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FÖN TOUR 2001

Im Kreis der Weltmusiker angekommen

Allgäuer Zeitung 13. März 2001 | Text: Markus Noichl

Hubert von Goiserns neues Programm geht bei seinem Auftritt in Memmingen tief unter die Haut

Er hatte den Mund ganz schön voll genommen und wollte erst wieder auf die Bühne, wenn er etwas wirklich Neues ausgebrütet habe. Das ist gelungen. In die ausverkaufte Memminger Stadthalle kam Hubert von Goisern mit frechen eigenen Songs und geschickt aufbereiteten Traditionals.

Was ist der rote Faden, der sich durch alle Lieder hindurchzieht, egal ob nun im schweren, schwül-lastenden Blues Fön das Schädelweh besungen wird, in katholisch die Anfechtungen ob der vielen reschen Diandl ("wia sa si' so vorbeidrahn, da wird ma glei ganz schia"). Oder ob er in Die Strass'n ins Philosophieren kommt ("es is nix g'log'n, was nit a wahr is, und nur weils gscheit is, is's nit guat, und es is die selbe strass'n, de di hoam führt oder fort")?

Sagen wir's mal so: In den besten Momenten dieses Konzertes schwingen sich die Jodler hoch wie die Schamanen-Gesänge etwa einer Mari Boine. Da bricht etwas in die Musik hinein, das Grosstädte und Fußgängerzonen nicht geben können. Es ist Ur-Musik aus einer Ur-Landschaft. Es sind Nervenstränge, die vielleicht nur jemand entwickeln kann, der fortging, aber die Berge mit sich trug. Es ist dieses Herzblut, das Hubert von Goisern in seine Songs träufelt, egal ob sie nun als Reggae, bluesig oder popig daherkommen.

Wenn er sich aus voller Brust in die Kopfstimme emporschwingt und dort einen delikaten Augenblick verweilt wie ein Adler im Aufwind, dann geht das schon unter die Haut. Dann bekommt der Jodler eine Mystik zurück, die ihm eigentlich schon abhandenkam. Und dann bricht der Goiserer, der eigentlich Achleitner heisst und sich nach seiner Heimat am Fuss des Dachsteins nannte, in die Phalanx der wirklichen Weltmusik-Macher durch, egal ob sie auf Afrika kommen oder aus der Mongolei oder von wo auch immer.

Nach der Pause sind lauter Traditionals zu hören. Volkslieder und Jodler aus den Alpen. Von den erstklassigen Musikern der Band so lässig und "gach" serviert, das man weinen möchte. Es dürfte wohl nicht oft passieren, dass es das Publikum am Ende komplett von den Sitzen reisst.

Brachliegende Schätze

Der neue Hubert von Goisern macht es nicht auf die krachige Art. Hier sülzt kein Alpen-Zombie schwülstige Schlagertexte auf Hochdeutsch und gibt das dann als Volkstum aus. Hier wird nichts verramscht. Hier kümmert sich jemand, der den Swing hat, um alte, brachliegende Schätze, wahrt den Mundart-Klang, ohne sich unter die Ewig-Gestrigen einzureihen. Bei den pfiffigen Kollegen Bernd Bechtloff (Schlagzeug), Arnulf Lindner (Bass), Heli Punzenberger (Gitarre), Agnes Grasberger (Geige) und Burkhardt Frauenlob (Keyboard) war das Unternehmen in besten Händen. Er ist wirklich ein "Siach", dieser Hubert von Goisern.

Hubert von Goisern beim Sonntagskonzert in Kufstein

Fotos: © Ralf Dollmann 2001

Mit offenen Ohren durch die Welt

Allgäuer Zeitung 4. Juli 2001 | Text: Freddy Schissler

Hubert von Goisern kehrt mit vielen Erkenntnissen von langer Reise zurück
Über 4000 Besucher lassen sich begeistern

Hubert von Goisern. Der Name lockt die Massen. An zwei Abenden machten sich über 4000 Konzert-Besucher auf den Weg zur Burghalde.

Hubert von Goisern. Der Mann wirkt völkerverbindend. Undenkbar, dass ein Allgäuer über diesen Österreicher jemals einen Witz reißen könnte.

Hubert von Goisern. Ein Musiker, dem die Fangemeinde alles aus der Hand frißt. Egal ob aggressiver Rock, traditionelle Volksmusik, Blues oder sentimentale Lieder: Das Volk tobt, wenn er auf der Bühne steht - und es genießt ihn.

Ohne Zweifel, er ist ein großer Musiker und sympathischer Entertainer, dieser Hubert Achleitner. Ein Künstler, der mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht. Zum Beispiel nach Tibet. 1996 war das gewesen, und als er damals auf vier Mitglieder des tibetischen Opernensembles aus Dharamsala stieß, dem Quartier der Exiltibeter in Nordindien, wusste er, dass sich diese Reise auch auf seine musikalischen Gedanken gewinnbringend auswirken würde.

Und doch. An diesen Goisern muss man sich erst einmal gewöhnen. Oder besser gesagt: heranschleichen wie eine aufmerksame Katze an das Mauseloch und man muss die Gehörgänge mitunter um Toleranz bitten. Denn seine Jodler kommen oft unvermittelt, schräg, und zu Beginn des Konzerts wird man irgendwie das Gefühl nicht los, dass dem Mann ab und zu was im Halse stecken bleibt.

Es dauert freilich nicht lange und Hubert von Goisern hat den Kloß hinuntergeschluckt. Dann hört man exzellente Musik, spannend und explosiv, dargeboten von ausgezeichneten Bandmitgliedern (Bernd Bechtloff, Arnulf Lindner, Heli Punzenberger, Agnes Grasberger und Burkhardt Frauenlob. Die Sechs bilden eine imponierende Einheit, bei der keiner aus der Reihe tanzt. Und bei der jeder die Gelegenheit bekommt, zu brillieren.

Zum Beispiel Agnes Grasberger. Sie spielt in Goiserns Konzept der Weltmusik eine wichtige Rolle. Sie scheint ihn anzuspornen mit ihrer Violine, schmiegt die Stimme im Gesangs-Duett an seine wie eine frisch Verliebte oder liefert stampfenden Rhythmus und virtuose Läufe, wenn es denn sein muss. Hubert von Goisern hat ab 1994 eine lange Pause eingelegt - was viele Musiker der Pop- und Rockmusik im Laufe ihrer Karriere einmal tun. Nicht alle kehren mit wirklich neuen Erkenntnissen zurück. Der Österreicher, 1952 im Dachsteingebiet geboren, hat sich mit vielen Leuten unterhalten, und Begegnungen wie mit der Schimpansenforscherin Jane Goodall, sagt er, hätten ihn tief beeindruckt - und geprägt. Seine Musik ist noch ursprünglicher geworden, noch aufdringlicher im positiven Sinn, noch fordernder.

Selbst wenn Goisern und Band am Ende Traditionelles zum Besten geben, die für ihn typischen Volkslied-Bearbeitungen und Jodler, geht das noch mehr unter die Haut als vor Jahren. Goisern hat die musikalische Pause gut getan - und das war gut so für die über 4000 Besucher in Kempten. In die Musik versunken: Hubert von Goisern wusste über 4000 Besucher auf der Kemptener Burghalde an zwei Konzertabenden zu begeistern.

Wanderung zwischen Stilwelten

Offenbach Post 3. April 2001 | Text: Oliver Signus

Drei Jahre, bis 1995, schwamm der Österreicher Hubert von Goisern auf der Erfolgswelle. Mit seinen Alpinkatzen machte er den Alpenrock salonfähig, Gassenhauer wie Koa Hiatamadl stürmten die Charts. Überraschend löste er Ende 1995 die Formation auf und zog sich eine Weile aus dem Musikgeschäft zurück. Nun, sechs Jahre später ist er wieder da. Mit neuer Band und zwei neuen CD's, erschienen innerhalb weniger Monate, reist er derzeit durch Deutschland. Jetzt war der 48-Jährige, der bürgerlich Hubert Achleitner heißt und aus Bad Goisern stammt, in der ausverkauften Hugenottenhalle zu Gast.

Mit dem Anspruch, etwas anderes zu machen, meldete sich Goisern zurück. Es ist indes kein Bruch mit der musikalischen Vergangenheit. Nach dem Ende der Alpinkatzen bereiste der Musiker Afrika und Nepal, produzierte zwei CDs, in denen er die Begegnung mit den fremden Kulturen verarbeitet und mit den eigenen künstlerischen Wurzeln vermischt. Sein neues Werk Fön, das er nun auf der Tournee vorstellt, präsentiert sich reifer und differenzierter als die Scheiben aus der Alpinkatzen-Ära. Stand seinerzeit noch gradlinige Rockpower im Vordergrund, sind es nun die filigranen und auch ruhigeren Töne, die Goisern anschlägt. Grooviger Jazz, bluesig angehauchte Nummern sowie gelegentlich karibische und afrikanische Rhythmen fließen in die Stücke ein. Der 48-Jährige jodelt, kreischt, schnarrt, singt mal schrill, dann wieder sanft oder laut. Bezaubernde Liebeslieder finden sich neben kritischen, heiter-ironischen Stücken, in denen Goisern mit seinem Heimatland, Politikern wie Jörg Haider und der katholischen Kirche abrechnet. Aber auch vor Rock-Klassikern wie Janis Joplins Mercedes Benz macht der Künstler nicht Halt. Der frech umgetexteten Version drückt er seinen alpenländischen Stempel auf. Goisern versteht es wie kaum ein anderer, als Wanderer zwischen den Welten verschiedene Musikstile und Instrumente so homogen zu präsentieren. Den Schrammler Koa Hiatamadl hat an diesem Abend wohl kaum einer vermisst, und gepasst hätte er ohnehin nicht.

Konzert Hubert von Goisern

www.fvf.at | Foto: FVF

6 Jahre haben seine Fans man auf ihn gewartet. Diese Jahre seiner Schaffenspause hat Hubert von Goisern genützt, um weltweit gesammelte musikalische Erlebnisse und Erfahrungen auf sich wirken zu lassen. Die CD Fön gibt Einblick in die Resultate seiner künstlerischen Entwicklung.

Sein Comeback kann man nicht anders nennen als sensationell. Eindrucksvoll seine Interpretationen von Latino-Stilen, Jazz, Rock, Reggae mit Ethnomusik und alpenländischen Klängen. So variabel seine Stimme zum Einsatz kommt, so vielseitig versteht er sich auch im Umgang mit den Instrumenten, von der Gitarre bis zur Querflöte, von der Trommel bis zur Mundharmonika und natürlich seine Ziehharmonika, der er in höchst leidenschaftlicher Weise Töne entzieht. Seine atemberaubende Bühnenpräsenz unterstreichen nicht zuletzt die erlesenen Musiker, die Hubert um sich geschart hat.

Als wär die Welt ein Jodel

St Galler Tagblatt 3. November 2001 | Text: Philippe Reichen

Hubert von Goisern, Ethno-Rocker ohne Scheu vor Jodel und Jauchzen

Unheiliges zu Allerheiligen in der Tonhalle. Der Österreicher Hubert von Goisern und Band hatten einen starken Auftritt und empfingen am Ende des Konzerts stehende Ovationen.

Kein schickliches "Servus St. Gallen" oder ähnlich, sondern sein ehrliches Jodeln und Jauchzen schmiss Hubert von Goisern durch die Tonhalle wie durch eine Kärntner Alphütte. Alphütten-Groove eines Ethno-Rockers oder Alpabzug in die Tonhalle. Hätte er sich einen Melkstuhl um den Hintern geschnallt, man hätte ihn für einen Sennen halten können.

Und doch, so bodenständig alles daherkam, so eindrücklich warf von Goisern an diesem Abend Schatten eines Weltmusikers. Jazz, Funk, Country, Raggea, Volksweisen aus allen Teilen der Welt; Hubert von Goisern brauchte sich nur einmal umzudrehen um mit einem neuen Instrument auch gleich auf einem neuen Kontinent zu stehen und damit Wurzeln zu schlagen. Die Tugend eines Weltbürgers, der nach seiner Lehre aus der Enge von Bad Goisern auszog um nach längeren Aufenthalten in Asien, Kanada und Afrika wieder in den Schoss der Alpenrepublik zurückzukehren.

Ein Nestbeschmutzer

"In der Schweiz riecht alles nach Seife, die Menschen riechen nach Seife, die Autos riechen nach Seife, da bin ich froh, mich zu Hause dann wieder duschen zu können." So liess sich Hubert von Goisern zu Allerheiligen zitieren und offenbart weiter, dass er auf seiner Gottsuche statt zu Herr Gott auch schon mal zu Frau Gott gebetet habe. Das sei ganz wunderbar gegangen. Wer mag daran zweifeln? - Der grosse Musiker ist auch ein grosser Geschichtenerzähler und ein homo politicus, obwohl er sich selbst nicht als solchen sehen mag. Mit seiner feinen und zugleich leisen Ironie hat er auch schon gellendes Aufschreien provoziert, das die Kärntner Bergwelt-Idylle und mit ihr deren Propagator Haider erschütterte und viele ihn deshalb als Nestbeschmutzer beschimpfen.

Er biegt und beugt sich

"Es taugt uns irgendwie hier auf der Bühne", ruft Hubert von Goisern - etwas, was das Publikum schon längst realisierte. Nach eineinhalb Stunden spielt die Band nochmals ihre alten Hits. Erst jetzt wurde hörbar, welchen Weg Goisern seit seinen Anfängen gegangen ist. Er biegt und beugt sich in der scheinbar so starren Tradition der Volksmusik, bis sie ihm auf den Leib passt. Als wär die Welt ein Jodel. Am Ende gabs stehende Ovationen, ein paar Rosen und einen Hubert von Goisern, der sich auf der Tonhalle-Bühne irgendwie berührt und hilflos nach seinem wonnigen Bad Goisern, mit dem idyllischen Hallstättersee am Fusse des Dachsteingletschers sehnte.

Der Jodler hat den Blues

Kieler Nachrichten 26. Oktober 2001 | Text: Thomas Geyer | Foto: Bevis

Allseitig offene Weltmusik: Hubert von Goisern, Akkordeonspieler, Alpenjodler und Tibetreisender,
überzeugte im knallvollen Max

HvG und WolfgangJessasmariantjosef! Do kimmst ins Mox und wunderst di a wengerl: knallvolles Haus. Dabei singt der Hubert von Goisern doch einen Dialekt, den Nordlichter grad so verstehen wie damals in den 60er Jahren der Bub aus dem Salzkammergut das Platt der Feriengäste in der familieneigenen Frühstückspension. "Vielleicht ist das jetzt die Rache", sinniert der 49-jährige Österreicher bei seinem nördlichsten Konzert. Und das Publikum genießt die Revanche in vollen Zügen

Auf der Bühne steppt die Höller Walpurga, das fesche Dirndl an der Violine, in zünftigen Wanderstiefeln. Rehbock und Edelweiß zieren das Samtwamserl. Und Schlagwerker Bernd Bechtloff lässt die Sticks auf einer alten Milchkanne von der Alm tanzen. Doch auch eine afrikanische Djembe ist im Spiel, die alpinen Mitbringsel bleiben augenzwinkernde Zugeständnisse an Image-Erwartungen. Von musikantenstadeliger Volkstümlichkeit ist diese Kapelle jedenfalls so weit entfernt wie vom Bayernzelt in der Ostseehalle.

Von Goisern sprengt den Panzer seiner heimatlichen Tradition, ohne je ihre Wurzeln zu kappen, lässt in die alpenländische Volksmusik einfließen, was ein mit unzähligen Talenten gesegneter Endvierziger so alles aufgesogen hat: Die Rockmusik der Woodstock-Ära, veredelt durch Fusion-Klänge der 70er Jahre, die der großartige Bassist Antonio Porto verkörpert - fast eine Reinkarnation von Jaco Pastorius.

Einst genrefeindliche Instrumente verfremden die Zitate aus Reggae, Rock und Funk: Akkordeon, Althorn, Holzquerflöte - was Hubert von Goisern in Hand und Mund nimmt, wird zu Musik. Einziger Wermutstropfen des bejubelten zweieinhalbstündigen Konzerts: Ein Mann am Mischpult, der im letzten Drittel die Regler über die Schmerzgrenze zieht.

Apropos Schmerz: Goiserns urige Jodler haben den Blues. Sehnsuchtsvoller und getragener als die flinkfröhlichen Zungenzappler aus Tirol erden sie die allseitig offene Weltmusik, in der Dialekte aus Tansania und den Alpentälern harmonieren wie alte Bekannte. Von Seele und Tiefgang zeugen auch die Inhalte, die immer noch verständlicher rüberkommen als bei den meisten englischen "Acts". Es geht um Wasser, Wahrheit und Liebe. Um das Beten für den Augenblick und die Ewigkeit. Um Nähe und Ferne.

Ein Schlüsselsatz - von Hand auf den Bandbus geschrieben - begleitet die Tournee des Reisenden, der vor seinem jüngsten Projekt eine lange kreative Pause in Tibet und Afrika einlegte: "Weil es san dieselb'n Strass'n, de di' hoam führn oder fuurt." Hoffentlich führen sie auch bald wieder nach Kiel.

"Juchizer" in der Betonsteilwand

Donau Kurier 12. Oktober 2001 | Text: Norbert Schmidl | Foto: Herbert

Hubert von Goisern betet und jodelt im Festsaal

HvG in IngolstadtIngolstadt. Heast as net? Nein, du kannst es nicht hören. Glücklicherweise. Koa Hiatamadl mag er nämlich nach wie vor net. Nur mit dem Unterschied zu früher, dass er es jetzt auch nicht mehr spielt. Denn Hubert von Goisern wird inzwischen auch ohne sein Mitgröllied (an)erkannt. Und das vollkommen zu Recht.

Er war "Weit, weit weg", in der Welt unterwegs nach dem Ende der Alpinkatzen-Ära. Doch Hubert aus - Entschuldigung: von - Goisern scheint stärker verwurzelt mit seiner alpinen Heimat denn je. Bester Beweis seine jüngste Veröffentlichung "Trad." mit ausschließlich heimischen Weisen. Trad bedeutet für ihn "Traditional" gleich "Volksweise" gleich "Weisheit des Volkes". Und die bringt er auch in seinen Konzerten zu Gehör. Weit entfernt von volksdümmlichem Alpenschnickschnack à la Moik & Co. und dennoch - oder gerade deshalb - so urwüchsig.

Heast as net? Ein Jodler, ein "Juchizer" inmitten der Beton gewordenen Steilwände des Ingolstädter Theaterfestsaals, in denen sich HvG fast wie in seiner österreichischen Heimat fühlen müsste. Der Hall oder besser: das Echo, das sich in den von der Decke bedrohlich herabhängenden Betonstalagtiten bricht und das Hubert von der Bühne herab bemängelt. Da hilft nur beten, meint der Protagonist, dass der Hall weggeht. Doch "das kann dauern", genauso wie die Erfüllung seiner Gebete für einen "Mercedes Benz" und so nebenbei für das ewige Leben oder einen Heiligenschein.

Dann vielleicht doch ein Blues, die musikalische Inkarnation des laut HvG "urkatholischen Prinzips 'Durch Leid zum Heil'"? Oder nach der Leidenszeit, der auch die Tontechniker durch nahezu optimalen Sound ein Ende bereiteten, Weltmusik, von HvG mitgebracht von seinen Reisen, beispielsweise eine Art Samba oder Limbo Alpin?

Heast as net? Die heute fast noch einzige Verbindung zu den Alpinkatzen. Und das ist trotz der unbestrittenen Qualität von Huberts Ex-Band und vielen derer Songs gut so.

David Bowie hat einmal den Satz geprägt: "An dem Tag, an dem du denkst, du kannst nicht mehr besser werden, fängst du an, immer den gleichen Song zu spielen." Wenn dieser Satz in der Musikbranche Allgemeingültigkeit besitzt, dann wird Hubert von G. noch viel besser werden, auch wenn das schon jetzt nur schwer vorstellbar scheint. Beton - es kommt eben darauf an, was man darin macht. Heast as net?

Hubert von Goisern mixte alte Bergbauernlieder mit Reggae-Musik

www.mittelhessen.de 2001 | Text & Foto: Sanja Zec

Das Publikum in der ausverkauften Stadthalle tobte vor Begeisterung

Hubert von GoisernMarburg. "Ich habe nichts verstanden, aber der Rhythmus war gut," so der Kommentar einer Zuhörerin bei dem Konzert, dass Hubert von Goisern am Montag Abend in der Stadthalle gab. Ein wenig Mühe kostete es tatsächlich, den österreichischen Dialekt des Musikers zu verstehen, und sicher blieb manch einem in der ausverkauften Stadthalle die eine oder andere Passage sprachlich ganz verwehrt. Doch kaum einen schien diese Tatsache zu stören, im Gegenteil, die Halle tobte vor Begeisterung.

1994 war Hubert von Goisern schon mal in aller Munde: Mit seiner Band Alpinkatzen verbuchte er internationale Erfolge, über 1,5 Millionen Platten konnte er damals verkaufen. Heute, über sieben Jahre später, hat er sich längst von seiner alten Band verabschiedet, und auch von der in erster Linie kommerziell ausgerichteten Musik. Dröhnte damals noch sein Hit Hiatamadl aus allen Radios, so scheint kaum ein Song auf seiner aktuellen CD Trad mit Hit-Qualitäten ausgestattet.

Dafür bietet Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern dem Publikum modern aufbereitete traditionelle Bergbauernlieder aus seiner Heimat sowie Reggae und Klänge aus Afrika, die er während seiner Schaffenspause Mitte der 90er auf längeren Reisen kennen gelernt hatte.

Bei seinem Konzert in der Stadthalle war Goisern mit seinen vier Bandmitgliedern von Anfang an voll bei der Sache, redete nur selten zum Publikum - und wenn, dann philosophierte er minutenlang über den Katholizismus, rote Ampeln und die Vogeljagd. Der Saal schien erheitert, hatte sichtlich Spaß an den sarkastischen Bemerkungen des Bandleaders und zeigte sich von dessen neuer musikalischer Orientierung alles andere als abgeschreckt. Der 49-jährige tat aber auch sein Bestes und stellte unter Beweis, dass er neben der Gitarre auch das Knopfakkordeon, die Flöte, das Blech, die Mundharmonika und die Trommel hervorragend beherrscht.

Es gab schließlich stehende Ovationen in der Stadthalle. Nach einem immerhin über dreistündigen Konzert verlangten die Marburger noch nach Zugaben, die ihnen der Österreicher auch nicht verwehren konnte.