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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

Wenn Alpenrocker am Neckarstrand jodeln ...

Rhein-Neckar-Zeitung 22. Juli 2008 | Text: Peter Wiest | Foto: Bernhard Kreutzer

... dann hat Hubert von Goisern im Rahmen seiner "Linz Europa Tour" Anker geworfen
Tolles Konzert vor einmaliger Kulisse

Hubert von Goisern & Band

Hirschhorn. Hubert von Goisern hat eine Mission. Aber er ist kein Missionar: ganz und gar nicht. Nein, der 55-Jährige steht eine Stunde nach Beginn seines Konzerts am Neckarlauer in Hirschhorn mit der ganzen Abgeklärtheit, Routine und Gelassenheit des gestandenen Musikers zwischendurch einfach mal so da und erzählt ein bisschen. Er erzählt von den Menschen in Osteuropa, die er kennengelernt hat, als es um die Vorbereitungen der Linz Europa Tour ging - und den Erfahrungen, die er dabei gemacht hat und die er in einem einzigen Satz zusammenfassen kann: "Wir hier denken, die nehmen uns den Wohlstand weg. Und die denken, wir rauben ihnen noch das letzte Hemd".

Das sitzt. Und mehr braucht man dazu auch nicht zu sagen: Mission erfüllt. Also schnell zurück zur Musik: Denn Hubert von Goisern hat auch eine Passion. Und die lebt er bei dieser einzigartigen Linz Europa Tour, die ihn auf einem zum Konzertschiff umgebauten 77 Meter langen Frachter auf dem Neckar, dem Main und dem Rhein bis hinauf nach Rotterdam führt, aus wie nie zuvor - mit gelinde gesagt erstaunlichen Ergebnissen.

Zweieinhalb Stunden lang gibt Goisern mit einer mehr als soliden, stellenweise fantastischen Band ein Konzert der Superlative mit Musik, die in keine Schublade passt. Wollte man sie trotzdem kategorisieren, müsste man sie vielleicht "EthnoCrossover Weltmusik" nennen - oder so ähnlich.

Solche Wortungetüme sind natürlich blanker Nonsens - und würden noch nicht einmal annähernd das treffen, was Goisern mit seinen Musikern auf die Schiffsplanken zaubert. Man muss das auch gar nicht mit Worten zu beschreiben versuchen: Man muss es einfach hören.

Wie am Sonntagabend in Hirschhorn, wo Goiserns Barke vielleicht 3000 Menschen anlockt, die ein außergewöhnliches Konzert erleben dürfen. Allein das Ambiente ist einmalig: Fast alle Besucher fragen sich hinterher, warum es hier am Neckarufer nicht schon längst solche Open-Air-Konzert gegeben hat.

Wenn dann die Ziehharmonika auf die E-Gitarre trifft, jodelt nicht nur der Mann vorne auf den Schiffsplanken: Immer wieder werden AlpenPublikum angestimmt. "Showtime" hat Goisern zu Beginn ausgerufen - und da mit nicht zu viel versprochen. Ein paar altvertraute Songs sind noch da, dazu viele neue, meist aus dem S'Nix. Der eine oder andere Blues, eine fantastische Austro Mercedes Benz - und immer wieder tolle Soli des Gitarristen Severin Trogbacher, der wunderbaren bulgarischen Gadulka, des Meisters höchstselbst, der ein perfekter Multi-Instrumentalist ist und neben der Ziehharmonika die Trompete handhabt wie ein alteingefleischter Jazzer.

Da kann selbst der Wettergott nicht anders und lässt die Himmelsschleusen trotz bedrohlich dunkler Wolken zu an diesem wunderschönen Abend, an dem einfach alles passt. Schade, dass es so etwas nicht öfter gibt in Hirschhorn.

Hubert von Goisern: Live in Hirschhorn - 20. Juli 2008

28. Juli 2008 | Fotos: © Sarah Marchant

"Xavier Naidoo ist Teil unserer Besatzung"

Westdeutsche Zeitung 24. Juli 2008 | Text: Christoph Forsthoff

Hubert von Goisern schippert den Rhein entlang und macht Station in Düsseldorf.

Düsseldorf. Der Alpenrock ist untrennbar mit seinem Namen verbunden: Hubert von Goisern hat die traditionellen Lieder seiner österreichischen Heimat mit Blues und Rock, Weltmusik und karibischen Elementen verbunden. Der 55-Jährige ist einer, der bei seinen Projekten die Nähe zu Musikern aus anderen Ländern sucht. Derzeit ist von Goisern im Rahmen seiner Linz-Europa-Tour auf einer Schiffsreise durch Europa und wird am 28. Juli für ein Konzert mit Xavier Naidoo in Düsseldorf anlegen.

Was treibt einen Alpenländler aufs Schiff?

Die Neugier, dem Wasser zu folgen. Ich bin am Berg in Bad Goisern aufgewachsen, und dort entspringt eine Quelle und fließt in einen kleinen Bach. Der kleine Bach fließt in einen Fluss, die Traun, und die fließt weiter in die Donau, die schließlich ins Schwarze Meer mündet - und diesen romantischen Gedanken, mit dem Wasser zu gehen und zu schauen, wo es aufhört, den gab es schon lange bei mir.

Nun verfolgen Sie mit Ihrer Linz-Europa-Tour ja aber auch eine Form der "kulturellen Ost-Erweiterung".

Die eigentliche Idee, mit einem zur Konzertbühne umgebauten Schiff durch die Länder zu fahren, war mir schon vor elf Jahren in Afrika gekommen, als ich am Tanganika-See war und dort den Gedanken hatte, ein völkerverbindendes Festival mit Musikern aus all den Anrainerstaaten des Sees zu machen. Vor ein paar Jahren kam es dann zu einer Übersetzung der Idee, da mir schien, dass es gerade in Richtung Südosten und Schwarzes Meer noch einen Nachholbedarf des Einander-Kennenlernens und des Abbaus von Ängsten und Ressentiments gibt.

Nun seid Ihr auf dem zweiten Teil der Tour, der Westroute - worin liegen die Unterschiede?

Ich freue mich sehr, dass ich jetzt auch ab und zu mal das Wort an die Leute richten kann (lacht)... Denn auch wenn ich in erster Linie Musiker bin, habe ich doch schon ein wenig darunter gelitten, dass ich auf der Ostetappe mit den Leuten nicht sprechen konnte, da ich ja keine slawische Sprache beherrsche. Und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Künstlern...

... die Sie mit aufs Boot nehmen, um gemeinsam zu musizieren.

Genau. Auch wenn es nicht ganz unanstrengend ist, denn jeder Künstler - auch ich - hat ein ziemlich starkes Ego, sonst würde er nicht auf die Bühne gehen. Doch bei solch einer Zusammenarbeit muss sich jeder zurücknehmen - und diesen Punkt zu finden, wo du sagst: Jetzt überlasse ich dem anderen das Feld, das ist nicht leicht.

Knallt es da auch schon mal?

Zumindest raucht's, bis du das hinkriegst. Aber das ist auch das Spannende, denn erst in der Zusammenarbeit lernst du wirklich etwas kennen und merkst, wie der andere mit deiner Musik umgeht. Dann hörst du oft deine eigene Musik ganz anders wie etwa bei dem Titel Siagst as mit Xavier Naidoo: Ein guter Künstler hat einfach solch eine Magie, dass er etwas nimmt und es zu seinem macht.

Mit Naidoo werden Sie auch beim Konzert in Düsseldorf auftreten - wie kam es zu dem Kontakt?

Ich habe Xavier Naidoo bei einem Auftritt in Österreich besucht und war sofort von seiner Herzlichkeit überwältigt. Wie er von der Bühne mit seinen Fans kommuniziert, das ist einfach großartig und man hat das Gefühl, während des Konzertes Teil seiner Familie zu werden.

Kritiker meinen, er versinke vor Rührung über sich selbst und sein Werk in bodenlosem Pathos

Die Kritiker, die das schreiben, haben wohl noch nie persönlich mit diesem Ausnahme-Musiker zu tun gehabt. Xavier ist einer der Gastkünstler, die unseren Projektgedanken am meisten verstanden haben und lebt diesen auch mit uns. Als er aufs Schiff kam, ist er innerhalb von zehn Minuten Teil unserer Besatzung geworden. Er kennt keine Berührungsängste und ist einfach ein von Herzen lieber Mensch.

Hubert von Goisern und Band mit Klaus Doldinger: Live in Heilbronn - 19. Juli 2008

26. Juli 2008 | Foto: © Sarah Marchant
Hubert von Goisern und band mit Klaus Doldinger

Musik im Zeichen des Drachens

Stimme 21. Juli 2008 | Text: Leonore Welzin

Auch wenn es eher ein "Listening" denn ein "Singing in the Rain" war, schließlich standen die Musiker im Trockenen: Das erste Open-Air im Hafen war trotz kräftiger Schauer ein voller Erfolg. Zwei Weltenbummler und Ausnahmemusiker vor Anker: Hubert von Goisern und Band treffen auf Klaus Doldingers Passport. Nach 29 Stationen der Donaufahrt ins Schwarzmeerdelta schippert die Konzertbühne der Linz Europa Tour 2007-2009 nun über Neckar und Rhein gen Westen. Rund 3000 Besucher sind zum Konzert des österreichischen Alpenrockers gepilgert.

"Wo immer wir das Lied Regen bisher gesungen haben, hat es nicht geregnet", sagt von Goisern. Stimmt, es tröpfelt nur noch. Eine Zeile wie "Mit'n Wetter is's so wia mit da Liab, Du muasst as nehma wias kimmt und warten was draus wird" bekommt plötzlich enormes Gewicht. Was also wird an diesem Abend draus? Zum Anwärmen eine Stunde Doldingers Passport. Fit wie ein Turnschuh trabt der 72-jährige Saxofonist über die Bühne, heizt mit Gitarristen und Percussionisten die Stimmung an, ruft Erinnerungen an Marrakesch und Sambarhythmen ab. Seine berühmte Tatort-Musik, die die Band zu einer grandiosen Improvisation ausspinnt, treibt die Spannung an den Siedepunkt.

"Vor lauter Rägeschirm hebe hen die Leut koi Hand frei zum Klatsche". Das erledigen die Kapuzenfrauen und -männer. Umbau- und Pinkelpause, dann kommt er, das Urgestein ausgereifter Weltmusik.

Mit viel Schifferklavier und Jodelakrobatik zieht der Ex-Blasmusiker ein paar alte und neue Lieder durch. Dann stellt er seine Mannschaft vor, etliche im Schottenrock. Zur Crew gehört neben drei swingenden Hiatamadln die bulgarische Gadulka-Spielerin Darinka Tsekova. Von Goisern plaudert über die Erfahrungen der 7000 Kilometer langen Donaureise und das entschleunigte Lebensgefühl auf dem zur Bühne umgebauten Lastkahn.

Ein Höhepunkt des Konzerts im Zeichen des Drachen, der als großes Motiv im Hintergrund prangt, ist die posthume Umarmung Janis Joplins. Die Porsche fahrenden Freunde der Rock-Ikone kommen in Goiserns Adaption nicht vor, er wünscht sich vom Herrgott zum Mercedes-Benz einen Heiligenschein. Die ins Mark gehende Live-Version zeigt die große Kunst des Arrangeurs Goisern.

Videobilder, Lichtgeflacker und Bühnenrauch spiegeln sich im Wasser, auf dessen Oberfläche Tropfen konzentrische Kreise ziehen. Vor dunklen Wetterwolken schwebt ein Graureiher hoch über der Bühne stadteinwärts. Ob so viel Poesie sind klamme Klamotten und nasse Socken schnell vergessen. Tosender Beifall für den einzigartigen Abend.

Der Weltenjodler am Mittelkai

Reutlinger General-Anzeiger 22. Juli 2008 | Text & Foto: Armin Knauer

Konzert - Hubert von Goisern schippert als Kulturhauptstadt-Botschafter durch Europa und legt auch in Stuttgart an

Hubert von GoisernSTUTTGART. Hoch türmen sich an diesem Freitagabend die Gewitterwolken über dem Mittelkai 16 vor Obertürkheim. Das Neckarwasser schwappt flaschengrün an einen seltsamen Konvoi. Es ist das zur Konzertbühne umgebaute Frachtschiff-Gespann des Hubert von Goisern, das da am Pier vertäut liegt, um ein Publikum zu beschallen, das in der Frachthalle am Hafenkai lauscht. Dazwischen drängt sich ein glucksender Neckararm, aber die Distanz zum Publikum überbrückt der Österreicher spielend mit seiner Ausstrahlung und seiner entfesselt aufspielenden Band.

Kaum genesen gibt der 55-jährige Hubert von Goisern schon wieder alles. Liefert sich packende Duelle mit seinem Gitarristen, hilft den Background-Sängerinnen in den Rettungsring und lässt sein Publikum in der Hafenhalle schlicht staunen.

Tausende Flusskilometer hat der Musiker mit seiner Mannschaft zurückgelegt, um als Botschafter von Linz, Europas Kulturhauptstadt 2009, Brücken zu schlagen. Die Donau hinunter und hinauf, den Main hinunter, den Neckar hinauf. Jetzt liegt das Gespann aus Schubschiff, Bühnenfrachter und schwimmendem Bungalow vor Obertürkheim, und wie bestellt reißt der Himmel auf.

Gastsänger Rolf Stahlhofen

Doch erst einmal, das gehört zum Konzept, darf ein Künstler aus der Region ran, durch die man gerade fährt. In diesem Fall ist es Rolf Stahlhofen, einst Sänger bei den Söhnen Mannheims, ein stämmiger Glatzkopf Marke "raue Schale, weicher Kern". Mit eingängigem Deutschpop grast er das Bermuda-Dreieck zwischen Xavier Naidoo, Klaus Lage und Hartmut Engler ab, beschwört die Macht der Liebe und animiert das Publikum zum Mitsingen. Das ist sympathisch, hat auch Pep aber gemessen an einem Querkopf wie Hubert von Goisern ist es doch sehr stromlinienförmig.

Wie man anständig auf alle Konventionen pfeift, zeigt der zum Binnenschiffer mutierte von Goisern kurz darauf gleich in seiner ersten Nummer. Die entpuppt sich nämlich als Showdown zwischen Rockgitarre und Knopfakkordeon, und schon stürzt man Hals über Kopf in jenen aufgekratzten Cocktail aus Polka und Rock, Balkanhitze und Afroflair, mit der sich von Goisern einen Sonderplatz im Musikerolymp gesichert hat.

Ausgelassene Jodeleinlagen lösen markige Gitarrenriffs ab, eine bulgarische Fidel mischt treibende Rockbeats auf, und der Meister brilliert abwechselnd auf einer Minituba, einer Trompete und einem hohlen Stierhorn. Die drei Background-Sängerinnen glänzen auch noch mit Trommel und Geige, wenn sie nicht gerade Polka tanzen oder einen Hula-Hoop mit Rettungsringen aufs Parkett legen - augenzwinkernder Seitenhieb auf ihre verrückte Schiffstour.

Nach einer Stunde wird es ruhiger. Der schabende Ton der bulgarischen Fidel legt sich über einen groovenden Blues, aus dessen dunkler Mitte von Goisern Schreie wie von einem verliebten Kater aufblitzen lässt. Und sein Flügelhorn, das eben noch milden Abendglanz verströmt hat, röhrt nun fragend wie ein verschnupfter Elefant.

Gelächter löst von Goisern mit seiner österreichischen Variante von Janis Joplins "Oh lord won't you buy me a Mercedes Benz" aus - weil das Mercedeswerk Hedelfingen ja nur zweihundert Meter weit weg steht. Viel öfter als um Autokauf geht es von Goisern jedoch um das Fernweh ("I will weg!") und das Zurückkehren ("Die Straß', die hoim fiat") und um "die Lieb'". Aber auch in diesen leisen Nummern bleibt er eigenwillig, besingt im Grunde immer die Sehnsucht nach etwas nicht Greifbarem.

Dazwischen erzählt von Goisern von seiner Fahrt auf den Flüssen, frotzelt über osteuropäische Laxheit und deutsche Engstirnigkeit. Als Euro-Botschafter bleibt er skeptisch. Die EU habe in den osteuropäischen Ländern Ängste geweckt, habe Banker, Immobilienhaie und Firmenbosse dorthingespült - "also ois, wos da Herrgott verbot'n hot". Aber die Aussicht auf ein Reisen ohne Schlagbäume wiegt das für ihn, der überall und nirgends zu Hause ist, doch wieder auf.

Dann wird's nochmal richtig heftig. Immer schneller drehen sich die Geigensoli, immer exzessiver juchzen die Jodeleinlagen. Man merkt von Goisern nicht an, dass er noch angeschlagen ist und die Stuttgarter Konzerte ums Haar hätte absagen müssen. Er hat ja noch viel vor, weiter geht die Tour rheinabwärts und wieder hinauf; im kommenden Jahr ist dann als Finale ein großes Festival in der Kulturhauptstadt Linz geplant.

Hubert von Goisern live in Stuttgart

Kulturwoche 21. Juli 2008 | Text: Manfred Horak

Die Linz Europa Tour 2008 von Hubert von Goisern und seiner fabelhaften Band geht weiter. Das Schiff tuckert derzeit durch Deutschland, Belgien und Niederlande. Am 18. Juli hielt es im Hafen von Stuttgart, und eben dort begeisterte die Showtime von HvG mehrere Tausend Leute.

"Ein Lied wird sich erheben/Wenn das Großsegel eingeholt wird/Und das Boot zum Gestade treibt/Und die Sonne wird jedes/Gesicht an Deck beachten/Zur Stunde, wenn das Schiff dann kommt", sang Bob Dylan in When the ship comes in, einem Lied zur Überwindung der (politischen) Feinde, die begreifen, dass es ernst wird, wenn das Schiff erst einmal da ist: "Dann werden sie die Hände heben/Und sagen, wir erfüllen all eure Forderungen". Politik ist auch Thema der Linz Europa Tour von Hubert von Goisern, der, nach kurzer, dafür umso heftigeren Erkrankung, das Schiff wieder startklar machte und am 18. Juli 2008 im Hafen von Stuttgart ein ungemein druckvolles Konzert zum Besten gab. Nachdem er von Wien aus Richtung Osten, also zum Schwarzen Meer, schipperte und dort Konzert-Erfahrungen machte, die zum Teil im Album S'Nix, aber noch viel mehr auf der DVD Goisern goes East verarbeitet wurden, steht nun die andere Richtung am Programm - Deutschland, Niederlande und Belgien. Weg also von der Improvisations-Tour im Osten, hin zur Bürokratie-Tour im Westen über Neckar und Rhein bis zur Nordsee inklusive Abstecher auf belgische und holländische Wasserstraßen. Und es geht schließlich auch zurück nach Linz, über Rhein, Main, Rhein-Main-Donaukanal und Donau mit dem Finale in der Kulturhauptstadt Linz 09.

Der Hafen rockt

Das gesamte Team am Schiff ist längst eine zusammengeschweißte Partie, und die Band spielt derart innig und befreit miteinander, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, die bisher beste Live-Band von Hubert von Goisern gesehen und gehört zu haben. Ja, die Band, die ist tatsächlich sensationell und besteht aus den Damen und Herren Maria Moling (Stimme und Perkussion), Elisabeth Schuen (Stimme und Geige), Marlene Schuen (Stimme und Geige), Darinka Tsekova (Gadulka), David Lackner (Keyboard), Alex Pohn (Schlagzeug), Helmut Schartlmüller (Bass) und Severin Trogbacher (Gitarre). Nach dem alpinen Einmarsch auf die Bühne rockt sich die Band durch das Lied Showtime vom aktuellen Album und einmal im Rock angekommen, bleibt HvG dort auch die längste Zeit. Die Lieder funken und sprühen nur so vor sich dahin, verwoben mit Eleganz und Rauheit, mit Kanten und Ecken, tauchen jazzige Passagen ebenso auf wie klassischer Gesang, alpiner Jodel, balkanische Momente und allerlei Reggae affine Rhythmen, immer tänzelnd und offen für den Moment. Nach den Turbo-Druckschleusen minimiert sich zwischendurch das Tempo, die Verschnaufpausen bringen sanft eingeglättet Balladen aus dem reichhaltigen Repertoire von HvG, wie z.B. seine wohl bekanntesten Balladen Heast as nit und Weit, weit weg, aber auch Balladen jüngeren Datums wie Regen und die verkaterte Jazz-Ballade Fön.

Die dort und wir do

Vom Publikum am meisten bejubelt wurde HvG dann, wenn seine Musik die österreichische Volksmusik abtastete und mit einbezog, der Sänger seine Zieha umschnallte. Herausragend dabei Weltuntergang aus S'Nix und aus dem 1994er-Album omunduntn sein Alpin-Kracher oben und unten, immer noch ein Ohrwurm par excellence. Ungemein lässig auch seine Adaption von Janis Joplins Mercedes Benz, das live etliche Grad heißer abgeht wie seine Studio-Version auf Fön. Und zwischen all diesen euphorisierenden, abgehobenen Performances rückte, wie eingangs erwähnt, die politische Massage - äh, Message - ins Bewusstsein der mehreren Tausend am Stuttgarter Hafen. HvG sprach und erzählte Anekdoten von der Schiffstour Richtung Schwarzes Meer, von den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, dass sie sich vor der EU fürchten und vor uns aus den alten EU-Staaten, weil sie denken, dass wir ihnen noch das wenige, was sie haben, wegnehmen werden. Er erzählte auch vom Beginn der Schiffstour durch den Westen, und davon, dass sich die Leute in Deutschland vor denen im Osten fürchten, dass ihnen der Wohlstand abhanden kommt. Und er, der Sänger von den Nomaden auf neuen Pfaden, erzählte von der Bürokratie-Hörigkeit im Westen und von der "Wird scho' geh'"-Mentalität im Osten und davon wie wichtig freie Grenzen sind. Die Botschaft wird weiter getragen, von Hafen zu Hafen, von den Botschaftern des Glaubens an das Gute. Imposante Tour. Unbedingt anschauen.

Der Wasserweg ist hier das Ziel

Der Standard 21. Juli 2008 | Text: Philipp L'Heritier | Foto: DPA

Fein sein, miteinander musizieren: Hubert von Goisern trägt die Frohbotschaft seiner "Linz Europa Tour"
jetzt auch ins Schwäbische hinaus. Völkerverständigung rockt!

Hubert von Goisern

Stuttgart - Im Frachthafen der Hauptstadt Baden-Württembergs, in einer Gegend, in der Lagerplätze mit eher wenig einladenden Beschriftungen wie "Metall-Recycling" oder "Rohstoffe & Recycling" versehen sind und wo sich entsprechende Schrottberge anhäufen, jubeln in einer kleinen Nische, nahe einer Anlegestelle, rund dreitausend Menschen einem Konzert zu, das ihnen von einem Schiff herab dargebracht wird.

Im Rahmen seiner Linz Europa Tour 2007-2009 verschlug es Hubert von Goisern vergangenen Freitag in die Stadt am Neckar, die ihn sogleich überaus herzlich willkommen heißen sollte. Der aus Oberösterreich stammende Musiker, der sich mit seinem frei mäandernden, nicht allerorts mit scheunentorweit geöffneten Armen empfangenen Musikamalgam zwischen Alpenrock und aus allen Himmelsrichtungen der Welt angewehten Einflüssen stets als Mittler zwischen den Stilen und - vor allem - den Menschen versteht, bereist im Laufe eben jener Tour als eine Art kultureller Botschafter von Linz, das 2009 neben dem litauischen Vilnius Europäische Kulturhauptstadt sein wird, die Flüsse Europas. Der noble Zweck: Er versucht sich auf zahlreichen Zwischenstopps als intereuropäischer Brückenbauer.

Für die Tour wurde ein Frachtschiff, eine Barge, aufwändig umgestaltet, mit einer eigens konzipierten hydraulischen Bühne, die im Schiffsinneren versenkt werden kann, mit einer Ton- und Lichttechnik ausgestattet, und in ein, wie von Goisern selbst meint, "schwimmendes Dorf" verwandelt: mit Küche, spartanischem Wohnbereich, ausgebauten Sanitäranlagen und mächtigem Esstisch, als quasi symbolischem Herz und Zentrum des Zusammenkommens und wechselseitigen Austauschs.

Die Tour ist dabei in zwei, jeweils zehn Wochen umfassende Etappen unterteilt: 2007 führte die Reise von Goisern und sein mit Band, Technikern und Schiffscrew rund 30 Personen starkes Team, das für die Dauer des Projekts an Bord des Schiffes lebt, über die Donau ostwärts bis ans Schwarze Meer. Mit der Unterstützung von aus der jeweiligen Region stammenden Gastmusikern wurden Orte in Kroatien, Bulgarien oder Rumänien bespielt. Idee des Projekts ist dabei, dass die mitwirkenden Künstler vor ihren Auftritten den einen oder anderen Tag zusammen mit der Mannschaft an Bord verbringen und mit von Goiserns Band ein gemeinsames Programm entwickeln.

Zwischen orientalisch gefärbtem Pop, "Ethno-Punk" , so Goisern, oder der fiebrigen Blasmusik der bulgarischen Kapelle Karandila kann da naturgemäß einiges an musikalischen Ansätzen zusammenkommen. Freilich soll es gerade darum gehen, wie von Goisern an diesem Abend in Stuttgart noch sagen wird, "das Gemeinsame zu finden, zu leben, ohne dabei die Unterschiede, die jeweiligen Eigenheiten, gleichzumachen".

Mit Druck von hinten

Von Goiserns Darbietung - an diesem Abend in Stuttgart jedenfalls - hebelt jeglichen Zynismus aus: humorvoll im Vortrag und mit einer tatsächlich großartigen, sehr jungen, stark Richtung Rock drückenden Band im Rücken, die man hinsichtlich Ausgelassenheit an Geigen, Gesang und allerlei Gerassel eher bei einem Konzert der kanadischen Überschwangscombo The Arcade Fire denn im Verein für Brauchtumspflege vermuten würde. Der diesjährige Teil der Tour wird das Schiff noch bis Ende August westwärts nach Köln, Brüssel, Antwerpen oder Rotterdam treiben, mitunter unterstützt von großen Kalibern der Volksunterhaltung wie Xavier Naidoo, BAP oder der belgischen Band Zap Mama.

Der Abschluss wird im namensstiftenden Ort des Projekts, Linz, begangen: Von 3. bis 5. Juli 2009, dem Jahr also, in dem die oberösterreichische Hauptstadt eben auch Europäische Kulturhauptstadt sein wird, soll ein Hafenfestival ebenda Hubert von Goisern und Band erneut - wenn denn alles nach Plan läuft - mit allen im Zuge der Reise getroffenen Musikern und Verbündeten zusammenführen, um sozusagen noch einmal gemeinsam den großen europäischen Kulturaustausch höchst feierlich zu belegen.

Hubert von Goisern: Live in Stuttgart - 18. Juli 2008

23. Juli 2008 | Fotos: © Elli Christl

Wetterumschwünge auf dem klingenden Schiff

Stuttgarter Zeitung 19. Juli 2008 | Text: Michael Werner

"Duliei, Jodleiridldudieiourie!" - Hubert von Goisern und seine Band legen im Stuttgarter Hafen an

Hinten Kräne und Schrott, noch weiter hinten Gärten. Vorne, im Fluss, das Konzertschiff. Hubert von Goiserns schwimmende Bühne im Stuttgarter Hafen könnte eine Halluzination sein, wenn dieser Mittfünfziger aus dem Salzkammergut nicht seit Jahrzehnten derart beherzt daran arbeiten würde, dass seine Visionen Wirklichkeit werden. Allein, dass dieses Schiff in diesem Hafen liegt, ist ein Triumph der Fantasie.

Das Schiff speit glasklaren Sound ans Ufer, wo am Donnerstag tausend und am Freitag zweieinhalbtausend Menschen eine musikalische Impfung gegen die Schwermut verabreicht bekommen haben. All die sonst üblichen Tourbusse der Rockmusik, all die Lastwagen - die sieht man als Zuschauer ja nicht. Hubert von Goiserns Schiff aber versinnbildlicht das Weiterziehen, während auf ihm fabelhafte Musiker Nähe zelebrieren. Das ist ohne Impfung schwer auszuhalten. Aber es ist mit Hubert von Goiserns Behandlung ein einzigartig berührendes Erlebnis.

"Jetzt bist so weit, weit weg, so weit, weit weg von mir. Des tuat mir schiach und wie", singt er im Lied Weit, weit weg, das 16 Jahre alt ist, aber wie geschaffen für diese Tournee, die schon lange in ihm gärt. Er singt es als vorletzte Zugabe, er inszeniert es als bewegendes Sehnsuchtskatapult. Und als der exzellente Severin Trobacher seine Gitarre hemmungslos weinen lässt, da ist Hubert von Goisern ganz bei sich. Zum Abschluss Heast as nit: "Die Jungen san alt wordn, und die Altn san g'storbn. Duliei, Jodleiridldudieiouri!" Jetzt könnte man die Anker lichten. Hubert von Goiserns Lieder haben immer schon im Einklang mit den entscheidenden Kreisläufen des Lebens gegroovt.

Konsequenterweise eröffnet er dieses grandiose Hafenkonzert denn auch mit dem Lied Solide Alm von seinem allerersten Album, das ihn vor zwanzig Jahren in die Lage versetzt hat, fortan andere an seinen sinnlichen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Ganz allein spielt er da die Ziehharmonika, es klingt, als wenn ein Gewitter heraufzieht, und dann fällt die Band ein, und Augenblicke später ist man akustisch durchweicht.

Dann ist Showtime. Ganz neu ist dieser Song, einerseits verführerisch fremd und andererseits gleich vertraut, weil auch er musikalisch abbildet, was der Himmel so mit den Menschen aufführt, obwohl sein Text von der Kraft dieser Menschen handelt. Showtime ist ein Orkan im Hafen, einer der vielen, die der Ausnahmedrummer Alex Pohn höchst kreativ befeuert. Hernach, im ebenfalls brandneuen Lied Auseinandertreiben spannen die drei Sängerinnen Marlene Schuen, Elisabeth Schuen und Maria Moling zu Hubert von Goiserns rastlosem Konfrontationsrap ein wunderschönes Klangzelt auf.

Wenn der Chef, der gerade erst von der Grippe genesen ist, jodelt, macht er das mit dem Zelt selber. Wenn er singt hingegen, kümmert er sich entweder furios ums Niederreißen jedweder Schutzbehausungen, oder er schlüpft anrührend in sie hinein. Die Liab ist so ein Lied, so eine Meditation inmitten des Orkans, die es einem leichter macht, wenn einen der Wind fortzublasen droht. In solchen Momenten ist von Goisern ganz präsent und hält die Sturmgebeutelten.

Dann wieder nimmt er sich zurück, tappt - sympathisch linkisch zuweilen - als musikalischer Zirkusdirektor in den Hintergrund, um seinen Musikern Raum zu geben. Was die Gadulkaspielerin Darinka Tsekova an Donaugischt in den Neckar speit, was der Bassist Helmuth Schartlmüller und der Keyboarder David Lackner an Aufmerksamkeit aufwenden, um all die hochmusikalischen Wetterumschwünge des Hubert von Goisern zu illustrieren, macht beinahe alleine glücklich. Hubert von Goiserns überschäumende Musikalität aber ist an diesem Abend geeignet, einem den Atem zu rauben. Er kann mit Begeisterung ertränken. Er wird weiterziehen.