DeutschEnglish

S'NIX TOUR 2008-09

"Koa deitsches Wort" für Showtime

Mannheimer Morgen 6. April 2009 | Text: Bernd Mand

Hubert von Goisern und Band spielen prächtig auf im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens

Zugegeben, "Wuchtbrumme" ist vielleicht nicht die beste Wahl, um einer anderen Person ein Kompliment zu übermitteln, doch fällt es schwer, ein entsprechend bildstarkes Wort zu finden, das Hubert von Goisern bei seinem Auftritt im Mannheimer Rosengarten so treffend beschreiben kann.

Vor einem, bis auf äußerst wenige Restplätze, ausverkauften Mozartsaal stoben von Goisern und seine Band kraftstrotzend durch rund drei Stunden Programmzeit, dass es schon weit vor der Zugabe kaum einen im Saal noch auf den Sitzen halten konnte. "It's showtime!" rief der 56-jährige Österreicher in die Zuschauerreihen. "Ja, es gibt koa deitsches Wort für Showtime!" Und eine große Show sollte es eben auch werden. Weltmännisch ausgeleuchtet, immer stark nach vorne spielend und mit hochgeschobenen Lautstärkereglern, dass es manchem Jungspund des aktuellen Musikgeschäfts leicht zum Hörsturz hätte verhelfen können.

Viele Songs kamen direkt aus dem jüngsten Album S'nix des Volksmusikanten, das sich weniger weltmusikalisch als seine Vorgänger zeigt und wieder stark auf westliche Musikschulen wie Funk, Jazz und auch punkige Gitarrenritte setzt. Und doch schlummern in vielen Ecken natürlich die musikalischen Entdeckungen seiner tonalen Weltreisen neben Reggaespuren und Synthieklängen. Entspannte Erzählepen wie Regen oder rockige Selbstläufer wie Leben wechseln sich mit Kopfnickerstücken wie Herschaun mit tiefergelegtem Dancehallgestell und osteuropäischen Folkloreschleifen ab.

Auch zwischen alt und neu springt der schier Unermüdliche zu aller Freude genussvoll hin und her. Covert im Extra-Slow-Blues Mercedes Benz oder lässt mit Sieger choral die Alpen glühen. Und auch wenn man das Gefühl nicht los werden konnte, dass gerade die alten Gassenhauer dem Publikum das größte Vergnügen bereiteten und vielleicht ein simples La Montanara einigen angenehmer in den Gehörgang gerutscht wäre, schien sich keiner an von Goiserns bombastischem Rockaufgebot zu stören.

Überbordendes Volksfest

Zusammen mit seiner jugendlichen Kapelle, deren Mitglieder gut und gerne seine Nichten und Neffen sein könnten, legte Hubert von Goisern einfach große Arrangements vor, die den Begriff der Mundart in ungeahnte Weite dehnten. Alpenrock mag das nennen, wer da will. Was hier auf der Bühne passiert, ist ein grenzensprengendes Volksfest mit einem fest sitzenden Fundament aus Erfahrung und wacher Neugier. Vielleicht sollte man allerdings beim nächsten Mal gleich auf die Bestuhlung verzichten. Im Sitzen ist nämlich nicht gut schwofen.

Hubert von Goisern: Live in Mannheim - 3. April 2009

8. April 2009 | Fotos: © Elli Christl

Im Congress Centrum: Warum Hubert von Goisern Würzburg mag

Mainpost 5. April 2009 | Text: Hans-Jürgen Grellmann | Foto: Christoph Weiss

Der Österreicher begeistert drei Stunden im vollen Congress Centrum

Hubert von GoisernGeschlagene drei Stunden ohne Pause steht der 56-jährige österreichische Weltbürger Hubert Achleitner, besser bekannt als Hubert von Goisern, auf der Bühne im voll besetzten Congress Centrum in Würzburg, singt und spielt sich mit sieben verschiedenen Instrumenten die Seele aus dem Leib. Vielleicht will er den Würzburgern klarmachen, so erzählt er es jedenfalls, was sie versäumt haben im August letzten Jahres, als er mit seinem Musikschiff auf Europa-Tour zwar in Schweinfurt und Lohr anlegen durfte, nicht aber in der Domstadt. Trotzdem habe er die Stadt in bester Erinnerung, weil er hier, akut erkrankt, wiederhergestellt wurde für seinen Weg den Main und den Rhein hinab.

Jetzt ist er mit einer exzellenten vierköpfigen Band und drei Musikerinnen unterwegs, mit denen er seine letzte CD (S'Nix) eingespielt hat und mit der er den ersten Teil des Konzertes bestreitet. Hier hat er auch die vielfältigen musikalischen Einflüsse verewigt, aus Afrika, Amerika, Asien, mit einer Vielzahl an Rhythmus-Instrumenten und Klang-Folien, für die der vorzügliche Keyboarder David Lackner seine elektronischen Tasten schnurren, piepsen, weinen oder sogar poltern lässt.

Schließlich macht von Goisern eine Zeitreise durch seine Karriere, mit vielen Liedern, die die Fans mitsingen. So richtig sanft bei Durchgeh durch's Tal, richtig rockig bei Oben und unten. Sogar ein schöner Blues, die von Janus Joplin adaptierte Hymne Mercedes Benz, ist dabei. Die Stimmung bei den 20 Liedern ist richtig gut. Drei Zugaben gibt er, zuletzt das genial-einfache Heast es nit, mit der melancholischen Zeile "Die Jungn san alt worn, und die Altn san gstorbn".

Seinen ersten großen Ohrwurm, Koa Hiatamadl, spielt Hubert von Goisern nicht. Vielleicht holt er das ja nach am 27. Juni, da ist er zu Gast auf Burg Wertheim.

Wenn der Jodler unter Rocker fällt

Kölnische Rundschau 4. April 2009 | Text: Kerstin Völling

Dieser Hubert kann aber auch alles: Gitarre, Akkordeon und Trompete spielen, jodeln, juchzen und singen. Im ausverkauften E-Werk peppte der extravagante Volksmusiker die heimatlichen Klänge mit drei Background-Sängerinnen auf.

KÖLN - Es ist noch gar nicht so lange her, dass Hubert von Goisern die Domstadt beehrte. Erst im vergangenen August hatte der Österreicher mit dem Konzertkahn "Brandner IV" im Rheinauhafen angelegt und an der Seite von kölschen Musikern für die Kulturhauptstadt Linz geworben. "Das waren andere Rahmenbedingungen", sagt der 56-Jährige.

Recht hat er. Im ausverkauften E-Werk ist alles überschaubarer. Da sind zunächst die Stuhlreihen auf der Empore für die gesetzteren Gäste. Die Stehplätze teilen sich Paradiesvögel in Krachledernen, Goldkettchenträger, Glatzen, Freaks, Studenten und biedere Hausfrauen. Wie's G'scherr, so der Herr: Auch Hubert ist ein einziger Mix. Das Spektrum reicht vom Punk über den Blues, die Ballade und Polka hin zum Heimatlied. "It's Showtime!" ruft der Jodelkönig. Er legt erst mal mit Rock los. Den beherrscht nicht nur er besonders gut, sondern auch seine Band und insbesondere David Lackner an den Keys, der für ein wildes Solo später noch Szenenapplaus erhalten wird.

Die heimatlichen Klänge peppt der extravagante Volksmusiker mit drei Background-Sängerinnen auf. Passend drehen sie sich in Röckchen, die wie eine Kreuzung aus Petticoats und Dirndls zurechtgeschneidert sind. Elisabeth Schuen kann bestimmt auch Gläser zerspringen lassen: Klar, laut und in den höchsten Stimmlagen vereinigt sie Jodler mit Ariengesang. Da sieht man sie förmlich vor sich, diese Alpen, die schwer zu bezwingenden Dreitausender, in denen die schrillen Echos nachhallen. Und Jodler kann man auch singen, lehrt von Goisern: "Holereidudida - jetzt alle!" "Holereidudida" antwortet der Zuschauerblock. Wo sind eigentlich Wolfgangs Niedeckens Gastauftritte, wenn man sie mal sehen will?

Der Kölschrocker erscheint nicht, dafür das blutrote Hintergrundlicht, das von Goisern für seinen berühmtesten Schlager reserviert hat. Wieder singt der Fanblock: "Jetzt bist so weit, weit weg so weit, weit weg von mir, des tuat mir schia" Stimmung bis in die hinteren Reihen. Dieser Hubert kann aber auch alles: Gitarre, Akkordeon und Trompete spielen, jodeln, juchzen und singen. So darf er sich ruhig mal an einen Janis-Joplin-Klassiker heranwagen: "Geh Herrgott hiazt kauf ma an Mercedes Benz ..., auch wenn es ka(o)lt is un nit am Wetter liegt." Klatschmarsch.

Schrill, abgefahren, grenzwertig. Und doch irgendwie faszinierend. Wer jemals ein Gefühl für Alpenrock bekommen will, darf von Goisern nicht ignorieren.

Empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist sein jüngstes Album S'Nix. Ansatzweise hat er es schon im August vorstellt. Neben Herschaun präsentiert er nun noch Leben: "Nit über all's allweil nur drüber reden, drüber reden. Es geht do' da nit nur um's überleben, um's überleben - I wü' leben."

Das ist spürbar. Das ganze Konzert über. Dafür muss man keinen Dialekt verstehen.

Eine Feier des Lebens

Badische Zeitung 3. April 2009 | Text: Michael Baas | Foto: AndrÉ Roos

Hubert von GoisernFrüher, da sei's ihm "wurscht" gewesen, dass er gelogen habe, lässt Hubert von Goisern das Publikum im rappelvollen Burghof nach der Hälfte des dreistündigen Konzertes wissen. Aber, heute ... Im reifen Alter von 56 Jahren will der Österreicher, der Heimat und Weltoffenheit so charmant verbindet, auf der Bühne eigentlich keine Geschichten mehr erzählen. Irgendwie erzählt er sie aber trotzdem und das mit fast jedem Ton: In den Juchzern und Jodlern, die gesättigt sind mit Gefühlen; in den Texten, die so lapidar wie lebensklug sind, und in den "steilen" Anekdoten, die hin und wieder doch aufblitzen. Zum Beispiel in der Ansage von i bi ån, französisch gesprochen, in dieser nasalen Betonung sofort dem Salzkammergut zuzuordnen und dort gleichbedeutend mit "Ich habe alles, was ich brauche", die Betonung auf brauchen. Das ist der Punkt: Hubert von Goisern geht's nicht ums Haben; ihm geht's ums Sein und das mit fortschreitendem Alter immer kompromissloser. Das hat der fulminante Auftakt der S'nix (Das Nichts)-Tour in Lörrach eindrucksvoll belegt.

Bekannt wurde der Österreicher Anfang der 90er Jahre als Erneuerer alpenländischer Folklore, der mit den Alpinkatzen Rock- und Volksmusik verbunden hat. Mittlerweile hat er einige Metamorphosen hinter sich, ist vom Alpenrocker mutiert zum Alpen-Ethnorocker, hat Ausflüge in die Weltmusik gemacht oder in den zwei Trad-Alben in Back-to-the-roots-Manier traditionelle Folklore eher historisch-puristisch interpretiert. 2007 brach er mit dem Konzertschiff-Projekt dann im wahrsten Sinn des Wortes erneut zu neuen Ufern auf. "Ich kann nicht Volkslieder bis zum Abwinken spielen", zitierte ihn der Frankfurter Allgemeine Zeitung dazu im Vorjahr. Gleichwohl lebt der "Volksmusiker", wie er sich selbst nach wie vor nennt und blitzt mal mehr mal weniger auf: im Jodeln, an der steirischen Ziehharmonika und im Gesamtbild der neuen Band - bis zum Outfit, den folkloristisch-bunten Faltenröcken, der drei ladinischen "Madln" (Elisabeth und Marlene Schuen sowie Maria Moling), die Background singen, jodeln, geigen und mehr.

Der "Volksmusiker" von Goisern hat sich erneut gehäutet. Die Band - David Lackner (Keyboard), Alex Pohn (Schlagzeug), Helmut Schartlmüller (Bass) und Severin Trogbacher (Gitarren) - ist jung, viel jünger als der Multiinstrumentalist und sie ist rockig. Doch was heißt rockig? Das Spektrum reicht vom Punk zum Funk, vom Blues zur Ballade, vom Rock zur Polka, von HipHop zum Heimatlied. Da wummert es mal wuchtig wie in der Intro. Da verschmelzen fette Keyboard-Sounds und peitschende Gitarrenriffs mit den glasklaren Gesängen der Ladinerinnen wie im Juchitzer. Da bluest es in Mercedes Benz wie am Unterlauf des Mississippi. Da trifft eine flehende Ziehharmonika auf melancholische Geigen wie im Schönberger. Da gibt's in Auseinandertreiben Sphärisches mit einer Spur Jazz und einer Trompete, die Goisern so pointilistisch bläst wie Miles Davis in seinen späten Jahren. Da kommen sanfte Balladen, fast Chansons mit Jodeleinlagen wie Neuer Tag oder Strassn und da rockt es richtig los wie in Leben, dessen expressives und doch inbrünstig wie ein tibetanisches Mantra wiederholtes "I will leben" wie eine programmatische Inschrift über dem Konzert stehen könnte: Goisern feiert ein Leben im Hier und Jetzt, ein Dasein, das sein Glück jenseits von Konsum und Kommerz sucht.

Der "Volksmusiker" zeigt einmal mehr was aus und mit Volksmusik zu basteln ist, und er geht weiter als je zuvor, verbindet Folklore nicht nur mit der E-Gitarre, sondern erschließt neue elektronische Klanguniversen, wagt neue Stilsynthesen. Die wuchtigen und aufgeladenen Passagen aus dem neuen Album und dieser mitunter auch mit Rockbombast beladene von Goisern mag den einen oder die andere irritiert haben- vor allem im ersten Teil. Doch der Profi weiß auch, was Fans erwarten, flechtet geschickt bekannte Stücke und vertraute Arrangements ein und bei der dritten Zugabe, seinem Hit Heast as nit, wogt längst eine Welle wohligen Behagens durch die Stuhlreihen - ein gelungener Auftakt der Tournee nicht nur für die Musiker.

Musik für die Verständigung der Völker

Die Furche Nr. 45/08 7. November 2008 | Text: Henning Klingen

Der Ausnahmemusiker Hubert von Goisern tourt derzeit mit seinem neuen Album S'Nix durch Österreich und Deutschland - und präsentiert dabei zugleich die Früchte seiner ausgiebigen Schiffstournee über die Donau. Seine Musik dient auch dem vereinten Europa.

Leinen los. Anker lichten. Segel setzen. Auf zu neuen Ufern. Für Künstler wie für Journalisten ist eine Schiffsreise eine dankbare Angelegenheit. Künstlern eröffnet sie neue Perspektiven, sie hilft, Auge und Denken zu entschleunigen und sich auf die Musik zu konzentrieren. Journalisten eröffnet sie einen wahren Schatz an Metaphern - die manchmal sogar passen können. Und selten passen sie so gut wie im Fall des Ausnahmemusikers Hubert von Goisern, der - kaum zurück von seiner Schiffstournee über die Donau - derzeit mit seinem neuen Album S'Nix durch Österreich und Deutschland tourt.

Immer wieder hat er im Laufe seiner Karriere den Aufbruch zu neuen Ufern gewagt. Die Erfolgsgeschichte der Alpinkatzen etwa brach er Mitte der 90er Jahre bewusst ab, um sich musikalisch von Afrika und Tibet inspirieren zu lassen. Aus beiden Reisen wurden Alben, die den hart gesottenen Hiatamadl-Fan mit offenem Munde zurückließen. 2000 folgte mit Fön die Rückbesinnung auf puristischer arrangierte Jazz- und Bluesrhythmen. 2002 wechselte von Goisern mit Iwasig erneut das Kielwasser, ließ wieder verstärkt Jodler einfließen und sich insbesondere durch eine neue Band mit einem herausragenden brasilianischen Bassisten inspirieren.

"Europäischer Diskurs" durch Musik

Nach der Rückbesinnung auf seine musikalischen Wurzeln mit den beiden Trad-Alben hat von Goisern nun mit S'Nix abermals eine radikale Wendung vollzogen: jazzige Balladen wechseln mit fast schon klassischen Rock-Nummern. Vom Purismus der Fön ist (S')nix mehr zu spüren: breite, flächige Streicher, dominante E-Gitarren, ein extrem hart und auf den Punkt hin abgemischtes Schlagzeug.

Zugleich fährt von Goisern mit S'Nix jedoch auch die Ernte der letzten zwei Jahre ein, in denen der Weltmusiker auf einer Schiffs-Tournee entlang der Donau schipperte. Zwischen Juni und September spielte er auf seiner Schiffsbühne 22 Konzerte in Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Ukraine, Serbien und der Slowakei - den größten Teil davon kostenlos und mit Unterstützung jeweiliger einheimischer Musiker. In diesem Jahr ließ sich von Goisern treiben - und zwar stromabwärts bis nach Rotterdam. Auch auf dieser Tour spielte er wieder rund 30 Konzerte in Österreich, Deutschland und den Niederlanden.

Rückenwind - finanziell wie medial - bekam von Goisern durch "Linz09". Die Kulturhauptstadt ließ sich nicht lumpen und machte die Tournee kurzerhand zu ihrem völker- und kulturverbindenden Vorzeigeprojekt. EU-Kommissar Ján Figel wünschte dem Projekt Glück, Erhard Busek übernahm die Schirmherrschaft, und schon brummte der schwere Schiffsdiesel los, um - wie es im offiziellen "Mission Statement" großspurig heißt - über die Musik "einen europäischen Diskurs in Gang zu bringen, der uns den Kontinent erfahrbar macht". Die Vorstellung eines vereinten, grenzenlosen Europas sei "viel zu schön, um es nicht zumindest zu probieren", übersetzt das von Goisern.

Ein erstes Zwischenergebnis konnte am vergangenen Wochenende bei zwei Konzerten im Wiener Museumsquartier bestaunt werden. Dabei huben die Abende mit einer Warnung an: "Es könnte nicht das drin sein, was ihr vielleicht erwartet", begrüßte von Goisern sein Publikum. Nebelschwaden zogen über die Bühne, zwei Rettungsringe an den Lautsprechern signalisierten, was auf die Zuhörer zukommen würde: eine Wildwasserfahrt auf neuen musikalischen Gewässern mit ungewissem Ausgang.

Obligatorisches "Heast as nit"

Die Band zeigte sich in exzellenter Spiellaune und nach den beiden Schiffstourneen bestens aufeinander abgestimmt. Für exotische Klangvielfalt sorgte die bulgarische Musikerin Darinka Tsekova mit ihrer Gadulka, einem Streichinstrument. Es dauerte eine Weile, bis sich das Publikum auf diese neuen und von Keyboarder David Lackner breitflächig untermalten Klangwelten eingestellt hatte. Doch spätestens mit den ersten Hoadern wie Iawaramoi und Mercedes Benz wurde der Bühnenvorraum zu einer wiegenden Masse, die erst nach drei intensiven Stunden musikalischer EU-Integration und der obligatorischen Heast as nit-Zugabe in die Wogen der Wiener Nacht entlassen wurde.

Es wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen, bis man weiß, ob die musikalische Völkerverständigung auch gesellschaftliche Früchte trägt. Ein schöner Traum bleibt es zumindest - jedenfalls bis Mitte nächsten Jahres. Dann nämlich lädt von Goisern zu einem mehrtägigen Konzertfestival im Linzer Hafen mit allen Künstlern, die während der Tour an Bord gekommen sind.

Alpenrock trifft Weltmusik

Rhein-Zeitung 12. November 2008 | Text: Martina Koch

Mainz: Hubert von Goisern holt das im Sommer abgesagte Konzert nach

MAINZ. Lange Gesichter gab es am Abend des 6. Juli im Mainzer Zollhafen zuhauf: Hunderte Fans warteten sehnsüchtig auf den Alpenrocker Hubert von Goisern, der auf seiner Linz-Europa-Tour mit seinem Konzertschiff in Mainz Station machen sollte, und sie bekamen − Xavier Naidoo.

"Damals ist der Xavier für mich eingesprungen und ich find's super, wie er das gemacht hat", sagt von Goisern, der krankheitsbedingt ausgefallen war, zu Beginn seines Nachholkonzerts in der Rheingoldhalle. Sein Bühnenschiff liegt längst wieder im Linzer Hafen vertäut, nur einige Rettungsringe in der Bühnendeko erinnern noch an das ursprüngliche Projekt der europäischen Flussreise. "Das wird ein langes Konzert heut" Abend, da bin ich mal gespannt, ob ihr das durchsitzt", warnt von Goisern sein Publikum vor − und das zu Recht: Um Punkt acht Uhr stehen er und seine acht Bandmusiker auf der Bühne, um halb zwölf in der Nacht ist die letzte Zugabe noch nicht verklungen.

Dreieinhalb Stunden jodelt, singt, rockt und groovt sich von Goisern durch ein Programm, das vielseitiger kaum sein könnte. Bereits der erste Song des Abends, Showtime von seinem jüngsten Album S'Nix, macht deutlich: Vom Alpenrocker, der die volkstümlichen Melodien seiner Heimat mit rockigen Elementen paart, hat sich von Goisern in den vergangenen Jahren wegentwickelt. "Es gibt kein deutsches Wort für Showtime", ruft er in den Saal und legt los mit einer groovigen Rocknummer. Auseinandertreiben, ebenfalls vom aktuellen Album, kommt mit lässigem Beat daher, der stark an Reggaemusik erinnert, während Herschaun von einem eher ungewöhnlichen Instrument bereichert wird: Darinka Tsekova aus Bulgarien spielt die Gadulka, ein bauchiges Streichinstrument, dessen klagend schrammelnder Klang einen Hauch von osteuropäischer Folklore verströmt.

Auf seinen zahlreichen Reisen durch Asien und Osteuropa hat von Goisern die fremden musikalischen Einflüsse offensichtlich aufgesaugt wie ein Schwamm und daraus über alle Genregrenzen hinweg seine eigene Form der Weltmusik entwickelt. Die Fans des Alpenrockers reiben sich verwundert die Augen: Zwar überzeugen sowohl von Goisern als auch seine fantastischen Musiker durch ihre ungezähmte Spielfreude und ihr beeindruckendes Können, doch eigentlich hätte man auch ganz gern ein paar der gut bewährten Gassenhauer der frühen 90er gehört à la Heast as nit oder Weit, weit weg. Bei dreieinhalb Stunden Programm bleibt aber natürlich auch noch Platz für diese Klassiker des Alpenrocks, bei denen die Fans durch Textsicherheit glänzen. Von Goisern, der Musiker mit den vielen Facetten, lässt an diesem Abend keine Wünsche offen.

Hubert von Goisern: Live in Basel - 9. November 2008

AVO Session 13. November 2008 | Fotos: © Dominik Pluess

Wie eine gleißende Naturgewalt

Allgemeine Zeitung 12. November 2008 | Text: Christopher Scholz

Hubert von Goisern versetzt das Mainzer Publikum in Verzückung

MAINZ. Mit Solide Alm von seinem 1988er Album Alpine Lawine eröffnet Hubert von Goisern den Abend in der Rheingoldhalle. Und genau so, wie eine gleißende Naturgewalt, kommt er auch herabgefahren auf sein Publikum, das ihn so lange schon sehnsüchtig erwartet hat: Spätestens seit Juli, als er auf seiner Linz-Europa-Tour mit seinem Schiff im Zollhafen anlegen sollte, sich dann aber, von einer Grippe übermannt, von Xavier Naidoo vertreten ließ. Kaum zu glauben, dass dieser Österreicher Alpenrocker aus Bad Goisern sich von einem Infekt bremsen lassen kann: Dreieinhalb Stunden lang, ohne Pause, treibt er ein volles Haus in die völlige Verzückung - und Erschöpfung.

Die Nazi-Zeit hat die Volksmusik verhurt, der volkstümliche Schlager sie verschandelt und verkitscht, erklärte von Goisern einst im Interview. Mit ihm und seinem Akkordeon kommen traditionelle Elemente seit über 20 Jahren zu neuen, ruhmreichen Ehren. Dieser Kulturabenteurer, der in Kürze 56 Jahre alt wird, hat seine musikalischen Einflüsse von Kanada über Südafrika bis zu den Philippinen gesammelt. Die vergangenen zwei Sommer schipperte er durch den "Fleckerlteppich" Europa, vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee, um seine Vielfalt zu entdecken, Barrieren überwindend mit der internationalen Sprache der Musik.

Seinem Dialekt nach Herzenslust frönend erzählt er von den Reisen, von den Ängsten der Menschen in Bulgarien vor der EU, von Überschwemmungen, vom überaus langsamen Reisen auf einem Schiff. Wie viel ungebändigte Lust am Musizieren mag sich bei 15 Kilometern pro Stunde aufgestaut haben? Ob funkig, rockig oder volkstümlich, von Goisern sprüht über vor Spiellaune. Und mit ihm - in wahrhaft hervorragendem Sound - seine achtköpfige Band, allen voran drei der Musikerinnen (Elisabeth und Marlene Schuen, Maria Moling), die mit Percussion und Violinen, aber vor allem mit ihren betörenden Stimmen verzaubern. Molings Jodeln dringt durch den Bühnennebel wie der Kriegsgesang einer Alpenamazone. Die vierte Musikerin, Darinka Tsekova, zerreißt förmlich die Luft mit den scharfkantigen Tönen ihrer Gadulka, einem Saiteninstrument aus ihrer bulgarischen Heimat. Die Musik ist so fremdartig wie eine heidnische Geisterbeschwörung, und gleichzeitig so vertraut wie ein traditionelles Kinderlied, zum Mitklatschen und zum Staunen, aber immer berauschend.

Gescheiterte Gipfelstürmer und falsche Propheten

Augsburger Allgemeine 10. November 2008 | Text: Lilo Murr | Foto: ALFA
Hubert von Goisern

Heute in einer Woche wird Hubert von Goisern 56 Jahre alt. Kein Grund für den Oberösterreicher, etwas kürzer zu treten. Ganz im Gegenteil. Beim Konzert in der Sporthalle zeigt sich der Musiker temperamentvoll und neugierig wie immer, als jemand, der sich nach wie vor nicht auf ausgetretenen Pfaden bewegen will. Auf eine Vorgruppe verzichtet er, drei Stunden Konzert füllt er locker mit eigenen Songs. Dabei riskiert er, dass ihm nicht jeder Fan folgen kann. Harrten vor vier Jahren noch 2500 Zuhörer bei strömendem Regen auf der Freilichtbühne aus, fanden den Weg in die Sporthalle am Freitagabend nur noch 1300 Gäste. Denen hat es sehr gut gefallen, viel Beifall gab es am Ende für den Sänger und seine Truppe.

Goisern, der eigentlich Hubert Achleitner heißt, sieht das sportlich. Und serviert seinem Publikum harten Rock wie in Showtime oder eine ziemlich ausgefallene Version von Joplins Mercedes Benz. Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass sind der Kern der aktuellen Band, die aus sehr jungen Musikern besteht. Wahrscheinlich zeigen deshalb die neuen Stücke auch mehr Muskeln als Songs wie Weit weit weg, Fön oder Heast as nit. Wahrscheinlich ist der rockigere Sound auch der Grund, dass Goisern beim Konzert viel seltener zur Ziehharmonika greift, dafür aber auch mal rappt oder eine mitreißende Funk-Nummer serviert.

Trotzdem sind seine Texte auch auf dem neuen Album S'Nix spritzig, witzig und hinterhältig wie eh und je. So spottet er im Weltuntergang über spezielle Propheten und in Sieger über die vielen Gipfelstürmer, die zwar alle nach oben wollen, aber vom Abstieg keine Ahnung haben.

Ein Abend mit Hubert von Goisern bedeutet auch immer eine Entdeckung anderer, meist besonderer Künstler. Diesmal sind es drei Südtirolerinnen, Marlene und Elisabeth Schuen, sowie Maria Moling, die wunderbar singen, geigen und Percussion spielen.

Auch das Balkanland Bulgarien, das der Musiker mit seiner Band auf einer langen Schiffsreise ansteuerte, hat Spuren hinterlassen. Auf der Bühne steht die zierliche Darinka Tsekova und streicht die Gadulka.

Eines ist wieder deutlich geworden. Abende mit Goisern sind immer eine Bereicherung. Dass er seine Zuhörer nicht bedient, sondern auffordert, seinen Weg mitzugehen, spricht für den Oberösterreicher. So gesehen freut man sich schon auf das nächste Konzert mit dem Mann aus Goisern, der inzwischen mit Frau und Kindern in Salzburg lebt.

Hubert von Goisern: Live in Augsburg - 7. November 2008

10. November 2008 | Fotos: © Elli Christl

Es geht drunter und drüber und rockwärts

Heidenheimer Neue Presse 8. November 2008 | Text: Pierre La Qua

Ein abwechslungsreiches Konzert mit neuen und alten Tönen boten
Hubert von Goisern und seine acht Mitmusiker in der Ulmer Donauhalle.

Hubert von Goisern war schon immer für Überraschungen gut. Sein letzter Coup: Die Linz Europa Tour, 2007 im Osten Europas gestartet und später im Westen fortgesetzt. Auf einem Schiff bereiste er dabei die großen Flüsse Europas, begleitet von seiner Band und Musikern der jeweiligen Region. Viele Einflüsse dieser Tour, musikalischer wie inhaltlicher Art, hat der Alpenrocker in sein aktuelles Programm einfließen lassen, mit dem er nun das Publikum in der Ulmer Donauhalle begeisterte.

Pink-Floyd-Rock, Hip Hop, krachlederne Jodler und ein geblasenes Büffelhorn - geht das zusammen? Bei Hubert von Goisern eindeutig ja! Zumindest was den Wildschütz Räp angeht, den er schon vor 15 Jahren mit seinen Alpinkatzen aufgenommen und mittlerweile mit einem bombastischen Rockbeat aufgebohrt hat. Aber auch sonst ging es bei seinem Ulmer Konzert musikalisch drunter und drüber und einmal quer durch das umfangreiche Repertoire des Österreichers. Wobei die Alpen und ihr folkloristisches Brauchtum diesmal wesentlich kürzer treten mussten als gewohnt.

Der Rock dagegen feierte fröhliche Urständ. Die Ankündigung vor dem Konzert hatte das Publikum vorgewarnt: "Das wird der rockigste Hubert von Goisern, den es je gab." Der stark aufgemotzte Reggaebeat von Auseinandertreiben trotz sehnsuchtsvoll geblasener Trompete keineswegs an den von vielen geliebten von Goisern anknüpfen konnte. Doch die Kehrtwende kam prompt. Herschaun, wie die zwei vorhergegangenen Songs ebenfalls aus dem neuen Album SNix, verstörte mit einem für westliche Ohren ziemlich schrägen Intro auf der Gadulka, einer Art Urgeige, und entwickelte sich schnell zum extrem treibenden, tanzbaren Mix aus Balkan- und Raga-Beat.

Unberechenbar wie die Donau zieht Hubert von Goisern alle musikalischen Register. Mal besinnlich mit poetischen Popnummern (Regen) und leicht angejazzten Slow-Funk-Jodlern (Kohler) oder voll auf die Zwölf getimtem Funk- und Disco-Rock (I bi an, Leben). Janis Joplins Mercedes Benz wird mit Dub-Beats, Cajun-Akkordeon und österreichischem Text unterlegt, der langsame Schunkler aus dem inneren Salzkammergut mit Rockattitüde versehen (Benni).

So richtig spannend, mitreißend, originell und vor allem authentisch ist Hubert von Goisern aber immer dann, wenn sich seine Band auf die alpinen Wurzeln besinnt und sich mit volkstümlichen Steirern, Juchitzern und Polkas so richtig tief unter die Haut jodelt. So sehr man sich die Weiterentwicklung eines Künstlers wünscht: Als Rockband kommt Hubert von Goisern nicht wirklich frisch und umwerfend rüber. Nicht, weil man die musikalische Auseinandersetzung mit seinen heimatlichen Wurzeln, die er sonst immer auf eigenwillige Art zu verarbeiten wusste, gewohnt ist, sondern weil er in diesem Metier einfach besser ist. Doch Goisern gelingt immer noch rechtzeitig die Kehrtwende, um damit alte wie neue Fans zu beglücken. Und er erweist sich stets als angenehmer Entertainer, der nie aufdringlich rüber kommt, dessen amüsante Geschichten einen zum Schmunzeln bringen, und der auch politisch etwas zu sagen hat. Etwa dann, wenn er die Meinung jener Einwohner Osteuropas kund tut, die - ganz im Gegensatz zu der hier vorherrschenden Meinung - gar nicht wirklich in die EU wollen, weil sie Angst davor haben, dass ihnen das Wenige, was sie besitzen, dann auch noch weggenommen wird.