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KULTURPREIS

Wir gratulieren den Preisträgern des Hubert von Goisern Kulturpreises 2022

Alicia Edelweiss

Alicia DannerSchon der Name verweist raffiniert auf Form und Inhalt der Musik von Alicia Danner: Alicia Edelweiß nennt sie sich auf der Bühne. Doch dem lächerlichen, alpinen Klischee, das im Blumennamen freilich mitschwingt, wird flott und schräg der Teufel ausgetrieben. Schnell wird hörbar, dass die Originalität des Namens der Originalität und Frische ihrer Musik locker, ja lässig standhalten kann. Charme, Mut und Witz ergänzen sich zu einer Mischung, die kratzt und widerborstig gegen jeden Traditionskram gebürstet wird und sich dennoch stets mit der weltumarmenden Wärme des Akkordeons umhüllt. Das weckt Erinnerungen an die rohe Wildheit der New Yorker Anti-Folk-Bewegung ebenso wie sie geschickt freigeistig mit Andeutungen der Klänge des Alpenraumes spielt. Nichts dabei ist provinziell, alles spielt in einer großen weiten Welt, die sich nicht um Grenze schert, schon gar nicht wenn es darum geht, dass Danner ihre theatralische Ader nicht nur in den Songs, sondern auch in schrägen Outfits und auch mit dem Hauch von Varieté ausspielt. Poesie und Pop, Weird-Folk und jazzige Spielerei, Märchenwald und Kunstlied vereinen sich zu einem Bekenntnis des Seltsamen, das von einer unbändigen Lust – und auch dem Talent – zu unbedingter Eigenständigkeit geprägt ist.
www.alicia-edelweiss.com

Ingrid Hofer

Ingrid HoferGehörlose und hörende Kinder zum Tanzen zu bringen – das ist die Idee von Ingrid Hofer, geboren 1976 in Lustenau und seit vielen Jahren auf verschiedenen Ebene künstlerisch tätig. Für dieses Projekt hat sie ihre erste CD mit Kinderliedern mit dem Titel Teddy Eddy - Achtung! Fertig! Los! zu einer Tanz- und Bewegungs-DVD erweitert – übersetzt in die Österreichischen Gebärdensprache. Es ist ein Pilotprojekt, das in der Gehörlosen-Community seinesgleichen sucht.  Bescheiden meint Hofer, ihr Projekt solle "einfach nur Freude machen". Und doch tut es weit mehr. Es fördert die Sensibilisierung für ein Thema, das - um es mit einem Wortspiel zu formulieren - noch allzu oft überhört wird. Die Standhaftigkeit, mit der die Vorarlbergerin Hofer an ihrem Projekt festhält, ist beeindruckend. Und ebenso beeindruckend ist es, wie es ihr gelingt den Fokus auf einen Rand der Gesellschaft zu werfen. Dieser Rand meint nicht nur jene, die mit Hörbeeinträchtigung leben müssen, sondern Kinder überhaupt. Sie sind – Corona hat es gezeigt – oft und recht schnell an den Rand gedrängt, doch es ist eben genau dieser vermeintliche Rand, aus dem die Zukunft wächst. Für diese Zukunft schafft – ganz im Sinn einer inklusiven Gesellschaft – Ingrid Hofer und durch ihre Arbeit und ihre Inspiration. Sie kreierte Chancen, um an einem künstlerischen, unterhaltsamen und auch spielerisch lehrreichen Programm mitmachen zu können.
www.ingridhofer.com

Marcus Hinterberger

Marcus HinterbergerAus dem Nichts kommt nichts, auch wenn der Pinzgauer Marcus Hinterberger, Jahrgang 2000, wie au dem Nichts aufgetaucht ist und dann gleich zu einem veritablen Held in der Welt der Sozialen Medien wurde. Das gelang ihm mit einem Blues, mit dem er wie mit einem Skalpell in eine besonders in Österreich durch die Corona-Pandemie offengelegte Wunde schnitt. Mit seinem "Ischgl-Blues" prangert er die Auswüchse des Tourismus an. Danach nahm er sich mit dem "Bürgermeister-Blues" die Katastrophe der österreichischen Raumordnung vor. Hinterberger, gleich mit seinem ersten Song Publikumsliebdung beim FM4-Protestsongcontest – und damit kräftiges Sprachrohr einer jungen Generation -, schöpft aus einer Welt, die in Wanken gerät, die gefährlich aus den Fugen gerät. Hinterberger will sich damit keinesfalls abfinden. Seine Songs sind beseelt von einem Widerstandsgeist gegen eine Gesellschaft, in der das Geschäft einiger weniger über das Gemeinwohl gestellt wird. Dazu braucht er nichts als seine Gitarre und es gelingt ihm mit klaren, einfachen Worten, die Tradition des Protestsongs fortzusetzen. Der Student der Theater- und Filmregie will nun auf einer ausgedehnten Weltreise Gleichgesinnte auftreiben und musikalische Proteststimmen anderer Länder für ein Album sammeln.
www.youtube.com/MarcusHinterberger

Liebe Bewerber/innen für den HvG Kulturpreis 2022 ...

Die Entscheidung ist gefallen und auch dieses Jahr sind viele von euch, die es ohne Zweifel auch verdient hätten ausgezeichnet zu werden, nicht zum Zug gekommen. Allein es wäre niemandem damit gedient, wenn wir die Butter auf zu viele Brote verteilen würden. Die Jury musste sich also entscheiden und hat sich, nach eingehendem Studium aller 135 Bewerbungen, für jene drei Kandidaten entschieden, die ihren Vorstellungen am meisten entsprochen haben.
Ich bedanke mich - auch im Namen aller Jury Mitglieder für die zahlreichen, spannenden und vielfältigen Einsendungen. Bleibt dran an euren Träumen und Visionen. Mit besten Wünschen für einen schönen und musikalischen Sommer verbleibe ich,

Herz&Licht

Hubert von Goisern

Hubert von Goisern Kulturpreis Verleihung 2022

30. Mai 2022 | Fotos: © Felicitas Fuchs

Am 27. Mai 2022 begrüßte Hubert von Goisern Gäste zur fünften Verleihung seines Kulturpreises. Der jährlich mit €15 000 dotierte Preis wurde 2018 gestiftet, um die Kreativität von Künstlern und Künstlerinnen im Bereich Musik zu fördern. Heuer wurden drei Gewinner*innen bei der Veranstaltung im Das Zentrum Radstadt geehrt: Marcus Hinterberger, Alicia Edelweiss und Ingrid Hofer.

Vor der Übergabe der handgefertigten Trophäen und Urkunden sprach Moderator Helmut Jasbar mit Hubert von Goisern über seine Motivation für die Stiftung des Preises und bisherige Erfahrungen. "Ich will damit einen Beitrag zur Förderung von Talenten leisten," sagte Goisern, "und Künstler*innen unterstützen, die etwas zu sagen haben und für etwas brennen."

Elisabeth Schneider stellte die erste Preisträgerin, Ingrid Hofer, vor. Als Einblick in ihre Arbeit mit gehörlosen Kindern sang die Liedermacherin Kleiner Stern, ein Gute-Nacht-Lied aus ihrem zweiten Kinderliederalbum. Nicht nur Ingrids Auftritt, sondern die ganze Preisverleihung wurde von Gebärdensprachdolmetscherinnen Sabine Höller und Anna Huber begleitet, um für einen barrierefreien Abend zu sorgen.

Gitarrist und Liedermacher Marcus Hinterberger wurde von Margarethe Hlawa-Grundner dem Publikum vorgestellt. Die hochaktuellen Protestlieder dieses jungen Talents hatten die Aufmerksamkeit der Kulturpreis-Jury erregt. Auf der Bühne in Radstadt spielte er nicht nur den Ischgl Blues und den Bürgermeister Blues mit denen er bereits Anerkennung gewonnen hat, sondern auch das noch nicht veröffentlichte Lied Woat.

Die letzte Laudatio des Abends hielt Günter Huemer für "Freak-Folk"-Liedermacherin Alicia Edelweiss, die kürzlich von zwei Konzerten bei The Great Escape Festival im Vereinigten Königreich zurückgekehrt war. Mit zwei Titeln aus ihrem Album When I'm Enlightened, Everything Will Be Better sowie ein Cover des Lieds Innocent When You Dream von Tom Waits sorgte sie für den Schlusspunkt der Feier des Kulturpreis 2022.

Goisern-Preisträger Marcus Hinterberger: "Mich ärgern die vielen Ungerechtigkeiten"

Salzburger Nachrichten 28. Mai 2022 | Text: Bernhard Flieher

Marcus Hinterberger aus Saalbach, ein unangepasster Protestsänger, gehört heuer zu den drei Hubert-von-Goisern-Preisträger. Ein Gespräch über die Heimat und das, was man an ihr kritisieren muss.

Mit seinem Ischgl-Blues wurde der Pinzgauer Marcus Hinterberger vor zwei Jahren bekannt. Er hat mit Alicia Edelweiss, einer mutigen, genresprengenden Songschreiberin, und der Vorarlbergerin Ingrid Hofer, eine Künstlerin mit sozialem Anliegen, die ein Tanz- und Musikprojekt für gehörlose und schwerhörige Kinder in Gebärdensprache umsetzt, heuer den Hubert-von-Goisern-Kulturpreis enthalten. Verliehen wurden die Preise - "zur Förderung von Talent und Beharrlichkeit und für außerordentliches Engagement und Leistungen im Bereich Musik" - heuer erstmals im Rahmen der Hofhaimer-Tage in Radstadt.

Welchen Stellenwert hat der Hubert-von-Goisern-Kulturpreis in Ihrer recht frischen Karriere?

Ich freue mich wahnsinnig über diesen Preis und das Vertrauen von Hubert von Goisern und der Jury, vor allem wenn man bedenkt, dass ich im Vergleich zu anderen Mitbewerbern deutlich weniger "Werke" vorzuweisen habe. Gerade deswegen bin ich umso motivierter, mit diesem Rückenwind weiterzumachen, und weiterhin Themen anzusprechen, die mich und meine Generation bewegen, auch wenn das manchen gegen den Strich geht.

Wie wichtig ist so eine Unterstützung? Gibt es ein bestimmtes Projekt, das Sie damit finanzieren werden?

Meine Familie und Freunde unterstützen mich bei meinen Projekten bereits so gut es geht, worüber ich sehr dankbar bin. Oben drauf noch eine so große und erfahrene Stimme hinter mir zu haben, ist eine große Ehre. An der Art, wie Hubert von Goisern junge Künstler unterstützt, können sich in unserer Gesellschaft viele ein Beispiel nehmen. Gerade in Krisen-Zeiten gibt uns die Kunst die Möglichkeit, die unbegreifbaren Dinge zu verarbeiten, aus Ihnen zu schöpfen, Sinn zu finden - und das gehört unbedingt erhalten.
Ich habe für den Preis ein Projekt eingereicht, welches ich schon seit Längerem nach meinem Studium umsetzen will. Geplant ist eine musikalische Entdeckungsreise auf der Suche nach gleichgesinnten Künstlerinnen und Künstler in anderen Kulturkreisen. Dabei interessieren mich vor allem die Umsetzung und Hintergründe musikalischer Protestformen in anderen Ländern. Dadurch soll nach und nach ein internationales Album der Welt-Musik entstehen, welches ich während meiner Reise aufnehme sowie Podcasts und Videos zur Dokumentation. In Zeiten sinnlos umkämpfter Grenzen kann Musik, die keine Grenzen kennt, Sinn stiften.

Sie sind 22 Jahre alt. Als sie geboren wurden, hatte der Goiserer seine erste Karriere schon hinter sich und gerade erst wieder angefangen Musik zu machen. Kennen Sie seine Musik? Wie haben Sie die Goiserer-Musik entdeckt?

Seine Lieder haben Kult-Status in Österreich und ich finde sie großartig! Für mich war jedoch sein Weg dorthin, seine Art Neues zu Erschaffen immer viel interessanter. Seine Projekte, sei es das Donau-Schiff-Projekt oder seine länderübergreifenden Alben, sind für mich eine große Inspiration. Er hatte immer den Mut, sich selbst neu zu erfinden, neue Wege zu gehen, und sich nicht verbiegen zu lassen - und das schätze ich sehr an ihm.

Sehen Sie denn eine Verbindung zwischen Ihnen und der Musik des Goiserers

Auch Hubert von Goisern wurde - vor allem zu Beginn seiner Karriere - von vielen seiner Heimat angefeindet, weil er neue Wege gegangen ist und weil sie seine Heimatkritik mit Heimathass verwechselt haben. Hubert von Goisern befasst sich - genauso wie ich - in vielen seinen Lieder mit seiner Heimat, weil sie ihm am Herzen liegt. Ich denke wir schreiben unsere Lieder beide mit viel Bauchgefühl, weil uns etwas zutiefst bewegt und wir es ernst meinen - ich glaube das spürt man.

Bei Hubert von Goisern spielt das "Daheim" eine wichtige Rolle als ein Gegensatz zur "Fremde". Bei Ihren beiden Blues-Songs schauen sie auch kritisch auf Ihre Heimat. Was ärgert sie denn am meisten an ihrer Heimat?

Vorweg will ich sagen: Meine Heimat ärgert mich nicht! Mich ärgern die vielen Ungerechtigkeiten, die in meiner Heimat stattfinden, und unsere Region weniger lebenswert machen. Verantwortlich dafür sind nur eine Handvoll Menschen, aber ihr Einfluss streckt sich über ganze Täler, und niemand traut sich etwas zu sagen. Dazu kommt die Politik, welche Ihnen die Möglichkeit dazu bietet und viel zu langsam auf gesetzliche Grauzonen reagiert. Es ärgert mich, dass nur Schwarz und Weiß gesehen wird und meiner Generation keine Alternative geboten wird. Es ärgert mich, dass man sich als junge Familie in einem Tal voller Betten kein Haus mehr leisten kann, während man versucht, fehlende Millionen für eine Ski-WM zusammenzukratzen. Das ist keine Heimatkritik, sondern Kritik an den Entscheidungsträgern und soll einer Generation Mut machen, für die noch so vieles unklar ist.

Und was ist das Schöne?

Wir leben in einer der schönsten Regionen der Welt! Die saubere Luft, das klare Wasser und die vielfältige Natur sind Privilegien, von denen andere Länder nur träumen können. Ich finde es nach wie vor ein Wahnsinn, dass allein unser Geburtsort auf dieser Welt über Armut oder Reichtum entscheidet. Und deshalb finde ich, dass gerade wir, die wir in diesem Paradies leben dürfen, alles dafür tun müssen, um diesen Reichtum an Natur zu erhalten. Und natürlich auch meine Freunde, meine Familie. Das bedeutet auch Heimat für mich: Von Menschen umgeben zu sein, bei denen man sich wohlfühlt, und das ist für mich nicht an einen bestimmten Ort gebunden.

Woher kam denn der Antrieb diesem Ärger mit Musik Luft zu machen?

Ich habe schon immer die Dinge, die mich bewegen, mit Humor verarbeitet und diesen Humor dann in meine Lieder mitgenommen. Bei allem Ärger muss man immer noch positiv bleiben und nicht die Fronten noch verhärten. Meine Lieder leben vom Sprichwort "Wer lacht, stimmt zu", was meinen Kritikern oft zum Verhängnis wird.

Ischgl-Blues, Bürgermeister-Blues… Was kommt als nächstes?

Wir drehen Anfang Juni den Diplom-Film meines Studium - eine Alpen-Groteske - welcher im Herbst zu sehen sein wird. Davor möchte ich noch als Abschluss meiner Blues-Trilogie den Tinder Blues veröffentlichen und eine Ballade über eine immer schneller werdende und konsumüberflutete Welt.

Sie studieren Theater- und Filmregie. Welche Rolle soll die Musik künftig bei Ihnen spielen?

Die Musik wird mich mit Sicherheit für immer begleiten, damit hat vor zwei Jahren alles für mich begonnen. Ich fühle mich aber auch im Theater und Film sehr wohl und ich möchte mich in Zukunft breit aufstellen. Ich habe letztens ein Zitat von Viggo Mortensen gelesen, das mich sehr berührt hat: "To be an artist, you don't have to compose music or paint or be in the movies or write books. It's just a way of living. It has to do with paying attention, remembering, filtering what you see and answering back, participating in life."

Bisherige Gewinner