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TRAD II TOUR 2004

Bierzelt? Nein danke!

Berliner Morgenpost 25. April 2004 | Text: Peter E. Müller

Pop-Rebell aus den Alpen: Hubert von Goisern macht das Jodeln zum globalen Ereignis - und gibt der Volksmusik ihre Würde zurück

Er nimmt seine Sache ernst. Er achtet die traditionellen Lieder, Jodler und Landler seiner österreichischen Heimat - so wie er jeder Folklore dieser Welt mit Neugier und Respekt begegnet. Er wird nur zu oft falsch verstanden. Auf dem Höhepunkt des Erfolges mit seiner Band Die Alpinkatzen hat es Hubert von Goisern am meisten gewurmt, dass sein deftig-rockiges Lied vom Hiatamadl ausgerechnet zum Dauerbrenner auf der Oktoberfest-Wiesn avancierte. Bierzelte, nein, die sind nicht seine Welt. Er sucht die Nähe zu Musikern, egal ob aus Tibet, aus Tansania, aus Ägypten - oder aus dem Salzkammergut.

Als er zuletzt in Berlin gastierte, demonstrierte Hubert von Goisern mit seiner Band, wie hochmodern, wie zeitgemäß, wie engagiert sich in seinen Songs die Volksmusik der Berge mit Blues, mit Rock, mit Weltmusik, mit karibischen Elementen verträgt. Wenn er nun heute zurückkehrt nach Berlin, wird er fast ausnahmslos traditionelle Musik präsentieren, die Lieder und Jodler seiner beiden CDs Trad und Trad II. Volksmusik bekommt bei Hubert von Goisern die Würde zurück, die ihr von unzähligen volkstümlichen Schlagermusikanten so unentwegt weggeklatscht wird.

Er sei keiner, der akribisch auf Feldforschung geht in Bergen und Tälern, und guckt, was sich da alles an tradiertem Volksgut ausgraben lässt. "Es ist eher der Zufall, der mich mit diesen Liedern konfrontiert", sagt Hubert von Goisern. "Es sind Melodien, die mich verfolgen. Und irgendwann setze ich mich damit auseinander." Man spürt: Dieser Mann drückt sich vornehmlich durch seine Musik aus. Er redet mit Bedacht. Er überlegt lange. Er sucht nach den richtigen Worten, um die Schönheit und Faszination an schlichtem Volksgut wie Dirndl woaßt nu den bam oder Über d'Alma begreiflich zu machen.

Ja, er nimmt diese Lieder ernst. "Ich kann mit Ironisierung von Material nichts anfangen", sagt er. "Ich mag auch Kabarett nicht. Wenn ich musiziere, dann lösen die Töne, die Tonfolgen, die Harmonien etwas aus, und wenn ich spüre, dass ich eine Gänsehaut kriege oder dass ich auf einmal ganz weit weg bin, dann verselbstständigt sich das Musizieren."

Für die Aufnahmen von Trad II zog er mit seinen Musikern und dem kompletten Studio in 2100 Meter Höhe auf den Krippenstein am Dachstein-Massiv. Fern aller Weihen der Zivilisation, in Klausur nur für die Musik. "Wenn man da oben aufm Berg ist, kommt man schon in so eine erhabene Position" sagt er. "Da ist es einem wurscht, was da unten im Tal passiert." Und außerdem, so von Goisern, konnten er und seine Musiker in den Aufnahmepausen ungestört Ski fahren.

Nun ist es freilich nicht so, dass der Mann, der eigentlich Hubert Achleitner heißt und aus Bad Goisern stammt, die alten Lieder notengetreu nachspielt. Er peppt sie behutsam auf, er macht sie sich zu Eigen. Da klingt mal ein Mundharmonika-Blues durch, und auch eine Steel-Guitar verträgt sich bestens mit dem klassischen Rohmaterial. " Mein persönlicher Zugang schließt Zither und Hackbrett und solche Sachen eigentlich aus. Wenn ich diese Lieder singen und spielen möchte, dann muss es was sein, was mir gefällt." Schon Mitte der Achtziger spielte er mit einem Slide-Gitarristen zusammen. "Die amerikanische Folk- und Countrymusik hat ja sehr viel Verwandtschaft mit unserer Tradition. Es waren die Auswanderer, die diese Tradition mit nach Amerika nahmen. Dazu kam das, was die Schwarzen aus Afrika mitbrachten. Dadurch hat das Ganze eine Tiefe und eine Weite bekommen, die es bei uns so nicht gibt."

Hubert von Goisern achtet Traditionen, ist aber keiner, der Überliefertes blind übernehmen würde. Das lässt ihn oft bei professionellen Brauchtumspflegern anecken. "Tradition ist bei uns immer etwas Ausschließliches. Insofern trage ich schon einen Geist der Provokation mit hinein. Manchmal auch einen Geist der Zerstörung." In der Volksmusik geht es für Goisern vor allem um den Ausdruck einer Lebensbefindlichkeit, um die Geschichte, die man erlebt hat. Nur die Sprachen seien es, die trennen anstatt zu verbinden. "Ich kann nur Englisch und Deutsch", sagt er. "Wenn ich einen Italiener treffe, der nur Italienisch kann, bin ich schon aufgeschmissen. Aber wenn er singt oder ein Instrument spielt, dann bilde ich mir schon ein, dass ich weiß, was er sagen will."

"Wann i mi selber verzaubern kann, passt's"

www.donau.de April 2004 | Text: Mechtild Angerer

Lockeres Gespräch bei Würstl und Bier am "Donaustrand"

Hubert von GoisernAm 1. April war Hubert von Goisern zu Gast im Audimax und brachte das Publikum zum Kochen. Mit der Rundschau sprach der Künstler vor dem Konzert bei Würschtl und Bier in der Regensburger Wurstkuchl über seine Musik und das Programm, mit dem er am 8. August auch in Schwandorf Station macht - unser Tipp: rechtzeitig Karten sichern!

Herr von Goisern, wann haben Sie beschlossen, dass Sie Musiker werden - gab es da ein musikalisches "Erweckungserlebnis" in Ihrer Kindheit?

Nein, Musik war für mich immer etwas völlig Selbstverständliches. Ich hab mich schon als Kind gern beim Musikhören in Gefühlen gebadet, in den schönen Klängen, auch aus dem Radio. Und zu Hause in Goisern hab ich damals das Gefühl gehabt, jeder spielt mindestens zwei Instrumente - muss wohl so ähnlich gewesen sein, schließlich gab's in meiner Heimat sieben Blaskapellen! Nach einem Konzert einer dieser Kapellen stand für mich fest, dass ich Musiker werden will - damals war ich fünf Jahre alt.

Und dann ging"s los mit der systematischen musikalischen Ausbildung? Immerhin spielen Sie etliche Instrumente - beim aktuellen Programm neben der Steirischen auch noch Trompete, Gitarre, Flügelhorn...

So systematisch war das gar nicht: Ich hab mir das meiste selber beigebracht, bis auf ein paar Jahre Trompeten-, Gitarren- und Klarinettenunterricht; und natürlich hab ich in der örtlichen Kapelle mitgespielt.

Das erklärt den starken Heimatbezug in Ihrer Musik - aber woher kommt die Lust am Klangexperiment?

Damit hab ich mich bei einem Studium der Elektroakustik und experimenteller Musik beschäftigt - die Begegnung mit der Avantgarde war sehr faszinierend. Aber nach einem Semester war Schluss - die Einstellung der Leute dort hat mir nicht gefallen, das war alles zu engstirnig. Für mich ist Musik etwas Offenes, kein begrenztes Terrain.

Grenzüberschreitungen zeigen sich auch in Ihrem neuesten Programm Trad II, das an die CD Trad I anknüpft, sehr deutlich. Volksmusik in rockigem Gewand - ruft das nicht so manche Mahner und Bewahrer des Guten und Wahren auf den Plan?

Natürlich gibt es Viele, die bei Volksmusik mit E-Gitarre und Schlagzeug die Nase rümpfen. Aber ich seh das nicht tragisch - vor einem Jahrhundert gab's die selbe Diskussion, als die Ziehharmonika als neues Instrument in die Volksmusik Einzug gehalten hat. Letztlich ist doch entscheidend, dass man die Melodien so spielt, dass sie zum Herzen gehen - und nicht, auf welchen Instrumenten sie gespielt werden und ob das auch alles astrein aus ein und demselben Bergdorf stammt.

Wieviel ist bei dem Programm eigentlich von Hubert von Goisern - die Melodien stehen doch fest?

Bei dem Programm hab ich mich als Komponist ziemlich zurück gezogen. Ich habe versucht, die Volksweisen auf einfache, behutsame Art zu arrangieren. Ich wollte da keine verpunkten Rockstücke draus machen, keine schrillen Kostüme überstülpen, sondern ihnen die musikalische Essenz, wie ich sie spüre, entlocken.

Was ist Ihnen beim Musikmachen das Wichtigste?

Ich versuche, mit meiner Musik zu zaubern. Wenn ich es schaffe, mich selbst zu verzaubern, dann passt's. Musik gibt mir das Gefühl der Weite, wenn ich spiele, und ist es gut, werde ich wie ein Medium eins mit etwas Größerem, ich erreiche einen anderen Bewusstseinszustand.

Klingt fast so, als wäre das Publikum Ihnen gar nicht so wichtig?

Stimmt so nicht - wie ein Konzert wird, daran hat das Publikum zu fünfzig Prozent seinen Anteil. Trotzdem: Ich spiele jedes Konzert vor allem für mich.

Wollen Sie irgendetwas bewirken mit Ihrer Musik?

Ja. Ich will bewirken, dass es mir gut geht. Dass ich mit meinen Texten irgend jemanden aufrütteln will, kann ich bei dem reinen Volksmusikprogramm nicht ernsthaft behaupten - bei früheren Programmen sah das zugegebenermaßen anders aus. Wichtig ist, dass ich mich mit dem, was ich mache, identifizieren kann.

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Jede Menge! An Miles Davis fasziniert mich die ständige Suche nach Neuem, bei Puccini und seinen Opern liebe ich den romantischen, fast kitschigen Klangrausch; Verdi als Opern-Hitkomponist wächst mir immer mehr ans Herz, bei Steve Reich nimmt mich der Klangzauber und die Innovation gefangen. Und dann gibt es noch Mozart, Beethoven, die Wiener Sträuße und Richard Strauss, Bob Marley, Wycliff Jean.....

Sie haben sich neben Ihrer Volksmusik ja schon ausgiebig mit außereuropäischer Musik beschäftigt. Wissen Sie schon, in welche Richtung es nach der Trad II Tournee weitergeht - heimatverbunden, innovativ, grenzüberschreitend?

Die Tournee ist am 11. September zu Ende, und dann mach ich erst mal zwei Jahre Bühnenpause. Ich werd mich zurückziehen, komponieren, aber was dann wirklich passiert bzw. in welche Richtung es gehen wird, weiß ich noch nicht.

"Die Schweiz ist sehr weit weg"

Berner Zeitung 28. Februar 2004 | Text: Tina Uhlmann | Foto: Keystone
Hubert von Goisern

Hubert von Goisern ist mit traditionellem Liedgut auf Tour. Als erster Rockmusiker hat er schon vor 15 Jahren mit alpiner Musik experimentiert - eine Standortbestimmung vor dem Konzert in Bern

Wo haben Sie jodeln gelernt?

Das Jodeln kann man gar nicht lernen. Dafür ist man geboren oder eben nicht. Ich persönlich habs mir von einer Kassette runterghört - die wurde mir zugesteckt, und da drauf war eine Jodlerin zu hören, die mich sehr beeindruckt hat. Ich habe dann Ton für Ton und Silbe für Silbe alles rausgeschrieben und auf meine Tonlage runtertranskribiert. Ja, und dann bin ich an einen entlegenen Ort gegangen, wo mich niemand hören kann, und habe geübt.

Warum sollte Sie niemand hören?

Na, weil es doch immer eine Zumutung ist, wenn jemand übt. Für die betreffende Person sicher nicht, aber für alle anderen schon. Auch mit Instrumenten ist das so. Meine Tochter zumBeispiel, die spielt Geige...

... und Sie jodeln. Wie fühlt sich das an? Ähnlich wie Singen?

Ja, es ist einfach eine von vielen Möglichkeiten, dieStimme musikalisch einzusetzen. Aber Jodeln kann man nur sehr schwer leise, man muss immer vollen Druck geben, deshalb braucht es fürs Jodeln etwas mehr Mut als fürs Singen. Jodeln ist etwas sehr Solistisches. Man muss sich bewusst dafür entscheiden, sich so wichtig zu machen, wie man das eben tut, wenn man jodelt.

Sie waren Ende achtziger Jahre einer der ersten Rockmusiker, die sich mit der alpinen Musik zu beschäftigen begannen. Wo steht dieses Genre heute?

An einem ganz anderen Ort als noch vor 15 Jahren. Damals war das ein richtiger Dammbruch, zumindest in Österreich - da hatte sich etwas angestaut. Es gab viele Gruppen, die sich plötzlich für die eigene Volksmusik interessierten und sie wieder in Fluss brachten. Heute fliesst das. Man bricht kein Tabu mehr, wenn man jodelt.

Auch in der Schweiz sind immer mehr Leute ausdem Jazz-, Rock- und Pop-Bereich auf denSpuren der alpinen Musik. Gibt es da Kontakte über die Landesgrenzen hinweg?

Nur sehr wenige. In Wien gibt es einige tolle Schweizer Musiker. Und zur Zeit ist der Schweizer Gitarrist Max Lässer bei mir und wir proben für die bevorstehende Tournee mit dem Trad II-Programm. Von solchen Kontakten würde ich mir mehr wünschen. Aber der freie Musikanten- und Musikerverkehr ist bei uns sehr viel kleiner als etwa im angelsächsischen Kulturraum. Für mich ist die Schweiz sehr weit weg. Auch geografisch.

Geografisch?

Ja. Man meint, man sei schnell dort, aber wenn man ein Ziel in den Bergen hat, fährt man unter Umständen stundenlang komplizierte Wege für ein sehr kurzes Stück Luftlinie.

Das liegt in der Natur dieser Gegenden. Bei uns variieren die musikalischen Stile vonTal zu Tal teilweise extrem - eben weil die Täler trotz kurzer Luftlinie lange Zeit kaum mit Verkehrswegen verbunden waren. Ist das in Österreich auch so?

Durchaus. Von Goisern nach Ischl sind es 30 Kilometer und doch klingts an dem einen Ort ganz anders als am anderen. Für Auswärtige sind diese Unterschiede allerdings kaum hörbar. Ich habe das auch erlebt, als ich mit tibetischen Musikern zusammen arbeitete. Ich hatte über ein Jahr lang das Gefühl, immer dasselbe zu hören, bis ich die Nuancen wahr nahm. Doch zurück nach Österreich: Allmählich verwischen sich die Unterschiede da auch. Ich würde sagen: Gottseidank!

Warum Gottseidank?

Weil es nicht gut ist, wenn man die Dinge stur konservieren will. So, wie das etwa die Leute tun, die meine Musik kritisieren, schon immer kritisiert haben.

Sie nennen sie "die 200prozentigen". Ist deren Widerstand ein Problem für Sie?

Nein, ein Problem war das nie, im Gegenteil. Ich habe mich immer gefreut über diese Diskussionen - sie haben etwas in Bewegung gebracht. Ich war diesen Leuten immer im Weg. Das hat mich bestärkt - wie sagt man doch: Viel Feind, viel Ehr.

In der Schweiz gibt es schriftliche Reglemente, die festlegen, wie man zum Beispiel jodeln darf. Ist das in Österreich auch so?

Nein, so krass ist das bei uns nicht. Zum Glück.

Vor der folkloristischen TV-Formatierung der Volksmusik gabs ja noch eine "echte", archaische Volksmusik im Alpenraum. In der Schweiz war zum Beispiel Rees Gwerder einer ihrer letzten Vertreter. Gibt es in Österreich auch solche "Meister" für Sie?

Ja - im Salzkammergut zum Beispiel. Der Toifel Fritz ist so ein Fels in der Szene. Er hat sich nie vereinnahmen lassen. Es interessiert mich, was solche Leute machen, aber ich habe meinen eigenen Weg suchen müssen.

Auf diesem Weg sind sie nun schon bei der zweiten Trad-Platte mit traditionellen Stücken angelangt. Woher kennen sie diese Lieder - mit der Muttermilch eingesogen?

Nein, wir haben zuhause kaum gesungen. Ich bin Laufe meiner Musikerjahre darauf hingewiesen worden und die wirklich gu-ten Melodien, die bleiben einem halt einfach. Drängen sich irgendwann in den Vordergrund. Und dann ist es auch eine Art Exorzismus, wenn man sie laut werden lässt, ihnen die eigene Stimme leiht.

Sie haben Trad II auf einem Berg, dem Krippenstein aufgenommen. Wie sind Sie auf diesen Ort gekommen?

Mein Vater hat mich drauf gebracht. Ich besuchte ihn und er erzählte mir, dass das Hotel auf dem Krippenstein zugesperrt worden sei und nun leer stehe. Als Kind war ich oft dort gewesen. Mein Vater war einst am Seilbahnbau beteiligt und ich habe einen Winter lang bei dieser Seilbahn gearbeitet. Wir kennen den Berg. Ich wollte da hoch, um die Platte aufzunehmen, aber als wir nach einigen Diskussionen die Erlaubnis bekamen, unser Studio in dem Hotel einzurichten, war ich trotzdem der Skeptischste von allen Beteiligten.

Warum?

Ich konnte nicht wissen, wie sich die Klausur-Situation auf die Musik auswirken würde - im Winter, auf 2100 Meter. Ich habe den Musikern gesagt, es sei ein Experiment, und wenn wir eine gute Zeit hätten und im Frühling mit nichts als einer Erfahrung wieder runterkämen, sei es auch okay. Aber dann ist das nur so geflutscht dort oben - es war eine besondere Stimmung. Die Leute kamen aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz hoch, haben einmal rundum geschaut, über die Weitsicht gestaunt und - ja, waren dabei.

War dies die erste solche Erfahrung für Sie?

Ich habe schon einmal am Berg aufgenommen, in Höhlen, als ich für ein bestimmtes Stück ein Naturecho wollte.

Trad II klingt trotz Elektroloops undSlidegitarre sehr "original". Haben Sie nie daran gedacht, auch originale Instrumente einzubauen - Hackbrett, Hexenscheit...?

Hackbretter mag ich nicht und Alphörner überlasse ich den Schweizern. Wir haben die Maultrommel dabei - ein Instrument, das in Oberösterreich eine lebendige Tradition hat. Ich habe mich vielmehr an Personen orientiert. Wenn ich jemanden wie Max Lässer kennenlerne, den ich mag, dessen Art, Musik zu machen ich mag, dann ist er dabei - und mit ihm die Slidegitarre.

Lässer sagt, seine Versuche mit der alpinen Musik seien eng mit einer ganz bestimmten Landschaft verbunden. Ist das für Sie auch so?

Unbedingt.

Leiden Sie darunter, dass die Landschaft verschwindet?

Sie meinen, dass sei verbaut wird? Das ist halt einfach so. Es gab eine Zeit, da habe ich sympathisiert mit den radikalen Naturschützern. Doch inzwischen habe ich begriffen, dass so etwas nicht ohne elitären Anspruch geht. Ich finde, die Berge sollen für alle zugänglich sein.

Entstaubte Lieder aus den Bergen

Kurier 27. Februar 2004 | Text: Ivona Jelcic

Seine Alpinkatze ist ihm abhanden gekommen: Zabine konzentriert sich momentan lieber auf das Songcontest-Geschäft. Malheur ist das für Hubert von Goisern aber keines, gehen die beiden doch schon seit einigen Jahren getrennte Wege. Wia die Zeit vergeht.

Zwischen damals und heute liegt die Reise vom Alpenrock zur Weltmusik, und doch wieder zurück nach Goisern. Denn auf seinem aktuellen Album Trad II hat der charismatische Musiker die Lieder seiner österreichischen Bergheimat neu entdeckt. Hiatamadl darf sich der gespannte Zuhörer allerdings keines mehr erwarten. Eher noch den traditionellen Almabtrieb. Denn Hubert von Goisern singt Volkslieder - und zwar so, wie sie ihm gefallen.

Die weite Welt bezieht der Goiserer aber immer noch mit ein: Die "Jodelmusik" des neuen Albums wurde mit Musikern aus Österreich, Italien, Deutschland, England und der Schweiz eingespielt. Entstanden sind diese Aufnahmen in wirklich stilechtem Ambiente: Auf 2.100 Metern Seehöhe am Dachsteinplateau hat der Musiker ein Berghotel zum Musikstudio umfunktioniert. In einer Art Almabtrieb sind die traditionellen Volkslieder von dort ins Hier und Jetzt befördert worden. Durchgelüftet, aber dennoch zum Mitsingen geeignet. Denn trotz bodenständigem Ausgangsmaterial kann man dem Interpreten kein Übermaß an Respekt vor dem überlieferten Liedgut nachsagen. Elektrische Gitarren schleichen sich ebenso noch ein, wie leichte Ansätze von Ironie. Ganz "Trad-"itionell ist Hubert von Goisern also nicht geworden.

Eher besonnen auf das Potenzial der Alpenfolklore als kleiner Teil des großen Weltmusik-Theaters. Seine aktuelle Tournee bringt den Sänger mitsamt Band heute Abend ins Zillertal.

"Ein Akt der Piraterie"

Der Bund 27. Februar 2004 | Text: Michael Sahli

Österreichische Volksweisen; beinahe ernst gemeint - Hubert von Goisern ist auf Kriegsfuss mit "Musikpolizisten"

Hubert von Goisern liebt die Musik seiner Heimat. Er sagt: Auch den Querköpfen und Weltoffenen gehört die Alpenmusik. Mit seiner Interpretation traditionsreicher Ländler gastiert der oft als Nestbeschmutzer Gescholtene am Montag in Bern.

Hubert von Goisern, Sie spielen traditionelle österreichische Volkslieder und ziehen damit den Zorn der Volksmusikfreunde auf sich. Was machen Sie falsch?

Diese Kritiker, von denen Sie reden, meinen, dass man sich als Musiker gefälligst an Regeln zu halten habe. Regeln, die ich in ihren Augen offensichtlich verletze.

Welche Regeln sind gemeint?

Dass ich Lieder einstimmig singe, anstatt wie im Original mit drei Stimmen, empfinden sie zum Beispiel als Verrat an der Kunst. Ihrer Ansicht nach haben in der Volksmusik weder Klavier, noch Perkussionsinstrumente Platz. Rund ein Fünftel der Texte habe ich abgeändert, weil die gespreizte, gestelzte Sprache der Originale dazu führen würde, dass man die Lieder nicht mehr ernst nimmt. Kurz: die Leute heben ihren Zeigefinger und weisen auf die Ungenauigkeiten meiner Arbeit hin.

Sie nennen diese Leute "Musikpolizisten". Warum?

Weil sie versuchen, Musik wissenschaftlich zu erfassen, und die sind dann notgedrungen etwas "krampfig" unterwegs. Denn Ungenauigkeiten sind ja der Feind jedes Wissenschaftlers. Ich aber bin Musiker und mag keine Musik, die verwissenschaftlicht wird. Diese Puristen übersehen, dass jede Tradition weiter wachsen muss. Wir sind leider in einer Zeit angelangt, in der den Archiven mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als dem Leben.

Anfang Neunzigerjahre stürmten Sie mit den Alpinkatzen mit süffigem Alpenpop und Jodlern die Hitparaden. Dagegen klingen Ihre Neuinterpretationen traditioneller Lieder ja richtig angepasst. Da mussten die Anfeindungen gegen Sie früher ja wesentlich heftiger gewesen sein?

Ja, früher wars schlimmer. Doch noch mehr Leute atmeten damals auf, weil sie sich nicht mehr länger dafür schämen mussten, Freude an traditioneller Musik zu haben. Daneben sind die Kritiker etwas verstummt. Besonders getroffen haben mich aber die harschen Attacken der politisch Linken oder der Feuilletonisten linksintellektueller Zeitungen. Ich habe mich ja selber als Linker gefühlt. Und denke heute noch so.

Sie fühlten sich missverstanden?

Ich wollte den Konservativen einfach diese traditionelle Musik wegnehmen. Ich plünderte deren Musikgut. Mich störte, dass alles, was mit Tradition zu tun hat, Terrain der Rechten und Ewiggestrigen sein soll.

(Fast) alles echt

NEUE CD: In den Neunzigern ritt Hubert von Goisern mit süffigem Alpenpop auf der Erfolgswelle. Er brachte die Disco zum Jodeln und aufgepeppte Volksmusik in die Charts. Nun ist von Goisern wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Mit Trad II hat der viel gereiste Österreicher, nach Trad (2001) nun bereits sein zweites Album eingespielt, welches sich nah und authentisch an den traditionellen Originalen seiner Heimat orientiert. Eingespielt in einem leer stehenden Hotel auf dem Gipfel des Dachsteinmassivs ist eine liebe- und augenzwinkernde Hommage an die Volksmusik entstanden, die, da und dort mit Schlagzeug-Loop, Slide-Gitarre und Keyboard-Lauf versehen, einen zeitgenössischen Schliff erfahren hat. (mic)

Sie teilten also mit Menschen, deren Einstellung sie kritisieren, dieselben musikalischen Vorlieben. Eine heikle Gratwanderung.

Es war weniger eine Frage des Geschmacks. Vielmehr ein Akt der Piraterie und des Lustgewinns, den man hat, wenn man jemandem etwas wegnimmt, auf das er nicht alleine Anspruch hat. Ich zerschlug das Gebäude, das die Traditionalisten um sich aufgebaut haben. Die Linken allerdings meinten, sich wegen meinen Projekten schämen zu müssen, weil so viele Leute auf die Umsetzung von traditioneller Musik angesprochen hatten.

Könnte es sein, dass Sie und FPÖ-Politiker Jörg Haider, der aus derselben Ortschaft stammt wie Sie, daheim die gleichen Lieder singen?

Ich denke nicht. Wenn Haider singen würde, wäre er nicht so, wie er ist. Denn ich glaube ganz fest an den Spruch:"Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder".

Weshalb hängen Sie so hartnäckig an diesen traditionellen Weisen?

Ich mag diese Lieder ganz einfach. Seit 20 Jahren gehen sie mir nicht mehr aus dem Ohr. Sie sollen nicht mehr länger in kleinen Gettos gepflegt werden, in Dreigesängen oder Stubenmusis. An solche Heimatabende wagen sich ja viele gar nicht hin. Denn wer dort nicht Tracht oder Lederhosen trägt, wird behandelt wie ein Aussätziger.

Sie sind viel gereist. Erstmals als junger Mann, als sie mehrere Jahre in Südafrika, Kanada und auf den Philippinen unterwegs waren. Weshalb zog es Sie fort?

Ich verliess Österreich als ich 21 Jahre alt war. Das Umfeld, in dem ich mich bewegte, meine Eltern, meine damalige Frau und deren Familie, waren strikte dagegen dass ich Musiker werden wollte. So packte ich meine Sachen. Nach vier Jahren liess ich mich von meiner Frau scheiden, dann begann ich zu musizieren.

Was hat Sie inspiriert?

Auf den Philippinen besuchte ich das Dorf eines alten Volksstammes, der weitab der Zivilisation auf Pfahlbauten lebt. Wenn die Leute Musik machten, hat das ganze Dorf gesungen, getanzt, getrommelt. Fast jeden Abend. Dort lernte ich ihre Musik und ihre Gesänge. Ich erlebte Musik in ihrem ursprünglichen Sinn und habe viel darüber nachgedacht.

Was wollten Sie in Österreich damit anfangen?

Ich dachte mir, wenn ich zurück bin, will ich schauen, ob es da nicht auch, etwas verschüttet, diesen Kern in der österreichischen Volksmusik gibt, der die Leute berührt und zusammenbringt. Das ist mir dann ja auch gelungen.

Sie stürmten darauf Hitparaden, heimsten Preise ein. Sie wurden ein Star. Ende 1994 kam das Ende mit der Band und Sie gingen wieder auf Reisen. Nach Tibet, in verschiedene afrikanische Länder. Mussten Sie den Kopf durchlüften?

Der Schauspieler Helmut Qualtinger hat einmal gesagt, es gibt eine Vernichtung durch Anerkennung. Das spürte ich. Der Hype rund um mich und meine Band wurde mir zu viel. Es gab Umarmungen von Leuten, die ich nicht schätzte. Ich wollte zudem auch an anderen Orten auf der Welt zu Hause sein. Und so bedurfte es eines Aufbrechens zu neuen Ufern. Die Erkenntnis meiner Jugend, dass Tradition etwas Ausschliessendes hat, lastete auf meinen Schultern. Immer die selben Gamsbärte und Lederhosen, nein, danke. Ich wusste schon in jungen Jahren, dass ich nie so werden wollte. Die Reisen haben es möglich gemacht, dass ich meine österreichische Heimat ertragen und schätzen kann.

Rock & Pop "Antidroge zum Fundamentalismus"

AP 25. Februar 2003 | Foto: AP

Hubert von GoisernFrankfurt/Main (AP) "Da gibt's wunderschöne Melodien, die in ihrer Schlichtheit trotzdem sehr gehaltvoll sind." Für Hubert von Goisern ist das der Antrieb, Lieder aus seiner Heimat auch so zu singen. Sein Album Trad II (Blanko Musik) hat der Mann aus dem Salzkammergut in Österreich mit seiner Band hoch oben in den Bergen, auf 2.000 Metern Höhe eingespielt - sehr akustisch, aber doch auch mit Slide-Gitarre und anderen Einflüssen kombiniert.

"Ja, auf der einen Seite habe ich die Elektrogitarre und das rockige Element weggenommen und hab's ein Stück traditioneller gemacht", erklärt er im AP-Interview. "Aber offensichtlich ist es gerade das, was die Brüche noch krasser aufzeigt, in meinem Umgang mit der Tradition." Und setzt gelassen hinzu: "Ich seh mich da eh sowieso mehr als die Antidroge zum Fundamentalismus."

Mit seinen Trad-Liedern geht von Goisern jetzt auf große Tournee, bis weit in den Sommer hinein mit Stationen in Österreich, der Schweiz und weit über die Mainlinie hinaus ins tiefste Norddeutschland. Nahebringen will er seine Musik vor allem jenen Leuten, "die da einen Abwehrreflex haben", weil im deutschsprachigen Raum ein bitterer Beigeschmack bei Tradition und Volksmusik dabei sein könne. "Weil diese ganze Vergangenheit mitschwingt, damit Nationalismus verbunden wird und dieses ganze es muss so bleiben wie es ist", sagt er im AP-Gespräch. "Ihnen zu zeigen, dass die Volksmusik, die volksmusikalische Tradition, a priori nicht politisch ist, sondern - es sind schöne Melodien oder es sind Melodien, die nicht schön sind."

Gerade beim Spielen von Volksliedern habe er das Gefühl, dass es "auch um eine Intimität geht", sagt der 1952 in Bad Goisern geborene Musiker. Er sei neugierig darauf, ob sich das in einer größeren Halle übertragen lässt. "In Clubs mit 500, 600 Leuten kann ich mir das sehr gut vorstellen, aber so groß wie die Frankfurter Oper, 2.000 Leute oder was da reingehen - ich bin neugierig, wies funktioniert. Weil es eigentlich was Intimes ist."

Bei seinen Reisen nach Afrika habe er gespürt, dass Tradition ein Schutzpanzer sein könne. Tradition - von Essen über Sprache bis zu Musik und Literatur - schaffe Identität, das aber um den Preis einer Ausschließlichkeit, die bis zum Chauvinismus gehen könne. "Damit es wirklich funktioniert, damit ich mich wirklich wohl fühle, muss ich auch viel von dem aufgeben, was ich mir so angeeignet habe: routinehafte Lebensführung. Dasselbe gilt beim Musizieren. Wenn ich mit einem Ägypter zusammen musiziere, mit einem Tibeter oder einer Afrikanerin, dann muss ich bereit sein, ein Stück von meiner Tradition abzurücken. Denn wenn die es machen, wie sies immer gemacht haben, und ich bleib genau bei dem was ich mache, dann kommen wir nie zusammen. Wir müssen auch ein Stück unserer Identität aufgeben, preisgeben und uns hinüberbewegen und etwas anderes annehmen. Dann passiert auch eine Verständigung, weil Musik nicht an eine Sprache gebunden ist, sondern eine Meta-Ebene einer Sprache ist. Wenn man aufmacht ist es möglich, dass man sofort miteinander kommunizieren und eine Verbindung herstellen kann."

Die letzte Afrikareise vor zwei Jahren sei teilweise sehr schmerzvoll gewesen, weil er vieler Illusionen beraubt worden sei. "Aber wenn sie dann weg sind, dann ist es total befreiend. Ich habe jetzt einen lockereren Umgang auch mit meiner eigenen Tradition, mit dem Chauvinismus, der mir entgegenschlägt, zuhause in Bad Goisern. Wenn ich mir denk': Ja, warum sollen die anders sein wie in Senegal? Ich bin nicht mehr so vorwurfsvoll."

Und überhaupt: "Ich glaube fest daran, dass sich die Dinge ständig verändern. Ich bin ein Optimist und denke, sie verändern sich zum Guten, zum Erweitern. Der Horizont aller Leute wird einfach weiter. Für manche ist das schmerzhaft, aber es ist eine Tatsache."

Weltmusik aus dem Salzkammergut

Anzeiger Online 24. Februar 2004 | Text: Helga Schabel

Hubert von Goisern singt die Volkslieder seiner oberösterreichischen Heimat so, dass auch Leute sie anhören, die sonst mit Folklore nichts am Hut haben. Wir trafen HvG vor seinem Tourneestart.

Zum Interview in einem der besseren Zürcher Restaurants kommt Hubert von Goisern im roten Daunenanorak. Die "Goiserer", die ihren Namen von Huberts Heimatort Goisern haben und die in Österreich synonym sind für ländliche Fussbekleidung, hat er daheim gelassen. "In den Bergen fühl ich mich geborgen", wird er uns später erzählen. Das ist auch die Erklärung für den ungewöhnlichen Ort, an dem seine neue CD Trad II entstand und dann auch präsentiert wurde: in einem stillgelegten Hotel auf dem Krippenstein, einem beliebten Skiberg der Österreicher im Dachsteinmassiv auf 2100 m Höhe. "Auf die Idee hat mich mein Vater gebracht, der mir eines Tages beim Mittagessen erzählte, dass das Hotel schon vor einiger Zeit geschlossen worden war." Was der Vater bedauerte, hatte er doch in den Nachkriegsjahren, obwohl gelernter Coiffeur, selbst daran mitgebaut und damit die Familie über Wasser gehalten in dieser schwierigen Zeit.

Klausur auf dem Berg

Dem Sohn konnte nun gar nichts Besseres passieren. Er vergatterte sein ganzes Team, Musiker und Techniker, zur Bergklausur im eingeschneiten Haus mit der gespenstischen Atmosphäre. Gleich dreimal wurde die gesamte Studioausrüstung hinaufgeschafft mit der Bahn, denn nicht nur die Aufnahmen wurden hier gemacht, sondern auch Postproduktion und Mischung. Noch ein Jahr später freut sich Hubert über seine damalige Glanzidee: "Wir waren die ganze Zeit unter uns, keiner konnte am Abend davonlaufen, da entstand eine ganz spezielle Stimmung." Und sogar zum Skifahren ist man gekommen - nachts bei Vollmondschein. Ist er ein guter Skifahrer? "Passt scho", sagt er mit seinem trockenen oberösterreichischen Bergler-Charme und streicht sich die Butter aufs Brötchen. Denn richtiges Essen gibts erst später ... Genossen hat den ungewöhnlichen Produktionsort übrigens auch Bongo, Huberts Vierbeiner. Der tollte herum und frass Schnee vor Begeisterung, wohingegen das naturferne Journalistenvolk ziemlich stöhnte, als es zur Präsentation ebenfalls auf den zugigen Berg zitiert wurde. Doch gaben die meisten anschliessend trotzdem zu, dass die neue CD besonders gelungen ist, so warm und echt und authentisch.

Künstlerische Freiheit

Aufgenommen hat Hubert von Goisern Volkslieder aus seiner oberösterreichischen Heimat, die auf der vorhergehenden CD Trad I keinen Platz mehr gefunden hatten. Und dass diese sich nun selbst Leute anhören, die gewöhnlich um derlei Musik einen grossen Bogen machen, hat damit zu tun, dass er die alten Melodien originell instrumentiert, mit einem modernen Sound unterlegt hat und sie mit seiner rauen Stimme ganz unpathetisch und fern allen Kitschs singt. Das klingt dann manchmal nach Hawaii oder nach Asien. Und auch bei den Texten nimmt sich Hubert von Goisern die Freiheit zum Eigenen. Den Gamserln (Gämsen) dichtet er im Jägerlied rosa-lila Sonnenbrillen an, lässt sie nach Marzipan und Vanille schmecken? Das ist seine "Rache" an der schiessenden Zunft. "Denn wenn ich auch weiss, dass Jagd sein muss, kann ich mit diesem archaischen Trieb doch nichts anfangen." Dieser freie Umgang mit der Tradition wird nicht von allen geschätzt. Deshalb verwendet Hubert von Goisern den Namen seines Heimatorts zwar als Künstlername (bürgerlich heisst er schlicht und einfach Hubert Achleitner), aber sonst hält er schon seit langem Distanz zum Dorf am Fuss des Dachsteins (dem oberösterreichischen Säntis). "Ich würde dort nur Streit kriegen mit allen ohne Ende", meint er und: "Ich lass mir von niemandem sagen, wie ich Musik machen soll."

Spätzünder

Ungehalten reagiert der Dickkopf auch, wenn man ihn über Privates fragt, seinen früheren Beruf als Chemielaborant, seine Familie. "Das ist unwichtig, ich mache Musik, und darüber rede ich in der Öffentlichkeit." Immerhin ist so viel aus ihm herauszukriegen, dass er daheim als Bub der einzige war, der Musik machte, Rock und Blues vor allem. Jodeln hat der Oberösterreicher erst mit 37 gelernt. Zum Üben ging er auf eine Autobahnbrücke, "nicht nur weils am Anfang so schaurig klingt, sondern auch, weil man sich da selbst nicht hört und daher das Gefühl im Körper entwickelt, das so wichtig ist fürs richtige Singen". Später hat er dann festgestellt, dass auch die tibetischen Mönche ihre rituellen Gesänge an Wasserfällen üben. Noch in anderen Bereichen scheint Hubert von Goisern übrigens ein Spätzünder zu sein. Für den Bund der Ehe mit der Mutter seiner Kinder konnte er sich erst entschliessen, als Sohn Nico schon einige Jahre zur Schule ging und Tochter Laura auch schon eingeschult wurde (privates Detail, das wir ihm doch noch entlocken konnten).

Später Ministrant

Ministrant wiederum wurde der in gut katholischer Tradition Aufgewachsene erst in einem Alter, da andere bereits die Priesterweihe oder ähnlich Erstrebenswertes hinter sich haben. "Mit 33 habe ich eineinhalb Jahre lang in der Wiener Augustinerkirche ministriert." Warum gerade dort? "Weil es die einzige Kirche war, in der die Messe noch auf Lateinisch gelesen wurde. Das ist für mich eine abstrakte Sprache. Auf Deutsch kann ich dagegen nicht zu Gott Vater beten, dieses Maskuline in der Religion geht mir nämlich gegen den Strich und ich lehne es ab." Hört! Hört! Die feminstischen Theologinnen hätten gewiss ihre Freude an Hubert von Goisern! Auch wenn er schon vor langem aus der Kirche ausgetreten ist, obwohl er "es schön findet, wenn Menschen einer Glaubensgemeinschaft angehören".

Geistiges Vorbild

Ist er Buddhist? So gelassen, wie er wirkt, könnte es gut sein, zumal er ja auch den Dalai Lama persönlich kennt. "Nein, mit dem Buddhismus habe ich mich nie vertieft beschäftigt, den Dalai Lama aber wiederholt getroffen." Was fasziniert ihn an dem Mann? "Ich kenne niemanden, der so viel Grund zur Trauer hat und trotzdem das Lachen nicht verlernt hat. Mich beeindruckt, mit welch grosser Ernsthaftigkeit und Ausschliesslichkeit er Verantwortung trägt für sein vertriebenes und unterdrücktes Volk."

Freundin Jane Goodall

Gar Freundschaft verbindet Hubert von Goisern mit einer weiteren Promi-Persönlichkeit - mit der bald 70-jährigen Schimpansenforscherin Jane Goodall. Mehrere Monate hat er insgesamt mit ihr zusammen verbracht, in Afrika, England, Taiwan. "Mir gefällt ihre Sanftmut, ihre Eleganz, wie sie barfuss leichtfüssig durch den Urwalddreck läuft", schwärmt er und: "Jane Goodall und der Dalai Lama sind für mich Vorbilder im Umgang mit Widrigkeiten." Er selbst tröstet sich über Widrigkeiten hinweg mit Musikhören, "am liebsten Verdi, Schumann, Wagner und alle Sträusse". U-Musik hört er dagegen kaum - auch wenn er Vorbilder hat, Miles Davies, Louis Armstrong, Reggae. "Ich habe meine Musik im Kopf, das ist es, was am stärksten in mir klingt." Und ab sofort klingt sie auch wieder live für die Fans. Diese Woche startet Hubert von Goisern seine Tournee Trad II in die deutschsprachigen Lande (siehe Kasten). Mit von der Partie in der fünfköpfigen international besetzten Band ist auch der Schweizer Gitarrist Max Lässer.

"Ich reisse Löcher in die Bunker, weil ich den Mief nicht aushalte"

14. Februar 2004 | Text: Sarah Marchant | Foto: Dachstein Tourismus

Hubert von Goisern und BongoHast Du Deine Winterpause genossen?

Naja, viel Pause war da nicht. Ich habe die Zeit genützt, um das Studio fertig zu bekommen und dann auch schon die erste Probe für die neue Tour gemacht. Dann war ich auf Kurzbesuch in Kairo, um mich mit Mohamed Mounir zu treffen; wir planen ein gemeinsames Konzert in Kairo. Es ist noch ein weiter Weg, bis alles geklärt ist, aber inshallah werden wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen. Erst die letzten paar Tage kam ich ein wenig zum Schifahren. Das war wunderbar. Ich habe Toni Rosifka auf der Simony-Hütte besucht und Zeit am Gletscher verbracht. Es verblüfft mich immer wieder, wie nah diese andere, fremde, gewaltige Welt doch ist. Ich habe sie jede Tag vor Augen, aber erst wenn ich sie betrete öffnet sie sich für meine Sinne.

Und freust Du Dich schon auf das bevorstehende Jahr?

Sehr! Es wird eine große Herausforderung mit diesen wunderbaren Musikanten ein Programm zu spielen, welches ausschließlich aus Volksliedern und Jodlern besteht.

Ende letzten Jahres hast Du gesagt, dass diese Tournee vielleicht die Letzte für eine Weile sein wird. Zieht Dich irgend etwas Besonderes von der Bühne weg?

Das Unbekannte zieht mich an. Ich weiß noch nicht, was auf mich zukommen wird. Ich möchte jedenfalls den Rhythmus brechen. Seit Oktober 1999, als ich mit der Arbeit an Fön begann, bin ich unaufhörlich am Produzieren und Touren. Ich habe das Gefühl, für den nächsten Schaffensabschnitt brauche ich Muse und das heißt Zeit. Ich habe ein paar vage Ideen, die muss ich reifen und sich entwickeln lassen.

Inwieweit sind Deine Tourneen für Dich ein notwendiges Marketing-Übel?

Ich liebe es unterwegs zu sein, on the road bin ich mindestens ebenso zu Hause wie in Goisern oder Salzburg, wo ich meinen Wohnsitz habe. Was ich nicht mag sind Promotion-Reisen. Ich gebe zwar auch gerne Interviews, wenn der Gesprächspartner neugierig ist und intelligente Fragen stellt, aber in einer Welt der Informations- und Reizüberflutung habe ich oft das Gefühl, Schweigen ist die größere Herausforderung als zu reden.

Wenn Du auf der Tour jeden Tag in einem relativ kleinen Kreis von Musikern und Technikern verbringst, wird es Dir da jemals zu eng und klaustrophobisch?

Nein, bis jetzt noch nicht. Wenn ich mich zurückziehen möchte geht das immer irgendwie.

Was ist für Dich das Schönste an den Tourneen und was ist das, was Dir am schwersten fällt?

Ich mag alles - ausser an den spielfreien Tagen ein winziges, lautes Hotelzimmer und keine Möglichkeit an ein anständiges Essen zu kommen.

Wenn Du auf Tour bist, dämmt die Tour-Routine den Fluß Deiner kreativen Säfte?

Es ist nicht die Routine, die hemmt, aber auf Tour bin ich ganz auf den Abend, das Konzert ausgerichtet. Den Rest des Tages läuft alles auf Sparflamme.

Was fühlst Du, wenn Du über die kommenden Konzerten mit den neuen Bandmitgliedern nachdenkst?

Wir beschäftigen uns im Vorfeld ausschließlich mit musikalischen Aufgaben. Ich versuche, nicht über die Konzerte nachzudenken - das würde mich nur noch nervöser als ich es eh schon bin.

Zwei CD's, ein Film und jetzt eine lange Tournee: Ist es Deine Absicht, das Trad-Genre noch weiter auszubauen?

Ich denke nicht darüber nach. Pläne hab ich keine. Vielleicht hat sich das Thema nach dieser Tour erschöpft. Keine Ahnung. Alles ist möglich. Aber nach diese Produktion glaube ich erstmal eine Auszeit von Volksliedern zu brauchen.

Wenn Du nicht den Mut gehabt hättest, diese Volkslieder selbst zu modernisieren, glaubst Du, das sie schließlich einem breiteren Publikum wegen der ziemlich unversöhnlichen Besitzgier den 'Musikpolizei' verloren gehen würden?

Es ist vielmehr die Spiessigkeit vieler Protagonisten, die es für die Meisten schwer macht, diesem Genre etwas abzugewinnen, der Argwohn gegenüber Neuem, Fremdem, die Ablehnung jedweder Entwicklung. Aber diese Haltung findet man bei den meisten Traditionalisten auf der ganzen Welt. Man könnte auch sagen, ohne diese Spiessigkeit gäbe es überhaupt keine Tradition. Ich gehöre ja zu jenen, die den Zaun niederbrechen, ich reisse Löcher in die Bunker, weil ich den Mief nicht aushalte. Für manche, die ihre Nase noch nie in den Wind gehalten haben, ist das halt der Duft, den sie Heimat nennen, der ihnen Geborgenheit vermittelt. Ich decodiere die Routine. Insofern verstehe ich die Panik.