur Donau hat sich nicht verbessert, sondern ist eigentlich erst entstanden. "Ich hatte davor keine Beziehung zur Donau", sagt er. Weil sie, und das nicht nur in österreich, an vielen Stellen alles andere als lieblich sei, die Ufer wenig bis gar nicht bespielt. "Vermutlich weil sie jedes Jahr über die Ufer tritt und es zu teuer wäre, etwas zu bauen." Nur in Linz sei die Donau ganz gut ins Stadtbild eingebettet, würden die Menschen "mit" dem Strom leben.

Anfang und Ende. Das Wasser, von dem er zwei Sommer und ein bisschen mehr umgeben war, geht ihm aber nicht ab. "Es regnet derzeit eh sehr viel", sagt er. Und schon wieder ist da dieses verschmitzte Lächeln. "Es war sehr schön, aber es musste irgendwo einen Anfang und ein Ende haben. Auch wenn ich noch gern einen Sommer angehängt hätte und mich schon schweren Herzens davon verabschiedet habe, auch weil es so ein unglaublicher Aufwand war, das Schiff zum Schwimmen zu bringen." Wie groß der Aufwand tatsächlich war, zeigt auch sein Buch Stromlinien, das aufwendige Logbuch der Reise, das soeben erschienen ist und in dem Tag für Tag, Station für Station der Reise durchaus kritisch beschrieben werden. Erst auf Seite 108 legt der Frachter endlich ab, bis dahin erzählt der Liedermacher nur über den beschwerlichen, mitunter zum Haareraufen mühsamen Weg, um an Fördermittel und Sponsoren zu kommen.

Die Suche nach Mitstreitern war zum Teil augenöffnend. Denn auch, wenn man ihm in anderen Städten entlang der Donau hie und da mit einer Mischung aus Unglauben und Desinteresse begegnet ist, "die größte Skepsis", sagt Goisern, die habe er schon "bei uns in Österreich erfahren". Was er zum Teil sogar versteht. "Bei uns ist das kulturelle Angebot viel größer als in den östlichen Ländern. Es gibt eine gewisse Sättigung." Wer da mit einer neuen Idee kommt, wird erst einmal belächelt.

Letztlich hat er die Donautour zu je einem Drittel aus der eigenen Tasche, mit Geldern aus dem Pot der Linz'09-Kulturhauptstadt (dessen Botschafter Goisern wurde) und mithilfe von Red-Bull-Zampano Dietrich Mateschitz finanziert. Der Liedermacher und der Konzernchef kannten einander schon davor. Goisern hat eine Hymne für Mateschitzs FC Redbull Salzburg geschrieben. Und Mateschitz sei von Anfang begeistert von Goiserns Schiffsreise gewesen. Dass es Gratis-Energydrinks auf dem Kahn gab, störte Goisern nicht. "Er hat nie verlangt, dass ich Werbung für sein Unternehmen mache", sagt Goisern. "Er wollte nur, dass ich ein Privatkonzert für ihn und seine Freunde spiele." Pause. "Des ham ma a gmocht."

Hubert von Goisern ist ein ruhiger, bedachter Mann. Was er tut, tut er aus Überzeugung. Das spürt man. Mit dem Hiatamadl, das ihn und die Alpinkatzen Anfang der 90er-Jahre schlagartig berühmt gemacht hat, wird er längst nicht mehr ausschließlich in Verbindung gebracht. Im Gegenteil, mittlerweile gibt es junge Menschen, die das Lied nicht einmal mehr kennen.

"Natürlich fängst du bei den Leuten wieder bei null an. Andererseits erspart einem das die Reduktion auf dieses eine Volkslied. Ich hadere nicht, dass es dieses Lied gibt und auch nicht, dass es viele gibt, die es nicht mehr kennen." Er habe aber ein gutes Gefühl, wenn er "durch die Straßen gehe und mir die Leute sehr wohlwollend begegnen."

"Beim Schreiben habe ich mich wie ein Fisch am Trockenen gefühlt"

Tips 26. Mai 2010 | Text: Carina Maurer | Foto: © Jürgen Skarwan
Hubert von Goisern

LINZ. Stromlinien - Ein Logbuch heißt Hubert von Goiserns erstes Buch, in dem er die Erlebnisse seiner Linz-Europa-Tour im Rahmen der Kulturhauptstadt detailliert beschreibt. Im Tips-Interview spricht der Musiker über Linz09, warum sein nächstes Buch ein Roman werden wird und weshalb Musik für ihn eine Form von Voodoo ist.

Linz09 ist seit einem halben Jahr Geschichte. Ihr persönliches Resümée?

Das Jahr hat für mich durch die Distanz an Bedeutung gewonnen. Als Außenstehender glaube ich, dass es für Linz ein großer Gewinn war, viele Menschen wissen nun, dass es Linz gibt. Auch die Linzer selbst sind ihrer eigenen Heimat gegenüber aufmerksamer geworden.

Haben Sie mit einem solchen Erfolg Ihrer Linz-Europa-Tour gerechnet?

Naja, wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, wäre ich das Projekt nicht angegangen. Wenn man etwas beginnt, malt man es sich auch immer in den schönsten Farben aus. Bei der Umsetzung ist man dann allerdings Sachzwängen unterworfen.

War ein Buch über die drei Jahre immer schon geplant?

Es war der Wunsch der Organisatoren, dass ich während der Fahrten in den Osten und den Westen einen Weblog schreibe. Aus diesem Blog ist nun das Buch entstanden, ergänzt durch verbindende Texte über das Projekt. Im Moment bin ich neugierig auf das Feedback zum Buch, da es mir selbst etwas fremd ist. Es ist fast, als würde ich mich das erste Mal selbst im Spiegel betrachten.

Lesen Sie selbst gerne?

Ich lese viel und gerne, nehme mir aber oft zu wenig Zeit dazu. Der Stapel der zu lesenden Bücher wächst, hauptsächlich sind es Sachbücher. Ich interessiere mich sehr für Geschichte und für alles, das mit Afrika zu tun hat. Wenn das Thema stimmt, quäle ich mich auch gerne durch schwierige Texte, ich bin jedoch dankbar dafür, wenn jemand gut schreiben kann. Ich selbst bin sicher kein Literat, bei mir fließt eher die Musik wie von selbst.

Könnten Sie sich ein weiteres Buch vorstellen?

Einen Roman, ja. Bei einem Sachbuch sind immer alle Fakten zu hinterfragen, man möchte jedem gerecht werden. Wenn man Konfliktsituationen beschreibt, ist das natürlich schwierig. Bei einem Roman kann man sich ausspinnen, politisch unkorrekt sein, mit der Fantasie spielen. Erstmal bin ich aber froh, dass das Schreiben vorbei ist. Dabei habe ich mich wie ein Fisch am Trockenen gefühlt. Die Musik ist mein Wasser.

Möchten Sie dem Leser etwas vermitteln?

Ich möchte anderen Leuten Mut machen, ihren Traum zu realisieren. Mein Manager hat mir eigentlich auch geraten, es nicht zu veröffentlichen. Ich würde darin zu viel von mir preisgeben, ein Künstler müsse aber immer ein gewisser Mythos bleiben. So wissen die Menschen jetzt, wie ich ticke. Das Buch sehe ich für mich auch als Abschluss des gesamten Projekts. Ich bin froh, dass alles gut gegangen ist, und denke mir heute manchmal, dass ich es damals noch viel mehr hätte genießen sollen. Ich war jedoch immer so unter Strom, unter Druck, musste viel zu viel nachdenken.

Was bedeutet für Sie Musik?

Musik ist für mich eine Form von Voodoo, von Zauber. Sie entführt die Menschen aus dem Alltag in eine Traumwelt. Musik ist dann gut, wenn sie einem den Boden entzieht. Das führt natürlich auch zu Konflikten, etwa mit der Religion. Ich persönlich mag fast alle Musik, wenn sie mit Herz und Intensität gespielt wird. Ich tue mir allerdings mit volkstümlicher Musik oder Dixieland schwer. Schlagermusik ist oft schon so schräg, dass sie mich zum Lachen bringt. Wenn mich Musik packen soll, dann muss sie eine Geschichte erzählen.

Hubert von Goisern: Lesung in München - 18. Mai 2010

19. Mai 2010 | Fotos: © Elli Christl

"Stromlinien - Ein Logbuch": Die Abenteuer des Hubert von Goisern

Tiroler Tageszeitung/APA 25. Mai 2010 | Foto: Murauer

Der Sänger präsentiert seine Aufzeichnungen über die Vorbereitung und die Durchführung
der Donau-Schiffskonzertreise 2007/2008 in Buchform.

Hubert von GoisernWien - Noch bevor Hubert von Goiserns Abenteuer der spektakulären Schiffskonzertreise die Donau südost- und nordwestwärts entlang überhaupt begann, wurde er schon bedrängt, er müsse einen öffentlich einsehbaren Weblog schreiben. Er tat es, obwohl ihm aus Angst vor ungefilterter, unreflektierter Wahrheit nicht wohl war bei dem Gedanken. Nun sind seine Aufzeichnungen unter dem Titel Stromlinien in Buchform erschienen - ein spannendes, lesenswertes, attraktiv gestaltetes Logbuch eines europäischen Grenzgängers, mit Grenzüberwindungen auf allen Ebenen und der Erkenntnis: Die unüberwindlichsten Grenzen befinden sich im Kopf.

Bereits 1997 spielte Von Goisern mit dem Gedanken, am ostafrikanischen Tanganjikasee ein Festival zu organisieren. Wegen Kriegswirren und weiteren Problemen kam es nie dazu. Als 2005 ein befreundeter Schiffsunternehmer meinte: "So was könntest du doch auch auf der Donau machen", war die Keimzelle des Fluss-Projekts entstanden. Der erste Versuch, ein Schiff zu bekommen, führte zu Terminen bei Verantwortlichen "bis zum Staatssekretär", blieb aber ohne Erfolg, weil "ich mit meinem Ansinnen wohl nur eine Bedrohung für ihren sorgsam gehüteten Halbschlaf" war. Gespräche zum Projekt gab es auch im Bundeskanzleramt, mit Ministern, mit EU-Vertretern in Straßburg und Brüssel, aber außer Glückwünschen und Schirmherrschaften war nichts zu holen. Bis er auf Linz 09-Intendant Martin Heller traf, der den Musiker als Botschafter der Kulturhauptstadt an Bord holte.

Die erste Erkundungsreise Richtung Osten per Auto förderte wenig verheißungsvolle Begegnungen mit Ansprechpartnern zutage. So sorgte sich die Direktorin des Music Center Bratislava in erster Linie um die Beeinträchtigung durch Gelsen. In Budapest folgte der Ratschlag, nicht dort zu spielen. Und die Leiterin des Österreichischen Kulturforums in Belgrad "wirkte gestresst und wusste nicht recht, was sie mit mir anfangen soll". Außerdem hatte sie das Goisern'sche Projekt nicht nur missverstanden, sondern auch verwechselt.

Unterstützung von Mateschitz

Je weiter er nach Süden vorstieß, desto aussichtsreicher wurde die Sache. Erste Kontakte zu Musikern und Bands wurden hergestellt, Zusagen gemacht. Befremdlich blieb jedoch die überall gegenwärtige Ablehnung gegenüber Zigeunermusik. Nirgendwo will man "sein Land" von Zigeunern vertreten sehen. Fazit: Von Goisern hatte sich in den Balkan verliebt. Die Unternehmung war für ihn unumstößlich, die Finanzierung jedoch unlösbar. Ein Termin wurde bei Dietrich Mateschitz vereinbart, der sofort begeistert war und daraufhin die Unternehmung durchgehend mehr als großzügig unterstützte und versorgte. Auch eine neue Band musste gefunden werden, die "druckvoll, lebendig, lustvoll und laut" sein sollte, um den besonderen Anforderungen der Konzerte gewachsen zu sein.

Hubert von Goisern beschreibt mit einer gehörigen Portion Selbstkritik ausführlich, vor allem aber schonungslos seine Begegnungen und Erfahrungen und nimmt sich kein Blatt vor den Mund: Gleich zu Beginn der Ost-Tour fiel der Konzert-Auftakt beim Wiener Donauinselfest wegen Sturm und Unwetter buchstäblich ins Wasser. Der Frust war groß, nicht minder die Wut auf "diesen aalglatten Wiener Kulturpolitiker, der uns auf die Insel gelockt hat - und er hat mit einem Lächeln sein Wort gebrochen und keinen Groschen gezahlt. Gelinkt von einem Linken."

Goisern Goes West

Jeden Tag, jede Station lässt Von Goisern Revue passieren und erzählt dabei von Unverfrorenheiten der Reederei, von selbstgefälligen Hafenmeistern, bürokratischen Stumpfsinnigkeiten, schütterer Zuschauerkulisse im Nordwesten und Niederlagen, die ihn nicht nur in die Notaufnahme eines Spitals, sondern auch zur Absage von Konzerten zwang. 2009 mündete das Projekt ins Finale: Beim Linz Europa Hafenfest ließen Von Goisern und eine Vielzahl von gemachten musikalischen Bekanntschaften die gewaltige Unternehmung ausklingen. Die soeben erschienene DVD Goisern Goes West/Hafenfest als zweiter Teil der audiovisuellen Dokumentation rundet die Nachbetrachtung ab.

Hubert von Goisern, der seine Bands immer genau so schnell auflöst, wie er wieder neue zusammenstellt, pausiert derzeit. Aber er hat seinen "Schiffsmusikern" versprochen, in unveränderter Besetzung ab 2011 eine neue musikalische Reise zu unternehmen.

HvG bei den Rauriser Literaturtagen

11. April 2010 | Fotos: © David Sailer IMAGES 2010

Auf Stör

Rauriser Literaturtage 10. April 2010 | Foto: © David Sailer

Hubert von GoisernWen hast du gestört, fragt man sich unter den AutorInnen, die im Raurisertal zu Besuch sind. Am Freitagnachmittag trudeln sie wieder alle ein im Rauriser-Hof, wirken ein wenig geschafft aber glücklich. Auf Stör-Lesung waren sie. Das ist mittlerweile die Umschreibung und Weiterschreibung eines Brauchtums in ein anderes. So wie die Handwerker, die ihr Handwerk anboten und von Hof zu Hof ziehen, so sind die AutorInnen der RLT unterwegs und gegen schmackhafte Pinzgauerkost lesen sie in den Rauriser Stuben, auf den Höfen im Beisein der Hoffamilie und Bekannten. Vom Leben und vom Schreiben und vom Erzählen wird da erzählt.

Die Donau entlang

Residenz Magazin 01/2010 | Text: Bernhard Flieher | Foto: Jürgen Skarwan

Das Logbuch "Stromlinien" erzählt von jener Reise, die Hubert von Goisern mit seinen Freunden auf seiner zum Konzertchiff umgebauten Transport-Barge unternahm. Mit Bernhard Flieher sprach er über das Schreiben, die Musik und das Reisen.

Hubert von GoisernWas ist denn schwieriger: ein Lied zu komponieren oder ein Buch zu schreiben?

Ich würde sagen, es ist gleich schwierig - wenn man ein Lied mit einem Kapitel vergleicht.

Worin liegen die Unterschiede bei der Arbeit?

In der Musik finden mehrere Ebenen gleichzeitig statt - außer man will ein monophones Solo hinkriegen. Ein Buch hingegen ist immer linear, auch wenn es mehrere Handlungsstränge oder verschiedene Blickwinkel gibt.

Stromlinien, Ihr erstes Buch, gleicht einem Tagebuch. Fürchten Sie, dass von den Reisen weniger bliebe, würden Sie es nicht niederschreiben?

Weder Niederschriften noch Bilder oder auch Filmmaterial können Geschehenes konservieren. Das Niederschreiben von Erlebten und Geschehenem ist mehr ein Sprechen mit sich selbst. Das Schreiben hilft beim Formulieren, und das Formulieren hilft beim Nachdenken über eine Sache.

Wie würden Sie definieren, was die Linz Europa Tour war, die in diesem Buch beschrieben wird?

Das war eine Übung im Aufeinanderzugehen. Und zwar in vielerlei Hinsicht: zwischen den Menschen, an Bord und freilich auch zwischen den Menschen die wir auf der Strecke kennenlernten, mit denen wir musizierten.

Sie sagten von dieser mehrjährigen Tournee, dass das Ihr bisher größtes Abenteuer gewesen sei - und auch die größte Anstrengung. Sie gehören zu den erfolgreichsten Künstlern des Landes und auch zu jenen, die über ihre Kunst hinaus als politischer Kopf, als engagierter Bürger respektiert werden. Warum müssen Sie sich denn ein derartiges Unternehmen antun?

Ich mach das, weil es mir nicht reicht, nur den Blick und allein die Gedanken in die Ferne schweifen zu lassen. Immer wenn ich denke, das ist jetzt eine gute Idee, will - ja dann muss ich sie auf ihre Tauglichkeit prüfen.

Sie wuchsen in Bad Goisern zwischen Bergen auf. Wie sehr wirkt sich denn speziell eine solche Herkunft auf die Lust aus, hinter den Horizont zu blicken?

Da habe ich keine Ahnung, weil ich ja auch nicht weiß, wie es ist, von anderswo zu sein. Ich glaube, man kann aus jeder Situation so ziemlich alles machen.

In Stromlinien verbinden Sie drei Ebenen: die Vorbereitungsreisen, die eigentliche Tour auf dem Schiff, und schließlich fließen auch Reflexionen nach der Heimkehr in den Text ein. Welche Dinge haben in dieser Rückschau ihre Wertigkeit am deutlichsten verändert?

Dass diese Tour überhaupt passiert ist, scheint mir im Nachhinein wie ein Wunder.

Wie schwer war es nach den vielen Monaten auf dem Schiff, von Fluss zurückzukehren auf die unbewegliche Erde?

Ich bin kein Mensch, der dem Vergangenen lange nachweint. Außerdem: So unbeweglich ist die Erde ja gar nicht, wie wir ja wissen.

Wie veränderte diese Reise Ihren Blick?

Ich bin nicht weiser geworden, wenn Sie das meinen, aber "mein Europa" ist deutlich größer geworden.

Ergaben sich aus den künstlerischen Begegnungen zwischen Rotterdam und dem Schwarzen Meer weitere Projekte?

Ich habe auf dieser Reise Freunde gewonnen, und der Kreis ist noch lange nicht geschlossen. Aber was zukünftige Projekte anbelangt, habe ich mir vorerst ein Redeverbot auferlegt. Es reicht, wenn ich mich damit beschäftige.

Wie sieht es mit einem nächsten Buch aus? Gibt's dafür Pläne oder reicht einem Musiker das eine?

Ich möchte irgendwann gerne einen Roman schreiben. Der Fantasie freien Lauf lassen zu können, keine Rücksicht auf handelnde Personen nehmen zu müssen - das stelle ich mir tatsächlich spannend vor. Aber das hat noch Zeit. Ich möchte mich in nächster Zeit wieder vorrangig mit Musik beschäftigen.