DeutschEnglish

GRENZENLOS TOUR 2002

Hubert von Goisern ist wieder auf Tour

Jet2Web.de 10. Juni 2002

Hubert von Goisern ist für seine Eigenwilligkeit bekannt. Bei den Arbeiten für sein neues - noch namenloses - Album hat sich dieser Ruf einmal mehr bestätigt: Anstatt nach dem Erscheinen der CD mit dem neuen Material auf Tour zu gehen, wählte er den umgekehrten Weg.

Wir werden sehen, ob das gescheit war, sagte der Sänger im Interview. Die neuen Lieder sind sehr von den vielen Auftritten geprägt, die der Musiker im vergangenen Jahr absolviert hat. Im Gegensatz zu Fön, das sehr introvertiert war und aus der Stille komponiert wurde, ist die neue CD wesentlich lauter und schneller, meinte der Künstler. Dementsprechend wurden auch die Auftritte bei der Tour geplant: Nur bei dem Gig im Wiener Konzerthaus am 24. Juni wird das Publikum sitzen. Wir spielen sonst vorwiegend Open Airs oder Festivals, sagte Hubert von Goisern.

Das Album ist Hubert von Goisern zufolge zu 80 Prozent eingespielt. Der Tourstart im Sommer bringt den Musiker ein wenig unter Zeitdruck. Ich weiß noch gar nicht, wann ich die letzten 20 Prozent aufnehmen soll, meinte der Sänger. Nichtsdestotrotz wird das Album voraussichtlich im Herbst erscheinen. Mir wäre es lieber, es wäre schon früher fertig gewesen. Einen ersten Eindruck bietet die Single Poika (Virgin), die ab 8. Juli erhältlich ist.

Für die CD Trad wurde von Goisern erneut mit dem Amadeus Music Award ausgezeichnet. Obwohl ihn der hohe Zuspruch für seine Arbeit natürlich freut, sparte der Musiker erneut nicht mit Kritik an den österreichischen Medien für ihren Umgang mit heimischen Interpreten.

Kein neues Album, aber neue Songs

Stuttgarter Nachrichten 27. Juni 2002 | Text: Alex Schütz

Normalerweise gibt's ein neues Album. Und dann eine Tour. Erwartet man so von einem Künstler. Von Hubert von Goisern hat man schon immer viel erwartet - und immer wieder hat der Österreicher diese Erwartungen nicht erfüllt.

Anfang der Neunziger etwa, am Höhepunkt seines Alpinkatzen-Projekts, sagte er der Bühne Servus. Viele seiner Fans haben das bis heute nicht verkraftet. Seit mehr als einem Jahr bastelt Hubert von Goisern nun an seinem neuen Album. Zum Aufnehmen im Studio fehlt ihm wohl die Zeit, doch wurden die Songs bei Konzerten im Senegal und Ägypten schon live erprobt.

Immerhin ließ er sich dazu überreden, nach acht Jahren eine Single zu veröffentlichen: Poika einen wunderbaren Vorgeschmack auf die neuen Songs, die sich wieder am Alpenrock orientieren und im Falle von Poika um Ska-Elemente ergänzt wurden. Getourt wird also erst mal ohne Album, aber mit neuen Songs.

Wenn ein Berliner Lederhosen anzieht

Quelle unbekannt 24. Juni 2002

Der österrreichische Alpenrocker Hubert von Goisern war auf Tournee in Afrika
Ein Gespräch über Traditionen, Aufführungsformen und die Zukunft

Pyramiden, Hollaredulihöh im Slum von Dakar, Ali Kap Verden - der Hubert von Goisern ist ein Weltmusiker. Nachdem er sich 1994 trotz großer Erfolge mit seiner alpenländischer Volksmusik von der Bühne zurückzog, sich mit der Kultur Tibets und Ostafrika beschäftigte, hat er - organisiert vom Goethe-Institut - in diesem Jahr erneut die musikalische Begegnung mit Afrika gesucht. Darüber sprach er mit unserem Redakteur Christian Hanelt.

Ist Ihre Afrika-Tournee reibungslos verlaufen oder mußten Siet Widerstände überwinden?

In Ägypten ist es immer wieder vermittelt worden, dass unser Vorhaben, den Dialog zwischen den Kulturen zu führen, gegenseitiges Verständnis und Interesse zu wecken, scheitern werde. Letztlich hat dann aber alles wunderbar geklappt und wirkt bei mir noch immer nach.

Welche Eindrücke haben Sie in Afrika gesammelt?

Mir ist klar geworden, dass Afrika nicht gleich Afrika ist, dass jedes Land seine eigene Identität hat. Man fährt ja auch nicht nach Irland, hört sich die ,Chieftains" an und schließt aus dieser Musik auf die Musik Italiens oder Österreichs. Selbst die Wiener Musik ist ganz anders als die in Tirol. Von außen betrachtet und je weiter man weg ist, desto mehr rücken die Dinge zusammen: Wenn man in Amerika oder Japan ist, verschwindet auch der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland.

Wie haben Sie den Kulturbetrieb in Afrika, erlebt?

Was es dort an Kunst und Kultur gibt, ist integriert ins tägliche Leben. So ist die Musik zwar allgegenwärtig, wird aber ausschließlich zu bestimmten Anlässen gespielt. Das Konzertante ist den meisten Menschen fremd, das kennen nur die Leute, die Kontakt zur westlichen Welt haben. So gab es in jedem Land, in dem wir waren, zwei Konzerte, eines als konzertantes Ereignis und eines irgendwo als Open Air.

Wie ist das gemeinsame Musizieren mit den einheimischen Künstlern verlaufen?

Bei dem Konzert mit dem Ägypter Mohamed Mounir habe ich bei einem seiner Lieder die Ziehharmonika gespielt, bei einem anderen gesungen. Auf den Kap Verden haben dortige Musiker Lieder von uns mitgesungen und in Dakar gab es eine Art Session, bei der Sängern zu uns auf die Bühne gekommen sind. Das war im Armenviertel und alle Leute haben uns davor gewarnt, da dort Raub und Mord an der Tagesordnung seien. Wir haben es trotzdem getan und letztlich war es die einzige Zeit in Dakar, in der ich nie angebettelt oder unangenehm gemobbt wurde. Ich war sehr berührt von dem Stolz der Leute und ihrer Freude darüber, dass wir bei ihnen spielen. So hat sich ein Mann auf Krücken auf die Bühne geschleppt, hat wie in der Bibel - die Krücken weggeworfen und gesungen. Das ging eine Stunde lang so dahin, da war ein ständiges Kommen und Gehen.

Was haben Sie gespielt?

Wenn wir in ein Dorf gegangen sind, die Ziehharmonika ausgepackt und gespielt haben, war es ganz klar, dass ich nur Volkslieder spiele. Da hatte ich nie den Wunsch, eigene Kompositionen zu spielen. In diesen Raum, der so von Tradition geprägt ist, in dem die Individualität der Menschen vollkommen in den Hintergrund tritt, traue ich mich nur hinein mit meiner Tradition. Das war für mich ganz erstaunlich, denn ich habe die Sicherheit gemerkt, die mir meine Tradition gibt - auch wenn ich diese alten Lieder etwas anders spiele als meine Vorväter. Bei einer eigenen Komposition hätte ich es persönlich übel genommen, wenn sie nicht gefallen hätte. Ober den Respekt für andere Kulturen habe ich jetzt wieder einen ganz neuen Respekt vor unseren kulturellen Errungenschaften. Auf der anderen Seite hindert das Festhalten an der Tradition aber auch die Kommunikation, da diese nur über die Individualität funktioniert. Tradition ist also eine Kraft, auf die man sich zurück fallen lassen kann, aber sie ist auch ein schwerer Rucksack, den man mit sich herum schleppt.

Der Begriff Tradition hat hierzulande ja oft einen faden Beigeschmack.

In Afrika stehen die Menschen zu ihrer Tradition, sind sehr stolz darauf, was manchmal sogar in Chauvinismus ausartet. Bei uns hat der Begriff Tradition schon etwas Peinliches. Bei dem, was die so genannten Intellektuellen über unsere Tradition schreiben, hat man den Eindruck, man müsse sich der Vergangenheit schämen. Auf der anderen Seite sind das aber auch die Leute, die es es unglaublich bedauern würden, wenn es andernorts keine Tradition gäbe. Ihr eigentliches Problem liegt in der Verknüpfung von Tradition und Nationalstolz. Deshalb können viele Leute der Tradition nur etwas abgewinnen, wenn sie so weit zurück liegt wie Mozart - aber selbst Wagner ist ja für viele schon ein Problem.

Welche Einflüsse haben all diese Erfahrungen auf Ihre Arbeit?

Ich habe jetzt ein anderes Gefühl zu meiner Musik und zu den Einflüssen anderer Kulturen. Sicher wird mir in Zukunft die Verbindung von Elementen verschiedener Kulturen schwerer fallen. Da bin ich nach diesen Erlebnissen befangener. Es kommt mir jetzt komisch vor, so als wenn ein Berliner eine Lederhose anzieht.

"Musik gibt es nur live"

Kurier 22. Juni 2002

Der Veranstalter: Das Jazz Fest Wien. Das Motto: Worldmusic Africa. Die Musik: Vielleicht reich an afrikanischen Einflüssen, aber vordergründig eindeutig alpin. Die Vielfalt der Begriffe mag verwundern - die Künstler bürgen jedoch für Qualität: Hubert von Goisern und Band eröffnen am Montag im Wiener Konzerthaus (21.00) das Jazz Fest, Ausgabe 2002.

Wie gefällt Ihnen die Aufgabe, ein Jazzfestival zu eröffnen?

Ich empfinde das als große Ehre und hoffe, dass meine Musik in diesen Kontext passt. Denn auch wenn ich eine große Affinität zum Jazz habe, mache ich nicht wirklich Jazz. Der Begriff Weltmusik ist die inhaltliche Klammer.

Was ist Weltmusik?

Zunächst: Keinesfalls Allerweltsmusik. Unter Weltmusik verstehe ich Klänge, aus denen man die regionale Identität heraushören kann. Auch wenn man vielleicht nicht weiß, von wo diese Klänge stammen. Das Schöne ist, dass man die Musik nicht wie eine Sprache lernen muss, um sie zu verstehen.

Mit welchem Argument würden Sie einem Musikfreund empfehlen, in Ihr Konzert zu kommen?

Eigentlich gibt es Musik nur live. Das was auf einem Silberling drauf ist, ist keine Musik. Das sind Daten. Eine CD hat für mich Ähnlichkeit mit einem Bildband: Wer beispielsweise noch nie in einer Wüste war, dem wird ein Bildband nie die Wüste vermitteln. Der Musik, die aus dem Lautsprecher kommt, fehlt eine wichtige Dimension: Das Lebendige. Die Magie der Musik ist, dass ein Ton, egal wie genial oder wie vermurkst, im nächsten Moment wieder weg ist. Das passiert nur auf der Bühne.

Als Sie begannen, österreichische Volksmusik mit Klängen aus anderen Gegenden zu vermischen: War das ein Wagnis, oder waren sie sicher, dass das zusammenpasst?

Ich habe nie bewusst Stile kombiniert. Das Komponieren kommt aus dem Unbewussten. Das kommt von allein daher - und nicht, weil ich sagen würde, eine bestimmte Trommel-Groove oder eine Art der Phrasierung gefällt mir so gut, dass ich das jetzt auch machen will.

Nun gibt's auf Ihrer neuen Single eine Polka namens Poika, auf der ein Klaviersolo mit afrikanisch-karibischen Einflüssen ist.

Das kommt von den Musikern. Ich suche mir Musiker aus, die Elemente verkörpern, die ich in der Musik meiner Band haben mag.

Trotz Ihrer Vorbehalte gegen Klangkonserven arbeiten Sie an einer neuen CD. Was wird zu hören sein?

Die CD kommt im September heraus; Titel hat sie noch keinen. Es gibt wieder Volksmusik, kombiniert mit anderen Elementen. Der Sound wird wieder schneller und lauter als bei meinen letzten Arbeiten, aber das heißt nicht, das viele Rockelemente dabei sind. Denn man kann auch schnell und laut spielen ohne Rock.

"Wegfliegen im Rausch des Musizierens"

Abendzeitung 21. Juni 2001 | Text: Julia Bähr

Hubert von Goisern über "Poika" - und sein neues multikulturelles Album

Bis er 35 war, hatte Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern nie eine Ziehharmonika in der Hand oder einen Jodler im Hals. Zu sehr lehnte der im Salzkammergut Geborene seine eigene Musiktradition ab. Doch eines Tages packte er in einem Wiener Jazz- und Bluesclub eine steirische Ziehharmonika aus. Die Resonanz unter den Musikerkollegen war eher entsetzt, als erfreut, doch das schreckte den experimentierfreudigen von Goisern nicht ab.

"Ich hatte den Widerstandsgeist, zu zeigen, dass man damit groovige Musik machen kann", meint er heute. Es ist genauso falsch, die Tradition abzulehnen, wie sie zu einer heiligen Kuh zu machen". Der Plan ging auf. Mit dem Bierzelt-Hit Koa Hiatamadl wurde Hubert von Goisern 1992 berühmt. Zufrieden war er mit diesem Erfolg aber nicht. Schon zwei Jahre später löste er seine Band Die Alpinkatzen auf um sich musikalisch neu zu orientieren.

Jahrelang reiste er durch die Welt, besuchte Afrika und Tibet und ließ sich auf die dortige Musik ein. Mit einheimischen Musikein spielte er CDs ein, veröffentlichte 1998 fast gleichzeitig Gombe und Inexil. Er traf Jane Godall besuchte die Philippinen, tauchte ein in den Rhythmus der fremden Länder.

Jeder Ton hat seinen Platz

Mit den Eigenkompositionen auf Fön und dem Album Trad schuf er 2001 seine eige-ne Version von Alpenmusik, die man sonst auf dem Musikmarkt nicht findet. Denn "Musikan-tenstadl"- Geschrummel gehört nicht zu seinen Vorlieben. Er mag es flotter, vielseitiger. "Ich würde meine Musik niemals beschreiben. Dafür gibt es Spezia-listen, die irgendwelche Schubla-den öffnen und einen da reindrücken!" Wenn das bei ihm überhaupt gelingen kann. Denn zu vielschichtig ist seine Musik, zu sehr hört man, wie viele verschiedene Einflüsse Hubert von Goisern darin verarbeitet.

Trotzdem ist ihm die wichtigste musikalische Erfahrung die seiner Heimat. "Ich mag beim Musizieren das Gefühl vom Wegfliegen, den Rausch. Dass man nur über Musik ein Gefühl von Ekstase bekommen kann. Man nimmt nichts mehr wahr außer der Musik selbst, ist mit allem in Harmonie. In diesem Zustand gibt es auch keine falschen Töne, denn da hat jeder Ton seinen Platz und kann in einen Bezug gesetzt werden", schwärmt er.

Nicht immer war sein Verhältnis zu Österreich so ungetrübt. FPÖ-Populist Jörg Haider, der ebenfalls in Bad Goisern aufwuchs, ist seine liebste Polit-Zielscheibe. In dem Lied "Kalt" wird er mit Gebrummel bedacht, im Booklet stehen verschlüsselte Zitate von ihm. "Ex-Goiserer" nennt von Goisern ihn. Es ist sicher nichts Außergewöhnliches daran, Haider zu kritisieren, doch von Goisern tut es ohne das Pathos, das vielen seiner Musikerkollegen eigen ist.

Eine Spur anders ist auch die Vorab-Veröffentlichung seines neuen Albums: Poika heißt die Maxi-Single und erscheint am- 1. Juli. Der Stil spielt zwischen Alpenmusik und einem zurückhaltenden, aber spannenden Cocktail aus der Musik anderer Kontinente. Das Album dazu soll im Spätherbst erscheinen, ist aber noch namenlos. Nach vielen Experimenten doch wieder eine teilweise Rückkehr zur Tradition? "In der Musik kenn' ich mich am meisten. aus, ich bin darin aufgewachsen und kann jetzt nicht sagen: Ich wär' gern Afrikaner und schwarz, dann hätte ich mehr Rhythmus im Blut und könnte rappen", sagt von Goisern.

Doch obwohl er sich zu Hause wohlfühlt, ist seine Neugier auf andere Musik nicht schwunden. Die Eskimo würde ich schon gern einmal live singen hören. ich hab' eine CD daheim, und es ist so witzig und originell. Ich glaube, die Leute sind total gut aufgelegt. Das würde mich reizen."

Mit alpiner Rockmusik in die weite Welt: Hubert von Goisern

Aachener Zeitung 19. Juni 2002 | Text: Ulrike Rechel

Würselen. Hubert Achleitner hätte es oft ganz einfach haben können - und hat dann doch den steileren Weg eingeschlagen. Als Star einer ebenso munteren wie schrägen Alpenrock-Szene Mitte der neunziger Jahre hätte es sich der Mann aus dem österreichischen Bad Goisern in den Charts ganz bequem machen können.

Aber Hubert von Goisern, der am Freitag, 21. Juni, 20 Uhr mit seiner Band auf der Bühne von Burg Wilhelmstein in Würselen-Bardenberg gastiert, zog es vor, seinen Alpinkatzen adé zu sagen.

Sieben Jahre kümmerte sich der Hobby-Tischler um Haus und Familie, schrieb Filmmusiken und ging auf Reisen. Erst im vergangenen Jahr meldete er sich auf der Bühne zurück, im Gepäck gleich zwei neue Soloplatten und intensive Reiseerlebnisse aus Afrika und Tibet.

Goiserns nächster Schritt führte ihn erneut in die Ferne. Seine jüngsten Songs stellte er kürzlich dort vor, wo man Jodeln und steirische Mundart-Raps wohl nie zuvor vernommen hat: in Ägypten, Kap Verde, Senegal und Burkina Faso.

... er trat in Armenvierteln und Staatstheatern auf, vor 200 bis Tausenden Zuhörern, vor Straßenkindern und Ministern. "Ich kann nicht sagen, dass alles, was ich in Afrika erlebt habe, super war", stellt der Sänger im Nachhinein fest.

Marode Bühnenhäuser und fehlende Technik gehörten zu den kleinsten Übeln. "Wahnsinnig geärgert" habe er sich, als er im ehrwürdigen Staatstheater von Dakar fast nur vor Botschaftern und Ministern spielte, während die Bevölkerung angesichts des üppigen Eintritts draußen blieb.

Mehr als einmal wurde es dem europäischen Besucher "mulmig" angesichts der knisternden Spannungen in militärisch kontrollierten Gebieten, wie der ägyptischen Universitätsstadt Assiut, wo er und Mounir vor 15 000 Menschen spielten.

Doch Hubert von Goisern, der selbst einmal länger in Südafrika lebte, schreckt vor Schwierigkeiten nicht zurück. Für ihn ist Musik einzigartig dazu fähig, die kulturelle Begegnung zwischen den Völkern anzukurbeln. "Musik lügt nicht", sagt er, und deshalb klappen seine Versuche, Traditionsmusik seiner Heimat in die Welt zu tragen, wohl immer wieder - ob in Texas oder Tibet.

Die Angst zu scheitern hat er abgeschüttelt: "Scheitern ist immer möglich, gerade dann, wenn du dir sicher bist, alles im Griff zu haben. Je größer dein Ziel ist, desto größer muss auch dein Mut sein." Lieber sieht er sich "glorreich scheitern", als seine Idee von einer Grenzen sprengenden Musik aufzugeben. Grenzenlos heißt denn auch die aktuelle Tour.

Das passt zu einem, der sein musikalisches Alphabet ausgerechnet in der Volksmusik gefunden hat, die viele immer noch mit den Musikantenstadln aus dem Fernsehen gleichsetzen. Um die traditionelle Musik aus der muffigen Ecke zu befreien, hat sie Goisern einst mit dem Blues bekannt gemacht, mit Raggae, mit Jazz.

Wird das nächste Album denn ein Gemeinschaftswerk mit dem Ägypter Mohamed Mounir? Das übernächste vielleicht. Jetzt geht es erst mal nach Hause, denn wer weit gereist ist, lernt seine Heimat lieben. Poika heißt das neue Werk, das demnächst erscheint (Lawine/Virgin).

Grenzenlos auf Touren

Mainz Online 12. Juni 2002 | Text: Uwe Käding, AP

Kosmopolit? Regionalist? - Hubert von Goisern mit neuem Projekt

Hubert von GoisernFür sein Leben gern ist Hubert von Goisern ein musikalischer Weltenbummler. Vor Jahren bereiste er Tibet und veröffentlichte dann 1998 das Album Inexil, im selben Jahr erschien mit Gombe ein musikalischer Bericht über eine Afrikareise.

In diesem Jahr war er wieder in Westafrika unterwegs. Von der kommenden Woche (20. Juni) an ist er im deutschsprachigen Raum auf Sommertournee, im Herbst soll sein neues Album Grenzenlos erscheinen.

"Ich stehe selber zu Regionalismus, wenn er nicht ausgrenzend ist. Ich möchte ein Zeichen setzen, dass es für mich keine Grenzen gibt", sagt von Goisern im Interview. Allerdings ist dieser Zustand nur zu erreichen, wenn man sich traut, Grenzen zu überschreiten. Das sei auch für ihn immer mit sehr viel Unsicherheit verbunden.

"Unsicherheit schärft die Sinne und macht ein bissl demütig"

"Wenn man, weil man noch nie dort war, einfach nicht weiß, was einen da erwartet. Aber es schärft die Sinne, und es macht auch ein bissl demütig, wenn man sich in eine Situation begibt, die unverdaut ist. Das ist eine Eigenschaft, die ich mag."

Und so trat von Goisern in der ersten Jahreshälfte - übrigens in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut - auf einem Festival in Ägypten auf, reiste weiter nach Senegal, den Kapverden und Burkina Faso. Die Reise finanzierte er überwiegend selbst: "Das konnte ich nur machen, weil ich voriges Jahr einfach auch viel Geld damit verdient habe, dass ich im deutschsprachigen Raum Konzerte gespielt und Platten verkauft habe."

"Jetzt kriegen die Musikredakteure eine Single!"

Anfang Juli veröffentlicht er nach acht Jahren mal wieder eine Single: Poika heißt das fetzige Stück. Das sei durchaus eine Trotzreaktion, erklärt er: Bisher habe er die Einstellung gehabt, dass die Radioredakteure sich aus einem "Langspieltonträger" selbst ein Stück heraussuchen können, "das in ihr Format passt". Aber: "Die sind einfach zu faul oder zu blöd, um sich selber irgendwas auszusuchen. Es werden nur Singles gespielt. Also, wenn du mit einem Langspieltonträger kommst, gibt es nur eine Verweigerungshaltung." Die Ausrede, man habe keine Zeit, ein ganzes Album anzuhören, wolle er den Musikredakteuren nehmen: "Jetzt kriegen sie eine Single, und jetzt müssen sie sich eine andere Ausrede einfallen lassen. Ich bin überzeugt davon, dass sie es trotzdem nicht spielen." Zumindest in Österreich gebe es in den Funkmedien "eine unglaubliche Ignoranz gegenüber den regionalen Musikschaffenden".

"Meine Kreativität wird von mehreren Traditionen genährt"

Von Goisern schwimmt gerne gegen den Strom. Seine Kreativität, sagt er, wird von mehreren Traditionen genährt: "Nicht nur die volksmusikalische Tradition, sondern auch die Tradition der Klassik, der Romantik, die mich sicher auch mitgeprägt hat, und auch der Moderne, der Avantgarde. Und eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Traditionen bestimmt meinen künstlerischen Output. Auf der einen Seite sind das die Quellen, aus denen ich schöpfe. Auf der anderen Seite kann ich nichts unwidersprochen hinnehmen." Tradition sei ja immer etwas, was sich in der Vergangenheit bewährt habe. "Was aber nicht heißt, dass es heute noch seinen Platz hat, so wie es ist. Bei mir ist es immer noch ein Suchen nach den Brüchen, nach den Ecken, nach den Schwachstellen. Und die offen zu legen, das macht auch Spaß."

Aktuelles Tourprogramm - ein Mix aus drei Alben

Über seine Westafrikareise will von Goisern demnächst auch in einer Dokumentation auf DVD berichten. Sein Tourprogramm wird eine Mischung aus den beiden letzten Alben Fön, Trad und dem neuen Grenzenlos-Material sein.

"Punk ist sicher kein Schimpfwort"

OÖN 13. Mai 2002 | Text: Bernhard Lichtenberger

Hubert von Goiserns Grenzenlos Tour

Müde und erschöpft schaut er aus, der Hubert von Goisern. Den Welt-Volks-Musikanten hat es ziemlich herumgerissen in letzter Zeit: die intensiven menschlich-musikalischen Begegnungen in Ägypten, Burkina Faso, Cap Verde und Senegal, die ersten Studio-Sessionen für das neue Album, das im September erscheint, und am Samstag im Sternenzelt in Bad Reichenhall der beglückende Auftakt zur Grenzenlos-Tour, den die OÖN zum Gespräch mit dem 49-Jährigen nutzten.

Afrika "Die Kommunikation über sprachliche und kulturelle Barrieren hinweg braucht viel Kraft und Willen von beiden Seiten", bilanziert Hubert. 60 Stunden Material wurden gefilmt, "daraus müssten wir eigentlich drei Filme machen". Fix ist eine einstündige Sendung im Herbst im Bayerischen Fernsehen, möglich eine Reise-DVD.

Schädlweh Die Fön-Textzeile "... und dann kriag i a Schädlweh" hat der Goiserer im Konzert um den Zusatz "wia am Mittwoch" erweitert. Der Föhn war's an dem Tag nicht, sondern die Verleihung der "Amadeus"-Musikpreise im ORF-Zentrum. Das Forum hatte der für die CD Trad Ausgezeichnete dazu verwendet, die Küniglberger zu kritisieren. "Habts ka Neues?" ätzte er über die zehn Jahre alten Bilder, mit denen er präsentiert wurde. Barbara Stöckls spätere Wortspende dazu ("Unfair! Das Foto hat er sich vorher selbst ausgesucht!") kann er nicht fassen: "Das ist eine Lug!"

Namen In den USA wurde er als "Yodeling Punk from Austria" eingeordnet. "Passt schon", nimmt er's gelassen. "Punk ist sicher kein Schimpfwort." Yodeling DJ träfe ihn wohl härter.

Katholisch (Liedtitel) "Ich bin ausgetreten, weil die katholische Kirche ein patriarchalisches Gesellschaftssystem unterstützt und festigt. Ich kann nicht einmal mehr das "Vater unser" beten - nicht, weil ich den Text nicht kann, sondern weil ich einfach nicht zu einem männlichen Gott beten will. Aber das ist meine persönliche Geschichte. Ich bin nicht einer, der sagt, man soll austreten. Ich kenne viele Leute, die finden in der katholischen Kirche Halt und Trost. Das passt schon - aber für mich passt's halt nicht."

Tour Von 20 Konzerten spielt er nur drei in Österreich, "weil im Vorjahr die Organisation der meisten Konzerte sehr schlampert war und wir auch über den Tisch gezogen wurden. Die Termine: Jazzfest Wien (24. 6.), Burg Clam (2 1. 7.), Bad Ischl (28. 7., Lehartheater).

Sängerinnen "Die Menscha rennen mir alle davon. Der ersten war's oft z'laut, die zweite hat einen Stress gekriegt mit ihrem Freund. Aber bis jetzt hab' ich immer noch eine gefunden, die gut ist."

Grenzenlos

"Ich habe, egal, wo ich gewesen bin, immer etwas gefunden: andere Perspektiven."

Hubert von Goisern geht in die Welt, um mit seiner eigenen Auffassung über den Umgang mit Traditionellem zurückzukommen - und doch zieht es ihn immer wieder in die Ferne: das neue Programm 2002 hat nicht in Europa, sondern in Ägypten Premiere.

Am 12. März 2002 tritt Hubert von Goisern in Assiut gemeinsam mit Mohamed Mounir, dem aus Assuan stammenden bekanntesten ägyptischen Popsänger, auf. In ihren Texten und ihrer Musik vermitteln beide den kulturellen Wert von Heimat und Herkunft, sie singen von Liebe und Zuneigung zu Menschen und Natur. 15.000 Menschen drängen sich, der vor Ort gänzlich unbekannte Hubert von Goisern wird von einem jungen Publikum gefeiert, für das ein kulturelles Zusammentreffen von Künstlern in einer durch fundamentalistische Aktivitäten unbeliebt gewordenen Stadt eine Seltenheit darstellt: "Sowohl zwischen dem Publikum und dem Künstler als auch zwischen den beiden Künstlern springt der Funke über, trotz des immensen Aufgebots an Soldaten und bewaffneten Sicherheitskräften gibt es keinen Zwischenfall. Wenn das nicht Mut zu mehr gemeinsamen Veranstaltungen dieser Sorte macht!" (Stuttgarter Zeitung über den Auftritt in Assiut, 18.3.2002)

Die Weiterreise führt nach einigen Begegnungen mit regionalen Künstlern weiter nach Westafrika, wo Hubert auf den Kap Verden zusammen mit Simentera (die seit einigen Jahren regelmäßig auch ins österreichische Salzkammergut reisen) und der Hohtraxlecker Sprungschanznmusi ein Konzert im Rahmen des afrikanisch-österreichischen Kulturaustausches spielt. "Es geht auf Mitternacht zu und alle Horizonte werden aufgelöst [...] Die Wärme des Abends mischt sich mit musikalischer Nähe." (Salzburger Nachrichten über das Konzert auf den Kap Verden, 2.4.2002).

Im Senegal, dem Zentrum moderner westafrikanischer Musik, trifft Hubert mit Youssou N'Dour und Baaba Mal, die mittlerweile auch über die Grenzen Afrikas hinaus in der Weltmusikszene bekannt sind, zusammen; Konzerte finden u.a. im Theater Serano gemeinsam mit weiteren einheimischen Musikern statt.

Weiter geht es nach Burkina Faso, wo ein Konzert mit lokalen Künstlern in Bobo Dialoussa stattfindet, welches von jungen Radiomachern aus der Hauptstadt Ouagadougou veranstaltet, aufgezeichnet und ausgestrahlt wird.

Die Musik in den Ländern Afrikas ist so vielfältig wie die ethnischen Gruppierungen, die dort mit eigenen musikalischen Traditionen leben und auch ihre eigenen Instrumente verwenden; die Begegnungen mit herausragenden Vertretern der traditionellen wie modernen Musik , das Zusammentreffen von alpenländischer und afrikanischer Kultur bringen neue, spannende Einflüsse auf die künstlerische Arbeit von Hubert von Goisern.

Bereits vor der Afrikareise arbeitet er fieberhaft im Studio an neuen Songs, größtenteils mit den Musikern der letzten Tour, und erfindet seinen eigenen Stil vollkommen neu: Lieder voller Sonne und knackigen Rhythmen, die Stühle werden weggeräumt, die Tanzschuhe ausgepackt, die alpine Weltmusik darf endlich wieder eine ausgelassene Party feiern - einmal mehr bekommt Hubert von Goisern jetzt die Gelegenheit, musikalische wie menschliche Grenzen zu sprengen!

Daher auch das Motto der Tournee 2002: Grenzenlos- bei ca. 20 Terminen in und um Deutschland und Österreich kann auch das deutschsprachige Publikum den "neuen" Hubert von Goisern nach seiner Rückkehr aus Afrika erleben und die neuen Einflüsse spüren, die ihn auf mittlerweile zahlreichen Reisen in fremde Kulturen immer wieder neu geprägt haben.