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TRAD II TOUR 2004

"Exorzisten" an den Lasten der Tradition

Badische Zeitung 30. März 2004| Text: Michael Baas

Hubert von Goisern mit seinem Volkslied-Projekt im Burghof

Hubert von GoisernLÖRRACH. Die letzte Warnung kam nach dem fünften Stück: Das Programm besteht nur aus Volksmusik, eröffnete Hubert von Goisern seinem Publikum im ausverkauften Burghof. Wem das nicht schmecke, der könne jetzt noch das Weite suchen - und von Goisern würde es wohl verstehen. Immerhin hat er einst selbst Vorbehalte und Berührungsängste gegenüber der Volksmusik kultiviert, lieber die Beatles, The Who oder Coloseum gehört.

Fraglos ist das Sujet ein glattes Terrain: Untergründig beladen mit ideologischem Ballast, voller Untiefen und ungeahnter Fallgruben - wie de gamserln, einem Lieblingslied Adolf Hitlers, das ohne ohne Wissen um diese Geschichte ins Repertoire kam und dort bleibt. Schließlich ist Hubert Achleitner aus Bad Goisern katholisch sozialisiert und mithin vertraut mit dem "Konzept des Exorzismus", wie er verriet.

Dieser Exorzismus ist gewissermaßen Methode des Programms: Der Kosmopolit aus dem Alpental hat für sein Projekt Trad II, mit dem er seit gut einem Monat auf Tournee ist, Jodler, Märsche, Ländler und Tänze aus dem Dreieck Salzkammergut, Steiermark und Oberösterreich ausgegraben: Teile seiner Lebensgeschichte, die er neu und ohne die folkloristische Patina interpretiert.

Als Dialektrocker wurde er mit den Alpinkatzen in den 90er-Jahren bekannt, als Ethnorocker tourte er mit dem Ägypter Mohamed Mounir durch die Lande und war 2003 auch beim Stimmenfestival. Nun ist eine weitere Häutung des Multiinstrumentalisten zu sehen: eine Art Back-to-the-Roots. "Diese Melodien sind so etwas wie die Ursubstanz meines musikalischen Ausdrucks, mein ABC der Noten", sagt von Goisern. Den Großteil des Materials hat die fünfköpfige Band (und ein paar mehr) in einem stillgelegten Berghotel auf dem Dachsteinplateau erarbeitet - in einer Abgeschiedenheit die ein "bisserl ' autistisch" werden lässt.

Der Musik aber tut dieser "Autismus" gut: von Goisern (Gesang, Akkordeon, Mundharmonika, Gitarre, Trompete) und seine Begleiter Max Lässer (strings), Bernd Bechtloff (Schlagwerk und Percussion) Monika Drasch (Geige, Dudelsack, Stimme) und Arnulf Linder (Bässe) zeigen, dass Volksmusik mehr sein kann als Schunkeln, Schenkelklopfen und Schuhplattlern.

Die Arrangements sind höchst kreativ und haben etwas von einem Tom Waits der Ostalpen. Da werden der Klang einer Slide-Gitarre mit dem Akkordeon kombiniert, Jodler mit elektronischen Schlagzeug-Loops, das Akkordeon als "atmendes" Percussionsinstrument genutzt, Blues-, Rock- und Latinelemente eingestreut oder ein Liebeslied mit experimentellen Klängen, Jazzharmonien und einer im Stil eines Don Cherry geblasenen Trompete zum Hörgenuss.

Eingebettet wird das in Geschichten, die allem Mainstream entsagen und jenen selbstironisch-distanzierten Zug offenbaren, den die Österreicher den Deutschen schon immer voraus hatten, und der die Romantik mit klarem Blick als Vorstufe der Depression erkennt.

Am Ende stehen gut drei Stunden Konzert und drei Zugaben. Und wenn demnächst Jodler an den Autobahnbrücken der A 98 zwischen Weil am Rhein und Rheinfelden gesehen werden, haben diese Tipps aus dem Konzert verinnerlicht. Denn das Jodeln ist am Besten da zu lernen, wo man sich nicht selbst hört, schildert von Goisern in einer der Anekdoten, die er einstreut. Er, so fuhr er fort, brauchte 35 Jahre und diesen Trick, um die Vorbehalte gegen das Jodeln zu überwinden. Nun kann er Brücken bauen, das Alte mit dem Neuen versöhnen, das Feuer entfachen, das in Traditionen glimmt und auch ein Publikum entflammen, in dem einzelne zu Beginn wohl etwas mehr alpenländische Rocklawine erwartet hatten.

Ganselhaut-Musi mit Jodlern und Landlern

Deggendorfer Zeitung 29. März 2004

Hubert von Goisern und Band spielen in der ausverkauften Stadthalle Volksmusik

Deggendorf (she). Groß war das Interesse an Hubert von Goiserns Auftritt am Freitag in der Stadthalle. Die Karten waren in null Komma nix weg gewesen- und da wussten die meisten vermutlich nicht mal, dass Monika Drasch mit von der Partie sein würde. Für das ehemalige Mitglied beim Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn aus Hub bei Hengersberg war das Auftritt ein Heimspiel. Am Abend zuvor war die Band in der Münchner Philharmonie vor dreimal so vielen Zuhörern aufgetreten. Knapp 1000 Besucher fasste die ausverkauften Stadthalle.

Die neue CD Trad II ist bekanntlich auf dem Krippenstein in über 2000 Metern Höhe entstanden. Scheinbar wollte Goisern den Konzertbesuchern diese Atmosphäre nahe bringen. Auf der Bühne sah es zumindest so aus: links der Wegweiser zur Mittelstation, rechts das Schild zum Hirzkarersee. Sogar den Blick aufs Dachsteinmassiv gab's als Dreingabe. Mittendrin der Goisern und er erzählt von Spottjodlern, vom Unterschied zwischen Schwagerin und Sennerin, dem Grießknödel und dem Leberknödel und wie der Kohler zum Titel für einen Jodler wurde. Dann folgt Lied auf Lied und man wundert sich, wie es der Goisern schafft, diese Volkslieder mit ein paar Handgriffen praktisch neu zu erfinden. Wie macht er das? Er vermischt Akkordeon, Geige, Schlagzeug und Bass mit der Slide-Gitarre, der Mandoline oder dem Dudelsack (witzig: Monika Drasch), bringt ein anderes Tempo, einen anderen Rhythmus und schon passiert's. Mit Hilfe der Lap-Steel-Gitarre klingt ein Landler beinahe so lässig wie ein Song von der amerikanischen West-Küste oder so exotisch wie eine Melodie aus Nepal.

"Ganselhaut-Musi" nennt der Goisern die Volksmusik und da hat er Recht. Schließlich ist ein Abend mit fast ausschließlich Landlern und traditionellen Volksliedern ein Experiment, das auch scheitern könnte. Tut es aber nicht. Das meist reifere Publikum lässt sich von der Musik begeistern, die Fans klatschen, viele kennen die Lieder, kichern über Goiserns trockene Kommentare.

Als wunderbare Begleitung wirkt Monika Drasch, die mit ihrer giftgrünen Geige, Klarinette, Querflöte, Dudelsack und vor allem ihrer schönen Stimme ein echter Gewinn für Hubert von Goisern ist. Schade nur, dass sie kein Solostück singen darf. Fast drei Stunden dauert der Auftritt. Als Zugabe singt Goisern das Hiatamadl, ein schöner Abschluss, eine schöne Geste.

Hubert von Goisern: Live in München - 25. März 2004

28. März 2004 | Fotos: © Elli Christl

Das Kunstlied der Berge

Süddeutsche Zeitung 26. März 2004 | Text: Karl Forster

Hubert von Goisern mit "Trad. II" in der Philharmonie

Links geht es zur Mittelstation, rechts zum Hirzkarersee. Oben warnt ein Schild vor Latschenbrand, unten auf der Bühne der Philharmonie betreibt ein Mann in Weiß das große Publikumsverzauberungsspiel. Dieses Spiel scheint so einfach und ist doch so schwer. "Ihr braucht", sagt Hubert von Goisern, "die Texte gar nicht zu verstehen, ihr braucht euch nur eure eigenen Geschichten dazu ausdenken."

Und als ob alle Berggeister dieser Welt durch den Raum flögen, erscheinen Gipfel und Täler, Gletscher und Almen, Gems und Yak und Lama und Mankei und wachsen zu einer einzigen fantastisch paradiesischen Gebirgslandschaft. Nur weil da vorne einer "Hollaräduioh" singt.

Hubert von Goisern hat seine CD Trad. II zum Zentrum der aktuellen Tour gemacht, ein Werk, das in einem verlassenen Berghotel auf 2100 Meter Höhe eingespielt wurde und den Geist des Ortes atmet. Hier ist der weltgereiste Multiinstrumentalist und Klangsammler mit dem ihm eigenen Soundgefühl und mit großer Akkuratesse seinen Weg weiter gegangen und hat traditionelles Musikmaterial aus Landlern, Gstanzln, Volkstänzen und Jodlern mit eigenen musikalischen Idealen verbunden. Schön, gut, wunderbar.

Doch diese hochsensible Mischung aus Kitsch und Kunst als Konzert zu offerieren, ist eine Gratwanderung, deren Gefährlichkeit nur einen Dachstein-erfahrenen Mann wie Hubert von Goisern nicht schrecken kann.

Es wird ja kein Klischee ausgelassen. Die Gamserl schwarz und braun, der Schütz und der Jager, die Sennerin, auch wenn sie hier Schwoagrin heißt, und natürlich die Erbsünd', die, mal derb, mal versteckt, manchem Volksliedtext innewohnt. Doch Monika Drasch mit der ihr eigenen musikantischen Präsenz an Geige, Mikro und vielem mehr, der einfühlsame Bassist Arnulf Lindner, Bernd Bechtloff als singende Schlagwerker und Max Lässer an diversen Gitarre und Ähnlichem (von der Technik ab und an gepiesackt), sie alle woben einen in dezenten Farben gehaltenen multiethnischen Klangteppich, auf dem der Meister durch seine musikalischen Welten flog und sein (natürlich treu ergebenes Publikum) mitnahm auf die Reise.

Es sind ja nur ein paar Harmonien, die hier, meist im Sechsachteltakt, für zweieinhalb Stunden genügen mussten. Doch durch Feinsinn im Arrangement - hier ein kleine blaues Nötchen, da die Andeutung eine schrägen Changes, dort eine rhythmische Verschiebung - bekommen diese einfachen Stücke Drive und Groove und werden zum zeitlosen Kunstlied.

Und wer dabei die Augen schließt, vor dem wachsen alle Berge dieser Welt zu einem Traumbild, gemalt nur mit Musik. Ach ja, das Hiatamadl gab's als Zugabe. Hat auch gepasst.

Hubert von Goisern: Live in Linz - 24. März 2004

28. März 2004 | Fotos: © Elli Christl

Leiwand hot a gspuit, da Bertl

Sächsische Zeitung 15. März 2004 | Text: Jonas Grashey

Frei übersetzt: Hubert von Goisern hat sehr gut gespielt

"Vor meinen Konzerten muss man sich einlesen wie vor einer italienischen Oper", empfahl Hubert von Goisern am Sonnabend den 800 Zuhörern im Alten Schlachthof. Wenn der Neo-Volksmusikant aus dem österreichischen Salzkammergut anfing in breitem Dialekt zu reden, herrschte andächtige Stille.

Von Goisern, geboren in Bad Goisern und eigentlich Achleitner mit Name, blieb dies nicht verborgen: "In Dresden sind die Leute so leise und aufmerksam, das ist schon fast unheimlich. Da steh' ich total drauf." Erleichtert, etwas verstanden zu haben, lachten die Zuhörer und lauschten den Klängen von den Alben

Alte Traditonen weiter entwickelt

Goiserns fünfköpfige Combo vermengt dabei Traditionelles mit Neuem. Die E-Gitarre mit dem Gejodel, die Geige mit diversen exotischen Percussion-Instrumenten, von denen selbst Goisern nicht weiß, wie sie heißen - "ois, was scheppert. Keksdosen und so".

Ohne Trachtenkluft ist der Alpenrocker eine wohltuende Abwechslung zu den Kameraden, die in diversen Musikantenstadln versuchen, die Lippen zur Musik vom Band zu bewegen. Von denen distanziert er sich auch klar und fragt: "Wie will man eine Tradition weiter entwickeln, wenn man sie einbetoniert?" Er selbst arbeitete vor allem in den 90er Jahren viel an seiner Musik, ließ sich auf Reisen nach Afrika und Tibet inspirieren.

Die Texte behielten ihre charakteristische Schlichtheit, transportieren Althergebrachtes in die Klänge seiner modernen Musik. Eine Passage aus dem Lied Eiszapfen: "Znagst han i die ganze Nacht Eiszapfen brennt, koan Mensch hats nit kennt, dass koane Wachskerzen send." Zu Deutsch: Zunächst habe ich die ganze Nacht Eiszapfen angezündet, kein Mensch hat bemerkt, dass es keine Wachskerzen sind.

Zu solchen Versen sagt Goisern dann: "Es gibt auch im alltäglichen Dialog Dinge, die man versteht, aber eigentlich doch nicht." Über drei Stunden unterhielt Goiserns Band mit derartigem Voralpen-Nonsens und exzellenter Instrumenten-Beherrschung. Goiserns Zieh- und Mundharmonika-Einlagen und seine glasklare Stimme zeigten, dass Volksmusik nicht einschläferndes Gedudel aus rangierter Make-up-Hüllen sein muss.

Obwohl er anfangs seine Zweifel hatte: "70 Konzerte nur mit Volksmusik - das kann auch zur Belastung werden. Nicht für euch, sondern für uns." Dresden war Nummer 16. "Das ist euer Glück. Am Anfang sind wir noch nicht zynisch."

Hubert von Goisern: Live in Dresden - 13. März 2004

17. März 2004 | Fotos: © Elli Christl

Barde aus Österreich spielt Volksmusik der anderen Art

Mitteldeutsche Zeitung 17. März 2004 | Text: Hendrik Kranert | Foto: Chris Wohlfeld

51-jähriger Musikant stellt im ausverkauften Volkshaus Jena neue Platte vor

Hubert von Goisern

Hubert von Goisern weiß das historische Handtuch, das ihm Fans auf die Bühne von Jena warfen, zu schätzen

Jena/MZ. Der Mann traktiert das Bandoneon wie Rockstars die E-Gitarre. Anfangs als Schatten hinter der Leinwand - eben wie ein Rockstar. Dabei nennt er sich selbst ganz bescheiden Volksmusiker: Hubert von Goisern.

Das Jenaer Volkshaus ist ausverkauft, als der 51-jährige Oberösterreicher (aus Bad Goisern, daher der "Adelstitel") in die Tasten greift, um seine Platte Trad II vorzustellen. "Traditionals", ironisiert Goisern, "Volksweisen, versteht's?!" Klar verstehen sie, wer zu Goisern geht, erwartet nicht volkstümliches Gedudel aus dem Moikschen Stadel. "Denn Volksmusik in ihrer Ausschließlichkeit hat etwas bedrohliches", sagt Goisern. Und ausschließlich will er nicht werden.

Der Mann enttäuscht nicht: Natürlich jodelt Hubert von Goisern, der eigentlich Achleitner heißt, und natürlich spielt er seine Handharmonika. Doch Steel-Gitarre, Mandoline, Dudelsack und eine unglaubliche Anzahl von Percussion-Instrumenten lassen keinen Zweifel daran, dass Goisern auf Weltreise war, bevor er mit seiner - in Jena ausgezeichnet aufgelegten - Band mehrfach samt Technik auf den 2 100 Meter hohen Krippenstein kraxelte, um die Platte aufzunehmen.

In einem stillgelegten Hotel, fernab der Zivilisation. Trad II ist wohl auch deshalb ruhiger geworden, das Publikum muss nun sitzen. Damals, als es die Alpinkatzen noch gab, wäre das undenkbar gewesen. In den 1990er Jahren hatte Hubert von Goisern mit seiner Band die alpenländische Musik revolutioniert und selbst in Übersee für Furore gesorgt. Auf dem Gipfel des Rums aber löste er die Band kurzerhand auf und reiste nach Afrika und Asien, um sich dort von Volksmusik inspirieren zu lassen.

Doch auch in Jena verzichtet der Sänger und Weltenbummler nicht auf alte Hits wie Iawaramoi. Volksmusik, mal politisch. Goisern aktualisiert rasch den Text, nicht nur Serben und Kroaten schießen und sterben, auch "Araber und Jud', ich und du". Da bemüht er sich auch ganz nachdrücklich, den Goiserischen Dialekt, den man ja schon sieben Kilometer entfernt in Bad Ischl kaum noch versteht, etwas zurück zu nehmen.

Aber er gibt auch mal Unterricht in oberösterreichischer Mundart und erläutert den dadaistischen Text vom Grieß- und vom Leberknödel, die im Streit lagen. Ansonsten gilt die Parole: zuhören und sich einfach etwas zurecht spinnen. Volksmusik kann so schön sein.

Hubert von Goisern: "Wer das braune Bier nit mag..."

Dresdner Neueste Nachrichten Online 15. März 2004 | Text: Christian Ruf

Naaa, er musste nicht "schön" reden, der Hubert von Goisern aus dem Salzkammergut durfte seinen Auftritt am Sonnabend im völlig ausverkauften Schlachthof im ziemlich authentischen alpenländischen Dialekt bestreiten. Man würde wahrscheinlich sogar zusammenzucken, wenn er, vorrangig als musikalischer Veredelungskünstler alpiner Volksmusik bekannt, plötzlich "schön", also hochdeutsch, sprechen würde.

Man verstand ihn meist auch so, jedenfalls bei den kurzweiligen Ansagen, in denen er u.a. erzählte, dass die Ausseer, also die Einwohner rund um den Aussee im Salzkammergut, ganz nett, aber "kropfert san" (also sturschädelig) und gern verkünden würden, dass sie "goa kane Östreicher san". Mitunter erklärte Goisern auch das ein oder andere wichtige Wort. Im Lied D' Schwoagrin geht es also nicht um eine Schwägerin, sondern um die zeitweise Bewohnerin einer Schwoag (eines der vielen Worte für Alm), die dort oben die Küahlan und Kalmen versorgt.

Bei den Liedern war es letztlich egal, ob man was verstand oder nicht. Goisern selbst warnte, dass die Texte nicht immer so angelegt sind, dass sie einen Sinn ergeben und gab den Tipp, sich beim Zuhören doch seine eigenen Geschichten zu erfinden. In der Tat, muss man wissen, wie es weitergeht, wenn sich Grießknödel und Leberknödel nicht vertragen? Sehr schön war jedenfalls der Song "Stadltür", der das Zeug dazu hätte, eine Art heimlicher Hymne von diversen Schwarzbiertrinkern zu sein, heißt es doch in der ersten Strophe: "Wer das braune Bier nit mag / der kommt in das kühle Grab / i mecht aber krank nit sein / Kellnerin, schenk ein."

Es war ein Volksmusikabend der anderen Art, vergleichsweise ruhig und melancholisch. Aber natürlich ging es noch bei genug Songs schräg und schnell zur Sache, wurde die alpenländische Folklore mit Blues und Rock vermischt, dass der anwesende Teil der Volksmusik-Fraktion ganz aus dem Häuschen war. Goisern, der immer wieder mal monatelang durch Tibet und Afrika reiste, um bislang unbekannte Seiten von Musik für sich und in sich zu entdecken, Fusionen zu entwickeln, zu experimentieren, will immer noch alles andere, als eine Volksmusik zu spielen, die unter einer Glasglocke steckt und "einbetoniert" ist. Die Traditionalisten unter den Volksmusik-Freunden, sie gibt es nicht nur im Salzkammergut, sondern nach Goiserns Erfahrung auch im Senegal, die können natürlich mit dieser Einstellung wenig anfangen. Aber die waren auch nicht im Saal.

Musikalisch ließ der Auftritt kaum Wünsche offen, was auch an den vier exquisiten Mitmusikern Goiserns lag. Was da akustisch aus Schlagzeug und "Doppel-Woks", Geige und vor allem natürlich dem Akkordeon herausgeholt wurde, das überzeugte Ton um Ton. Goisern spielte sogar Trompete, obwohl er einmal in einem Interview bekannte, dass er da nie gut gewesen sei. Aber siehe da: dös basste scho. Der Musiker legte zwar nicht die klassische, kerzengerade Mross-Haltung beim Tröten an den Tag, aber live war es auf alle Fälle.

Jodelkönig rockt mit Pep und Ironie

Westdeutsche Zeitung 13. März 2004 | Text: Veronika Pantel

Hubert von Goisern: Volksmusik im Forum

Wuppertal. Kohler, Stadltür und D'Schwoagrin Titel aus einer neuen Folge vom "Musikantenstadl"? Keineswegs: Hubert von Goisern machte auf seiner Tournee Halt im ausverkauften Forum. Was der Erfinder des Alpenrock zu bieten hat, hat zwar mit Volksmusik, nicht aber mit Volkstümelei zu tun.

Mit den Titeln seiner CDs Trad I und II hat er sich den lang gehegten Wunsch erfüllt, "ans Herz gewachsene Volkslieder entstaubt einzuspielen". Das klingt fetzig, grob und deftig zugleich, aber auch sanft und melancholisch, ohne die Kitschgrenze zu erreichen. Denn davor bewahrt von Goisern seine Arrangements, indem er sie zeitgemäß aufpeppt. Dabei verleugnet er den Respekt vorm Überlieferten nicht, ganz im Sinne von Gustav Mahler, für den Tradition "die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche" ist.

Dem musikalischen Multitalent stehen mit Max Lässer (Saiten), Bernd Bechtloff (Schlagwerk), Arnulf Lindner (Bässe) und Monika Drasch (Geige, Stimme) Vollblut-Musiker zur Seite, die den spannungsreichen Zwiespalt von bodenständiger Alpenfolklore mit Blues-, Rock- und Pop-Elementen mittragen und rüberbringen.

Da wundert es schon, dass die begeisterte Fangemeinde so brav sitzen bleibt, nur vorsichtig mit den Fußspitzen wippt und auf den Schenkeln fast verstohlen den Rhythmus schlägt. Denn mancher würde wohl gerne schuhplattlern und bäuerlich stampfen, denn mitreißend ist die Musik in ihrer faszinierenden Ursprünglichkeit.

Wenn sich dazu noch die Spur feiner Ironie gesellt, die Hubert von Goisern so trefflich zu legen weiß, gibt`s eigentlich kein Halten mehr: "Volksmusik hat so ein unglaubliches Depressionspotenzial, das ist Musik in Inzucht, das geht so aufs Gemüt." Aber dann legt er wieder los, mit unbändiger Lust am einfachen Rhythmus und ungeheurem Jodeltalent.

Das allerdings kann Hubert Achleitner aus Bad Goisern dem Publikum im A Goiserer Jaga, einem Jäger-Lied mit Spott-Jodler nicht vermitteln, obwohl's ganz einfach sei: Die Wuppertaler haben ihr Jodel-Diplom nicht bestanden!

Hemmungslose Jodler und Beifall aus der falschen Ecke

Göttinger Tageblatt 11. März 2004 | Text: Peter Krüger-Lenz

Hubert von Goisern ist ein Wanderer zwischen den Welten. Er zählt zu den Begründern des Alpenrocks, wandte sich später der Weltmusik zu, komponierte die Filmmusik zu Schlafes Bruder und ist jetzt wieder zurück. Bei seinem Konzert am Mittwochabend in der Kasseler Stadthalle spielte er vor allem traditionelle Volksmusik.

Ein Hauch von Hüttenabend weht durch die Kasseler Stadthalle. Von Goisern trägt ein rotkariertes Hemd zu Jodlern und Juchzern. "Da sa mer noch nie gwesen", ruft er dem Kasseler Publikum in dem sehr gut besuchten Saal zu: "So sa mer. Mir spuilen jeden Tog irgendwo, wo mir noch nie gspuilt ham."

Hubert von Goisern, ein Adliger, der sich der Volksmusik seiner Heimat Österreich verschrieben hat? Unfug. Der Hubert heißt schlicht Achleitner und kommt aus Bad Goisern im Salzkammergut. So bodenständig sein Künstlername, so bodenständig ist auch die Musik seiner neuen CD Trad II, die er vor allem während seiner aktuellen Tour spielt. Und er bringt damit Welten zusammen.

Im Publikum sitzen meist Menschen um die 50, denen man ihre rockige Vergangenheit ansieht. Aber auch Fans tauchen auf, die sich speziell für diesen Abend mit allerlei Trachten herausgeputzt haben. Von Goisern kriegt sie alle.

Viel und heftig wird während des Programms gejodelt, das vor allem von Respekt vor der Tradition bestimmt ist. Natürlich, der Goiserer setzt elektrisch verstärkte Instrumente ein. Natürlich arrangiert er die alten Stücke neu. Hin und wieder baut der 52-Jährige Instrumente ein, die den Stücken bisweilen einen Hauch von Südsee verleihen. Die "schlichten, aber meisterhaften Lieder" interpretiert er "respekt- und lustvoll", wie er es selbst einschätzt - und manchmal hemmungslos. Denn: "Beim Jodeln muss man hemmungslos sein." Also: Alpenfolklore in ihrer besten und einzig erträglichen Form.

Begleitet wird von Goisern von feinen Musikern wie der Multiinstrumentalistin Monika Drasch, mit der er ein furioses Jodel-Duett ausficht. Oder Max Lässer, der eine kaum überschaubare Anzahl von Saiteninstrumenten im Hintergrund bedient. Schließlich hat von Goisern aber auch etwas zu sagen, was man daran merkt, dass Beifall manchmal aus der falschen Ecke kommt.

So philosophiert er ein wenig über ein Aussteigen aus der Geschichte und der Möglichkeit zu sagen: "Mit den Verbrechen von vor 60 Jahren habe ich nichts mehr zu tun." Der Applaus einiger Besucher verstörte ihn leicht. Denn: Ohne Vergangenheit könne niemand lebend, so sein Credo.

"Pfüet eich, guade Nocht. Sche wors", ruft von Goisern nach einigen Zugaben der stehend applaudieren Menge zu. Recht host, Hubert.

Alles Leberknödel oder was?

Frankfurter Neue Presse 9. März 2004 | Text: Walter Fischer

Alpenrocker Hubert von Goisern gab ein Gastspiel in der Frankfurter Alten Oper

Vor ein paar Jahren spielte er noch in der Hugenottenhalle in Neu-Isenburg. Heuer wird die österreichische Volksmusik in der Bearbeitung des Hubert von Goisern geadelt durch einen Auftritt in Frankfurts Musentempel.

Mit der Volksmusik ist das so eine Sache, zumal in Deutschland. Heino pflegt das deutsche Liedgut, und die Wildecker Herzbuben schunkeln sich gemütlich von Musikantenstadl zu Musikantenstadl. Dann haben wir noch Hannes Wader, Zupfgeigenhansel und Ougenweide, die sich alle auch um deutsche Volkslieder bemüht haben - aber vielleicht eben zu sehr bemüht.

Die ironische Leichtigkeit, mit der Hubert von Goisern mit der Musik seiner österreichischen Heimat umgeht, findet man hier zu Lande kaum. Von Goisern sucht gar nicht erst nach inhaltlicher Tiefe; ob er von "Griasknödeln" oder "Leberknödeln" trällert, ist ihm ziemlich wurscht. Gerade in den Texten erkennt Hubert von Goisern eine enge Verwandtschaft von Volksmusik und Dadaismus. Was soll man sich auch vorstellen, wenn er von einem alten Musketier singt, der "hinter der Stadltür" auf "seiner Bassgeign aufspüt", aber "koa Soatn draufhat"? Der österreichische Jodler hat schließlich eine lange Dada-Tradition: "Huidiridulie" oder "hollere diri diri-dulio" - wie könnten derartige Lautschöpfungen von einem dadaistischen Poeten übertroffen werden?

Hubert von Goisern, selber Multi-Instrumentalist, hat exquisite Musiker um sich geschart: Bernd Bechtloff am Schlagzeug, Arnulf Lindner am Bass und die rothaarige Monika Drasch an der knallgrünen Geige. Glanzlichter setzt Max Lässer mit seiner Lapsteel-Gitarre oder mit der Mandoline. Und im Duett mit Hubert von Goisern ersetzen die beiden ein anderes typisches Zupfinstrument, die Zither. Um die Zuhörer nicht mit den Untiefen des Dialekts zu konfrontieren, spielt von Goisern ab und zu ein "entspannendes Instrumentalstück". Österreichisch muss man dafür nicht können.