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AFRIKA & TIBET

Der Vorteil ein Star zu sein

Kurier 21. Juni 1998 | Text: Gunther Baumann | Foto: Michael Neugebauer

Hubert von Goisern meldet sich zurück. Als Weitreisender. Zwei neue CDs (ver-)führen den Hörer in den Klang-Kosmos von Tibet und Afrika. 1999 geht Goisern wieder auf Tour.

Jane Goodall und Hubert von Goisern"Die wahren Abenteuer", sagt Hubert von Goisern, sind nicht im Kopf. "Sie beginnen dort. Aber sie müssen sich manifestieren. Man muß sie leben und in die Welt hinaustragen. Sonst bleiben sie Theorie."

Der eigenwillige Megastar der heimischen Rockszene hat sich selbst beim Wort genommen. Vor drei Jahren verkündete er - zur Trauer seiner Fans und zum Schrecken seiner Plattenfirma den Abschied von der Hiatamadl-Erfolgsschiene. Er ging hinaus in die Welt: Nach Asien und nach Afrika. Jetzt ist er mit einem Doppelschlag wieder da. Am 29. Juni kommen seine neuen CDs Inexil und Gombe in die Geschäfte.

Die Alben sind musikalische Reiseberichte geworden. Sie sind (fast) gänzlich frei vorn gewohnten Goisern-Sound und stoßen dafür die Fenster zu faszinierenden fremden (doch bald vertrauten) Dimensionen der Klänge auf. Beide CDs wurden geprägt durch: Begegnungen Goiserns mit großen Zeitgenossen: Der Primaten-Forscherin Jane Goodall und dem Dalai Lama.

Gombe, die Afrika-CD: "Ich besuchte Jane Goodall in Tansania," sagt Hubert von Goisern. "Dort hatte ich die Vision von einem Album, die einen in eine andere Welt fortträgt. Ich habe viel mit subtilen Klängen gearbeitet. Ein Cut besteht nur aus Naturlauten, wo ich mit Schimpansenschreien und Vogelstimmen, mit den Geräuschen von Wind und Wasser musiziere."

Inexil, das Tibet-Album: "Die tibetische Musik fasziniert mich. Meine Idee war, sie wie bei meinen Volksmusik-Projekten aus der reinen Tradition herauszuholen und in einen Zeitbezug zu stellen. Bei einer Audienz habe ich dem Dalai Lama davon erzählt, und er hat mir praktisch seinen Segen für das Album gegeben. Das war wichtig, weil sich die Traditionsbewahrer in seinem Umfeld nachher nicht mehr zu opponieren trauten!"

Zu den Aufnahmen holte er tibetische Musiker ins Studio nach Salzburg - wo sie ihre Klänge plötzlich in einem Umfeld zwischen Reggae und Techno wiederfanden. Goisern: "Die Arbeit war schwierig denn die Tibeter sind so höflich. Sie sagen zu allem ja. Nach zwei Wochen flippte ich aus und sagte, das gibt es doch gar nicht, daß euch alles gefällt, was ich vorschlage. Da waren sie total vor den Kopf gestoßen."

Nach der Methode von Versuch und Irrtum ging's weiter bis zum Ziel. Mit den fertigen Produkten ist Hubert von Goisern zufrieden. "Was ich mir wünsche, ist, durch die CDs mehr Bewußtsein für diese Welten zu schaffen - für ihre Probleme, aber auch für ihre Schönheiten."

Wird man den neuen, Goisern im Radio zu hören bekommen? Hierzu HvG: "Es gibt keine Entschuldigung, diese Musik auf Ö3 oder im Privatradio nicht zu spielen. Es ist Pop, es ist Weltmusik, aber keine Allerweltsmusik." Bisher hat Hubert von Goisern gut eine Million CDs verkauft; mit den neuen werden es "vielleicht 10.000 mehr". Sein Kommentar: "Das ist einer der Vorteile, ein Star zu sein. Ich kann mir 's leisten, solche Projekte zu machen, ohne jemand zu fragen - weil ich sie einfach selbst finanziere. Auch wenn es, ziemlieh teuer war."

Für das kommende Jahr kündigt Hubert von Goisern seine Rückkehr auf die Bühne an. "Die Pause war lang genug. Ich habe gespürt, daß ich mich beim Musizieren am wohlsten fühle und das funktioniert am besten, wenn ich vor Leuten spiele." Was wird zu hören sein? "Stücke aus den aktuellen CDs und natürlich auch alte Titel. Die Hälfe des Programms muß aber erst geschrieben werden."

Das Afrika-Album. Wenn Goisern den Anreise- und den Abreisejodler intoniert, klingt's noch einigermaßen vertraut. Dazwischen: Pralle Rhythmen oder samtige Klangteppiche aus dem Instrurnentarium der afrikanischen Natur. Das vor Sinnlichkeit vibrierende Werk schlägt stilistisch gekonnte Haken und bietet auch Überraschungen: Zum Beispiel, wenn Goisern seine schwarzen Sounds von einem Kammermusik-Ensemble variieren läßt.

Das Tibet-Album. Der Titel spielt nicht nur auf das Emigrantendasein vieler Tibeter an - auch ihre Musik ist quasi im Exil. Die durchaus gewag-ten Experimente gehen auf. Der meditati-ve tibetische Gesang verträgt es prächtig, wenn er mit Reggae, Folkrock, einer Jazz-Trompete à la Miles Davis oder gar Techno vermischt wird. Goisern selbst hält sich als Instrumentalist - und Produzent im Hintergrund: Ein stilsicherer Reiseleiter zwischen Ost und West.

Das Gute wird siegen

Berge Magazin 1999 | Text: Lutz Bormann

Hubert von GoisernWenn sich die Unterhaltungsbranche der Bergwelt annimmt, rät die Erfahrung zur Skepsis: Vorsicht Volkstümelei! Gegenbeispiele lassen sich an einer Hand abzählen. Hubert von Goisern ist so eine Ausnahme.

Die jüngste Entwicklung in der Laufbahn des quer denkenden und geradeaus handelnden Musikers und Bergsteigers macht neugierig auf diese schillernde Person, die sich im Künstlernamen zur Heimat bekennt.

Innerhalb weniger Jahre machten Hits wie Heast as nit und Koa Hiatamadl den österreichischen Musiker Hubert von Goisern und seine Band Alpinkatzen bekannt und finanziell unabhängig. Statt diese Erfolge mit neuen Kompositionen im selben Genre fortzusetzen, trennte sich der 1952 geborene Hubert Achleitner 1995 von den Alpinkatzen, reiste nach Tibet und Afrika, und produzierte zwei neue CDs (Tibet/Inexil, Afrika/Gombe), die musikalisch so grundverschieden sind von seinem bisherigen Schaffen, daß man sich die Frage nach dem "wahren Hubert" kaum verkneifen kann.

"Ich habe im Alter von 22 Jahren die Weichen gestellt, habe meine Ausbildung als Chemielaborant abgebrochen, das enge Tal meiner Heimat verlassen und bin nach Afrika gefahren. Es gab keinen anderen Weg, um sich radikal von diesem allgegenwärtigen Korsett von Normen und Erwartungen zu lösen."

Sieben Jahre später - inzwischen hatte er auch in Kanada und auf den Philippinen gelebt - kehrte Hubert wieder nach Bad Goisern zurück und widmete sich fortan der Musik.

Nun sitzen wir uns bei brütender Hitze im Garten seines Münchner Managers Hage Hein gegenüber, im Hintergrund Betriebsamkeit ohne Hektik; das ZDF bestätigt die Modalitäten eines TV-Auftritts, Hubert lehnt ein Eis ab ("beim Schleckn ko ma schlecht redn"), und dem Interviewer fällt ein Stein vom Herzen, weil all die Fragen, die nicht direkt der Absatzförderung seiner neuen Werke dienen, bereitwillig beantwortet werden. Auch die über seine alpinsportlichen Interessen.

"Ich bin als Bub auf die Berge gestiegen, später im Dachstein und Gosaukamm geklettert und habe das auch nach großen Unterbrechungen getan. Alpinismus hat für mich etwas mit meiner inneren Veranlagung zu tun.

Ich suche nicht die Gefahr, die Leistungsgrenze. Ich suche die Einsamkeit und die Ausgesetztheit. Am liebsten gehe ich im Winter auf einen verschneiten Berg und übernachte im Biwaksack im Freien. Du spürst, wie die Kälte langsam in den Schlafsack kriecht und fühlst dich dem Wetter und der Natur ausgeliefert. Die Erinnerung an die warme Stube kehrt zurück als ein nicht selbstverständliches Geschenk, an die Natur, wie sie wirklich ist mit all ihren Schwankungen und Zyklen. Deswegen habe ich im Gebirge nie ein Handy dabei, ich lehne es auch ab, daß in meiner Begleitung eines mitgeführt wird. Die Nabelschnur ist im Kopf, man denkt über seine Grenzen anders nach, wenn man auf das Handy verzichtet. Das ist meine persönliche Einstellung, jeder kann es für sich anders halten."

Hubert von GoisernDabei ist Hubert kein Dogmatiker. So hält er beispielsweise auch die Verwendung von Bohrhaken, mit Augenmaß eingesetzt, in alpinen Kletterrouten für durchaus legitim. "Ich bewundere die Solokletterer und habe es einmal selbst versucht, am Normalweg der Bischofsmütze. Dort bin ich ein ordentliches Stück über dem Einstieg abgestürzt, auf einen riesigen Altschneehaufen. Ansonsten habe ich alpin mehr Zurückhaltung geübt und es beim fünften Grad bewenden lassen, stets in Begleitung sehr guter Bergsteiger übrigens."

Immer mehr formt sich im Verlauf des Gesprächs das Bild einer Persönlichkeit, die Regeln und Prinzipien meidet, aber selbst nicht diszipinlos agiert, die nicht planlos handelt, aber dem Zufall eine Chance läßt. "Die beiden neuen CDs waren nicht geplant, sie waren Begleiterscheinungen meiner Reisen, die sich geradezu gegen meine Vernunft durchsetzten. Ich habe Tibet besucht, den Kailash gesehen, um dieses wehrlose spirituelle Volk kennenzulernen; ich bin nach Afrika gereist, um die Verhaltensforscherin Jane Goodall in Tansania zu besuchen und ihre Arbeit mit den bedrohten Schimpansen in einem Dokumentarfilm festzuhalten.

Es ist oft so, daß mir der Zufall eine Idee beschert, die viel zu aufwendig, zu utopisch ist und mit der Zeit nachgerade lästig wird. Das musikalische Afrika-Projekt habe ich dem Hage Hein vorgelegt, um es von meinem Gewissen wegzuhaben und meine Ruhe davor zu haben. Dann komme ich von einer Reise zurück und erfahre, daß es bewilligt und finanziert ist. So kann's gehen."

Im Laufe vieler Jahre hat sich Hubert eine Identität geschaffen, einen geistigen Resonanzboden erstellt, vor dem er sich, sein Handeln und die Wirklichkeit prüft. Zu seinen geistigen Lehrern gehören der Historiker Egon Friedell, der Mystiker Meister Eckehart, die Philosophen Platon, Robert Pirsig, Paul Feyerabend, Peter Sloterdijk und vor allem der weithin unbekannte Freiburger Wolfgang Struve. "Dessen Formulierungen sind die pure geistige Substanz, kein Buchstabe, kein Komma zuviel, das Denken ist völlig entschlackt und auf den Punkt gebracht, das Zentrum stets spürbar."

Huberts innere Stabilität und sein Selbstbewußtsein erlauben ihm, sich ernsthaft mit Kritik auseinanderzusetzen. "Aber wenn etwas entsteht, laufe ich nicht herum und frage Freunde nach ihrer Meinung. Zuerst muß ich selbst daran glauben. Ich liefere nichts ab, von dem ich nicht hundertprozentig überzeugt bin, und Termine halte ich, wenn ich sie zugesagt habe. Spontanität, Zufall ja, Larifari und Pi-mal-Daumen nein."

Hubert von Goisern - TibetMit seinen neuen Werken will sich Hubert beileibe nicht dem trendigen EthnoPop anschließen. Bis auf ein sehr eingängiges Stück auf der Gombe-CD ist die Musik dazu viel zu komplex, zu anstrengend. "Das ist doch eine Gleichmacherei, die zur Gleichgültigkeit gegenüber ethnischer Vielfalt führt. Man nimmt ein paar typische Instrumente und Elemente und legt seinen Disco-Rhythmus drüber. Ich sehe in der musikalischen Begegnung eine große Chance für uns alle, es ist eine Form des Austauschs, zu dem ich etwas beitragen kann, weil ich ein paar Instrumente spiele und singen kann. Mein größter Wunsch für die Zukunft ist es, mit meiner Musik im außereuropäischen Ausland aufzutreten."

Musikalisch ist Hubert ebenfalls Autodidakt. "Ich spiele Ziehharmonika, Klavier, Gitarre, Blasinstrumente und Flöten, Trompete, Bass, Schlagzeug und den üblichen Kleinkram wie Maultrommel etc. Ich nähere mich diesen Instrumenten von meiner Stimme her, deren Entdeckung für mich das spannendste musikalische Erlebnis war. Heute singe ich bei meinen Kompositionen die verschiedenen Instrumente zunächst auf und schreibe am Schluß die gesamte Komposition runter.

Komponieren habe ich auch aus Faulheit gelernt, weil es mir zu mühsam wurde, Stücke einzuüben. Dahinter wiederum steckt die Manie, in allem der Beste zu sein. Am einfachsten gelingt dies, wenn man einen Stil als einziger beherrscht. Es gibt in meiner Heimat mindestens zwanzig, die besser Ziehharmonika spielen als ich, aber so wie ich spiele, kann keiner von denen spielen, also bin ich auf diesem Gebiet der Beste. Ähnliches hab ich beim Jodeln hingekriegt, eine Gesangstechnik, die nur auf Dur-Dreiklängen in der ersten, vierten und fünften Stufe praktiziert wurde. Beim Juchitzer und auf der Live-Version von Heast as nit kann man hören, was ich daraus gemacht habe."

Tibet und Afrika, Stationen einer geradlinigen Entwicklung, zu der auch eine Protestaktion gegen den Transit-Wahnsinn vor dem Tauerntunnel gehört, an der Hubert ebenso teilnahm wie an politischen Auseinandersetzungen um den populistischen FPÖ-Chef Jörg Haider. "Wenn ich gegen den Normierungswahn aus Brüssel protestiere und zum zivilen Ungehorsam aufrufe, weil ein Bauer weiterhin selbst entscheiden soll, wann er seine Alm bewirtschaftet und die Wiese mäht, heißt das noch nicht, daß ich auf der Seite des EU-Gegners Haider bin. In Goisern hat er wahrscheinlich schon über 30 Prozent der Stimmen, entsprechend beliebt bin ich aufgrund meiner poIitischen Einstellung. Ich bin ganz entschieden für ein vereintes Europa und glaube, daß sich die Völker eines Tages verstehen und friedfertig miteinander umgehen werden. Der Fundamentalismus ist nur ein letztes Aufbäumen.

Ich finde, wir haben den Auftrag, die Welt so zu gestalten, daß sie am schönsten für ist uns alle ist und dürfen nichts tun, was sie häßlicher oder grausamer macht. Ich bin der Überzeugung, daß dies das Grundbedürfnis und der Kern menschlichen Handelns ist, und deswegen wird das Gute letztlich siegen." Und da ist nicht ein Fitzelchen an Huberts Texten oder Musik, das diese Aussagen in Zweifel stellt ...

In den Wurzeln liegt die Kraft

Südwest Magazin 4. Juli 1998 | Text & Fotos: Udo Eberl

Es gibt ein Leben nach den Alpinkatzen: Der Künstler Hubert von Goisern

Mit der Band Alpinkatzen wurde Hubert von Goisern zum gefeierten Rockstar der neuen Volksmusik. Dann zog er einen Schlußstrich, überraschte Fans und Musiker, löste die erfolgreiche Gruppe einfach auf. Jetzt kehrt der österreichische Querdenker mit neuen Ideen und interessanten Projekten zurück.

Der Hallstätter See ist aufgewühlt wie selten. Geregnet hat es bereits den ganzen Tag, doch jetzt schlägt der Wind in kräftigen Böen über das Wasser. Irgendwo da draußen steht der Hubert von Goisern auf einem wackeligen Boot, das vom Seetaler Peter, dem besten Ruderer in Hallstatt gelenkt wird. Mulmig ist ihm, im Sturmesbrausen schon zumute, doch der Schrecken gehört zum Abenteuer, und das sucht der Mann aus dem nahen Goisern immer wieder.

Vielleicht denkt er kurz an das Horoskop, das er beim Mittagessen lachend im Kreise seiner Musikerkollegen und Techniker vorgelesen hatte: "Skorpion: Sie schwimmen wieder einmal gegen den Strom. Ihr Problem. Viel Hilfe haben Sie nicht zu erwarten!" Zumindest nicht von oben. Die geplante Show, Hubert sollte mitten im See von hinten mit Scheinwerfern angestrahlt werden und dabei jodelnd in Richtung Bühne gerudert werden, fällt wegen des Sturms ins Wasser. Doch der Seetaler bringt den Musiker sicher an Land. Hier erwartet ihn bereits der vielstimmige Schlachtruf: "Hubert, Hubert."
Bei der Hallmania, einem Multimedia-Spektakel, das anläßlich der Aufnahme von Hallstatt ins Weltkulturerbe inszeniert worden ist, wird er von 5000 Zuschauern frenetisch gefeiert.

Die erste Etappe eines Neuanfangs ist geschafft

Eine Feuertaufe zwischen provínzieller Lasershow und pyrotechnischen Aha-Momenten: Huberts erster öffentlicher Auftritt nach dreieinhalb Jahren. Vier Stücke wird er mit seiner neuen Band spielen, und sein Gaststar, die Sängerin Passang Lhamo vom Tibetan Institute of Performing Arts (TIPA), raubt dem Publikum mit ihrem dem Jodeln ähnlichen Kehlgesängen fast den Atem. "Bist deppert, bist narrisch!" juchzt einer freudig. Der Hubert da droben denkt sich dasselbe. Kein Ruf nach den Alpinkatzen oder alten Liedern wird laut. Die Musiker liegen sich nach ihrem kurzen Auftritt in den Armen. Die erste Etappe eines Neuanfangs ist geschafft.

Der Mann, dessen Markenzeichen die weit geöffneten Bergschuhe ohne Schnürsenkel sind, ist wieder da. Willkommen zurück im Musik-Zirkus. Doch der Alte wird er nicht mehr sein, der 45jährige Hubert Sullivan-Achleitner, der aus Goisern kommt und sich in seinem so populären Künstlernamen dazu bekennt. Auch wenn er live im kommenden Jahr wieder alte Songs spielen will. Die Filmarbeit, die Begegnungen und die Reisen der vergangenen drei Jahre haben ihn geprägt. Afrika, Österreich. Afrika. Indien. Tibet. Jane Goodall, die bekannte Schimpansenforscherin ist zu einer Freundin geworden, der Dalai Lama hat ihm in persönlichen Gesprächen im nordindischen Dharamsala neue Wege aufgezeigt.

Erst der Mut, ins eiskalte Wasser zu springen, hat all diese Begegnungen möglich gemacht. Der Entschluß, die Erfolgsgeschichte seiner Band Alpinkatzen am 1. November 1994 abrupt zu beenden. Noch vor dem Zenit, den Auftritten bei Open Airs, dem großen Geldregen. Tausende hatten dem Hubert und seiner Band bereits zugejubelt. In Wien kamen Stücke wie der Juchitzer oder Kren und Speck genauso an wie in New York oder Paris. Gutgemachte Volksmusik mit rockiger Wut im Bauch eben, auf vier Alben verewigte Weltmusik der etwas anderen Art, die mehr als eine Million Mal verkauft wurde. Ein Exportschlager made in Austria.

Aus. Schluß. Für immer. Dabei hatte Hubert von Goisern jahrelang für seine Musik kämpfen müssen, nie aufgegeben, obwohl zunächst der Reihe nach alle Plattenfirmen "nein danke!" sagten. Spätestens nach dem Hit Hiatamadl war die Band ein Renner.

Hubert von Goisern und Jane GoodallDoch der Oberösterreicher hatte das jodelnde Balzen auf der Bühne, das Musikerleben, einfach satt. "99,9% von dem, was ich machen wollte, war erreicht. Mehr ging nicht. Hätte ich die Alpinkatzen weitergeführt, hätte ich mich selbst verleugnen müssen!" Er wollte auch unbedingt wieder mehr Zeit für seine zwei Kinder haben. "Da war wegen der langen Tourneen schon eine sehr starke Entfremdung zu meiner Frau, meinen Kindern und meinem Freundeskreis zu spüren. Außerdem hatte ich das Bedürfnis, dem Zufall und neuen Begegnungen wieder Raum zu schaffen." Er habe niemals das Gefühl gehabt, sich falsch entschieden zu haben.

Natürlich hat er auch einen Verlust gespürt, die Tourneen und den Jubel vermißt. "Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es hätte mir überhaupt nichts ausgemacht. Es ist ja schon eine Art Sucht, auf der Bühne zu stehen. Zu lernen, mit meiner neuen Freiheit umzugehen, war auch ein sehr schmerzhafter Prozeß." Viel Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, blieben dem Künstler, der auch Bilder malt und zusammen mit einem Modedesigner folkloristische Kollektionen entwarf, nicht, denn da war ja auch noch die Arbeit als Filmkomponist. Gleich für mehrere Streifen schrieb er die Musik, unter anderem für Joseph Vilsmaiers Schlafes Bruder. Der Regisseur hatte ihn sogar für die Hauptrolle vorgesehen, weil er den Schauspieler Hubert im ZDF-Film Hölleisengretl als überzeugenden Knecht Matthias erlebt hatte, doch der mußte aus Zeitgründen absagen. Noch galt es die Live-CD Wia die Zeit vergeht abzumischen und zu vermarkten, das Vermächtnis der Alpinkatzen.

Und dann stand da plötzlich Jane Goodall, die bekannte Primatenforscherin und Kinderbuchautorin, im tief verschneiten Goisern vor seiner Studiotür. Ein alter Schulkollege stellte ihm die Frau, die Hubert stets bewundert hatte, vor. "Schon unser erstes Treffen hatte eher die Qualität eines Wiedersehens als eines Sichkennenlernens, und Jane lud mich gleich nach Afrika ein." Ein Jahr später sei sie zur gleichen Zeit wieder dagestanden und habe ihre Einladung bekräftigt.

"Ich bin runtergefahren, um sie zu treffen, ohne schon Projekte im Hinterkopf zu haben. Ich wollte Afrika erleben, den Kontinent durch die Augen dieser Frau sehen. Ich konnte ihren wundervollen und phantasiereichen Geschichten lauschen, und dann nahmen die Dinge ihren Lauf."

Fasziniert von allem, was da unten zu erleben war, wuchs die Idee für eine Musik und den Film Von Goisern nach Gombe. Ein ungewöhnlicher, sehr intimer Film, der einen anderen Hubert von Goisern zeigt, als den, der bei den Alpinkatzen mit dem Akkordeon Dampf abließ. "Ich zeige mich im Film so wie ich bin, möchte nichts zurückhalten. Ich habe das Geschenk mitbekommen, mich vor anderen Leuten zu öffnen, kann die Angst abschütteln, daß ich mich möglicherweise blamiere. Wenn dann etwas kitschig oder gar pathetisch wirkt, ist mir das egal."

Geprägt von der Mystik der Berge und Täler

Natürlich habe ihn auf seinen Weg zur Selbstfindung auch Jane Goodall beeinflußt. Überhaupt: Er spürt da eine große Verwandtschaft zwischen Jane und dem Dalai Lama. "Das sind beides Leute, die ihren Weg gehen ohne ihre Macht auszuspielen, die sie auf Grund ihres öffentlichen Ansehens haben. Die machen das auf eine sehr weise Art und Weise. Was sie wollen, das passiert, ohne daß sie auf den Tisch hauen müssen." Dies sei auch für ihn ein Ziel: Seinen Weg mit einer solchen Selbstsicherheit zu gehen, einfach alles passieren lassen zu können und nichts zu erzwingen. Immer zuerst bei sich anzusetzen und nicht bei anderen eingreifen zu wollen.

Das notwendige Selbstbewußtsein bezieht der Goiserer auch aus seinen Roots, der Volksmusik seiner Heimat, den kulturellen Wurzeln, die er stets unter seinen Füßen spürt. "Ich bin durch die Landschaft, in der ich aufgewachsen bin und in der diese Musik entstanden ist, geprägt. Durch diese Art des Singens, das Jodeln und Juchitzen, die nur in einer Landschaft wie dieser entstehen kann, in der man häufig schreien möchte. Hier bei uns in den Bergen und Tälern ist eine Ekstase da, eines Mystik spürbar."

Genau diese Mystik fühlte er auch in Tibet, einem Land, das ihn immer interessiert hatte. Nicht nur wegen den Bergen des Himalaya, sondern besonders wegen der schwer zu erreichenden Täler: "Das sind richtige weiße Flecken auf der Landkarte." Als von Tseten Peldon, einer in Österreich lebenden Exil-Tibeterin, die Anfrage kam, ob er helfen könne, eine Tournee des TIPA-Ensembles auf die Beine zu stellen, zögerte er nicht, "denn wann hat man schon die Chance, solche Künstler in Österreich zu treffen." Die Musik des vom Dalai Lama 1959 gegründeten Ensemble, das die Tradition der tibetischen Oper pflegt, fesselte ihn sofort. Außerdem hörte er von den Musikern während der Konzertreise so viele schlimme Geschichten über die chinesischen Machthaber in Tibet, daß er mit eigenen Augen sehen wollte, was sich dort abspielt. "Ich dachte, es könne einfach nicht so sein, wie die das schildern."

Im Frühjahr 1996 machte er sich zusammen mit Tseten auf den Weg nach Dharamsala und Lhasa. Gleich beim ersten Treffen mit dem Dalai Lama beeindruckte ihn dessen spürbare Aura. Eine Stunde habe er ihm sein musikalisches Projekt, zusammen mit tibetischen Musikern zeitgenössische Musik zu produzieren, vorgetragen.

"Er gab mir den Segen, war sehr offen und sagte: Alles geht! Mach es, wenn du diese Idee hast. Vielleicht trägt es dazu bei, daß der Westen erfährt, daß es eine tibetische Kultur gibt." Ein einschneidendes Erlebnis. "Ich begriff, daß da eine Kultur ausgerottet werden soll, und davor können wir unsere Augen einfach nicht verschließen."

Dalai Lama und Hubert in IschlVon den politischen Zuständen, der brutalen Unterdrückung eines ganzen Volkes, die er in Tibet erlebte, war Hubert von Goisern entsetzt. Vielleicht läßt die Musik, die er für seine neue Platte Inexil mit den Musikern von TIPA erarbeitet hat, deshalb so deutlich den Schmerz spüren, die tiefe Spiritualität, aber auch die Fröhlichkeit der Menschen. Tibet wird lebendig.
Man begibt sich mit Hubert von Goisern auf eine Wanderung um den Heiligen Berg Kailash, der einem nicht nur wegen der dünnen Luft, sondern auch wegen seines Anblicks den Atem raubt. Der Volksmusiker ist zum Botschafter geworden, ohne ein Buddhist oder ein Eiferer zu sein.

Wenn er zusammen mit Exiltibetern eine Ausstellung in der Trinkhalle des Kurortes Bad Ischl auf die Beine stellt, zu deren Eröffnung der Dalai Lama anreist, dann geht es dem Musiker nicht darum, die von ihm fotografierten Bilder in den Vordergrund zu stellen. Er bleibt in der zweiten Reihe. Es geht ihm um die gerechte Sache.

Wenn er sich nach dem Besuch des Dalai Lamas im Café Zauner mit dem Ischler Bürgermeister, dem Landesobmann und den Bischöfen beider Konfessionen an einen Tisch setzt, dann spürt man, wie da einer an sich gearbeitet hat, stets an sich arbeitet. Berührungsängste kennt er nicht, auch wenn er lieber bei den Demonstranten der Brenner-Blockade stehen würde.

Hier am Café-Tisch, wirft er seine Prominenz in die Waagschale, denkt an die Menschen im Himalaya, für die er noch einiges erreichen will, und an sich selbst. Wer weiß, wann man Förder - oder Sponsorengelder für ehrgeizige Projekte braucht und davon hat er viele im Kopf. Da denkt er an seine Tournee im kommenden Frühjahr, bei der er Stücke aus seiner Afrika- und Tibet-CD und alte Sachen spielen will. Ja, es juckt ihn wieder, und er träumt davon, künftig mit seinen Musikprojekten noch mehr aus Europa herauszugehen, weil er das Gefühl hat, "daß wir an musikalischer Ethnie hier vieles haben, das für die Menschen in Indien, Afrika oder Australien genauso interessant ist, wie für uns deren Musik."

Ein moderner Heimatfilm ist sein großer Traum

Und dann ist da ja noch der moderne Heimatfilm, den er schon immer drehen wollte. Er beginnt zu träumen, seine konkreten Pläne auszumalen. Mit der sicheren Gewißheit, daß seine - Träume meist realisiert werden. Hubert von Goisern war nie richtig fort und ist nun doch wieder da. Heast as net?