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LINZ EUROPA TOUR 2007-2009

Der Alpenrocker

Merian 01/2009 | Text: Verena Lugert | Fotos: Daniel Müller

Hubert von Goisern, Volksmusiker, Weltreisender, Suchender. Geboren im Salzkammergut, hat er die Musik seiner Heimat mit Klängen aus fernen Kulturen abgeglichen - und damit ebenso bewahrt wie erneuert. Seit 2007 bereist er mit Boot und Band die Flüsse Europas.

Hubert von Goisern

Träge wie Öl fließt der Fluss, schwarz ist jetzt das Wasser, es ist dunkel geworden. Von der hochgerüsteten Probebühne klingen von Backbord ein paar Akkorde, das Flussschiff fährt vorbei an Städtchen, an Kirchen mit Zwiebelmützchen, an Fassaden mit erleuchteten Fenstern. Ein behäbiger Mond ruht wie ein Marillenknödel über dem Wasser, die Schattenrisse der Tannen am Ufer heben sich vom dunkelblauen Nachthimmel ab, Kirchenglocken läuten. Hubert von Goisern sitzt stoisch in der Mitte der Bühne auf dem Schiff auf einem Plastikstuhl, die Ziehharmonika ruht auf seinem Schoß, er blickt in sich hinein. Feine Linien durchziehen Goiserns Gesicht, gebräunt ist es, vom Sommer auf dem Schiff. Jung sieht er aus, nicht wie die 55, die er ist.

Die Landschaft entrollt sich langsam hinter dem Schiff, Abendstille, durchbrochen vom ruhigen Disput, den die Bandmitglieder über die Tonart führen. Den ganzen Sommer lang fuhren er und die Band mit dem Schiffsverband, bestehend aus dem Schubschiff MS "Wallsee" und dem größeren Wohnschiff mit den Kabinen und der Bühne, den Main und den Rhein hinab, bis zur Nordsee. Gaben Konzerte in den Städten, die auf der Strecke lagen, bis hoch nach Rotterdam. Hatten Gastmusiker wie Xavier Naidoo mit ins Boot geholt. Im Vorjahr waren sie auf der Donau bis zur Schwarzmeermündung gefahren, hatten unterwegs Musiker und Bands getroffen, neue Melodien gehört und gespielt, Balkansound, Gipsytunes, hatten Konzerte gegeben. 2008 ging es dann in den Westen. Und 2009 soll in Linz, Kulturhauptstadt Europas, die Linz Europa Tour 2007-2009 ihren Abschluss finden - mit einem Konzert und all den Musikern, die Goisern auf der Reise getroffen hat.

Jetzt ist die Band auf dem Rückweg nach Linz, morgen wird Schweinfurt angefahren, das nächste Konzert findet statt. "Die Tour ist jetzt bald vorbei. Ich werde da wehmütig, es ist schade - und doch wieder gut", sagt er, Hubert von Goisern, Volksmusiker, Weltreisender, Schweifender, Suchender, Goiserer. Geboren als Hubert Achleitner im oberösterreichischen Bad Goisern, hat er sich nach seinem Geburtsort genannt - den er beständig floh, der ihn aber auch immer wieder anzog.

Hubert von GoisernGoisern, Goisern, es is a Graus, allweil wieder muaß i z'ruck zu dir, sonst halt i's nimmer aus. So heißt es in einem Lied Goisern, auf die Melodie von Ray Charles' Georgia. Eine Liebes- und Ohnmachtserklärung an die Herkunft, die Heimat, an die Geborgenheit, aber auch an die Enge, an den Ort unter dem Dachstein, wo Hubert aufwuchs. "Goisern, Goisern, du gibst koa Ruah, deine Berg und deine Wiesen, de g'hern halt zu mir dazu."

Aber warum ist er dann, vor mehr als 30 Jahren, nach Südafrika gegangen? "Weil ich niemanden hatte, der auf meiner Wellenlänge war. Ich habe mich als Außenseiter empfunden. Als einen, der überall angeeckt ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich gesellschaftlich integriert war", sagt er. Er war anders als die anderen. Anders als der Bruder, der Vater und die Mutter. Schon aus der Blaskapelle war er als Jugendlicher rausgeflogen - die langen Haare! Der Eigensinn! Sogar die Trompete musste er wieder abgeben, was den Knaben sehr schmerzte. Irgendwann hatte ihm sein Großvater eine steirische, diatonische Ziehharmonika in die Hand gegeben, nach anfänglichem Widerwillen brachte sich Goisern das Spiel darauf selbst bei.

Solch eine Ziehharmonika liegt auch jetzt, an diesem lauen Abend, auf dem Schiff auf seinem Schoß. Sie ist sein Markenzeichen, steht für die Musik, die er macht: das Update klassischer Volksmusik, das Verschmelzen von Heimatklängen mit Weltmusik, mit Jazz, mit Neuem und Fremden.

Mit Anfang 20 ging er nach Südafrika. Für das Land selbst hatte er sich gar nicht besonders entschieden - er wollte nur "weit, weit weg", wie auch einer seiner Hits heißt, und in Südafrika gab es die geringsten Visumsquerelen. Er fand dort einen Job als Chemielaborant, versuchte, einen eigenen Umgang mit der Rassentrennung zu finden, indem er schwarz-weiß gemischte Sportwettkämpfe veranstaltete, und gab nach einigen Jahren entnervt auf. Er heiratete eine Kanadierin und ging mit ihr nach Toronto. Er hat die Flüsse und Wälder Kanadas geliebt, die Weite des Landes, sagt er. In Toronto studierte er Musik und Flamencogitarre, so lange die Beziehung hielt. Dann reiste er weiter, auf die Philippinen, wo er bei Köpfjägern lebte, sich von ihnen in der Kunst des Nasenflötenspielens unterrichten ließ: Nicht mit dem Mund, sondern mit der Nase wird Atemluft in die Flöte geblasen. Vom Nasenatem glaubten viele Naturvölker, er stünde in näherem Kontakt mit der Seele als der profane Mundatem und sei daher heilig.

Hubert von Goisern & BandIm Gegenzug brachte Goisern den Kopjägern österreichisches Liedgut bei. "Ich kam in den Jahren in der Fremde mehr dazu, mich mit meinem Wurzeln zu beschäftigen, mit dem, was ich vorher abgelehnt hatte: zum Beispiel den Jodler. Über allem lag für mich früher die Völkstümelei, der Schatten des Nationalsozialismus - aber ich konnte spüren: Da war etwas, in den alten Melodien, was mich wahrscheinlich berührt hat. Etwas Archaisches. Außerdem hat sah ich ein, dass es keinen Sinn hat, alles neu erfinden zu wollen. Es gibt nun mal einfach Urformen, man kann auch sagen Traditionen, aus denen heraus sich alles entwickeln lässt." Goisern hatte entdeckt, woraus er künftig schöpfen wollte - und kehrte zurück nach Österreich.

Mit gut 30 Jahren beschloss er, Profimusiker zu werden. "Ich war zurück, mit Geschichten und Visionen im Gepäck, die mich noch mehr von den anderen entfremdet haben. Ich bin nomadisch, die meisten meiner Freunde strebten nach Sicherheit. Ich denke: Sicherheit gibt es nicht. Also brauche ich sie gar nicht erst anzustreben." Der Vater war alles andere als begeistert von der Zukunftsplanung seiner Sohnes. "Er fand den Wunsch anmaßend." Goisern ging trotzdem nach Wien, um dort experimentelle Musik zu studieren. Und fing an, öffentlich zu spielen, in Kneipen, in Bars, manchmal hat er kaum vier, fünf Zuhörer. Erst allein, dann mit Wolfgang Staribacher aus Wien. Als "Wolfgang von Wien" stellten sie sich auf der Bühne vor und als "Hubert von Goisern". Sie spielten rockige, angejazzte, synkopische Volksmusik mit oft ironischen Texten, "Alpenrock" nannten sie ihren Stil. Sie gründeten 1986 ihre Band, die Original Alpinkatzen. 1991 trennten sie sich - und ein Jahr später landete Goisern seinen größten Hit: das Hiatamadl, das Hirtenmädchen. Goisern war wochenlang in den Charts, die Konzerte der Alpinkatzen füllten riesige Hallen.

Auf dem Schiff ist es leise geworden, Goisern geht zu Bett, in seine winzige Kabine, in der er nun schon seit Wochen schläft. Die Band sitzt noch beisammen. Am nächsten Morgen ist Goisern der Erste, der wach ist, auf den Fluss blickt, aufs Ufer. "Ich bin ein disziplinierter Mensch. Ich stehe auch hier auf dem Boot ganz früh auf. Die Energie am Morgen ist am klarsten. Und am besten überprüft man das bei Nacht Geschaffene in der Früh, ob es dem hellen Morgenlicht standhält." Über dem Schiff flattert eine Fahne, ein Drache ist das Emblem der Reise. Langsam kommt Bewegung an Deck, heute ist Konzerttag. Das Schiff wird festgemacht, die Bühne wird ausgefahren, in Sonnenbrille und Flipflops stehen die Geigerinnen auf der Bühne, die Probe geht los.

Nach der Zeit mit den Alpinkatzen reiste Goisern weiter, diesmal nach innen. Beschäftigte sich noch intensiver mit anderen Volksmusiken, wurde immer experimenteller - und verschmolz immer mutiger Klänge und Stile. Er zog sich in den Sommern in das alte, kleine Haus zurück, das er sich in Goisern gekauft hatte. In die Berge, in die alpine Welt, in der er sich geborgen fühlt - und die in ihm zugleich so viel Sehnsucht weckt: durch den Blick in die Ferne, den die Gipfel gewähren, die Sicht auf die Flüsse, die ins Irgendwo führen. Und riss sich dann wieder los aus Österreich, um in die Welt hineinzustürzen. Er ging nach Tibet, erkundete die Musik der Tibeter, holte tibetische Musiker nach Österreich, nahm mit ihnen ein Album auf - Inexil. Er traf in Indien den Dalai Lama und beschäftigte sich mit östlicher Weisheit. Hubert von Goisern meditiert seit Jahren fast täglich.

Hubert von GoisernTibetische Gebetsfähnchen flattern im Sommerwind an einer Leine auf dem Schiff. Goisern blickt in die Sonne, zieht seinen Hut ein wenig ins Gesicht. Was ist Meditation? "Eins werden mit der Welt. Verstehen, dass alles mit allem zusammenhängt." Ist Musik Meditation? - "Gute Musik, gute Poesie, das sind schon Dinge, die einen über das sinnlich Erfahrbare hinaustragen können. Musik ist wie ein Zauber, wenn sie gut ist, dann kann er wirken und greifen." Komponieren rufe ein Gefühl von Entgrenzung in ihm hervor, sagt er. Aber: "Ein aufrechtes, integres Leben zu führen ist viel schwerer, als ein Lied darüber zu schreiben. Das zu leben, worüber man singt." In einem seiner neuen Lieder, Leben heißt es, sagt er das ähnlich: "Drum is' des ganze Leben a de größte Kunst."

Vor der Mainschleuse, an der die MS "Wallsee" festgemacht hat, sind die Radler abgestiegen, Spaziergänger machen Halt, an den Absperrungen bilden sich kleine Gruppen von Neugierigen. Gespannte Erwartung liegt über dem Schiff. Roadies stehen mit Kappe und Kippe und Pferdeschwanz im Abendlicht, in Buden werden Brötchen gehälftet, Bockwurstsemmeln werden hier später verkauft. Goisern muss auf die Bühne, probt ein Trompetensolo, Passanten applaudieren.

Goisern ging nach Afrika, spielte auf den Kapverden vor 90 000 Menschen. Ging nach Tansania in die Bergwelt von Gombe und freundete sich mit der Schimpanzenforscherin Jane Goodall an. Von Goisern nach Gombe heißt der damals entstandene ORF-Dokumentarfilm. Wie weit von Goisern auch wegging, immer nahm er die Heimat mit. Er ging nach Lappland, um die Musik der Samen zu studieren. Und um wieder zurückzukehren nach Österreich.

"A woanders g'fallts ma oft, aber dann ganz unverhofft, rührt se plötzlich was in mir, und z'ruck, z'ruck muaß i zu dir." Wenn er nicht tourt, lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern bei Salzburg, in den Sommern aber ist er in Goisern. Im hohen Alter vielleicht? "Returning is the motion of the Dao", sagt er. Rückkehr als Vollendung des Wegs.

Dann kommt Regen. Auf der Bühne wird hektisch geräumt, Planen werden gespannt und mit Gaffertape am Boden befestigt, die Band isst in der Zwischenzeit Kartoffelsuppe mit Würstchen, die Sängerinnen summen ein paar Takte. Immer stärker regnet es, immer schwerer fallen die Tropfen auf die Schirme der Zuschauer, die nun zu Hunderten stehen und auf den Konzertbeginn zu warten.

Doch der Regen legt sich, der Himmel färbt sich in betörendem Rot, und die Musiker legen los. Die Nacht breitet sich über die Szenerie, fast mystisch hört sich das Jodelsolo der Sängerin Maria Moling an, kraftvoll bricht sich die Musik Bahn, Goiserns Stimme schallt über den Platz, Laserlicht peitscht durch die Dunkelheit, beim Hiatamadl toben die Fans.

Gleichmütig rauscht und gluckert der Fluss, er wiegt sanft das Schiff. Morgen fahren sie weiter, zurück nach Österreich, morgen bringt er sie heim.

Heimat und das Andere

Salzburger Nachrichten 3. Januar 2009 | Text: Bernhard Flieher | Foto: SN / Heinz Bayer
Hubert von Goisern

Einer, der aus Bad Goisern stammt, der seit Jahren als Weltreisender in Sachen Musik unterwegs ist, der in Salzburg lebt und in den vergangenen beiden Jahren als Botschafter für die Kulturhauptstadt Linz auftrat: Hubert von Goisern fuhr auf dem Wasser quer durch Europa, sang von einem Schiff aus seine Songs. Er machte dabei auch noch aufmerksam auf "Linz09".

Die EU ist ein Fleckerlteppich aus regionalen Ausprägungen und Besonderheiten." Das ist die Ausgangslage, in der sich Hubert von Goisern im Frühsommer 2007 aufmachte, um ein Faden zu sein, der die Fleckerln verknüpft. "Wenn wir die Geschichte Europas zurückverfolgen, stellen wir fest, dass gerade diese Vielfalt Europa groß werden hat lassen", hieß es damals im "Mission Statement" zur Linz Europa Tour. Zu einem Drittel wurde die Tour von Linz als "Europäische Kulturhauptstadt 2009" finanziert.

"Linz 09" sei für ihn "ein Glücksfall" gewesen, um dieses Abenteuer erleben zu können. "Aber auch ich war ein Glücksfall für "Linz 09". Wenn man einen Blick auf die Budgetierung wirft, wird das auch klar. Mehr als zwei Drittel der Finanzierung kommen von Red Bull und aus eigenen Ressourcen", sagte er zum Ende der Tour im vergangenen September den SN.

Rund 12.000 Kilometer legte Hubert von Goisern mit Band auf dem Wasser zurück. 60 Konzerte wurden gespielt, an jedem Spielort traten auch lokale Musiker auf. Er war Botschafter für "Linz09" mit einer Sprache, die auch in der Fremde keine Barrieren kennt: Musik.

Sie sind ein Weltreisender, geboren im oberösterreichischen Salzkammergut, wohnen seit Langem in Salzburg. Was verbinden Sie denn ganz persönlich - einerseits an Klischees, anderseits an erlebten Wahrheiten - mit der Stadt Linz?

Auf die Frage, warum denn jemand gern in Salzburg lebt, hört man zumeist die Antwort: Weil's dort so schön ist. Auf die gleiche Frage kann man über Linz was anderes hören. Da sagen die Leute, warum sie dort leben: Weil's so klass ist.

Es gibt ja oft diese Diskrepanz in der Wahrnehmung zwischen dem Land und der Stadt, zwischen dem so genannten Provinziellen und dem so genannten Urbanen. Erschien Ihnen in Ihrer Jugendzeit die Landeshauptstadt Linz von Bad Goisern aus denn irgendwie als eine erstrebenswerte Destination?

Nein, ich war mehr nach Salzburg orientiert. Das schien auch näher - auf jeden Fall führt die Straße nach Salzburg durch eine der schönsten Landschaften der Welt. Da kannst du auf fast jeden Meter ein Bankerl aufstellen und dir das Panorama entlang der Seen, mit den Bergen und den Hügeln des Alpenvorlandes, reinziehen.

Nach Linz zu fahren hieß: Autobahn fahren. Also eher fad. Und damals war die Luft in Linz auch noch sehr verschmutzt. Die ganze Fahrt dorthin hatte eine Duftnote. Zuerst stank es an der Autobahn in Steyrermühl, dann kam Lenzing und schließlich die Chemie Linz. Leute, die das nicht erlebt haben, können sich das überhaupt nicht vorstellen.

Das Ambiente der Linzer Gesellschaft allerdings fand ich immer angenehm. Dieses Proletarische war mir näher als das doch sehr bürgerliche Salzburg.

Sie waren für "Europäische Kulturhauptstadt - Linz09" als Botschafter in den vergangenen Jahren auf Donau, Rhein, Main und Nebenflüssen quer durch Europa unterwegs. Was kann so ein Botschafter denn da ausrichten?

Wir haben zwei Sommer lang mit einer einzigartigen Schiffstournee vom Schwarzen Meer bis an die Nordsee, also quer durch Europa, auf die Kulturhauptstadt hingewiesen. Das passierte bei den Konzerten, aber es passierte auch in der Kommunikation jenseits der Auftritte. Die Medien in den einzelnen Ländern haben das Thema so gut wie immer aufgegriffen.

Ich denke schon, dass wir dort zum Bewusstsein für Linz einen Beitrag geleistet haben und auch einen für das Linzer Selbstbewusstsein. Und wir haben ein Stück Europa auch von unseren Reisen mitgebracht.

Wie beurteilen Sie ganz grundsätzlich die ja durchaus auch umstrittene Idee einer jährlichen Europäischen Kulturhauptstadt?

Es ist ein großartiger Anlass, sich mit dem kulturellen Umfeld, mit seiner Heimat und mit seiner Beziehung zum "Anderen" auseinander zu setzen. Es bringt Dinge in Bewegung, es bricht den herkömmlichen Rhythmus, ich finde das wichtig und gut.

Dass Sie diese Rolle als Botschafter besetzen, wird in Teilen der Linzer Kunstszene auch kritisiert. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Welche Rolle? Meine? Spielen Sie darauf an, dass man mir vorwirft, ich sei nicht geeignet, weil ich in Salzburg lebe? Das nehme ich nicht ernst. Abgesehen davon bin ich lieber der Angegriffene als der Angreifer. Die kritische Beschäftigung mit mir sehe ich da eher als eine Form der Wertschätzung. Und die Gesellschaft braucht auch Grantler.

Sie reisen mit Ihrer Musik seit Jahren unter anderem auch deshalb, um neue Musiker kennen zu lernen, mit ihnen zu spielen. Hat sich die Linz Europa Tour diesbezüglich gelohnt?

Ja, das hat es.

Im Rahmen von "Linz 09" wird quasi als Abschluss Ihrer zweijährigen Donauschiffahrt ein mehrtägiges Festival stattfinden, das Sie kuratieren werden. Wo wird das stattfinden? Was wird dort zu erwarten sein?

Es ist kein Geheimnis, dass wir alle Künstler, die wir in den vergangenen zwei Sommern mit an Bord hatten, nach Linz einladen werden. Und mit ihnen wird vom 3. bis 5. Juli im Linzer Hafen konzertiert werden. Das wird auch kein Festival, auf dem hintereinander Musik abgespielt wird. Es wird ein Konzert, das mehrere Tage dauern wird. Ich werde mit meiner Band selbst an allen drei Tagen auf der Bühne stehen und jeden Tag ein anderes Programm machen. Darüber hinaus wollen wir Oberösterreich unsicher machen. Vorsicht, Nomaden unterwegs!

Kulturabenteurer auf Europa-Tour

Mittelbayerische Zeitung 14. Oktober 2008 | Text & Photo: Mario Kunzendorf

Hubert von Goisern im MZ-Gespräch:
Eine Bilanz nach zwei Sommern auf dem Schiff und seine Erfahrungen mit den "Blaumiesen"

Hubert von GoisernDie Beatles haben versagt. Wer glaubte, dass die despotischen Blaumiesen vom Yellow Submarine vollständig vertrieben wurden, irrt seit 1968. In Wirklichkeit leben viele der Griesgrame heute noch in Formularfestungen, deren Namen farblos auf Direktion, Amt oder Behörde enden. Der Musiker Hubert von Goisern hat in den vergangenen zwei Sommern einige aufgetan, als er mit Band und Bühnenschiff in Flüssen und Fahrrinnen von Rotterdam bis zum Schwarzen Meer querte. Soziokulturell hat der Österreicher damit unfreiwillig einen zentralen gemeinsamen Grundwert Europas herausgearbeitet: Es ist kafkaesk.

Die Pioniere trotzen dem Sturm

Ziel war diese Erkenntnis nicht, als Hubert von Goisern und Verleger Hage Hein die einzigartige Tour planten, die am Ende August, nach etwa 12000 Flusskilometern, nach knapp 60 Konzerten mit rund 135000 Zuhörern, mit einem Auftritt in Passau endete. Ziel war es, die kulturelle Vielfalt Europas zum Klingen zu bringen, die Nationen musizierend einander anzunähern, eine gemeinsame Sprache zu finden, um sich kennenzulernen. Eine Pioniertat, von der sie auch nicht ließen, als noch vor dem ersten Konzert ein Sturm über Wien die Bühne und das gesamte Inventar ersäufte. Mühsam schraubten die Musikmatrosen alles auseinander, föhnten jedes Instrument, jede Computerplatine von Hand trocken.

Im Nachhinein, wenn die Erinnerung verblasst, ist das eine Anekdote. Doch solche Anekdoten hinterließen Spuren. "Ich habe meine romantische Sicht nicht verloren", sagt Hubert von Goisern beim MZ-Gespräch in seiner Kajüte, "aber von einer Naivität hat es mir Einiges abgeräumt." Erleichtert ist der 55-Jährige, dass das Projekt endet, und "stolz, dass wir das geschafft haben", obwohl es "von Anfang an dauernd Punkte gab, bei denen du hättest sagen können: Hau den Hut drauf". Vielleicht ist es diesen zwei Sommern voller Komplikationen geschuldet, dass der Österreicher jetzt, auf der Donau vor dem Passauer Rathausplatz, an Unerwartetes denkt: "Ich freue mich auf den Winter, aufs Skifahren."

Von Goisern ist ein Kulturabenteurer. Er will in die Fremde reisen, Menschen treffen, mit ihnen musizieren, immer wieder. Dafür startete er das Schiffsprojekt mit einem Volumen von rund vier Millionen Euro (wovon ihm wohl ein sechsstelliges Defizit bleibt), spielte fast nur an Orten, an denen vorher nie Konzerte stattgefunden hatten, versuchte überall, heimische Gruppen auf die Bühne zu holen, kämpfte gegen das Misstrauen bei manchen Osteuropäern (kommt einer aus dem Westen und will gratis für uns spielen - was hat das zu bedeuten?), tröstete sich ob der kulturell übersättigten Abstinenz vieler Westeuropäer: "Wenn du 300 Zuhörer wirklich erreichst, ist das eh besser, als wenn es 3000 am Arsch vorbei geht."

In Kenntnis der Größe der Kulturexpedition wird die geforderte Gemütsruhe messbarer, die es abverlangt, wenn Streifenpolizisten an der österreichisch-bayerischen Grenze den mit fünf Kilometern pro Stunde Donau aufwärts "fliehenden" Schubverband auf der Uferstraße mit dem Einsatzwagen verfolgen, um eine Art Verkehrskontrolle vorzunehmen. Oder wenn ein Beamter im niederländischen Arnheim gleich einem göttlichen Gnadenakt ein Konzert mit den Worten genehmigt: "Wir drücken ein Auge zu und lassen euch zwei Stunden euren Spaß. Aber räumt danach den Müll weg." Oder wenn Regensburger Schifffahrtswächter erklären, für das Erlauben eines spontanen Konzerts in Kelheim bräuchte es eine Woche Bearbeitungszeit. Oder wenn Passauer Ordnungshüter das Schiff räumen lassen, weil es auf dem Papier kein Passagierschiff ist. Aber irgendwie auch kein Frachter. Also irgendwie ein Sonderding. Also gehen alle wieder an Bord. Weil die Richtlinie fehlt. Mit Franz Kafka gesprochen: Der Geist wird erst frei, wenn er aufhört, Halt zu sein.

"Alles ist reguliert, nichts mehr lebt"

"So etwas ist uns in Osteuropa nie passiert", sagt Hubert von Goisern rückblickend, der trotz allem an das Gute glaubt, das Gute sieht. "Ich bin nicht mehr derselbe wie vorher - aber ich hoffe im Positiven", sagt er. Schließlich ergaben sich viele neue musikalische Freundschaften, schließlich gab es auch etliche hilfreiche Beamte wie in Köln, die den gesamten Schiffsverkehr sogar umleiteten, um das Konzert zu einem Höhepunkt der Tournee werden zu lassen.

"Die Kulturpolitik hat einen einfachen Nenner: von Kulturbeamten für Kulturbeamte", so Hage Hein, dessen Münchener Verlag seit Jahren mit von Goisern arbeitet. Der sagt es ähnlich: "Es ist alles reguliert, nichts mehr lebt. Hätten wir unsere Idee EU-konform machen wollen, hätten wir 30 zusätzliche Leute einstellen müssen, um Anträge zu bearbeiten." Sie versuchten, in Straßburg zu spielen. Doch selbst der EU-Parlamentspräsident vermochte es in einjährigem Bemühen nicht, das Konzert gegen den Widerstand von basisbürokratischen Blaumiesen zu ermöglichen. Dabei war von Goisern sogar offiziell als Botschafter für Linz unterwegs, die europäische Kulturhauptstadt 2009. Jetzt ist es zu spät. Der Schubverband ist aufgelöst, die gemietete, farbenfroh verzierte Bühnenbarke muss rückgebaut dem Reeder übergeben werden. "Er besteht sogar darauf, dass wir das Schiff graubraun streichen", sagt von Goisern. Woraus sich schließen lässt: Der Reeder muss ein Freund der Blaumiesen sein.

Heimkehr: die Reise nach Linz - 1. September 2008

12. September 2008 | Fotos: © Linz09/Andreas Maringer

Hubert von Goisern fuhr singend zurück nach Linz

Volksblatt 2. September 2008 | Text: hut

Hubert von GoisernHubert ist wieder da! Mit leichter Verspätung - ursprünglich geplant war die Ankunft gegen 13.30 Uhr - lief Hubert von Goiserns Konzertschiff MS Wallsee gestern Nachmittag gegen halb vier Uhr in Linz ein. Gekommen war es aus Passau, wo der oö. Alpenrocker und Weltmusiker Sonntagabend am Rathausplatz den letzten Auftritt seiner rund 30 Konzerte umfassenden Linz Europa Tour 2008 bestritten hatte. Die Tournee hatte ihn zwischen Ende Juni und Ende August von Österreich nach Deutschland, Holland und Belgien geführt.

So wie am Freitag im deutschen Kelheim und gestern Vormittag in der Schlögener Schlinge war auch am Nachmittag in Linz ein "Überraschungskonzert im Vorbeifahren" geplant, letztlich wurden aufgrund der Verspätung aber nur zwei Songs daraus: Showtime und der bekannte gejodelte Juchitzer.

"Da Wahnsinn san mir"

OÖN 2. September 2008 | Text: Bernhard Lichtenberger

12.000 Stromkilometer in zwei Sommern, 21 Konzerte auf der Donau bis zur Schwarzmeermündung, 25 Schiffsauftritte auf der Westtour bis Rotterdam - mit diesen Zahlen an Bord kehrte Linz09-Botschafter Hubert von Goisern gestern in seinen Heimathafen zurück.

Das Ziffern-Jonglieren lässt sich fortsetzen. 31 Gastmusiker holte Hubert von Goisern auf sein Expeditionsschiff, um auf der Fahrt durch zwölf Staaten der Utopie eines grenzenlosen Europas Klang und Gesang zu geben. Der zweite Teil der Linz-Europa-Tour fand in 2300 Medienberichten (Stand: 19. August) seinen Widerhall, sagt die Assistentin des Linz09-Intendanten.

Google weist 12.500 Einträge auf, wenn "Hubert von Goisern Linz Europa Tour" eingegeben wird, "Hubert von Goisern Linz09" ergibt 1820 Treffer, in Verbindung mit "Kulturhauptstadt" taucht der Musikant 8810 Mal auf.

Dem zu Wasser gegangenen Bergmenschen werden solche Zahlenspielereien keinen Jodler wert sein. Umso mehr den Touristikern und den Kulturhauptstadt-Bastlern, für die das künstlerische Projekt das rechte Schubschiff war, um auch außerhalb der österreichischen Einfriedung für Linz09 Wellen zu schlagen.

Ab heute wird in der Werft damit begonnen, den Schiffsverband aufzulösen, die Bühne zu zerlegen, das schwimmende Containerdorf abzubauen, das den Musikern insgesamt 20 Wochen lang ein Zuhause war.

Für das letzte Konzert der langen Reise hatte das Schiff am Sonntag vor dem Rathausplatz der Dreiflüssestadt Passau angelegt. Im Rücken die mächtige, auf dem Fels über der Donau thronende Veste Oberhaus und vor ihm eine zum Sitzen gezwungene Hörerschaft, nahmen Hubert von Goisern und seine zu einem grandiosen Gefüge zusammengewachsene Band Abschied. Drei Stunden und zehn Minuten lang.

Auf Wiederhören im Juli

Die Wehmut zerfloss im Blues, die Energie sprühte aus I bin an, das Harmonische traf sich in Jodelduetten, das lange abgelegte Hiatamadl fand seinen Weg zurück zur Stubenmusi. "Scho a geiler Kahn", sagte Hubert von Goisern über das stählerne Ungetüm, das sie über eine markante Wasserader Europas getragen hat, "owa da eigentliche Wahnsinn san mir". Er hat nicht übertrieben.

Ganz vorbei ist die Linz Europa Tour des Kulturverbinders nicht. Das letzte Kapitel der entschleunigten Wasserreise wird im Jahr 2009 geschrieben. Vom 3. bis zum 5. Juli treffen die vielen musizierenden Weggefährten, von den deutschen BAP bis zu den moldawischen Zdob Si Zdub, zum großen Hafenfestival in Linz zusammen.

Passau − wie gemacht für einen Sommernachtstraum

Passauer Neue Presse 2. September 2008 | Text: Christian Karl | Foto: Giesler

Hubert von GoisernHubert von Goisern feiert nach seinem Konzert ausgiebig Tournee-Ende
Rathaus lobt werbewirksames Kultur-Schmankerl − Anwohner ziehen mit

"Absolut happy". Veranstalter Till Hofmann brachte seinen Gefühlszustand auf den Punkt. Und der deckte sich wohl bei den meisten der Beteiligten sowie den 2000 Besuchern des Konzerts von Glücksbringer Hubert von Goisern am Sonntagabend. Der österreichische Musikus feierte das Ende der zwei Jahre dauernden Europa-Tournee noch nächtens teils wehmütig, aber auf alle Fälle ausgiebig auf seinem Bühnenschiff vorm Rathausplatz. Gestern um halb sieben brach der rund 140 Meter lange Schubverband mit der Schiffsbühne in Richtung Heimathafen Linz auf. "Dann wird er zerlegt und fährt demnächst wieder Kies in die Ukraine", glaubte Till Hofmann gestern zu wissen.

Davor aber trug das Schiff noch maßgeblich zu einem erinnerungswürdigen Event bei. Schon die Vorfreude ging auch am Hauptdarsteller nicht vorüber. "Hubert wollte schon um halb acht raus und anfangen", plauderte Hofmann aus. Um 20 Uhr schließlich startete der Alpinrocker seinen dreieinhalbstündigen Liedermarathon.

Im Rathaus freute man sich über das werbewirksame Kultur-Schmankerl. "Das war wirklich eine tolle Sache", meinte Sprecherin Susanne Gabriel. "Wir sehen den Rathausplatz jetzt auch als Alternative für Veranstaltungen. Aber freilich soll sich das mit Rücksicht auf Anwohner auf ein, zwei Veranstaltungen pro Jahr beschränken."

Von Nachbarn kamen trotz langer und lauter Musiknacht keine Beschwerden. "Das lag vielleicht auch daran, dass im Vorfeld Handzettel in den Häusern verteilt wurden", so Gabriel. Zudem hat Hofmann gut 150 Anwohnern Freikarten zukommen lassen. Freien Blick sollten schließlich auch hunderte Zaungäste vorm Scharfrichterhaus erhalten. Gegen das Versprechen, "entweder für das Lukas-Kern-Kinderheim oder den 1. FC Passau was zu spenden", ließ der Veranstalter schon früh Abdeckplanen entfernen.

Es war für alle ein schöner Konzertabend am letzten Tag des meteorologischen Sommers. Auch für Till Hofmann, der den Sommer allerdings noch etwas verlängert. Für das Goisern-Konzert in seiner Heimatstadt hat er extra einen Familienurlaub im Baskenland unterbrochen. Dort war er aber gestern Nachmittag "ziemlich happy" wieder gelandet.

Hubert von Goisern: Ende der Linz-Europa-Tour

TRP1 2. September 2008

Hubert von GoisernDer Rathausplatz in Passau, Sonntagabend. Auf die gespannten Zuschauer wartete hier ein ganz besonderes Event. Hubert von Goisern spielte das Abschlusskonzert seiner Linz-Europa-Tour direkt im Herzen Niederbayerns. Fast zwei Jahre war der österreichische Künstler auf Tour. Doch Hubert von Goisern wollte sich nicht in einen Tourbus setzen und Städte abfahren. Er verlegte seine Tour auf ein Schiff.

Hubert von Goisern organisierte eine Barge und baute sie um zur schwimmenden Bühne. Mit dieser Bühne fuhren er und seine Crew 2007 die Donau entlang, spielten in verschiedensten Ländern, vor verschiedenstem Publikum. 2008 auf der Linz-Europa-Tour West kamen dann auch noch der Main und der Rhein hinzu.

Natürlich entsteht auf einer solch langen Tour, beim gemeinsamen Reisen und Musizieren auf engem Schiffraum ein besonderes Verhältnis zwischen den Reisenden.

Beim letzten Konzert konnte Hubert von Goisern noch einmal einige neue Erinnerungen mitnehmen. Bei großartiger Stimmung und hervorragendem Wetter rockte, jazzte und jodelte sich die Band mit ihrem ganz eigenwilligen Klang durch einen stimmungsvollen Abend. Das Publikum war begeistert. Die Reise von Hubert von Goisern endet damit. Nach dem letzten Konzert und der Rückkehr nach Linz wird das Bühnenschiff wieder seiner ursprünglichen Aufgabe, dem Schottertransport, zugeführt. Der Künstler freut sich jetzt, nach einer langen Tour, auch wieder auf zuhause.

Die Eindrücke seiner Reise hat Hubert von Goisern auf der DVD Goisern goes east festgehalten. In fünf Episoden wird dort die Fahrt auf der Donau hinunter zum schwarzen Meer dokumentiert. Für die nahe Zukunft plant der Musiker erst einmal nichts. Hoffentlich aber, bleibt er nicht zu lange weit, weit weg.