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FÖN

"Ich habe nicht vor, auf der Bühne die alten Sachen zu spielen"

Stuttgarter Zeitung 8. November 2001

Hiatamadl. Er kann es nicht mehr hören. Wird das Lied nie wieder spielen. Vor sechs Jahren, auf dem Höhepunkt seines Erfolges, hat er das Alpinkatzenprojekt an den Nagel gehängt, um sich auf das zu konzentrieren, was ihm gefällt und nicht den Fans oder der Plattenfirma. Er reiste nach Tibet und Afrika, spielte dort zwei Alben ein und komponierte Filmmusik. Jetzt meldet sich Hubert von Goisern zurück, legt eine CD vor, die wieder an die Alpinkatzenzeit erinnert. Alex Schütz hat sich in Salzburg mit dem 47-jährigen Künstler unterhalten.

Sie sagten mal , dass Sie es sich nur schwer vorstellen könnten, die alten Hits wieder zu singen. Doch bei der neuen CD hat man das Gefühl, dass Sie sich mit dem Alpinkatzen-Sound wieder angefreundet haben.

Das ist schon eine Fortsetzung von dem, was früher war - aber Fortsetzung im Sinne von Hubert von Goisern und nicht im Sinne der Alpinkatzen. Nach der Arbeit an verschiedenen Filmmusikprojekten sowie den beiden Alben mit tibetischer bzw. afrikanischer Musik wollte ich wieder einmal etwas produzieren, was ganz und gar auf meinem eigenen Mist gewachsen ist, und vor allem etwas, womit ich wieder auf die Bühne gehen kann.

Wann begann die Arbeit an Fön?

Im Oktober 99 begann ich mit dem Komponieren, im Frühjahr habe ich die Musiker zusammengesucht.

Sie haben sich neue Musiker gesucht? Was ist aus den Alpinkatzen geworden?

Reinhard hat mit seinem eigenen Projekt nicht Fuß fassen können, Wolfgang trommelt bei verschiedenen Bands, Stefan produziert Dancefloor-Musik, und die Sabine arbeitet an ihrem ersten eigenen Album. Ich hab reingehört und finde, es ist das Beste, was Österreich zur Zeit in Sachen Pop zu bieten hat.

Sind denn Ihre Exkollegen nicht beleidigt, dass Sie jetzt nicht mehr dabei sind?

Ich kann mir schon vorstellen, dass ihnen das wehtut. Doch, das glaube ich schon.

Wenn Sie auf die vergangenen sechs ruhigen Jahre zurückblicken - inwieweit sind Sie denn ein anderer geworden?

Naja, man wird vielleicht nicht weiser, aber ich habe viele Erfahrungen dazugewonnen, nicht nur in musikalischer Hinsicht. Mein Kern ist sicher derselbe geblieben. Nur die Sprache hat sich verändert, ist feiner geworden. Zumindest hoffe ich das.

Gelitten ist wahrscheinlich der falsche Ausdruck, aber so ganz glücklich waren Sie ja über das Hiatamadl-Image nicht gerade.

Das lag daran, dass der Titel dauernd im Radio lief. Die meisten Leute kannten ja nur das und schlossen so auf den Rest. Daher war es bei den ersten Touren nötig, das zu korrigieren. Aber inzwischen habe ich soviel gemacht - ob das nun Tibet, Afrika oder die Filmmusik zu Schlafes Bruder ist -, dass das Bild, das die Leute von mir haben, dem wahren Hubert schon eher entspricht.

Spätestens bei der Tour 2001 werden die Fans nach den alten Sachen verlangen.

Ja. Aber ich habe nicht vor, die alten Sachen zu spielen, außer Heast as nit das passt einfach. Ansonsten fällt mir nichts ein, was ich da noch singen könnte. Mich reizt jetzt erst mal das Neue, da will ich nicht groß zurückblicken.

War die Arbeit zu Schlafes Bruder ein Befreiungsschlag für Sie?

Das war ein Wunsch vom Sepp Vilsmaier. Nach der Tour war ich damals völlig ausgebrannt und konnte mich nur schwer aufraffen. Aber es war eine tolle Erfahrung. Ich liebe es, Filmmusik zu machen, da kannst du aus dem Vollen schöpfen, musst dir keine Gedanken machen, wie man das auf die Bühne stellen kann.

Sie lieben ja nicht nur Filmmusik, Sie stehen auch gerne vor der Kamera, wie etwa bei Hölleisengretl.

Ich würde wahnsinnig gerne wieder einen Film machen. Ich hab auch einige Angebote bekommen, aber gefallen hat mir keines. Das ging alles in Richtung Bergdoktor. Vielleicht ist es etwas vermessen von mir, aber ich will nichts fürs Fernsehen machen, ich will in einem Kinofilm spielen.

Zu einem neuen Album gehört meistens auch eine Tournee. Sind die Live-Auftritte eine lästige Pflicht für Sie?

Ich wollte wieder auf die Bühne, ein neues Programm schreiben. In dem Fall ist da schon eher die CD ein Nebenprodukt. Wie es mir dann wirklich ergeht, das weiß ich auch noch nicht. Aber ich freue mich darauf, wieder auf der Bühne zu stehen. Ich wünsche mir ein offenes Publikum, und dass wir das neue Programm so spannend bringen, dass die Leute erst am nächsten Morgen merken, dass sie das Hiatamadl' gar nicht gehört haben.

Es gibt mehrere HvG-Fanclubs, einer davon "pilgert'' auch zu Ihrem Elternhaus.

Diese Fanclubs bereiten mir schon manchmal Unbehagen, das hat so etwas Idolhaftes und Kultisches. Das ist für mich zu viel des Guten. Als sie beim letzten Mal nach Goisern gefahren sind, war ich zufällig auch mal da, ehrlich gesagt war das auch sehr schön, aber sonst versuche ich, bei allen Pilgerreisen der Fans, selbst zu verreisen. Ich habe Hemmungen, angehimmelt zu werden.

Sie schwärmen von der Natur, von unberührten Landschaften, stellen Ihre neue CD auf einem Berg in 2200 Meter Höhe vor. Andererseits leben Sie jetzt seit zehn Jahren in Salzburg, in der Stadt.

Auf dem Land kann ich auftanken, aber große Ideen kommen mir da keine. Um kreativ zu sein, brauche ich ein urbanes Umfeld. Der beste Nährboden ist Salzburg allerdings auch nicht, weil das auch eine in sich schon ziemlich perfekte Stadt ist. Wenn man da auf dem Mönchsberg oben steht, denkt man sich: Hau ab, da gibt's nichts mehr, was du machen kannst. Höchstens eine Bombe werfen, was wegsprengen, um Platz für Neues zu machen. Aber ich bin kein Sprengmeister. Da gehe ich lieber in meine inneren Räume.

Und es zieht Sie nicht wie viele Kreative plötzlich nach Berlin oder London?

Natürlich hätte ich da andere Einflüsse, andere Musiker. Aber gerade bei dieser Produktion wollte ich aus meinem Ur-Innersten schöpfen, da brauche ich keine große Umgebung, sondern einfach nur ein Instrument, egal welches. Und meine Stimme. Ich texte auch gerne in öffentlichen Verkehrsmitteln. Da kannst du dich an nichts festsaugen, weil alles an dir vorüber zieht.

Ganz ehrlich: Hatten Sie jemals gewollt, einmal so bekannt zu werden?

Ich wollte schlicht und einfach berühmt werden. Das wollte ich. Ob und wie ich das erreichen kann, war mir absolut schleierhaft. Und dann ist es doch passiert. In erster Linie wollte ich von Musik leben, das war mein Traum. Damit einher ging so ein nebulöses Gefühl, dass die Leute sich auf der Straße nach mir umdrehen und sagen würden: Das ist er. Jetzt weiß ich, dass das nicht nur angenehm ist. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Aber ich mag es so, wie's ist.

In Wien läuft Falco, das Musical. Wünschen Sie sich so etwas auch posthum?

Was nach mir ist, ist mir jetzt ziemlich wurscht und danach ganz sicherlich. Österreich hat ja nicht so viele Stars, da stürzen wir uns halt auf die Leichen.

Viele Künstler in Österreich protestieren gegen Haider. Von Ihnen hört man zu dem Thema wenig.

Da sind Sie aber nicht gut informiert. Ich habe mich schon engagiert, bevor es überhaupt zu dieser Situation gekommen ist. Das hat sich alles schon vor zehn Jahren angedeutet. Daher habe ich auch nicht das Gefühl, dass es jetzt wichtiger wäre, sich besonders hervorzutun. Und irgendwie hat die neue Situation auch was Gutes. Jetzt ist wenigstens das politische Bewusstsein in unserem Land gestiegen. Vorher war das Interesse an Demokratie und warum man wählen gehen soll, gleich null. Wegen dieser Ignoranz in Bezug auf die politischen Vorgänge kam es ja zur jetzigen Situation, und das hat die Leute schon ein bisschen aufgerüttelt. Mal schaun, was dabei rauskommt. Auf jeden Fall hoffe ich, dass es uns gelingt, diesen Menschen zumindest von der bundespolitischen Ebene weiterhin fern zu halten. Eine Rolle als österreichischer Franz Josef Strauß ist peinlich genug für unser Land, vor allem für die Kärntner, aber noch erträglich.

Nicht nur Muskeln

tz Kultur - 4. November 2000 | Text: Marco Schmidt | Foto: Stefan Prager

tz-Gespräch mit Hubert von Goisern zu seiner neuen CD "Fön"

Hubert von GoisernAnfang der 90er hat er die Volksmusik-Szene aufgemischt: Mit seinen Alpinkatzen bewies Hubert von Goisern, dass man, wie er sagt, "sehr wohl die alpenländische Tradition fortführen kann, ohne ein Ewiggestriger zu sein". Auf dem Höhepunkt des Ruhms stieg er vor sechs Jahren plötzlich aus, um wieder mehr Zeit für seine Familie zu haben. Nach diversen Filmmusik-Kompositionen und Ausflügen in die tibetische und afrikanische Musik ist er nun mit dem am Montag erscheinenden Album Fön zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Mit dem 48-jährigen Pionier der modernen Volksmusik sprach tz-Mitarbeiter Marco Schmidt.

Sie schreiben im Beiheft zur neuen CD, Sie hätten Zeit gebraucht, um sich zu "erden". Dabei haben Sie doch schon immer einen recht "geerdeten" Eindruck gemacht ...

Na ja, im letzten Jahr des Erfolgs mit den Alpinkatzen habe ich schon sehr abgehoben, glaube ich. Man verliert einfach den Kontakt zur Realität, wenn man jeden Tag in einem anderen Hotel ist und die Leute einem jeden Wunsch von den Augen ablesen - da vergisst man, wie es ist, sich durchsetzen zu müssen.

Wie hat sich Ihre Musik im Vergleich zur Alpinkatzen-Zeit geändert?

Ich wollte eine feinere Klinge ziehen. Die Alpinkatzen waren eher rockig, und das war gut so. Aber jetzt wollte ich mit neuen Musikern zeigen, dass man's nicht nur mit Muskeln machen muss, dass man sich auch differenzierter ausdrücken kann.

Sie sind viel gereist, haben in Südafrika und Kanada gelebt - was bedeutet Heimat für Sie?

Heimat ist für mich da, wo man sich traut, etwas zu kritisieren. Je mehr ich meckern kann, desto heimatlicher fühle ich mich. Wenn ich mir irgendwo als Gast vorkomme, dann traue ich mich weniger. Man sieht das auch daran, wie Österreich auf die an sich berechtigte Kritik aus der EU reagiert hat: Kritik gesteht man nur einem Mitglied der Familie zu, nicht einem Außenstehenden.

"Ich muss schnell von da weg", singen Sie in dem Lied Kalt, in dessen Text sich verschlüsselte Zitate von Jörg Haider finden - wäre er als Bundeskanzler für Sie ein Auswanderungsgrund?

Nein. Weg wollen würde ich erst dann, wenn ich nicht mehr sagen könnte, was ich denke: wenn es Zensur gäbe, Andersdenkende verfolgt würden und ich zum Beispiel um meine Familie fürchten müsste. Aber ich glaube nicht, dass es in Österreich so weit kommt.

Im Titelstück der CD heißt es: "Alles was Du willst, das geht - wenn Du nur weißt, was Du willst." Wissen Sie's?

Ja, mal mehr, mal weniger. Wunschloses Glück gibt es für mich nur in ganz kurzen Momenten - ich brauche meine Träume und Wünsche um Sinn in meinem Leben zu finden. Ich bin einfach noch nicht so weit wie Buddha!

Hören Sie mal

Mit Fön ist Hubert von Goisern sein bisher reifstes und stimmungsvollstes Werk gelungen. Einmal mehr hat er die alpenländische Volksmusik harmonisch und rhythmisch erweitert: Hatten seine Alpinkatzen noch auf ungeschliffene Rock-Power gesetzt, so steuern seine neuen Musiker nun filigrane, groovige Jazz-Klänge bei. Bezaubernde Liebesliederfinden sich hier neben bluesig angehauchten Nummern, Reggae-Rhythmen und einer frech umgetexteten Version des Janis-Joplin-Klassikers Mercedes Benz. Unerhört, was Hubert von Goisern mit seiner diatonischen Ziehharmonika und vor allem mit seiner Stimme anstellt. So außergewöhnlich hat noch keiner gejodelt! Ein höchst atmosphärisches Album, in das man immer und immer wieder eintauchen möchte - einfach großartig!

In jeder Nummer eine Geschichte

Hilpoltsteiner Kurier - 6. November 2000

Interview mit Hubert von Goisern über seine neue CD

München (DK) Hiatamadl mag er keinen mehr - zumindest nicht auf der Bühne. Seinen größten Hit will der "Alpenrocker" Hubert von Goisern auf der Tournee im Frühjahr nicht mehr live spielen. An anderen Facetten seiner neuen Volksmusik hat er aber wieder Gefallen gefunden. Fast auf den Tag genau sechs Jahre nach dem letzten Konzert mit den Alpinkatzen veröffentlicht Hubert von Goisern heute, Montag, seine neue CD Fön. Nach Ausflügen in die Weltmusik ist er nun wieder zu einer eigentümlichen Mischung aus Pop- und Volksmusik zurückgekehrt. Allerdings unter veränderten Vorzeichen: Statt rockiger Elementen kommen auf Fön verstärkt Jazzeinflüsse zum Tragen. Mit Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern sprach unser Redaktionsmitglied Markus Schwarz.

Herr Achleitner, Sie wirken müde. Bereuen Sie das Comeback schon? Es ist ja mit jeder Menge Stress verbunden.

Nein, ich freue mich narrisch, bald wieder auf der Bühne zu stehen. Aber ich hatte heute schon den ganzen Tag Interviews, und morgen muss ich um 7 Uhr am Flughafen sein. Solche PR-Geschichten sind nun mal nicht gerade die groovigsten.

Ist Fön Ihrer Meinung nach eher ein Neuanfang oder eher eine natürliche Weiterentwicklung?

Eher eine Weiterentwicklung. Auf der neuen Platte habe ich das umgesetzt, was ich mir schon vor sechs Jahren in etwa vorgestellt hatte. Schon damals wollte ich in eine funkigere, souligere, karibischere Richtung gehen. Und so ist es letztendlich auch gekommen.

Aber Ihre Erfahrungen während der letzten sechs Jahre, die Reisen nach Afrika und Tibet spiegeln sich doch sicher auch auf der Platte wider?

Jeder Mensch wird durch viele Dinge beeinflusst. Aber er bleibt trotzdem derselbe. Die Erlebnisse der letzten Jahre stecken in mir drin, gehen mit mir mit und finden sicher auch irgendwo ihren Niederschlag in meiner Musik. Aber ich kann es nicht genau festmachen, kann beim besten Willen nicht sagen: Der Teil meiner Erlebnisse kommt in diesem Stücke zum Vorschein, der Teil in dem.

Wenn Sie beginnen, ein Lied zu schreiben, haben Sie also noch keine konkreten Vorstellung davon, was daraus wird?

Nein, da gibt's keinen Plan und keine Konstruktion. Wenn man schreibt, denkt man nicht nach. Das ist, wie wenn man in einen Fluss springt und sich treiben lässt. Beim neuen Album habe ich größtenteils erst die Musik geschrieben, dann die Texte. In jeder Nummer steckt eine Geschichte, die du erzählen willst, oder eine innere Befindlichkeit, die du damit ausdrücken willst. Die musst du aus der Melodie herauskitzeln.

Gibt es da noch Platz für Ihre Mitmusiker, um sich einzubringen?

Ich bin nicht der, der jedem vorschreibt, was er zu tun hat. Ich schreibe die Nummern und gebe die Rechtung vor. Dann aber soll sich jeder einbringen und die Musik mitgestalten. Ich suche mir meine Musiker so aus, dass sie nicht nur menschlich, sondern auch musikalisch zu meinen Projekten passen.

Was aber nicht zum neuen Projekt passt, sind die alten Hits, allen voran das Hiatamadl?

Es gibt durchaus alte Stücke, die ich wieder spielen möchte. Ich habe auch Hiatamadl immer wieder gern gespielt. Aber ich habe damit aufgehört, als der Punkt erreicht war, wo es keinen Spaß mehr gemacht hat.

Hubert macht etwas

Sound + Media November 2000 | Fotos: Sound + Media

Hubert von Goisern"Gar nix denga, is so schwa!" singt Hubert von Goisern auf seinem neuen Album Fön. Daß man mit dem pointierten Formulierer nie in solche Verlegenheit kommt, kann jeder bestätigen, der das Vergnügen eines persönlichen Gesprächs mit dem Volksmusik-Star hatte.

Auf Fön tragen Elemente des Blues, Jazz, Funk bis hin zum obligaten Jodler zum Facettenreichtum der Musik bei. In welches Genre soll man das Album einreihen?

Ich habe kein Plattengeschäft und brauche mir deshalb darüber keine Gedanken machen. Ich habe den Anspruch, daß es einfach ein Fach für Hubert von Goisern gibt. Ich bin die letzten Jahre viel gereist, dadurch und auch womit man sich auch sonst beschäftigt, ist die Mischung zusammengekommen.

Aufgrund der vielen verschiedenen Stile kann man das Album sicher nicht als rundes Ganzes bezeichnen?

Das ist ja das Schöne daran. Jeder Tag ist eigentlich unrund, weil so viele Sachen passieren: etwas, was man 30 Minuten vorher macht, hat mit dem gar nichts zu tun, was ich jetzt im Augenblick verrichte. Der Alltag besteht aus Brüchen und Kanten und diese ereignen sich durch die Person. So kann man mich als den roten Faden auf der CD bezeichnen.

Woher stammt die Liebe zur Volksmusik?

Ganz früher, als Bub ging sie mir auf die Nerven, je älter ich wurde und je mehr ich unterwegs war und Traditionen anderer Länder kennen- und schätzen gelernt habe, ist auch die Verbundenheit mit der Heimat zurückgekommen. Außerdem ist die österreichische Volksmusik mit einem gewissen Tabu belegt und es gibt für einen Künstler nicht schöneres, als an einem Tabu zu kratzen.

Spricht Ihre Musik auch die Menschen außerhalb Österreichs oder Bayerns an?

Wir haben Konzerte in Berlin und Hamburg gespielt und ich weiß nicht, ob das alles Leute waren, die gerne in Österreich Urlaub machen und daher zum Konzert gekommen sind. Es ist sicher für Menschen, die nicht aus dem alpinen Raum kommen, exotische Musik. So wie Sachen die aus Afrika kommen für uns exotisch sind, wir sie jedoch gern hören. Zwar kann man unsere Texte in anderen Gebieten nicht verstehen, aber ich habe bei meinen Konzerten gemerkt, daß die Leute die Musik verstanden haben. Natürlich transportiert man mit Musik auch immer ein gewisses Gefühl.

So wie der Retsina in Griechenland am besten schmeckt?

Ja, so wie der Heurige da am Besten schmeckt, wo er gewachsen ist. Es gibt Dinge, die reisen besser, es gibt Weine aus der neuen Welt, die schmecken auch bei uns sehr gut und ich möchte, daß meine Musik zu den Dingen zählt, die auch sehr gut reisen können.

Die Texte sind äußerst aktuell und deutlich. Wie lief eigentlich der Entstehungsprozess ab?

Ich habe im Oktober 1999 zu komponieren begonnen, habe bis in den Winter hinein komponiert und hatte monatelang Angst vor den Texten. Mir liegt die Musik näher als der Text, ich bin in erster Linie Musiker, das ist meine Sprache. Ich habe oft die Befürchtungen, daß ein Text zu banal ist und die schöne Melodie zerstört. Es geht darum, Texte menschlich genug zu halten, um auch dem Zuhörer für die eigenen Phantasien, Erlebnisse und Gefühle genug Platz zu bieten.

HvG und BandIst HvG ein Frauenschwarm, weil er viele Sachen besingt, die Männer generell nicht zur Sprache bringen?

Mir gelingt dieses Aussprechen im Alltag auch nicht immer. Eine Produktion in einem Studio ist eigentlich ein sehr geschützter Rahmen, wo du in deinen eigenen inneren Räumen eine imaginäre Kommunikation führst, die dann in der Realität nicht so direkt funktioniert. In den zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es unheimlich viele Missverständnisse, vielleicht sind sie mittels Musik leichter zu beheben. Theoretisch macht man sich lange Gedanken, in der Praxis redet man oft, bevor man denkt.

Sie sind ein Mensch, der politisch immer wieder um Stellungnahme gebeten wird. Inwieweit gehört das zu Ihrer Arbeit?

Ich glaube, wenn jeder sich nur egoistisch auf seine eigenen Interessen zurückziehen würde, wäre ein Miteinander nicht möglich. Ich möchte da Adorno zitieren. "Das Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn, dem man, damit es nicht zu einem Streit kommt, auf ein paar Sätze zustimmt, von denen man auch weiß, daß sie schließlich auf den Mord hinauslaufen müssen, ist schon ein Stück Verrat!" Das ist es im Grunde genommen. Jeder soll seinen Beitrag leisten und jeder leistet ihn auch, ob das jetzt bewusst geschieht oder nicht. Auch durch Nichtssagen leistet man einen Beitrag, daß Dinge einfach weiterlaufen können, die unrecht sind.

Viele Künstler verweigern diesen Dialog, in dem sie sich nur auf ihre Musik zurückziehen?

Ich glaube, das ist zu wenig, denn Macht braucht Kontrolle und das ist eben genau dieses Nachdenken über gewisse Zusammenhänge. Erst anfangen, wenn es quasi zu spät ist? Wann ist es denn zu spät? Wenn man nicht erkennt, dass wir im Grunde genommen auf Kosten von anderen "unseren Film abziehen" und in Wohlstand leben, dann ist es für mich nur erträglich, wenn ich mich auch um diese Sachen kümmere und meinen Beitrag dazu leiste. Ich muß in Worte fassen, was mir nicht gefällt und mein Leben, so gut es geht, vorbildlich leben. Es anderen vorzuwerfen, finde ich immer sehr kritisch, aber es aufzuzeigen finde ich notwendig.

Entspannungs-Fön

WOM Journal 11 / 2000 | Text: Daniel Rot

Nach Hirtenmädchen und Tibet-Lamas hat Hubert von Goisern nun das Jazz-Gebläse entdeckt

Hubert in GombeDem österreichischen Schulsystem hat die deutschsprachige Pop-Welt weit mehr zu verdanken als bisher gedacht. Als der Herr Achleitner alias Hubert von Goisern im letzten Jahr die Jugend seiner Heimat unentgeltlich an die schönen Künste heranzuführen trachtete, da war der Schreck für den Musikanten aus dem Salzkammergut ein großer. "Für diese Kinder ist das Singen etwas ganz und gar Unnormales, die haben überhaupt kein Repertoire mehr und auch keine Hilfe von den Lehrern." Das Einzige, was leidlich funktionierte, "waren unsere Volkslieder. Die sind wohl irgendwie in uns drinnen, ob wir sie nun kennen oder nicht." In ihm allemal. Weil nämlich das ganze Land gewartet hat auf Neuigkeiten seines Helden, nachdem dieser vor sechs Jahren seine Alpinkatzen zur Vergangenheit erklärte und nur ein paar preußische Uneingeweihte dabei gleich auch an das Ende seiner Karriere glaubten. Doch er jodelt nicht nur wieder und pflegt das Akkordeon und den alpinen Wortwitz - er jazzt nun auch, ohne mit der Wimper zu zucken. Fön heißt sein neues Album und hat heftige Nebenwirkungen - bloß eben ganz andere als der berüchtigte laue Bergwind. "Zumindest das vage Gefühl habe ich", schleicht Hubert um konkrete Erklärungen herum, "dass ich subtiler geworden bin und mit der feineren Klinge arbeite." So viel Demut ist unangebracht, denn Fön bläst wie kein Goisern-Album zuvor. Und so schön wie er hat niemand je Österreichisch gesungen. Höchstens im Suff.

Interview - Hubert von Goisern

Kurier 29. Oktober 2000

Nach musikalischen Ausflügen nach Tibet und Afrika geht es auf Ihrer neuen CD Fön wieder zurück zu Bodenständigem.

Eigentlich wollte ich zwei Jahre nach dem Alpinkatzen-Aus wieder auf die Bühne zurück. Sechs sind es geworden. Fad war mir aber nie: Ich habe Filmmusik geschrieben, bin viel gereist und habe meine Erfahrungen in den CDs Inexil und Gombe wiedergegeben.

Wie bauen Sie Stress ab?

Zum Beispiel durch Kochen: In aller Ruhe einkaufen gehen, ein gutes Essen zubereiten, ein, zwei Glaserln Rotwein dazu.

Sind Sie ein Genussmensch?

Ja, aber ebenso wichtig ist mir die Entsagung. Denn ein ständiger Genuss ist kein Genuss mehr.

Welche Rolle spielt die Familie in Ihrem Leben?

Sie ist das Zentrum. Sie holt mich herunter, wenn ich abzuheben drohe. Meine zwei Kinder halten mich auch körperlich fit. Mit ihnen gehe ich schwimmen, klettern und auf Skitouren.

Wie wichtig ist Ihnen Erfolg?

Er ermöglicht mir, die Dinge zu tun, die mir wichtig sind - ohne denken zu müssen: Kann ich mir das leisten? Ich habe etwa das vergangene Jahr freiwillig Musikunterricht in einer Salzburger Hauptschule gegeben, ohne Lehrplan. Eine tolle Erfahrung, aus der ich viel Kraft geschöpft habe.

Hatten die Kinder großen Respekt vor ihrem neuen Lehrer?

Überhaupt nicht. Kinder sind sehr direkt, das ist nicht immer leicht. Wenn man da schwächelt, kann die Situation leicht explodieren.

Was ist Ihr Lebensmotto?

Das zu tun, wovon man überzeugt ist. Ich halte nichts von Taktik. Je direkter, desto lieber.

Gibt's schon neue Pläne?

Ich arbeite an einer CD mit alten österreichischen Volksliedern. Vollkommen unpathetisch, ohne Zithern und Harfen.

Star Talk: Hubert von Goisern

MusicNews - 11/2000

Sein Abschied von der Bühne vor sechs Jahren löste Irritationen aus: Mitten auf dem Steilflug zu den Spitzen des Karrierehimmels sagte er leise Adieu und zog sich zurück. Aber Hubert von Goisern gehörte schon immer zu den Künstlern, die für die Buchhalter in den Plattenkonzernen schwer abschätzbar sind. Zuerst machte er sie mit einem abgedrehten Volkslied, das von einem Hiatamadl handelte, reich, um schließlich für sich und seine Alpinkatzen das Licht im Aufnahmestudio auszudrehen und zu Jane Goodall nach Ostafrika und zum Dalai Lama zu reisen.

Nebstbei schrieb er noch zum Erfolgsfilm Schlafes Bruder die Musik. Aber die Lust auf der Bühne zu stehen hat ihn nie ganz losgelassen und schließlich wurde sein brandneues Album Fön das Transportmedium, sich die Sehnsucht nach Gigs zu erfüllen. Ab 3. März wird Hubert von Goisern wieder auf Tour sein.

Der Winter kommt, die Zeit des Föns wird rar. Magst du den Winter?

Sehr. Ich bin begeisterter Skifahrer. Früher habe ich praktisch für den Winter gelebt. Inzwischen bin ich älter, da mag ich den Sommer auch sehr gern.

Einer deiner eindrucksvollsten Songs handelte von der Zeit, der man zuhören kann, wie sie vergeht. Denkst du manchmal daran, wie rasch die Zeit verfliegt?

Ja, natürlich. Meine Kinder gehen zur Schule, da bekommen die Dinge plötzlich eine neue Bedeutung.

Erzähle uns bitte einmal, wie du lebst.

Gar nicht spektakulär. Ich habe eine kleines, altes Haus am Waldrand in Goisern. Ich habe einen Kachelofen, ein Zimmer, in dem ich arbeite. Wenn nötig, kann ich mit ganz wenig Mitteln sehr gut überleben.

Bist du glücklich?

Ja. Rundum glücklich. Ich kann die Dinge tun, die ich tun will und vor allem kann die Dinge sein lassen, die ich nicht tun will.

Mit deinem neuen Album zeigst du eine gravierende Weiterentwicklung, da kommen Jazz- oder Soul-Ansätze ins Spiel, das wird einige der alten Goisern-Fans verblüffen. War die die Volksmusik, wie du sie gemacht hast, zu langweilig, oder ist da auch Provokation dabei?

Ein kleines Stück Provokation spielt sicherlich eine Rolle. Ich lasse mich nicht gern einfangen. Ich habe mir ursprünglich selbst das Ziel gesetzt, erst dann wieder auf die Bühne zu gehen, wenn ich mich weiterentwickelt habe.

Was sind deine nächsten Pläne?

Vor allem freue ich mich auf die Tour im nächsten Frühjahr. Dieser direkte Kontakt zum Publikum ist etwas unglaublich Aufbauendes, Befriedigendes. Ich würde auch gern wieder Filmmusik schreiben. Und einmal eine Oper. Aber heute ist die Oper vielleicht überholt, es gibt andere Formen der Erzählung. Der Film kommt den, was ich meine, am nächsten. Ich habe auch schon einmal überlegt, eine Tibet-Oper zu machen. Diese Opern sind bei uns nicht aufführbar, weil sie drei bis fünf Tage dauern. Man kann niemandem zumuten, mit Lunchpaketen und Feldbett für fünf Tage in der Oper zu verschwinden. Andererseits sind die Opern auch nicht zu kürzen. Also müsste man etwas Neues komponieren.

Wirst du auf deiner neuen Tour das Hiatamadl im Programm haben?

Nein.

Und wenn das Publikum danach verlangt, wirst du es nicht spielen?

Ich kann's mir net vorstelln. Ich will das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, was vorbei ist, ist vorbei ist.