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TRAD II TOUR 2004

Goisern macht Pause

Salzburger Nachrichten 3. September 2004 | Text: Bernhard Flieher

Kein Wunder, dass Hubert von Goisern strahlt mit einer "Goldenen Schallplatte" in der Hand. Ausverkaufte Konzerthallen von Linz bis Kiel seit Beginn seiner Trad-Tour im Februar. Ein jubelndes Publikum auch bei den beiden Konzerten am Dienstag und Mittwoch im Wiener Museumsquartier. In Österreich war er auf dieser erfolgreichsten Tournee seiner Karriere an diesen beiden Tagen für längere Zeit zum letzten Mal live auf der Bühne zu sehen. Noch stehen bis Mitte September acht Konzerte in Deutschland aus. Ende November und Anfang Dezember gibt's nochmal acht "Nachzügler". Bei einem dieser Zusatzkonzerte in Mainz zeichnet 3sat ein "Goisern-Spezial" auf. Dann ist Pause. Zwei Jahre, heißt es.

Der Grenzgänger sucht Ruhe und Abstand von der anstrengenden Routine des Musikgeschäfts: Album, Tour, Album, Tour ... Rund 100 Konzerte spielten Goisern und Band (Monika Drasch, Bernd Bechtloff, Max Lässer, Arnulf Lindner). Bisher sahen die Trad-Tour etwa 110.000 Besucher. "Das ist einerseits schön, weil man sieht wie viele Leute uns hören wollen und wie vielen Leuten das gefällt, was wir machen. Andererseits zehrt es an den Kräften. Es bleibt kaum für etwas anders Platz", sagt Bernd Bechtloff, bei Goisern zuständig für die Percussion. Neben Soundmeister Wolfgang Spanberger ist Bechtloff der Einzige, der seit Goiserns Rückkehr im November 2000 stets mit dabei ist. Damals war Hubert von Goisern sechs Jahre, nachdem er die Alpinkatzen aufgelöst und sich von der Bühne zurückgezogen hatte, mit dem Album Fön zurückgekehrt. Im September 2002 folgte das Album Iwasig (für das er am Dienstag nach dem ersten Wien-Konzert von Virgin Music eine Goldene Schallplatte für 15.000 verkaufte Exemplare bekommen hat) und die beiden Volksmusikalben Trad (März 2001) und Trad II (Oktober 2003). Die Volksliedinterpretationen dieser beiden Alben bilden das Programm der aktuellen Tournee. Goisern kam beim Wien-Konzert seinem Wunsch nahe, Altes und Neues, die enge Welt der Berge und die weite Welt anderswo miteinander zu verbinden. Diese verschiedenen Welten werden aber weniger verschmolzen, als sie eine Einheit bilden, die zusammenführt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört: Goisern und Afrika, Tibet und Dachstein. Hier fließt das manchmal ineinander wie ein breiter Strom oder stürzt gegeneinander wie ein Wildbach gegen einen Felsen.

Hubert VON GOISERN NACH WIEN

Steirer MONAT 07/2004 | Text: Werner Ringhofer | Fotos: Andi Wind
Hubert von Goisern

Im Zug mit Hubert von Goisern. Der Weltmusiker über Jörg Haider, das Glück des Hiatamadls und warum wir Schimpansen sind.

Ein Querdenker. Aus seiner kleinen Welt ist Hubert von Goisern ausgebrochen und kehrt doch immer wieder zurück nach Goisern. Die Familie hatte er gegen sich. "Musik, Blödsinn." Von Goisern war das schwarze Schaf, "ein tönendes Schaf". Auf den Job als Chemielaborant hat er gepfiffen und als 37-Jähriger lieber auf einer Autobahnbrücke das Jodeln einstudiert. Eine Kassettenaufnahme war das Vorbild, aber traditionell wie die anderen hat er natürlich nicht gesungen, lieber auf seine Art. Die Szene hat er ordentlich aufgemischt mit seinen musikalischen Alleingängen.

Jetzt wird er vom Fernsehen doch wieder ein bisschen geliebt. Zum Interviewtermin nach Wien bei Barbara Stöckl fährt er mit dem Zug. In einem Abteil von Salzburg nach Wien mit Hubert von Goisern. Ein Zufall, dass er überhaupt am Bahnhof gelandet ist. Die Geldtasche hat er zu Hause vergessen, "der Taxifahrer hat mich zum Glück erkannt. Das Geld holt er sich jetzt halt daheim bei meiner Frau." Mit dem Handy, das er sich vom MONAT ausborgt, informiert er die Frau "Finanzminister". Das Handy hat er kurzfristig lahm gelegt. Goisern ist ein bewusster Handyverweigerer. Aber er hat es durch viele Versuche auf der Tastatur wieder zum Laufen gebracht.

Totgesagt wurde von Goisern, als er 1994 die Konzerthallen füllte und auf einmal 'Habt's mich gern!' sagte. Die Nase hatte er voll. "Die Begehrlichkeiten von allen waren mir zu groß. Die Musiker, die Fans, die Plattenfirma, alle wollten etwas." Weg von der Bühne, stattdessen sieben Jahre Tibet und andere Abenteuer. Mit dem ORF legte er sich an und machte sich mit seiner Kritik an den Allmächtigen denkbar unbeliebt. Seine Rede beim Amadeus-Award wurde nicht vollständig gesendet.

Und er singt noch immer. Sehr erfolgreich, seine aktuelle Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird von den Fans gestürmt. Am 12. September greift er zum letzten Mal in die Tasten seiner Ziehharmonika, dann ist Schluss. Egal, ob er mit seinem Trad II-Programm noch zehn Jahre ausverkauft wäre. Dann ist wieder alles 360 Grad offen, warten, was kommt. So wie immer. "Der Zufall ist etwas derartig Geiles, das will ich mir nicht versagen."

Hubert von GoisernIst Jodeln angeboren?

Die repetitiven schnellen Jodler, diese Koloraturjodler, damit habe ich schon als Kind nichts anfangen können. Ein richtiger Jodler muss grooven. Irgendwann habe ich auf einer Kassette eine Aufnahme von einem 12-jährigen Dirndl gehört. Da habe ich mir gedacht: Wow, ist das schön und das hat einen Swing. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich es mit meinem Jodler so weit bringe. Aber wenn man etwas lange genug macht, lernt es jeder.

Sie haben auf einer Autobahnbrücke trainiert, damit Sie niemand hört.

In Regensburg war das. Ich war auf Tour und habe Zeit gehabt zum Probieren. Da habe ich gemerkt, du musst laut singen. Optimal ist es, wenn man sich gar nicht hört, wie auf der Autobahnbrücke. Du spürst die Stimme mehr. Und ich habe herausgefunden, dass die Tibeter das auch machen. Sie gehen zu einem lauten Wasserfall, um zu singen.

Hubert von GoisernWie haben Sie überprüft, ob das überhaupt stimmt, was Sie trainiert haben?

Also, wenn es mir gefällt, dann reicht das schon (lacht). Es nützt mir nichts, wenn ich es so mache, dass es anderen Leuten gefällt und ich damit nichts anfangen kann. Mein erster Jodler war in Heast as nit, da habe ich den Anspruch gehabt, dass ich einen Jodler schreibe, der ganz anders ist. Und nicht wie alle anderen, die sich gleichen wie ein Ohr dem anderen, eines ist ein bisschen größer, runder, aber das ist es dann auch schon gewesen.

Der Jodler als Völkerverbindung?

Dadurch, dass er keine verbale Message hat, kann man sich mehr auf die Seele der Melodie konzentrieren. Wenn einer eine Sprache singt, die man nicht versteht, kann man sich einfach hineinkippen lassen in diese Lautmalerei, auch eine Art von Jodeln. Jodeln ist sehr kraftvoll, da kann man sich nicht verstecken. Du kannst das ausreizen, indem du drübergehst über die ideale Lage und ganz hoch jodelst und schon fast schreist, oder du gehst ganz tief runter, so, dass es etwas Kehliges kriegt. Das ist wie laufen. Man reißt die Luft rein und die Lungen fangen zum Brennen an, aber es ist lässig. Ein Drahtseilakt. Auch wenn ich mit der Gitarre spiele, mag ich, wenn die Gitarre richtig schreit - genauso wie die feinen leisen Töne auf einer Gitarre.

Hubert von GoisernSind Sie auch schon gescheitert?

Es gab Konzerte, wo ich Lieder am Ende fast nicht singen konnte. Da habe ich mir gesagt: Das ist das letzte Konzert, dann habe ich eine Woche Pause. Ich musste auch das eine oder andere Lied streichen.

Hubert von Goisern ist diesmal nicht mit Goiserern in den Zug geklettert. Schwarze, leichte Schuhe, typische FlachlandindianerDinger. Er ist kein militanter Grüner oder Autoverweigerer, obwohl er sich gerne mit seinem Sohn in einen Fluss stellt und der Junior die Fische mit der Hand fängt. Hubert klinkt sich gekonnt in die Moderne ein. Hemd und Hose im Ethnostil entsprechen aber den Erwartungen, bunte, afrikanische Farben. Wenn er spricht, überlegt er sorgfältig und lässt die Erinnerungen vorbeifliegen wie die Bäume und Felder hinter dem Zugfenster. Salzburg-Attnang Pucheim-St. Pölten-Wien. Nicht die Welt, aber auch die Welt ist nicht immer genug. "Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin überall daheim und nirgendwo, wie ein Zigeuner. Ich trage die Heimat in mir und wenn ich sie vergesse, singe ich. Und dann kann es sein, wenn ich in Tibet bin oder am Times Square, dass ich dann Sehnsucht kriege nach Goisern und den Bergen dort, dem Dachstein und dem Hallstätter See."

Wenn er die Ruhe sucht, fährt er auf die steirische Seite zum Toplitzsee und besucht den Wirt dort. Manchmal wirft er sich in das schwarze Wasser. Unerkannt. Hubert kommt nur, wenn keine Leute da sind. Obwohl er sich früher mehr Rummel gewünscht hätte. "Wenn man in Deutschland mehr Zuschauer und Medieninteresse hat als zu Hause, ist das bitter", hat er vor ein paar Jahren noch gesagt, "ich will mich aber nicht zum Thomas Bernhard - den ich schätze - entwickeln und sagen: 'Alles Arsch'."

Ist das "Hiatamadl" ein Reizwort? Lange Zeit ist es an Ihnen geklebt wie der Anton aus Tirol am DJ Ötzi.

Ich spiel das Hiatamadl eh schon seit 30 Konzerten wieder.

Aber es war lange Zeit ein Fluch.

Es war wesentlich mehr Glück als Fluch, weil es einfach ein Lied ist, das mir Tür und Tor geöffnet hat. Ich habe es 500mal gespielt und gerne gespielt. Als wir 1994 die Alpinkatzen aufgelöst haben, war es aber genug. Mir war wichtig, dass ich mir beweise, dass es auch ohne dieses Lied geht. Heuer machen wir ausschließlich Volkslieder und da hat das Hiatamadl ganz natürlich dazugepasst. Seit zehn Jahren habe ich das Lied das erste Mal wieder gehört. Und ich war einfach weg, wie geil das war. Das war wirklich ein Wurf, da habe ich verstanden, warum es so ein Hit geworden ist. Es hat einen Punch gehabt.

Es hat Konzerte gegeben, wo die Leute ständig "Hiatamadl, Hiatamadl" gegrölt haben.

Ich habe sie hinausgeschickt. Es hat mich genervt, dass die Leute nach dem ersten Lied das Hiatamadl gefordert haben. Klar hätte ich es am Anfang spielen können, aber das war ein Highlight und das gehört zum Ende des Konzerts. Ich habe gesagt, wenn sie es nicht erwarten können, sollen sie sich ins Auto setzen und es dort anhören.

Wie haben die Leute reagiert?

Das war die Herbsttournee 1992 und da sind 20 Prozent der Leute in das falsche Konzert gegangen. Ich habe gesagt, Ihr könnt gerne hinausgehen und das Eintrittsgeld zurücknehmen, aber ich will mir jetzt nicht den Schas geben, dass ich mich mit euch auseinander setze. Von diesen 20 Prozent ist die Hälfte wirklich gegangen. Ich habe Konzerte unterbrochen, auch wegen anderer Sachen. Wenn die Leute unruhig waren oder Party gefeiert haben.

Welches ist das beste Publikum?

Eines, das sich einlässt auf ein gemeinsames Erleben. Schlimm ist es, wenn einige einen anderen Film drinnen haben oder sich ansaufen. Ist das ganze Publikum so, ist das auch okay. Wir haben auf den Kapverden vor 100.000 Leuten gespielt, das war eine Riesenparty. Die haben gekifft, getrunken und es war ganz normal.

Hubert von GoisernDas Handy bimmelt. Sein Management hat eine Anfrage, gleich danach wickelt Hubert von Goisern noch mit dem "Leihhandy" ein Interview mit den Vorarlberger Nachrichten ab. Seinen Goiserer Dialekt legt er kurzzeitig für die Dame am anderen Ende ab. Aber jetzt einen Kaffee, gleich einen doppelten lässt er sich im Speisewagen brühen. Auf dem Weg zurück verschüttet er zwar einen Schwall Kaffee, aber man landet dann doch glücklich im Abteil. Jawohl, Hubert kann auch lachen. Sogar unheimlich zerkugeln kann er sich, wie ein kleiner Bub sitzt er einem gegenüber. Und glücklich schlürft er seinen Kaffee.

Wie groß war das Hitkalkül beim Hiatamadl?

Die Sachen fallen mir ein oder eben nicht. Ich habe auch schon Sachen ohne Instrument komponiert, wo ich im UBahn-Schacht gesessen bin. Dann habe ich mir einen Fetzen Papier organisiert und kurz skizziert, was ich im Kopf gehört habe. Manchmal singe auch etwas auf einen Walkman. Aber dann hast du eine Kassette mit 150 Ideen, bis du das dann gefunden hast - da ist der Zettel noch immer das Beste.

November 1994 gab es die große Zäsur. Sieben Jahre Bühnenpause. Hat das Untertauchen nicht auch den Mythos des Andersartigen gefördert?

Mir sind die Begehrlichkeiten zu groß geworden. Vom Publikum, meinen Mitmusikern, dem Management, der Plattenfirma. Egal, wo ich hingegangen bin, jeder hat auf mich eingeredet, dass ich ja so weitermachen soll, wie es jetzt rennt. Ich wollte mich zurückziehen und produzieren und nicht repräsentieren.

Eine richtige Pause, wo Sie einfach nichts gemacht und in den See geschaut haben, hat es nicht gegeben?

Ich bin gereist, nach Tansania und Tibet, woraus zufällig Projekte entstanden. Es war so weit, dass ich mich nicht mehr zu reisen getraut habe, weil jedes Mal daraus irrsinnig viel Arbeit entstanden ist. Meine Ziehharmonika und die anderen Instrumente habe ich sechs Jahre nicht angerührt. Da wieder hinein zu kommen, war hart. Ich habe das aber mit Absicht gemacht, weil die Finger von selbst marschiert sind und ich die Muskelerinnerung wegbringen wollte. Ich wollte wieder überlegen, wo ich hingreifen muss, damit ich neue Sachen entwickeln kann.

Eine Methode, um Routine zu brechen?

Ich muss mich immer wieder austricksen, um in die Situationen zu kommen, wo ich mich wirklich nicht mehr auskenne, wo ich dann gefordert bin. Sonst tendiere ich zur Faulheit.

Hubert von GoisernHubert vertritt sich kurz die Beine auf dem Gang. Für einen Bergfanatiker wie ihn müssen die ebenen Felder um St. Pölten trostlos sein. Nicht einmal einen Halt für einen schnellen doppelten Espresso wert. Obwohl, die Stille, die aus den Furchen der Äcker dampft, hält ihn gefangen. Einfach nur stehen und aus dem großen Fenster schauen und warten.

Ihr Album Fön ist aus der Stille entstanden. Welche Bedeutung hat die Stille?

Stille macht Musik hörbar. Hätten wir die Stille nicht, könnten wir Töne nicht wahrnehmen. So wie das Licht, das erst durch die Dunkelheit sichtbar wird. Hat die Melodie keine Pausen, atmet sie nicht.

Warten ist für Sie wichtiges Element. Auch das Treffen mit der berühmten Schimpansenforscherin Jane Goodall ist eher passiert.

Ein Freund von mir ist mit ihr bekannt. Die Jane ist jahrelang zu Weihnachten nach Goisern gekommen, um mit seiner Familie zu feiern. Und da wollte er uns einfach einmal zusammenbringen.

Wie haben Sie Jane Goodall erlebt?

Sie ist ein ganz wunderbarer Mensch. Eine Geschichtenerzählerin und auf solche Leute stehe ich einfach, weil sie etwas zu sagen haben. So einer Person zuzuhören, ist immer aufmunternd. Da hat sich jemand über so viele Hindernisse hinweggesetzt und ist seinen Weg gegangen. Und es ist gut gegangen. Die Jane hat eine Sanftheit, die erstaunlich ist für jemanden, der sich so durchsetzen kann. Ich habe noch nie gehört, dass sie laut wurde. Anders habe ich den Dalai Lama erlebt, der ein sehr positiver Mensch ist angesichts der politischen Situation in Tibet. Er kann sich über etwas aufregen, was ihm nicht taugt. Das ist eine lässige Energie, die er rauslässt. Ich bin froh, dass ich nicht der Einzige bin, der seine Durchhänger hat. Mit dem Leben fertig zu werden, wenn es einem gut geht, ist ja keine Kunst.

Sind Sie ein Optimist?

Zweckpessimist, aber von Natur aus Optimist.

Hubert von Goisern"Eine Minestrone, bitte." Kein Platz im Speisewaggon, also Suppe schlürfen im Businessabteil. "Keine Fotos, sagt er. Beim Essen ist er privat. Die Grenzen zu seiner Person zieht er sehr strikt. Interviews gibt er nur selten und Homestorys, die auch das Klo zeigen, lehnt er kategorisch ab. Hubert nimmt den weißen Plastiklöffel zwischen die Zähne und spielt damit wie mit einer Maultrommel. Pleng, pleng!

Die Bedeutung der CD nimmt immer mehr ab, die Livemusik wird wichtiger.

Ich finde die Entwicklung eigentlich sehr positiv. Livemusik ist die einzige Musik. Auf einer CD ist keine Musik oben, für mich sind Tonträger ein Abklatsch von dem, was Musik eigentlich ist. Das Wunderbare an der Musik ist, du spielst einen Ton und es kann der geilste Ton sein, der dir je ausgekommen ist, aber nachdem er gespielt ist, ist er weg. Und es kann der fürchterlichste Fehler passieren, aber er ist weg. Das gemeinsame Erleben, das ist wirklich Musik, wenn zwei-, zehn-, hunderttausend Leute in denselben Groove kommen.

Jörg Haider kommt auch aus Ihrem Heimatort und er tritt sehr für die Erhaltung des Volksgutes ein. Ein verbindendes Element?

Außer, dass wir beide aus Goisern sind, fällt mir keine Gemeinsamkeit ein.

Was fällt Ihnen zu Jörg Haider ein?

Es gibt diesen Spruch: Es muss auch solche geben. Aber schade ist, dass es solche auch geben muss. Weil ich denke mir schon, dass er das repräsentiert, was leider in vielen Köpfen herumgeistert. Man kann das nicht einfach ignorieren, dadurch geht es nicht weg. Aber ich finde es grundsätzlich gut, dass er mit seinem Wirken auf Kärnten reduziert ist. In der Bundespolitik ist er abmontiert und der unmittelbare Schrecken, den wir vor ein paar Jahren noch gehabt haben, ist gebannt. Darüber bin ich sehr froh. Ich war nie einer von denen, die dann gesagt haben, jetzt wird es zum Auswandern, weil dazu habe ich eine viel zu positive Meinung von Österreich und den Österreichern. Er hat seinen Zenit überschritten und das ist gut so.

Wie kann man sich das politische Weltbild des Hubert von Goisern vorstellen?

In meinem Weltbild gibt es keine Grenzen, keine Religionen, keinen Neid. Ich glaub aber trotzdem, dass Religionen wichtig sind und auch Parteien blöderweise, weil wir uns politisch nicht organisieren könnten.

Sie haben in Südafrika Tischtennisturniere für Schwarze und Weiße organisiert?

Ich habe sie veranstaltet, weil das überschaubar und organisierbar war und weil ich völkerverbindende Maßnahmen setzen wollte. Das anschließende Fest litt darunter, dass man nicht einmal zusammen ein Bier trinken durfte. Die Weißen haben schon gewusst, warum sie nicht erlauben, dass Weiße und Schwarze miteinander Alkohol trinken dürfen. Man sauft sich ja nicht auseinander, sondern zusammen.

Hubert von GoisernMit Jane Goodall hat von Goisern lange Zeit Schimpansen beobachtet. Seine Lehre: "Unsere Gesellschaft ist schimpansoid." Es gibt die Geschichte von zwei Affenvölkern, die so lange Krieg führten, bis sie sich systematisch ausgerottet haben. Bis zum letzten Affen. "Wir haben viel mehr von den Affen, als uns lieb ist."

Besteht die Gefahr, dass Sie die Harmonika überhaupt an den Nagel hängen?

Die Musik ist ein Geschenk, Musik ist für mich wie eine Droge. Vielleicht ist das der Grund, warum ich immer wieder eine Unterbrechung mache, um nicht zum totalen Junkie zu werden.

Was erwarten Sie vom Leben?

Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn ich alles aushirne. Für den Zufall braucht es Zeit. Du musst dann diese Muße haben, dass du ihm nachgehst. Wir lernen, dass Ablenkung etwas Schlechtes ist, dass da der Schlendrian, die Faulheit oder gar der Beelzebub lauern.

Bisher ist Ihnen alles gelungen, auch wenn Sie Zufällen nachgegangen sind.

Manches war zäh. Das Ergebnis hat es dann aber gerechtfertigt. Jeder soll seinen Vogel haben. Aber nicht, wenn es um Machtspiele und territoriale Grenzen geht. Wo sind wir denn? In der Steinzeit vielleicht?

Hubert von Goisern gibt die Hand und verschwindet wieder im Nebel des Westbahnhofs, von Gombe oder Tibet.

Zeitgeister: Hubert von Goisern "Mein Credo lautet Offenheit, du musst für alles offen sein"

Neue Kärntner Tageszeitung Juli 2004 | Text: Christina Webernig

Was verbinden Sie mit Kärnten?

Ich komme sehr gerne nach Kärnten, besonders zum Schifahren. Das Salzkammergut, wo ich herkomme, ist von der Landschaft und vom Lebensgefühl her sehr ähnlich.

Wie sehen Sie sich selber?

Das kommt immer auf die Stimmungslage an. Einmal empfinde ich mich als angenehmen, dann wieder als anstrengenden Zeitgenossen. Ein gutes Bild abzugeben, gelingt leider nicht immer.

Sehen Sie sich selber als "Zeitgeist"?

Zeitgeister sind wir alle. Menschen sind geistige Wesen, die durch die Zeit treiben. Die einen sind altvatrischer, andere avantgardistscher und wieder andere sind Vorseher, die mit der Zeit, in der sie leben, nicht auskommen.

Was bedeutet der Titel Ihres aktuellen Albums Trad II?

Trad steht für das englische "traditional", also Volksweise. Volksweisen sind Werke, deren Urheber unbekannt sind. In Trad II werden mündliche Überlieferungen verarbeitet, das sind "Hits" von vorgestern. Jedes Lied geht seinen Weg, es nimmt andere Formen an und unterliegt einem ständigen Wandel.

Welche Themen werden in Trad II verarbeitet?

Das kann ich eigentlich auf keinen Nenner bringen. Jeder soll sich das Album selber anhören. Ich kann das nicht einengen, von mir gibt es keine Höranleitung.

Wo finden Sie die Anregungen für Ihre Lieder?

Zum einen höre ich viel Musik. Wenn mir etwas gut gefällt, bleibt es in meiner Erinnerung und kommt irgendwann wieder hoch. Dann kann es sein, dass ich es in ein neues Stück miteinfließen lasse. Andere Ideen kommen ganz von selbst daher. Das Wichtigste ist, ein aufmerksamer und geduldiger Zuhörer zu sein.

Wie lautet die Botschaft Ihrer Texte?

Auf eine Botschaft erhebe ich keinen Anspruch. Jeder soll mitnehmen, was für ihn wichtig ist.

Fühlen Sie sich dem "Austropop" zugehörig?

Ja, irgendwie schon, weil ich aus Österreich komme. Meine musikalische - die alpine - Tradition ist so etwas wie moderne Volksmusik. Und das kommt schon nahe an Popmusik heran.

Wie stehen Sie zur Kurzlebigkeit der Popsongs?

Wir alle sind vergänglich. Etwas Ewiges gestalten zu wollen, wäre vermessen. Selbst von den alten Ägyptern sind heute nur noch "tote Stoanahaufn" übrig.

In Ihrer Musik verbinden Sie Exotisches mit Heimischem...

Durch meine Reisen bin ich von ethnischen Volksmusiken beeinflusst. Das ist einfach ein Musizier- und Lebensgefühl. Mein Credo lautet: Offenheit. Du musst für alles offen sein, was kommt. Ich war zweieinhalb Jahre in Nordamerika. Dort gibt es keinen Traditionszwang in dem uns bekannten Sinn außer bei den Indianern. Die Leute sind offen für alles. Dieses Lebensgefühl hat mir sehr getaugt. Und die Menschen haben wenig Berührungsängste, das finde ich sehr gut.

Sie sind ein Weltenbummler...

Ich reise für mein Leben gern. Neue Situationen schärfen die Sinne. Unbekanntes fordert zu neuen Standortbestimmungen auf.

Was bedeutet für Sie der Begriff "Heimat"?

Da hab ich zwei Definitionen: Zum einen heißt es Erinnerung. Das muss nicht unbedingt positiv sein. Ein Mensch kann durch Krieg oder Gewalt schlechte Erinnerungen an seine Kindheit haben. Trotzdem sind diese Erinnerungen irgendwie ein Stück Heimat. Zum anderen wird jener Ort zur Heimat, an dem man sich miteinbringt. Sobald man die Passivität ("Des geht mi nix on") hinter sich lässt, wird das zur Heimat.

Wo ist Ihre Heimat?

Momentan in Salzburg. In der Stadt leben meine Frau und meine Kinder und "Nachhausekommen" ist wirklich eines der schönsten Gefühle, die ich kenne.

Musik verbindet die Menschen auf der ganzen Welt

Passauer Neue Presse 29. Juli 2004 | Foto: Ausserer

Ein Interview mit dem österreichischen Musiker Hubert von Goisern
- Zwei Openair-Konzerte auf dem Passauer Domplatz am 1. und 2. August

Hubert von Goisern

Der österreichische Musiker und Weltenbummler Hubert von Goisern sorgt dafür, dass der traditionellen Volksmusik ihre Würde zurückgegeben wird. Bloßes Bewahren der alten Weisen genügt ihm nicht - der Weltmusiker erfindet traditionelle Musik immer wieder neu, damit sie überleben kann. Nach vielen Reisen durch Afrika und Tibet ist er auf seiner neuesten CD Trad II musikalisch wieder in seiner österreichischen Heimat angekommen. Am 1. und 2. August tritt er auf dem Passauer Domplatz auf. Im Interview mit Anna Ausserer spricht er über Tradition, Heimat und darüber, wie Musik die Seele berühren kann.

Ihr habt die Trad II-CD auf dem 2100 Meter hohen Krippenstein in Österreich aufgenommen. Allein der Transport der Ausrüstung per Seilbahn war sehr aufwändig. Warum all der Aufwand?

Wir wollten das Album in einem Ambiente aufnehmen, das uns größte Konzentration ermöglicht, weil da eben keine Ablenkung ist wo man ausgesetzt ist und noch viel stärker aufeinander angewiesen ist als in einem Studio, wo die Leute kommen und gehen. Dann hat mir auch die Idee sehr gut gefallen, nicht in einem Studio aufzunehmen, weil das immer auch so a bissl einschüchternd ist. Da oben in der Bergkulisse war alles viel freier und ich glaube, es war den Aufwand wert.

Wie unterscheiden sich die Zuhörer in Österreich von jenen in Deutschland und der Schweiz? Wer ist enthusiastischer?

Ich spiele gerne außerhalb von Österreich. Je weiter man weg ist von Österreich, desto größer werden die Offenheit und der Interpretationsspielraum dessen, was wir machen. Die Menschen zu Hause kennen meine Lieder teilweise und verbinden oft eine persönliche Geschichte damit. Sie kennen die alten Volkslieder von früher und verstehen oft nicht, warum ich sie so oder so spiele, warum ich einen Takt auslasse oder ihnen ein gänzlich neues Gesicht gebe. Da gibt es schnell Vergleichsparameter und die Maßstäbe sind strenger, je näher man dem Epizentrum kommt. Im Ausland geht man unvoreingenommener an die Musik heran, weil sie eh total exotisch ist.

Wie sieht es aus mit Sprachbarrieren?

Trotz der exotischen Aussprache ist es ja immer noch die deutsche Sprache. Ich denke, dass die meisten Menschen meinen Dialekt immer noch besser verstehen als viele englische Texte.

Die neue CD trägt den Namen Trad II, was ja fürs englische "traditional", also Volksweise, steht. Was bedeutet für Sie Tradition?

Tradition ist das, was wir von unseren Vorfahren mitbekommen haben, und das bezieht sich auf alles, was wir tun. Wir bewegen uns so wie es uns unsere Urahnen vorgemacht haben. Oft sind wir auch gefangen in unseren Denktraditionen und kommen oft drauf, dass es eigentlich Vorurteile sind. In der Musik ist es ähnlich. Es muss nicht immer volksmusikalische Tradition sein. Bei mir gab es auch große Einflüsse aus dem Radio. Die Beatles, The Who, Santana. Auch mit dem Blues kam ich sehr früh in Berührung. Durch den Blues hab ich vielleicht diesen Zugang zur Freiheit in der Musik bekommen. Dieses Gefühl, dass die Musiker nicht nach Noten spielen, sondern, dass da die Seele hineingelegt wird.

Hubert von Goisern ist ja auch immer ein wenig der Weltenbummler. Woher kommt dieses Gefühl, immer wieder hinaus in die Welt zu müssen?

Ich bin abenteuerlustig, risikofreudig und von Grund auf neugierig, was sich hinter der nächsten Ecke versteckt. Ich setze mich gerne Situationen aus, die ganz unvertraut für mich sind und all meine Sinne fordern. Situationen, in denen ich all meine Denkmuster über Bord werfen muss. Zu Hause gewöhnen wir uns gerne eine Routine an. Wir wissen, wo wir unsere Semmeln kaufen gehen oder wo wir ein Bett zum Schlafen finden. Wenn man in der Ferne ist, wird dies plötzlich unvertraut und das macht mich lebendig, es gibt mir die Chance, einen Blick von außen auf mich selbst zu werfen, ich kann lernen, wieder über mich zu lachen, mich selber in Frage stellen.

Wohin reisen Sie besonders gerne?

Ich bin gerne in Landschaften, die einem Achtsamkeit abfordern, wo der Mensch in den Hintergrund tritt. Ob Wüste, Ozean oder Berge - dort fühle ich mich geerdet.

Und dennoch sind Sie ein sehr heimatverbundener Mensch. Was heißt Heimat für Sie?

Heimat ist immer Erinnerung

Zum einen ist Heimat da, wo ich mich einbringe. In dem Moment wo ich mich in einer fremden Kultur, in einem fremden Land einbringe, mache ich es mir zur Heimat. Wenn wir uns nicht einbringen, sind wir nirgends zu Hause, sind immer nur Gast, ob das in der Ferne ist oder in unserem eigenen Heimatland. Zum anderen ist Heimat immer Erinnerung. Und je nachdem, ob wir in unserer persönlichen Biografie positive oder negative Erinnerungen haben, ist Heimat für uns schön oder nicht schön. Der Begriff Heimat ist nicht wertend zu sehen und man sollte ihn nicht verklären. Der Heimatbegriff bekommt schnell so den Beigeschmack des Paradiesischen. Es gibt viele Menschen, die in Kriegsgebieten aufwachsen, für die ist der Begriff Heimat alles andere als positiv.


Sie waren viel unterwegs und hatten Kontakt zu Volksmusik aus vielen fernen Ländern. Gibt es einen gemeinsamen Nenner zwischen all diesen verschiedenen Arten von Volksmusik?

Das Gemeinsame ist das Gemeinsame! Eine musikalische Tradition muss, um als Volksmusik bezeichnet werden zu können, eben dieses Kollektive haben. Es geht nicht darum, dass einer vorträgt und die anderen zuhören. Ein Merkmal der Volksmusik ist, dass alle einstimmen, alle gemeinsam zelebrieren. Das Gegenteil davon wäre das Konzertante, wo einer auf der Bühne steht und die anderen ihn musizieren lassen. Die Gemeinsamkeit sehe ich weniger in einzelnen Elementen der Musik wie Rhythmik oder Melodik als eher in der Tatsache, dass Musik Menschen verbindet, auf der ganzen Welt. Je mehr Musik zu einer Kunstform wird, umso weniger tut sie dies eigentlich.

Welche Art von Musik berührt Sie besonders?

Das kann alles sein, solange es mit Seele musiziert ist. Am ehesten vielleicht orchestrale Musik, die sehr vielschichtig ist, oder Oper. Jedenfalls Musik, die dauert und in die man sich ganz hineinfallen lassen kann. Romantische Musik. Mahler und Mozart natürlich. Nachdem ich selbst Musikant bin, brauch ich schon anspruchsvolle Musik, damit ich aufhören kann, einzelnen Instrumenten zuzuhören, und mich vergessen kann als Zuhörer. Dies funktioniert am besten mit Musik, die ich selber nicht mache.