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HUBERT VON GOISERN & MOHAMED MOUNIR

Der Rhythmus führt alle zusammen

Blanko Musik Februar 2003 | Foto: © Alex Schütz
Mohamed Mounir und Hubert von Goisern

Kultur als Zweibahnstraße:
Warum Hubert von Goisern und der ägyptische Popstar Mohamed Mounir miteinander auf Tour gehen

Vom Dialog der Kulturen wird viel geredet. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass so manche ihr eigenes Süppchen kochen und Klischees Hochkonjunktur haben. Oder ist es um den Gedanken von einer Welt doch nicht so schlecht bestellt?

"Das muss wohl ein Irrtum sein", dachte sich Hubert von Goisern, als vergangenes Jahr bei ihm das Goethe-Institut anfragte, ob er Lust habe, etwas mit ägyptischen Musikern zu machen. Es war kein Irrtum. Den kulturellen Dialog gibt es noch immer, und da spielt es keine Rolle, ob nun jemand aus Österreich oder aus Deutschland kommt. Weil HvG mit seiner Band ohnehin gerade an einer Reise nach Afrika bastelte, kam ihm das nicht ungelegen. Reisen und Musik zu machen interessiert ihn nun mal. Und wer weiß, was dabei heraus kommt...

Heraus kam das, was nicht viele erwartet hätten. Der umjubelte arabische Popstar Mohamed Mounir und der österreichische Weltmusiker gaben nicht nur ein gemeinsames Konzert im oberägyptischen Assiut, einer einstigen Fundamentalistenhochburg. Es entstand eine Freundschaft, die weit über das musikalische hinaus ging und HvG wieder nach Kairo führen sollte - und Mohamed Mounir dieses Jahr nach Europa führen wird. Doch der Reihe nach.

Gerade mal drei Stunden vor Konzertbeginn ist es, als am 13. März 2002 der österreichische Weltmusiker und der nubische Popstar in einem Assiuter Hotelzimmer aufeinander treffen. Und man würde wohl lügen, wenn man jetzt erzählt, dass sie sich auf den ersten Blick super verstanden hätten. Der eine spricht kein arabisch, der andere nur mäßig englisch. Nicht die beste Voraussetzung für ein Gespräch. Dann sitzt ihnen noch die Uhr im Nacken: In 180 Minuten soll es auf die Bühne gehen.

Und plötzlich strahlt er

Etwas verkrampft und ein wenig zaghaft beginnen die Beiden mit ihren Musikern zu improvisieren. Es vergehen keine zehn Minuten, und die Gesichter von Mohamed Mounir und Hubert von Goisern entspannen sich: Mit dem Rhythmus ihrer doch recht unterschiedlichen Musik finden sie zueinander, plötzlich strahlt der eine über das ganze Gesicht, als er sieht, was man mit einem Steirischen Akkordeon für Töne machen kann. Und der andere ist begeistert, wie das alles mit der Oud, der arabischen Kurzhalslaute, harmoniert.

Und dann das Konzert. Bereits am Nachmittag drängeln sich Tausende von Studenten und jungen Menschen auf dem Campus der Universität von Assiut, um später auf dem riesigen Platz den besten Platz zu erheischen. Die Ordner und die Polizei versuchen die mehr als 17.000 Menschen in ihrer Euphorie zu bremsen, doch immer wieder werden Absperrungen und Schranken durchbrochen. Trotz allem: Es bleibt friedlich und als Hubert von Goisern auf die Bühne tritt, jubelt das Publikum. Man ist neugierig auf den Menschen, den sie schnell "den Mann mit der Safran-Hose" nennen. Das die Leute nach einem Lied kaum klatschen, irritiert den Österreicher jedoch. Später, beim Auftritt von Mohamed Mounir, merkt er dann, dass das wohl normal ist. Begeisterung artikuliert sich hier nicht in Form von Applaudieren. Als er während des Auftritts von Mohamed Mounir vom heimischen Popstar noch mal auf die Bühne geholt wird, kreischen und jubeln die Menschen. Da ist es wieder: Der Rhythmus, der Gesang, die Bewegung - sie kennen keine Grenzen. Nach dem Konzert müssen HvG und seine Musiker Hunderte von Händen schütteln, Autogramme geben und werden mit Fragen und Komplimenten überschüttet. Hat man das in Europa schon mal erlebt, dass die Menschen nach einem Konzert so neugierig und wissbegierig sind?

Aber da ist noch ein wenig mehr als die Faszination und das Interesse für fremde, unbekannte Musik. Nach drei gemeinsamen Songs beim Konzert und nach einem langen Abend in der Wohnung von Mohamed Mounir entdecken die Beiden, dass "man da einfach was miteinander machen muss". Mounir gilt in Ägypten nicht nur als Popstar, mit seinen durchweg gesellschaftsbezogenen und politischen Texten dient er vielen in seiner Heimat auch als Sprachrohr. Der aus Nubien stammende Musiker sieht sich als Mittler zwischen Orient und Okzident. Dass der euro-arabische Dialog gerade in diesen Zeiten besonders wichtig ist, sehen beide Musiker als eine Selbstverständlichkeit an - gerade auch, weil die Welt nach den Anschlägen vom 11. September mit Klischees übersät ist. Und vielleicht lassen sich die Früchte dieses Dialogs einem noch viel größeren Publikum antragen.

Jetzt, ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung, wird der kulturelle Dialog in Europa in die Tat umgesetzt. So wie Mounir seine Popularität in Ägypten nutzte, um HvG vorzustellen, wird Hubert von Goisern seine Bekanntheit nutzen, um dem arabischen Star in Deutschland und Österreich ein Forum zu bieten.

Ein Geben und Nehmen

Aber das ist natürlich nicht alles, weil Zusammenarbeit eben mehr bedeutet, als nur zusammen auf der gleichen Bühne zu stehen. Inzwischen haben die beiden Musiker mehrere Lieder einstudiert, die sie bei ihrer Tournee miteinander spielen werden. Mit Hilfe des Internets schicken sie sich seit Monaten Soundfiles hin und her, tauschen sich aus, basteln an neuen Songs. Wenn alles so läuft, wie sie es sich derzeit vorstellen, werden sie zusammen eine Single veröffentlichen.

Vielleicht werden dann wieder ein paar Menschen mehr einsehen, dass kultureller Dialog nicht nur eine Beschäftigung für Schöngeister, sondern ein zentraler Aspekt internationaler Beziehungen ist - und zwar nicht nur als schmückendes Beiwerk, das die Außenpolitik flankiert. Wie sagte der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss einmal zur Kulturpolitik: Sie sollte ein freudiges Geben und Nehmen sein. Kein einseitiger deutscher Kulturexport, keine deutsche Leitkultur für das Ausland, sondern ein lebendiger Austausch von Erfahrungen und Ideen in einer globalisierten Welt, in der nicht nur die Wirtschaft globalisiert sein darf.

Die Begegnung von Mohamed Mounir und Hubert von Goisern hat gezeigt, wie wenig es eigentlich bedarf, damit zwei so unterschiedliche Kulturen sich näher kommen.

Hubert von Goisern und Mohamed Mounir: Konzert in Assiut | Grenzenlos Tour 2003

Steirisches Akkordeon meets arabische Laute

Hessischer Rundfunk 31. März 2003 | Fotos: HR

Hauptsache Kultur!: Der Almrocker Hubert von Goisern und der ägyptische Popstar Mohamed Mounir

Hubert von Goisern und Mohamed MounirDer ägyptische Popstar Mohamed Mounir und der österreichische Alpenrocker Hubert von Goisern - ein ungewöhnliches Musikergespann. Ungewöhnlich ist auch ihre Geschichte: Auf Vermittlung des Goethe-Instituts trafen sich die beiden vor einem Jahr im ägyptischen Assiud, einer einstigen Fundamentalisten-Hochburg, und zwar gerade mal drei Stunden vor einem gemeinsamen Konzert. Die Profis rauften sich zusammen und begannen zu improvisieren. Die Musiker fanden schnell einen gemeinsamen Rhythmus, das Steirische Akkordeon harmonierte mit der arabischen Laute Oud.

Der Alpenrocker Hubert von Goisern holte sich schon oft Anregungen in anderen Kulturen. Als Idealist träumte er den Traum, dass Musik die Völker verbindet. In Assiud schien sich der Traum zu erfüllen. Das Konzert war ein Riesenerfolg.

Gestern in Frankfurt. Der Krieg tobt in der Ferne und ist doch überall präsent hier. Hubert wartet auf seinen Freund Mohamed. Aber der steht heute wieder spät auf. "Ägyptischer Tagesrythmus," sagt Hubert. Chance für einen Bummel über den Römerberg. Eine Postkarte vom zerstörten Frankfurt. Deutsche Zeitungen. Und arabische für den Sänger. Inzwischen ist es 13.00 Uhr, der Nachtmensch Mohamed ist jetzt wach. Seitdem die Bombardierung Bagdads begonnen hat, reden die beiden immer wieder über den Krieg. Hubert zeigt Mohamed die Postkarte: "Dieses Bild von Frankfurt habe ich gefunden, das ist vom Ende des Krieges. Die Leute hier haben erlebt, was Zerstörung bedeutet. Auch deshalb sind sie gegen den Krieg."

Hubert von GoisernHubert und Mohamed sehen sich nicht als Politische Botschafter. Ihre Botschaft ist die Musik. Für naiv wollen sie deshalb nicht gehalten werden: "Es ist noch viel naiver," sagt Hubert, "dass man glaubt, durch Krieg Frieden herbeizuführen, und das ist wohl allen klar. Ich denke, Musik zu spielen, wie wir das im Sommer machen werden, zwei Wochen lang, gemeinsam auf Tournee gehen, gemeinsam auf der Bühne stehen, vor vielen Tausend Leuten singen. Das ist ein Gefühl des Zusammenseins. Nicht nur für uns, sondern auch für die Leute, die das miterleben. Es ist ein großes Fest der Verbrüderung."

In Assiud gab's Verbrüderung nicht zuletzt zwischen steirischem Akkordeon und arabischer Laute. In Frankfurt: Bilder vom Krieg in deutschen und arabischen Zeitungen. In beiden Ländern Entsetzen über die Gewalt. Und Wut auf die USA. Vor allem in Ägypten scheint die Abscheu vor dem irakischen Diktator dabei immer mehr in den Hintergrund zu treten.

"In Ägypten," sagt Mohamed, "gibt es viel Mitgefühl für das, was im Irak passiert. Das zeigt sich durch tägliche Demonstrationen, durch lauten Protest. Aber ich möchte dazu auch selbst etwas sagen. Ich glaube, dieser Krieg ist völlig unfair. Weil auf der einen Seite eine riesige Macht steht und auf der anderen Seite gar nichts. Aber ich hoffe, wir, die Menschen, die diesen Krieg nicht wollen, sind in der Mehrheit. Deshalb müssen wir uns am Ende durchsetzen, das hoffe ich."

Mohamed MounirDer Dialog der Kulturen hat zumindest in Assiud hat funktioniert, und 17 000 jubelten. "Ich glaube nicht," sagt Hubert, "dass uns ein Zacken aus der Krone bricht, den wir eh nicht haben wollen, nur weil wir uns auf eine andere Melodie einlassen, auf eine andere Art Rhythmus. Es ist nur bereichernd. Wir stellen uns nebeneinander hin und zeigen, dass es funktioniert. Jede Stunde, die ich mit Mohamed zusammen verbringe, lerne ich ein bißchen mehr über ihn und auch von ihm."

Und Mohamed: "Es gibt sehr viele Sachen, die wir noch lernen sollten. Wir müssen verstehen, was um uns herum passiert, offen sein. Aber Ignoranz und Diktatorenregime müssen wir bekämpfen."

Kämpfen mit Worten und Musik - in diesen Tagen ein fast rührendes Ansinnen. Im Juni und Juli gehen die beiden Musiker nun gemeinsam auf Deutschlandtournee und spielen u.a. auch auf dem Hessentag in Bad Arolsen.